OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.01.2014 - 7 A 1066/11
Fundstelle
openJur 2014, 3988
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer Baugenehmigung für die Änderung eines Einzelhandelsbetriebs in einen Gastronomiebetrieb.

Die Klägerin betreibt im Erdgeschoss des Gebäudes G. 13 in L. (Gemarkung L. , Flur 5, Flurstück 1275/617) das "F. ". Dort werden im Wesentlichen Speisen und Getränke zum Verzehr außer Haus verkauft. Es liegt eine Baugenehmigung der Beklagten vom 21. September 2006 für einen Einzelhandelsbetrieb im Erdgeschoss des Gebäudes vor. Das im Eigentum des Herrn N. H. C. stehende Grundstück hat eine Grundfläche von 34 qm und ist vollständig mit einem dreigeschossigen Gebäude bebaut, das unter Denkmalschutz steht.

Das Grundstück G. 13 liegt im Geltungsbereich des am 5. Juli 2005 beschlossenen Bebauungsplans der Beklagten Nr. 67452/14 - Groß St. N1. .

Der Plan wurde im November 2013 - mit Rückwirkung zum 20. Juli 2005 - erneut bekannt gemacht. Hierbei wurde darauf hingewiesen, dass die in Bezug genommenen DIN-Vorschriften bei der Beklagten eingesehen werden können. Der Plan setzt für den überwiegenden Teil des südlichen Teils des Plangebiets zwischen der am Rheinufer verlaufenden G. im Osten, der T.---gasse im Norden, dem I.--markt im Westen und der N2.-------gasse im Süden - und auch für das Grundstück G. 13 - ein besonderes Wohngebiet fest. Im besonderen Wohngebiet sind nach Maßgabe näherer Regelungen u. a. im Bereich zwischen G. 17, N2.-------gasse und C1.-----markt , in dem die Klägerin das "F. " betreibt, in den Erdgeschossen Läden (außer Sex-Shops) sowie Geschäfts- und Büroräume zulässig, Schank- und Speisewirtschaften können ausnahmsweise zugelassen werden. Ziel des Plans ist es nach der Satzungsbegründung, im Plangebiet des N3. insbesondere die Wohnnutzung zu erhalten und fortzuentwickeln. Hierzu wird für den Bereich zwischen G. 17, N2.-------gasse und C1.-----markt festgestellt, Schank- und Speisewirtschaften sollten wegen ihres nicht unerheblichen Störpotentials begrenzt werden; sie seien bereits in einem Umfang vorhanden, dass zur Vermeidung eines städtebaulichen Missstands nur die ausnahmsweise Zulässigkeit gerechtfertigt sei. Im Anschluss finden sich nähere Erwägungen dazu, unter welchen Voraussetzungen eine ausnahmsweise Zulassung von Schank- und Speisewirtschaften in Betracht kommt. Danach bedarf es u. a. des Nachweises im Genehmigungsverfahren, dass bei Betriebsänderungen oder Erweiterungen keine Störungen der Wohnnutzung am Standort insbesondere durch merkbar höhere Immissionen durch Lärm und Gerüche eintreten. Bei Neuerrichtung ist Voraussetzung, dass gleichzeitig ein gleichwertiger Betrieb im gleichen Bereich aufgegeben und der genannte Nachweis geführt wird.

Die Klägerin beantragte im Mai 2007 bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungserweiterung eines vorhandenen Einzelhandelsbetriebs ("Baguetterie") in Gastronomie ohne Alkoholausschank mit Stehtischen im Innenbereich und Außengastronomie mit Sitzplätzen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 17. September 2007 ab. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Köln durch Urteil vom 16. Juni 2009 - 2 K 4293/07 - ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Erteilung einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans komme nicht in Betracht, weil das Vorhaben mit der Zielsetzung des Bebauungsplans, wie sie sich aus dessen Begründung ergebe, nicht in Einklang stehe. Dieses Urteil wurde rechtskräftig.

Am 2. Februar 2010 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen neuen Bauantrag, mit dem sie eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer vorhandenen Baguetteria im Rahmen eines Einzelhandelsbetriebs in eine Baguetteria mit gaststättenrechtlicher Erlaubnis (Bewirtung von Gästen innerhalb des Gewerberaums/Gastraums im Erdgeschoss) "ohne bauliche Veränderungen" begehrte.

