LG Arnsberg, Urteil vom 15.01.2014 - 3 S 90/13
Fundstelle
openJur 2014, 2439
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 16.08.2013 (Az. 12 C 273/12) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Abrechnung der Ausbildungsumlage im Rahmen eines Heimvertrages.

Die Beklagte betreibt ein Altenpflegeheim in N. Am 27.04.2012 schlossen die Parteien einen Heimvertrag für pflegebedürftige Personen, der in den §§ 10 - 14 Regelungen zum Entgelt für Unterkunft, Verpflegung und Pflegeleistungen enthält. Gemäß § 14 dieses Vertrages kann die Beklagte von dem Kläger als Bewohner bei Änderung der Berechnungsgrundlagen eine angemessene Erhöhung des Entgeltes verlangen. Das Erhöhungsverlangen ist schriftlich zu begründen und führt frühestens 4 Wochen nach seinem Zugang zur erhöhten Zahlungsschuld. Mit Schreiben vom 28.06.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ab Juli 2012 eine monatliche Umlage für die Ausbildungsvergütung in Rechnung gestellt werde, und verwies hierzu auf eine dem Schreiben beigefügte Mitteilung des nordrheinwestfälischen Landesministeriums für Gesundheit. In der Folgezeit berechnete sie für die Position Ausbildungsumlage von Juli 2012 an kalendertäglich 2,18 € und ab Januar 2013 kalendertäglich 2,35 €, wobei der Monatsbetrag für Juli 2012 zwischenzeitlich wieder gutgeschrieben wurde. Bis Juli 2013 zog die Beklagte aufgrund einer bestehenden Einzugsermächtigung Beträge in Höhe von insgesamt 831,74 € ein.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung der als Ausbildungsumlage gezahlten Beträge sowie die Feststellung des Nichtbestehens einer entsprechenden Zahlungspflicht ab dem 01.08.2013 und bis zum Zugang einer hinreichend begründeten Entgelterhöhung. Er ist der Ansicht, bei der Umlage handele es sich um ein Entgelt im Sinne von § 14 des Heimvertrages; eine Entgelterhöhung gemäß dieser Vorschrift habe die Beklagte indes nicht ausreichend begründet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.040,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 132,98 € seit dem 28.09.2012 und aus 273,41 € seit dem 29.01.2013 und aus einem Betrag in Höhe von 634,50 € ab dem 10.07.2013 zu zahlen,

festzustellen, dass er der Beklagten für den Zeitraum ab dem 01.08.2013 bis 4 Wochen nach Zugang einer hinreichenden Entgelterhöhung, die den Anforderungen des § 9 Abs. 2 WBVG bzw. des § 14 Abs. 2 des Heimvertrages entspricht, keine Ausbildungsumlage in Höhe von kalendertäglich 2,35 € schuldet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, sie sei zur Erhebung der Ausbildungsumlage und Weiterleitung der Beträge an die zuständigen Behörden verpflichtet; es gehe also um einen reinen Durchlaufposten und nicht um Entgelte im Sinne des Heimvertrages.

Wegen der weiteren Feststellungen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat dem Feststellungsantrag des Klägers vollumfänglich und dem Zahlungsantrag im Wesentlichen (bis auf einen Abschlag in der Höhe von 209,15 €) stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagte einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 831,74 €, weil die Beklagte in dieser Höhe Gutschriften auf ihrem Bankkonto durch Leistung des Klägers in Form der erteilten Einzugsermächtigung rechtsgrundlos erlangt habe. Ein Rechtsgrund folge weder aus einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien noch aus der Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung, da diese nur das Verhältnis zwischen Pflegeeinrichtungen und den zuständigen Behörden regele. Zudem und insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf eine Entgelterhöhung nach § 14 des Heimvertrages (HeimV) berufen. Die Ausbildungsumlage sei ein Entgelt im Sinne von §§ 10, 11 HeimV; auch als Durchlaufposten zur Weiterleitung an die Behörden sei sie mit anderen Entgelten, z.B. für die Entsorgung von Wasser und Abfall, durchaus vergleichbar. Die Entgelterhöhung sei indes unwirksam, weil die Beklagte ihre Begründungspflicht aus § 14 Abs. 2 HeimV nicht erfüllt habe. Die jeweils geschuldete Umlage sei im Schreiben vom 28.06.2012 lediglich mit einem monatlichen Pauschalbetrag angegeben worden, ohne diesen bzw. den zugrunde liegenden Tagessatz näher aufzuschlüsseln und zu erläutern. Auch später sei dies nicht geschehen. Der Kläger könne somit das Erhöhungsverlangen nicht wirksam überprüfen. Der Feststellungsantrag sei ebenfalls begründet, weil die Beklagte auch künftig keinen Anspruch auf Zahlung der Umlage habe, solange sie ihren Begründungspflichten aus § 14 Abs. 2 HeimV nicht nachkomme.

