BGH, Beschluss vom 19.06.2003 - 5 StR 160/03
Fundstelle
openJur 2010, 10104
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29. November 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO 1. hinsichtlich des Angeklagten D a) aufgehoben, soweit er in zwei Fällen wegen Verabredung zur Begehung eines Verbrechens der gewerbs-und bandenmäßigen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist (Fälle II. 7 und 8 der Urteilsgründe); in diesem Umfang wird der Angeklagte D freigesprochen; die ausscheidbaren Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt;

b) im Schuldspruch dahingehend geändert, daß er wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in sechs Fällen sowie wegen versuchten gewerbsmäßigen Schmuggels verurteilt ist, c) im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

2. hinsichtlich des Angeklagten M aufgehoben, a) soweit er wegen Verabredung zur Begehung eines Verbrechens der gewerbs-und bandenmäßigen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist (Fall II. 8 der Urteilsgründe); in diesem Umfang wird der Angeklagte freigesprochen; die ausscheidbaren Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt;

b) im Gesamtstrafenausspruch.

II. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten D wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in sechs Fällen, versuchter gewerbs-und bandenmäßiger Steuerhinterziehung sowie in zwei Fällen wegen Verabredung zur Begehung eines Verbrechens der gewerbs-und bandenmäßigen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und den Angeklagten M wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in drei Fällen, Beihilfe zur Steuerhinterziehung sowie wegen Verabredung zur Begehung eines Verbrechens der gewerbs-und bandenmäßigen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; im übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen. Diese wenden sich jeweils mit der Sachrüge gegen ihre Verurteilung. Der Angeklagte M erhebt darüber hinaus Verfahrensrügen.

Die Rechtsmittel haben in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen sind sie unbegründet.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte D schmuggelte zwischen September 2000 und Dezember 2001 in sechs Fällen große Mengen Zigaretten chinesischen Ursprungs in Containern hinter Tarnladung verborgen über die deutschen Häfen Hamburg und Bremerhaven nach Deutschland ein; er verkürzte dadurch Eingangsabgaben in Höhe von mindestens 4,2 Mio. Euro. Dabei ließ er bei der Abfertigung durch die deutschen Zollbehörden jeweils (unauffällige) Handelswaren - wie Kleidung und Haushaltsartikel - anmelden, die im Versandverfahren nach Polen und Rußland geliefert werden sollten.

In fünf Fällen wurden die im Container verborgenen, nicht angemeldeten Zigaretten anschließend in Lagerhallen bei Hamburg umgeladen und verkauft (Fälle II. 1 bis 5 der Urteilsgründe). Die übrigen angemeldeten und abgefertigten Waren wurden bestimmungsgemäß weiterbefördert; die jeweiligen Zollverfahren wurden entsprechend abgeschlossen. Der Angeklagte M war in den Fällen II. 1 bis 3 Mittäter, im Fall II. 4 leistete er dem Angeklagten D Beihilfe.

In einem weiteren Fall, der vom Landgericht als versuchte gewerbsund bandenmäßige Steuerhinterziehung ausgeurteilt worden ist (Fall II. 6 der Urteilsgründe), beschlagnahmten die Zollbehörden am 18. Januar 2002 einen Container, nachdem der mit der Abholung beauftragte Fahrer die vom Angeklagten D vorbereiteten und inhaltlich unrichtigen Abfertigungspapiere beim Zollamt Hamburg Hafen eingereicht hatte. In dem - zuvor bereits von den Zollbehörden im Freihafen überwachten - Container, waren 9.587.200 Zigaretten enthalten.

Den als "Verabredung zum Verbrechen der gewerbs-und bandenmäßigen Steuerhinterziehung" ausgeurteilten Fällen lag folgendes Geschehen zugrunde:

Der Angeklagte D traf zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt vor dem 25. Januar 2002 mit zwei anderweitig verfolgten Mittätern die Absprache, erneut einen weiteren Container mit Tarnladung und 9,2 Mio. Zigaretten, der im Januar 2002 im Freihafen Hamburg eingetroffen war, in das Gemeinschaftsgebiet zu verbringen. Unmittelbar bevor der Fahrer die von D vorbereiteten unrichtigen Abfertigungsdokumente beim Zoll einreichen und den Container übernehmen konnte, erfuhr der Angeklagte D auf telefonische Nachfrage, daß der Container von den Zollbehörden "gesperrt" worden war. Er forderte deshalb seinen Mittäter J auf, den Container nicht abholen zu lassen, da er davon ausging, daß die Zollbehörden Verdacht geschöpft hatten und die Tat nicht mehr durchführbar war. Der Container wurde in der Folgezeit von den Zollbehörden beschlagnahmt (Fall II. 7 der Urteilsgründe).