In der Betriebsbeschreibung wurde ausgeführt, es sollten warme und kalte Speisen zum Verzehr innerhalb des Gastraums zubereitet und die Gäste innerhalb des Gastraums mit Speisen und alkoholischen sowie nichtalkoholischen Getränken bedient werden, der Betrieb solle an Werktagen von 11.30 Uhr bis 22.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 12.00 Uhr bis 22.00 Uhr erfolgen. Ferner begehrte die Klägerin einen Dispens von den Festsetzungen des Bebauungsplans Groß St. N1. und machte geltend, dessen Durchführung führe zu einer offensichtlich nicht beabsichtigten Härte. Hierzu verwies sie auf die 2007 erfolgte Aufgabe eines gastronomischen Betriebs im Objekt G. 7. Außerdem beantragte sie die Erteilung einer Abweichung von den Anforderungen des § 55 BauO NRW wegen eines unverhältnismäßigen Mehraufwands. In den Antragsunterlagen war die lichte Breite der Eingangstür mit 85 cm angegeben, eine 18 cm hohe Stufe im Eingangsbereich dargestellt und keine rollstuhlgerechte Toilette vorgesehen; die dem Rheinufer zugewandte Fassade war mit zwei Fenstern im Erdgeschoß mit etwa 70 cm hohen Brüstungen dargestellt.

Die Beklagte lehnte den Antrag vom 2. Februar 2010 mit Bescheid vom 26. April 2010 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 16. Juni 2009 sei davon auszugehen, dass eine Gaststättennutzung auch nicht ausnahmsweise vertretbar sei. Deshalb werde einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB nicht zugestimmt. Ferner verstoße die beabsichtigte Gaststättennutzung auch gegen § 55 BauO NRW. Der Zugang zur Betriebsstätte über eine Stufe und die Erreichbarkeit der Toilettenanlage im Keller über eine Treppe sei nicht zulässig.

Die Klägerin hat am 28. Mai 2010 Klage erhoben.

Zur Begründung hat sie vorgetragen: Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich zulässig. Ein Grund für die Versagung einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans sei nicht ersichtlich. Das Vorhaben weiche von dem im Jahre 2007 ablehnend beurteilten Vorhaben entscheidend ab. Es sei auch schallschutztechnisch unbedenklich. Dies ergebe sich aus dem vorgelegten Schallgutachten vom 5. Oktober 2009. Das Vorhaben sei auch bauordnungsrechtlich zulässig. Die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Anforderungen der Barrierefreiheit nach § 55 BauO NRW seien hier erfüllt, da im vorliegenden Fall aufgrund des bestehenden Denkmalschutzes für das Objekt von einer ungünstigen Bebauung ausgegangen werden müsse und im Falle der Erteilung einer denkmalrechtlichen Erlaubnis das Vorhaben nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand umgesetzt werden könne. Eines Stellplatznachweises bedürfe es nicht, da die beabsichtigte Nutzungsänderung nicht wesentlich sei. Unabhängig davon habe sie vorsorglich inzwischen unter dem 14. März 2011 einen Stellplatznachweis erstellt. Nach der Ablösesatzung sei - ein Stellplatzerfordernis unterstellt - ein Betrag von 3.800,-- Euro je Stellplatz zu zahlen. Ein Lageplan sei vorliegend entbehrlich gewesen, dies ergebe sich aus dem einschlägigen Merkblatt der Beklagten zu Nutzungsänderungsverfahren.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 26. April 2010 zu verpflichten, ihr eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung der vorhandenen Baguetteria in einen Gastronomiebetrieb auf dem Grundstück G. 13 in L. (Gemarkung L. , Flur 5, Flurstück 1275/617) gemäß ihrem Bauantrag vom 2. Februar 2010 zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheids Bezug genommen. Ergänzend hat sie vorgetragen, es fehle an dem erforderlichen Stellplatznachweis.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. März 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Bauvorhaben sei schon aus formellen Gründen nicht positiv bescheidungsfähig, da der gestellte Bauantrag nicht ordnungsgemäß sei. Den gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauPrüfVO zwingend erforderlichen Lageplan mit den notwendigen Angaben i. S. v. § 3 Abs. 1 BauPrüfVO habe die Klägerin dem Bauantrag vom 2. Februar 2010 nicht beigefügt. Sie habe ihn auch im gerichtlichen Verfahren trotz erteilter Hinweise nicht nachgereicht. Das Merkblatt der Beklagten zu Nutzungsänderungen rechtfertige keine andere Beurteilung. Das Vorhaben der Klägerin sei auch in der Sache nicht genehmigungsfähig. Es gehe um eine wesentliche Änderung der Benutzung der baulichen Anlage i. S. v. § 51 Abs. 2 BauO NRW, was bedeute, dass der Stellplatzbedarf für die gesamte Anlage zu ermitteln sei. Die danach notwendigen Stellplätze seien in den mit dem Bauantrag vom 2. Februar 2010 vorgelegten Unterlagen nicht nachgewiesen. Es fehle auch an einem entsprechenden Angebot der Klägerin i. S. v. § 51 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW für ein geeignetes Ersatzgrundstück. Auch sei nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen für eine Ablösung von der Stellplatzpflicht nach § 51 Abs. 5 BauO NRW vorlägen.

Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 29. Juni 2012 wegen besonderer Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen. Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung u.a. vor:

Der Bebauungsplan Groß St. N1. der Beklagten sei unwirksam, weil die Regelung über die nur ausnahmsweise Zulässigkeit von gastronomischen Betrieben rechtswidrig sei. Diese Regelung sei unbestimmt, städtebaulich nicht gerechtfertigt und abwägungsfehlerhaft. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 24. Januar 2014 verwiesen.

Jedenfalls sei der Plan wegen der Vielzahl vorhandener Gaststätten funktionslos geworden. Abgesehen davon bestehe zumindest ein Anspruch auf eine Ausnahme nach den entsprechenden textlichen Festsetzungen. Es seien in der näheren Umgebung mehrere Nutzungsänderungen hin zu Gastronomie erteilt worden.

Sonstige Hindernisse stünden der Genehmigung nicht entgegen. Die Stellplatzfrage könne gelöst werden. Es komme jedenfalls eine Auflage des Nachweises von Stellplätzen oder eine Ablösung der Stellplatzverpflichtung in Betracht.

Der Einbau einer rollstuhlgerechten Toilette sei mit unzumutbaren Kosten verbunden. Ohnehin bestehe ein Anspruch auf Befreiung von den Anforderungen der Barrierefreiheit, weil es sich um ein vergleichsweise winziges Restaurant handele und die Beklagte auch in vergleichbaren Fällen Befreiungen erteile.

Der Eigentümer des Grundstücks beabsichtige nach dem erfolglosen Abschluss des Verfahrens gegen eine im März 2012 erlassene denkmalrechtliche Wiederherstellungsanordnung, die Fassade gemäß den Anforderungen dieser Anordnung wiederherzustellen, es sei bereits eine Abstimmung mit dem Stadtkonservator erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug.

Sie trägt ergänzend vor: Das Vorhaben sei nach dem Bebauungsplan Groß St. N1. unzulässig. Dies ergebe sich aus den Gründen des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 16. Juni 2009. Das Vorhaben stehe auch mit §§ 51, 55 BauO NRW nicht im Einklang. Ferner verstoße es gegen § 36 BauO NRW, weil die Treppe zum Keller zu schmal sei.

Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 23. Mai 2013 in Augenschein genommen; wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf das hierzu gefertigte Protokoll verwiesen.

Mit Urteil vom 26. Juni 2013 - 4 K 2699/12 - hat das Verwaltungsgericht Köln die Klage des Grundstückseigentümers gegen die denkmalrechtliche Anordnung vom 23. März 2012 in der Fassung vom 25. April 2013 abgewiesen, die Fensterbrüstungen entsprechend dem ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Das Verfahren ist zwischenzeitlich rechtskräftig durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2013 - 10 A 1931/13 - abgeschlossen.