Hiergegen wendet sich die Beklagte und Berufungsklägerin mit ihrer Berufung, mit der sich das Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung durch die Kammer stellt. Zur Begründung führt die Berufung unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens aus, das Amtsgericht habe fehlerhaft einen Rechtsgrund für die Leistungen des Klägers verneint. Ein solcher liege nämlich in der durch das Land NRW beschlossenen und von der Beklagten zu erhebenden Ausbildungsumlage. Ob es an einer Erhöhungsbegründung nach § 14 des Heimvertrages fehle, sei nicht entscheidend, weil es bei der Ausbildungsumlage gerade nicht um Heimgelder gehe.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 16.08.2013, Az.: 12 C 273/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagter beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und führt aus, das Amtsgericht habe zu Recht weder in der Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung noch in § 14 des Heimvertrages einen Rechtsgrund für die Zahlungen gesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat der Klage im von ihm tenorierten Umfang berechtigterweise stattgegeben.

1)

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Beträge zur Ausbildungsumlage gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1.Alt. BGB.

a)

Die Beklagte hat in Höhe von 831,74 € Gutschriften auf ihrem Konto als Schuldanerkenntnis ihrer Bank erlangt. Dies geschah nach wertender Betrachtungsweise auch durch Leistungen des Klägers, denn die Gutschrift erfolgte aufgrund der vom Kläger erteilten und nicht widerrufenden Einzugsermächtigung. Wegen der Einzelheiten zum Vorgang der Zahlung wird im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts hierzu verwiesen.

b)

Die jeweilige Leistung des Klägers erfolgte ohne Rechtsgrund.

aa)

Eine Entgelterhöhung ist, wie das Amtsgericht zu Recht festgestellt hat, konkret zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Stattdessen hat der Kläger diese wiederholt abgelehnt bzw. vom Zugang eines hinreichend begründeten Erhöhungsverlangens nach § 14 Abs. 2 HeimV abhängig gemacht. Ein konkludentes Einverständnis mit der Entgelterhöhung liegt auch nicht darin, dass er insoweit seine Einzugsermächtigung nicht wiederrufen hat. Schon prinzipiell stellt das bloße Schweigen auf die Einziehung erhöhter Zahlungen regelmäßig keine Zustimmung dar (vgl. m.w.N. BeckOK-BGB-Schüller, § 557 Rn. 5: kein Rechtsbindungswille bei Einziehung einseitig erhöhter Miete). Jedenfalls vorliegend hat der Kläger nicht zugestimmt, weil er zudem nicht vorbehaltlos, sondern nur unter Widerspruch weitergezahlt hat.

bb)

Entgegen der Auffassung der Berufung liegt ein Rechtsgrund für die Zahlungen nicht bereits darin, dass das Land NRW die Ausbildungsumlage beschlossen und die Beklagte infolge dessen die Beträge eingezogen und an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe als zuständige Behörde für das landesrechtliche Ausgleichsverfahren (vgl. § 4 Altenpflegegesetz NRW, § 3 Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung NRW) weitergeleitet hat. Ein solches Vorgehen außerhalb der vertraglichen Vereinbarungen taugte als Rechtsgrund nur, wenn der Kläger einseitig und hoheitlich durch Verwaltungsakt (vgl. Palandt-Sprau, BGB, § 812 Rn. 21) zur Zahlung aufgefordert würde. Hier ist aber weder ersichtlich, dass die Beklagte überhaupt hoheitlich gem. § 35 Abs. 1 VwVfG handeln wollte, noch, dass sie hierzu mit Hoheitsrechten beliehen wurde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen "Informationsschreiben" des Ministeriums vom 14.05.2012.

