VG Berlin, Beschluss vom 19.12.2013 - 3 L 1220.13
Fundstelle
openJur 2014, 4846
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Entfernung einer pdf-Kopie von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ von der auf dem Server der Antragsgegnerin betriebenen Website des Antragstellers  zu unterlassen und eine Sperrung des allgemeinen Zugangs zu dieser Website rückgängig zu machen,

hat keinen Erfolg.

Mit dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung würde das Ergebnis eines auf das gleiche Ziel gerichteten Hauptsacheverfahrens vorweggenommen. Eine solche grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ist mit Rücksicht auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise nur dann geboten, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre (Anordnungsanspruch) und dem Rechtsschutzsuchenden schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind schon ausgehend von der Antragsbegründung nicht erfüllt.

Zum einen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin eine noch bestehende Sperrung des allgemeinen Zugangs zu seiner Website vorgenommen hat. Aus dem von ihm zitierten, am 13. Dezember 2013 erhaltenen Schreiben der Antragsgegnerin geht vielmehr hervor, dass von der Website lediglich die pdf-Datei „Mein Kampf“ entfernt wurde. Zugleich sicherte die Antragsgegnerin zu, eventuell darüber hinaus erfolgte, nicht notwendige Löschungen nach Überprüfung rückgängig zu machen. Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller keinerlei berechtigten Anlass hat zu verlangen, dass der Antragsgegnerin in einem Eilverfahren aufgegeben wird, eine Sperrung des allgemeinen Zugangs zu dieser Website rückgängig zu machen, zumal die Antragsgegnerin den Antragsteller in dem o. g. Schreiben „dringend gebeten“ hatte, bei der Löschung der besagten Datei mitzuwirken. Damit räumte sie dem Antragsteller die Möglichkeit ein, Einfluss darauf zu nehmen, dass keine weitergehenden Löschungen erfolgen und dass insbesondere eine Sperrung des allgemeinen Zugangs zu seiner Website verhindert wird.

Bezüglich der Entfernung der pdf-Kopie von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ von seiner Website hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass ihm durch ein Abwarten auf die Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren schwere und unzumutbare Nachteile drohen würden, so dass ein Anordnungsgrund fehlt.

Aber auch ein Anordnungsanspruch steht ihm insoweit nicht zur Seite; denn es ist nicht ersichtlich, dass ein auf ein entsprechendes Begehren gerichtetes Klageverfahren voraussichtlich erfolgreich sein würde.

Die Antragsgegnerin hat die Entfernung der pdf-Datei damit begründet, dass das Bayerische Staatsministerium der Finanzen unter Androhung rechtlicher Schritte Entsprechendes verlangt habe und dass sie sich zum sofortigen Handeln gezwungen gesehen habe, um wegen der (durch die Publikation des Hitler-Werkes eintretenden Urheber-) Rechtsverletzung nicht in Anspruch genommen zu werden.

Dem gegenüber kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf seine Wissenschaftsfreiheit oder darauf berufen, dass allenfalls er selber, nicht aber die Antragsgegnerin, in Anspruch genommen werden könne. Nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin zwar nicht unmittelbar verantwortlich für den Inhalt der vom Antragsteller auf ihrem Server betriebenen Website ist, weil sie diese weder (mit-)gestaltet noch sich auf sonstige Weise zu eigen gemacht hat und daher nicht ohne weiteres auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann; denn sie hat dem Antragsteller, der sich (im vorläufigen Rechtsschutzverfahren VG 3 L 507.13 und im Klageverfahren VG 3 K 764.13) als außerplanmäßiger Professor auf ein aus § 119 BerlHG abgeleitetes Recht berufen hatte, „mit Unterstützung des universitären Rechenzentrums im Internet zu publizieren“, lediglich Plattform und Speicherplatz zur Verfügung gestellt, damit er auf der o. g. Website selbstverfasste Beiträge hinterlegen kann, ohne dass sie sich eine redaktionelle Kontrolle vorbehalten hätte.

Gleichwohl war sie als sogenannter Host-Provider bzw. wegen einer damit vergleichbaren Stellung berechtigt, die besagte pdf-Datei zu entfernen, um einer Störerhaftung nach den Grundsätzen zu entgehen, die der Bundesgerichtshof in den Entscheidungen „Blog-Eintrag“ (GRUR 2012, 311 Tz. 20 ff.) und „RSS-Feeds“ (NJW 2012, 2345 = GRUR 2012, 751 Tz. 17 ff.) für Host-Provider aufgestellt hat, welche die technische Infrastruktur und den Speicherplatz für Blogs zur Verfügung stellen oder ein Informationsportal betreiben. Danach ist der Host-Provider zwar nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf evtl. Rechtsverletzungen zu überprüfen, er wird jedoch verantwortlich, sobald er Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Host-Provider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist dieser verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern, wenn der Hinweis hinreichend konkret ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 02. Oktober 2013 – 4 U 78/13 –, juris, m.w.N.). Die Antragsgegnerin hätte nach diesen Maßgaben selbst gemäß § 97 Abs. 1 UrhG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können; denn nachdem der in Bayern gelegene Nachlass Hitlers gemäß Art. 37 des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 vollständig eingezogen worden war und die Bezirksfinanzdirektion München am 26. Januar 1965 unter anderem die Urheberrechte an „Mein Kampf“ dem Freistaat Bayern übertragen hatte (vgl. OLG München, Urteil vom 14. Juni 2012 – 29 U 1204/12 –, juris, m.w.N.), hatte die Antragsgegnerin zu Recht zu befürchten, von dem den Freistaat Bayern vertretenden Bayerischen Staatsministerium für Finanzen als Inhaber der urheberrechtlichen Verwertungsrechte an Hitlers „Mein Kampf“ wegen einer Urheberrechtsverletzung belangt zu werden.

Von daher steht dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Vielmehr hat er die Entfernung der besagten pdf-Datei von seiner Website zu dulden, unabhängig davon, ob er sich zu Recht darauf beruft, dass er aus dem Text von „Mein Kampf“ nicht nur habe zitieren dürfen (was ggf. in dem nach § 51 UrhG möglichen Umfang zulässig gewesen wäre), sondern dass er das gesamte zweibändige Werk aus wissenschaftlicher Notwendigkeit als „reine Text-Referenz“ auf seiner Website der Öffentlichkeit habe zugänglich machen dürfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.