Mit Urteil vom 16. Oktober 2013 hat das Verwaltungsgericht Köln die Klage im Verfahren 2 K 4237/12 abgewiesen, das einen Baugenehmigungsantrag vom 8. November 2011 für ein ähnliches Vorhaben - allerdings mit zwischenzeitlich eingebauten bodentiefen Fenstertüren statt Fenstern mit darunter befindlichen Brüstungen - betraf. Der dagegen gerichtete Zulassungsantrag ist Gegenstand des Zulassungsverfahrens - 7 A 2667/13 -.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Gerichtsakten ‑ auch zu den Verfahren VG Köln 2 K 4293/07, 4 K 2699/12 und 2 K 4237/12 - Bezug genommen.

Gründe

Gegenstand der Klage im Berufungsverfahren ist der Bauantrag für den Fall, dass entsprechend den denkmalrechtlichen Anforderungen, wie sie im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln - 4 K 2699/12 - konkretisiert worden sind, die Fensterbrüstungen des Gebäudes G. 13 in der dem Rhein zugewandten Fassade tatsächlich wieder hergestellt sind. Die Berufung ist mit diesem Antrag zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Die Klage ist zwar als Verpflichtungsklage gemäß § 42 VwGO zulässig. Insbesondere fehlt es - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats - nicht an einem Rechtsschutzinteresse. Der Bauantrag vom 2. Februar 2010 ist nicht etwa gegenstandslos geworden, weil der Baubestand nach Antragstellung wesentlich verändert worden ist. Denn eine entsprechende Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands wird nach dem Vortrag der Klägerin angestrebt und erscheint weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Für die Klage fehlt es auch nicht etwa deshalb an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin im Zulassungsverfahren 7 A 2667/13 (VG Köln: 2 K 4237/12) ein ähnliches Begehren verfolgt. Der Gegenstand des Begehrens in diesem Verfahren weist mit Blick auf den zugrundeliegenden Bauantrag vom 8. November 2011 einen erheblichen Unterschied auf. Die Fensterbrüstungen sind im hier zu beurteilenden Fall im Einklang mit den Vorgaben des Denkmalrechts nach den Bauvorlagen als bestehend dargestellt, und damit konkludent so zur Genehmigung gestellt; in dem nachfolgenden Verfahren, das den Antrag vom 8. November 2011 betrifft, geht es um den mit der denkmalrechtlichen Anordnung unvereinbaren Fassadenzustand mit bodentiefen Fenstertüren.

II. Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung. Dem Vorhaben stehen im Sinne von § 75 BauO NRW öffentlichrechtliche Vorschriften entgegen. Es ist nach § 30 Abs. 1 BauGB planungsrechtlich unzulässig, weil es den Festsetzungen des Bebauungsplans Groß St. N1. über die Art der baulichen Nutzung widerspricht.

Der Bebauungsplan Groß St. N1. bestimmt durch die in Ziffer 2 der textlichen Festsetzungen in Verbindung mit Ziffer 1. lit. a) und der Markierung durch eine Kreuzschraffur getroffene Festsetzung, dass in dem besonderen Wohngebiet u. a. im Bereich G. 13 die vorgesehene Nutzung als Schank- und Speisewirtschaft - dass das Vorhaben der Klägerin hierunter fällt, ist weder zwischen den Beteiligten umstritten noch in der Sache zweifelhaft - nur ausnahmsweise zulässig ist; diese Festsetzung ist wirksam (dazu 1.) und die Voraussetzungen für eine Ausnahmeerteilung sind von der Beklagten zutreffend verneint worden (dazu 2.).

1. Die Festsetzung des Bebauungsplans Groß St. N1. , nach der im Bereich des Vorhabens Schank- und Speisewirtschaften nur ausnahmsweise zugelassen werden können, ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats wirksam; ein ursprünglicher Verkündungsmangel ist geheilt (dazu a.), entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Regelung bestimmt genug (dazu b.), städtebaulich gerechtfertigt (dazu c.), und nicht abwägungsfehlerhaft (d.); sie ist auch nicht nachträglich funktionslos geworden (dazu e.), schließlich führen nicht etwa Fehler in anderen Bereichen des Plans zur Unwirksamkeit auch der hier in Rede stehenden Regelung zur Art der baulichen Nutzung auf dem Grundstück G. 13 (dazu f.).

a. Formelle Mängel unter dem Aspekt der ordnungsgemäßen Verkündung des Plans,

vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2010 - 4 BN 21.10 -, BRS 76 Nr. 48,

sind inzwischen behoben, da der Plan im November 2013 ordnungsgemäß erneut bekannt gemacht worden ist. Insbesondere ist damit hinreichend deutlich zum Ausdruck gelangt, was Gegenstand der Ersatzverkündung gemäß § 10 BauGB ist.