Auch die Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (AltPflAusglVO) gibt insofern nichts her. Denn sie regelt von vornherein nur das Verhältnis zwischen den Pflegeeinrichtungen, zu denen auch die Beklagte gehört, und den zuständigen Behörden, so bspw. in § 7 Abs. 1 und § 9 die Ermächtigung des jeweils zuständigen Landschaftsverbandes zur Festsetzung der Ausgleichsbeiträge. Regelungen im Verhältnis der Einrichtungen zu ihren Bewohnern enthält die Verordnung nicht.

cc)

Schließlich und vor allem folgt ein Rechtsgrund für die Zahlungen nicht aus einer Entgelterhöhung nach § 14 des Heimvertrages. Die Beklagte ist auch insofern nicht berechtigt, das Entgelt einseitig zu erhöhen. Überdies hat sie mangels hinreichender Begründung derzeit auch keinen Anspruch auf ein erhöhtes Entgelt.

Es geht bei der von der Beklagten erhobenen Umlage für die Ausbildungsvergütung um ein Entgelt im Sinne der §§ 10 ff., 14 HeimV. Laut § 82a Abs. 2 SGB XI ist die Ausbildungsvergütung grundsätzlich in der Vergütung der allgemeinen Pflegeleistungen (§§ 84 Abs. 1, 89 SGB XI) berücksichtigungsfähig. Die Vorschrift stellt klar, dass die dort geregelte Ausbildungsvergütung den pflegebedingten Aufwendungen zuzuordnen und deshalb in die Entgelte für die allgemeinen Pflegeleistungen einzubeziehen ist (Leitherer, in: Kasseler Kommentar zum SGB XI, § 82a Rn. 4). § 10 Abs. 1 des hier in Frage stehenden HeimV verweist zudem hinsichtlich der Entgelte für allgemeine Pflegeleistungen auf die Vergütungsvereinbarungen nach §§ 85, 87 SGB XI. Laut § 10 Abs. 1 Satz 2 HeimV bestehen bei Änderungen dieser Vereinbarungen wechselseitige Ansprüche auf Vertragsanpassung nach Maßgabe des § 14 HeimV.

Auch die Tatsache, dass die Ausbildungsumlage einen Durchlaufposten darstellt, also nicht der Einrichtung selbst unmittelbar zugutekommt, steht einer Einstufung als vertragliches Entgelt nicht entgegen; denn dies gilt - wie vom Amtsgericht zutreffend festgestellt - auch für andere Entgelte, die z.B. bestimmte Unterkunftsleistungen betreffen. Des Weiteren sprechen Sinn und Zweck der Angemessenheitsgrenze in § 14 Abs. 1 S.1 HeimV und der in § 14 Abs. 2 HeimV statuierten Begründungspflicht für eine Anwendung der Norm auf vorliegenden Fall. Denn die Heimbewohner haben bei einer Erhöhung ihrer Beiträge stets ein berechtigtes Interesse, die Angemessenheit dieser Erhöhung zu überprüfen; sie sind unabhängig vom Grund der Erhöhung in gleichem Maße schutzbedürftig und schutzwürdig (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 06.07.2004 - 21 U 95/03 Rn. 47).

Gemäß § 14 Abs. 1 HeimV, dessen Wortlaut angelehnt ist an § 9 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG), kann die Pflegeeinrichtung bei veränderter Berechnungsgrundlage eine Erhöhung des Entgeltes verlangen; nach § 14 Abs. 3 HeimV besteht dann einen Anspruch auf Zustimmung. Lehnt der Bewohner die Erhöhung allerdings ab - was der Kläger hier getan hat -, kann die Einrichtung sie nach wie vor nicht einseitig durchsetzen, sondern muss insoweit Klage auf Annahme ihres Angebotes erheben (vgl. LG Berlin, Urteil vom 13.11.2012 - 15 O 181/12 sowie allgemein für den Anspruch auf Mieterhöhung: Palandt-Weidenkaff, BGB, § 558 Rn. 7 ff.). Dies hat die Beklagte nicht getan.

Dem Rückzahlungsverlangen des Klägers steht auch nicht der dolo facit Einwand aus § 242 BGB entgegen. Dies wäre allenfalls dann denkbar, wenn die Beklagte bereits einen Anspruch auf Erhöhung des Entgeltes hätte, also die Zahlung der Beiträge zur Ausbildungsumlage sogleich wieder vom Kläger verlangen könnte. Ein solcher Anspruch besteht aber nicht, weil das Erhöhungsverlangen nach wie vor nicht hinreichend gemäß § 14 Abs. 2 HeimV begründet wurde.

Nach dieser Vorschrift, welche die Regelung in § 9 Abs. 2 WBVG übernimmt, muss dem Heimbewohner die beabsichtigte Erhöhung schriftlich mitgeteilt und begründet werden. In der Begründung muss das Heim die Positionen, für die sich Kostensteigerungen ergeben, benennen und die bisherigen Entgeltbestandteile den neuen Entgeltbestandteilen gegenüberstellen. Der Bewohner muss zudem die Angaben durch Einsichtnahme in Kalkulationsgrundlagen überprüfen können. Die Voraussetzungen der Entgelterhöhung und die Angemessenheit des neuen Entgeltes müssen somit konkret und nachvollziehbar belegt werden (vgl. zur Parallelregelung im seinerzeit geltenden § 4c HeimG: OLG Hamm, Urteil vom 06.07.2004 - 21 U 95/03 Rn. 50). Diese Anforderungen erfüllt das Vorgehen der Beklagten bis dato nicht.

Der Ankündigung und späteren Inrechnungstellung der Ausbildungsumlage durch die Beklagte fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit und Transparenz. Das Schreiben vom 28.06.2012 nennt lediglich einen (obendrein falschen und nicht zwischen den Monaten differenzierenden) Pauschalbetrag von monatlich 65,78 €, ohne auf den eigentlich maßgeblichen Tagessatz zu verweisen. Die anschließenden Rechnungen benennen zwar den Tagessatz, dies aber ohne weitere Erläuterungen; zudem unterbleibt eine gesonderte Mitteilung, dass der Tagessatz sich ab Januar 2013 auf 2,35 € (statt zuvor 2,18 €) erhöht hat.

Hinzu kommt, dass der Tagessatz selbst in keiner Weise erläutert oder aufgeschlüsselt wird, es dem Bewohner also nicht möglich ist, dessen Richtigkeit und Angemessenheit zu überprüfen. Auch das von der Beklagten weitergeleitete Informationsschreiben des Ministeriums vom 14.05.2012 hilft an dieser Stelle nicht weiter, weil es lediglich allgemein den Hintergrund und Zweck der erhobenen Umlage beschreibt, ohne auf die zuvor genannten Punkte überhaupt einzugehen. Möglicherweise ausreichend, um die erwartbaren und realistischen Anforderungen an die Pflegeeinrichtungen nicht zu überspannen, jedenfalls aber erforderlich wäre es, den Bewohnern die ebenfalls vom Landesministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter herausgegebenen und auf ihrer Homepage abrufbaren "Informationen zum Ausgleichsverfahren in der Altenpflege in Nordrhein-Westfalen" mitzuteilen. Diese enthalten zumindest konkrete Zahlen für das Ausgleichsverfahren und die Umlagebeträge, die von den Einrichtungen in Rechnung gestellt werden können.

2)

Das Amtsgericht hat auch dem Feststellungsantrag des Klägers zu Recht stattgegeben. Laut § 14 Abs. 2 S.4 HeimV schuldet der Heimbewohner das erhöhte Entgelt frühestens vier Wochen nach Zugang eines hinreichend begründeten Erhöhungsverlangens. Hieran fehlt es bisher.

3)

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10 ZPO.