Vgl. dazu allg. BVerwG, Urteil vom 10. August 2000 - 4 CN 2.99 -, BRS 63 Nr. 42.

b. Die Schank- und Speisewirtschaften betreffende Ausnahmeregelung ist nicht etwa unbestimmt; es bedurfte insbesondere nicht der von der Klägerin vermissten weiter gehenden ausdrücklichen Regelung der Voraussetzungen für die Betätigung des Ermessens im Rahmen der Entscheidung über die Ausnahmeerteilung.

Das Gebot hinreichender Bestimmtheit von Rechtsnormen ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Es gilt auch für Bebauungspläne. Die zeichnerischen und die textlichen Festsetzungen müssen aus sich heraus bestimmt, eindeutig und verständlich sein. Die von den Festsetzungen Betroffenen müssen vorhersehen können, welchen Einwirkungen ihre Grundstücke ausgesetzt sind. Ob eine Festsetzung den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots genügt, ist in aller Regel eine Frage der Auslegung des Plans im Einzelfall und keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Dezember 2012 - 7 D 64/10.NE -, BauR 2013, 917.

Nach § 31 Abs. 1 BauGB können von den Festsetzungen des Bebauungsplans solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Daraus folgt, dass Art und Umfang der Ausnahmen ausdrücklich bestimmt sein müssen.

Vgl. Reidt, in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Auflage, § 31 Rn. 12 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 - 4 C 16.97 -, BRS 60 Nr. 71.

Diesen Anforderungen wird der Bebauungsplan Groß St. N1. mit der in Rede stehenden Festsetzung gerecht. Die Festsetzung ergibt hinreichend deutlich, von welcher Regelung (hier der Art der baulichen Nutzung) und in welchem Umfang (hier generell für Vorhaben im Sinne von Schank- und Speisewirtschaften) eine Ausnahme zugelassen werden kann. Hiervon zu unterscheiden sind die Leitlinien der Ermessensbetätigung, die sich aus Sinn und Zweck der Ermächtigungsgrundlage ergeben und nicht ausdrücklich in der Satzung festgelegt werden müssen.

Vgl. Reidt, in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 31, Rn. 19.

Danach reicht es vorliegend aus, dass sich aus der Satzungsbegründung des Bebauungsplans Groß St. N1. ergibt, anhand welcher Kriterien Entscheidungen über die Ausnahmeerteilung getroffen werden sollen.

Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. September 2012 - 2 D 38/11.NE -, BauR 2013, 1408,

belegt die rechtliche Wertung der Klägerin nicht.

Die in der Satzungsbegründung genannten Kriterien sind auch für sich genommen nicht etwa zu vage und deshalb ungeeignet, um das Ermessen bei der Entscheidung über eine Ausnahmeerteilung zu steuern. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang insbesondere meint, es sei unklar, wann eine merkbare Steigerung der Geräuschbelastung vorliege, die zu einer Störung der Wohnnutzung führen könne, liegt es nahe, auf die einschlägigen Werte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA-Lärm - vom 26. August 1998 (GMBl. 1998, S. 503) abzustellen, die konkretisiert, wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen zu werten sind und hierbei in Ziff. 3.2 auch detaillierte Regelungen zur Relevanz von Zusatzbelastungen trifft.

Unbestimmt ist die Regelung auch nicht deshalb, weil es - was der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachdrücklich bemängelt hat - an einer ausdrücklichen Vorgabe für die Ermessensbetätigung für den Fall mehrerer Anträge mit Bezugnahme auf die Aufgabe eines gleichwertigen Betriebs fehlt. Insoweit hat es der Plangeber der Baugenehmigungsbehörde überlassen, eine sachgerechte Lösung, etwa nach Maßgabe der Priorität der Stellung eines ordnungsgemäßen und bescheidungsreifen Bauantrags, zu finden. Dies ist nach den oben genannten Anforderungen nicht zu beanstanden.

c. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der planerischen Konzeption der Beklagten, die maßgeblich auf eine Erhaltung und Fortentwicklung der Wohnnutzung und die Begrenzung gastronomischer Nutzungen zielt, und diese deshalb auch im hier betroffenen Bereich nur als Ausnahmen vorsieht, die städtebauliche Rechtfertigung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB fehlt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,

vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2013 - 4 CN 6.11 -, BauR 2013, 1402,

der sich der Senat angeschlossen hat, sind im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht erforderlich Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan, der aus tatsächlichen oder Rechtsgründen auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt, die Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen vermag. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung.

Danach fehlt es nicht an der städtebaulichen Rechtfertigung der Regelung.

Die hier in Rede stehende Festsetzung über die nur ausnahmsweise Zulässigkeit von Schank- und Speisewirtschaften beruht auf der positiven Planungskonzeption der Beklagten die darauf zielt, dass Gaststätten in diesem Bereich nach Anzahl und Größe begrenzt werden, damit das Ziel der Erhaltung und Fortentwicklung der Wohnnutzung nicht gefährdet wird. Einen groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriff vermag der Senat in einer solchen Konzeption nicht zu erkennen.

d. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass diese Konzeption an den behaupteten beachtlichen Abwägungsmängeln leidet.

Die Klägerin meint, es sei unstimmig, dass Gaststätten nur ausnahmsweise zulässig seien, obwohl sie überwiegend vorhanden seien und beruft sich hierzu auf Rechtsprechung des Senats.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. September 2007 - 7 D 91/06. NE -, juris.

Diese Rechtsprechung des Senats betrifft indes eine andere Fallgestaltung. Es ist vorliegend keineswegs so, dass eine im Rahmen der planerischen Konzeption an sich erwünschte Nutzung nur ausnahmsweise für zulässig erklärt wird. Vielmehr geht es der Beklagten darum, eine Konzeption umzusetzen, bei der künftig Gaststätten begrenzt werden sollen, um die Wohnnutzung zu erhalten und fortzuentwickeln. Abwägungsfehler bzw. Fehler der Ermittlung und Bewertung maßgeblicher Belange sind auch sonst nicht substantiiert aufgezeigt.

e. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Bebauungsplan Groß St. N1. im Bereich der Klägerin auch nicht zwischenzeitlich funktionslos und deshalb unwirksam geworden.

Die Funktionslosigkeit einer Festsetzung tritt erst dann ein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sich die Planung bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. April 2008 - 7 B 251/08 -, juris.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Nach dem Inhalt der vorliegenden Akten und den Eindrücken der örtlichen Gegebenheiten, die der Berichterstatter des Senats bei der Ortsbesichtigung gewonnen hat, kann nicht festgestellt werden, dass die städtebauliche Konzeption, die mit den in Rede stehenden Festsetzungen verwirklicht werden soll, im Bereich der Umgebung des Vorhabens der Klägerin auf unabsehbare Zeit nicht mehr verwirklicht werden könnte. Soweit die Klägerin mit dem Schriftsatz, der am 18. Juni 2013 eingereicht worden ist, auf eine Zulassung von Gaststätten in ihrer Nachbarschaft Bezug nimmt, betreffen diese überwiegend Bereiche am I.--markt und C1.-----markt , für die der Plangeber die Art der baulichen Nutzung anderweitig geregelt hat. Soweit das Objekt N2.-------gasse 13 angesprochen ist, könnte eine insoweit entgegen dem Plan erfolgte Zulassung einer erstmaligen gastronomischen Nutzung allein nicht zur Funktionslosigkeit im genannten Sinne führen.

f. Der Bebauungsplan Groß St. N1. leidet nicht in anderen Bereichen an formellen oder materiellen Mängeln, die zur Fehlerhaftigkeit auch der genannten Festsetzung zur Art der Nutzung im Bereich des Vorhabens der Klägerin führen.

Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. Januar 2014 geltend macht, das Gebäude Alter M. 36-42 im Bereich des N4. werde mit einer willkürlichen Regelung überzogen, nach der im ersten Obergeschoss unterschiedliche Vorgaben innerhalb des zusammenhängenden Gebäudes gälten, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Regelung knüpft ausweislich der Satzungsbegründung an die horizontale Gliederung unterschiedlicher Nutzungsarten im Erdgeschoss an, die südlich des N4. (Alter M. Nr. 36) Gastronomie zulässt und im Bereich des N4. und nördlich davon nur ausnahmsweise Gastronomie zulässt. Dies erscheint nicht sachwidrig. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte versäumt hätte, die tatsächlichen Gegebenheiten in dem zusammenhängenden Gebäude zu ermitteln. Dieser Umstand brauchte nach Lage der Dinge nicht ermittelt zu werden, vielmehr konnte die Beklagte die Feinsteuerung mit Blick auf derartige tatsächliche Besonderheiten etwaigen Baugenehmigungsverfahren vorbehalten, in denen insoweit die Erteilung einer Befreiung in Betracht gezogen werden könnte. Es sind im Übrigen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die pauschal behauptete Funktionslosigkeit des Bebauungsplans Groß St. N1. wegen außerhalb der Umgebung des Vorhabens der Klägerin zugelassener Gaststättennutzungen eingetreten sein könnte.

2. Die Beklagte hat die Erteilung einer danach mithin für das Vorhaben erforderlichen Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB zutreffend abgelehnt. Eine solche Ausnahme kommt für die erstmalige Gaststättennutzung, die die Klägerin mit ihrem Antrag hier anstrebt, nicht in Betracht.

Die Voraussetzungen für die Ermessensbetätigung bei der Erteilung einer planungsrechtlichen Ausnahme können - wie bereits ausgeführt - in der beschlossenen Satzungsbegründung konkretisiert werden.

Vgl. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 31 Rn. 19.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Nach der maßgeblichen Konkretisierung der Voraussetzungen der Ermessensbetätigung im Sinne der Konzeption der Beklagten - die erstmalige gastronomische Nutzungen nur in dem vorgenannten, in der Satzungsbegründung aufgezeigten Rahmen zulässt - bedurfte es zunächst einer dauerhaften Aufgabe eines gleichwertigen Betriebs im gleichen Bereich, die auch gleichzeitig erfolgte. Bereits diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil eine gleichzeitige Aufgabe eines gleichwertigen Betriebs nicht aufgezeigt ist. Die Klägerin bezieht sich für ihr Vorhaben auf die Aufgabe eines Betriebs im Gebäude G. 7. Diese erfolgte indes bereits 2007. Das ist bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Plans für den in Rede stehenden Bereich mit Blick auf die Antragstellung im Februar 2010 nicht mehr "gleichzeitig". Primäres Ziel des Bebauungsplans Groß St. N1. ist die Erhaltung und Fortentwicklung der Wohnnutzung im besonderen Wohngebiet. Dieser Zielsetzung entspräche es nicht, eine Gleichzeitigkeit anzunehmen, wenn die Aufgabe eines anderen Betriebs bereits mehrere Jahre zurückliegt. Dann ist im Sinne der Konzeption der Beklagten vielmehr eine Begrenzung gastronomischer Nutzungen erfolgt, die weiteren Wohnnutzungen Raum gibt und nicht durch nachträgliche Eröffnungen erstmaliger gastronomischer Nutzungen konterkariert werden soll.

Abgesehen davon fehlt es auch an einer weiteren Voraussetzung. Es hätte ferner des Nachweises bedurft, dass keine Störungen der Wohnnutzung durch merkbar höhere Lärmimmissionen zu erwarten sind. Dieser Nachweis in Bezug auf die Immissionssituation ist nicht erbracht. Das vorliegende Schallgutachten vom Oktober 2009 genügt dafür nicht. Es bezieht sich lediglich auf bestimmte Innenpegel in einem benachbarten Gebäude und lässt eine ordnungsgemäße Ermittlung der zu erwartenden vorhabenbedingten Lärmimmissionsbelastung und deren Bewertung nach Maßgabe einschlägiger Regelwerke wie der TA-Lärm vermissen.

Hiervon ausgehend kann dahin gestellt bleiben, ob dem Vorhaben auch bauordnungsrechtliche Gründe entgegen stehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.