Ferner verabredete der Angeklagte D mit dem Angeklagten M und dem anderweitig verfolgten Mo zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt vor dem 2. April 2002, zwei weitere Container mit Tarnladung sowie 8.460.000 und 9.280.000 Zigaretten, welche bereits seit Ende März 2002 im Freihafen Hamburg lagerten, in das Gemeinschaftsgebiet einzuführen. Bei den Reedereien erfuhr der Angeklagte D , daß ein Container freigestellt worden war, der andere jedoch auf Anweisung des Zollamtes in der Container-Röntgenanlage überprüft werden sollte. Er erkannte, daß die Zollbehörden hinsichtlich des zweiten Containers Verdacht geschöpft hatten, und er befürchtete, daß bei der Überprüfung die Zigaretten vom Zoll entdeckt werden würden. Er beschloß daher, diesen Container aufzugeben. In Absprache mit dem Angeklagten M beabsichtigte er, am 12. April 2002 nur noch den zuvor bereits freigegebenen Container aus dem Freihafen zu verbringen. Hierzu kam es jedoch nicht mehr, da D und M am 10. April 2002 festgenommen wurden (Fall II. 8 der Urteilsgründe).

II.

Die Verurteilungen des Angeklagten D wegen gewerbsmäßigen Schmuggels (§ 373 AO) in sechs Fällen und des Angeklagten M wegen gewerbsmäßigen Schmuggels (§ 373 AO) in drei Fällen sowie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 27 StGB) halten rechtlicher Nachprüfung stand. Die vom Angeklagten M erhobenen Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. März 2003 unzulässig im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrügen hat insoweit keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

III.

Dagegen hält die Verurteilung des Angeklagten D im Fall II. 6 der Urteilsgründe wegen versuchter gewerbs-und bandenmäßiger Steuerhinterziehung nach § 370a AO einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Insoweit ist der Schuldspruch dahin zu ändern, daß der Angeklagte D des versuchten gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Schmuggels nach § 373 AO, §§ 22, 23 StGB schuldig ist. Das Landgericht hat nicht bedacht, daß sich die Vorschrift des § 370a AO zwischen dem Zeitpunkt der Tatbegehung und der Aburteilung geändert hat.

1. Nach § 2 Abs. 3 StGB ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das bei Beendigung der Tat geltende Gesetz vor der Entscheidung geändert worden ist. Bei der Ermittlung des milderen Rechts im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB kommt es dabei maßgebend darauf an, welche Regelung in dem zu entscheidenden Einzelfall nach dessen besonderen Umständen dieden Täter schonendere Beurteilung gestattet (vgl. BGHSt 20, 74, 75; BGHR StGB § 2 Abs. 3 Gesetzesänderung 6; vgl. auch Schmitz in Münch. Komm. StGB 2003 § 2 Rdn. 20 m. w. N.).

a) Der Verbrechenstatbestand der gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Steuerhinterziehung wurde durch Art. 2 des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes vom 19. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3922) neu geschaffen und mit Wirkung vom 28. Dezember 2001 als § 370a in die Strafvorschriften der Abgabenordnung eingefügt. Die Vorschrift hatte zu diesem Zeitpunkt den folgenden Wortlaut:

"Gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterziehung Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, Steuern verkürzt oder für sich oder für einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt."

Aufgrund massiver Kritik und erheblicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der getroffenen Regelung (vgl. nur Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht 5. Aufl. Nachtrag § 370a AO Rdn. 4 m. w. N.) wurde durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen vom 23. Juli 2002 (BGBl I 2002, 2715) mit Wirkung vom 27. Juli 2002 die Vorschrift dahin geändert, daß nun erst eine Steuerverkürzung "in großem Ausmaß" zur Qualifikation als Verbrechen führen soll; ferner wurde ein minder schwerer Fall eingeführt, der insbesondere unter den Voraussetzungen einer Selbstanzeige nach § 371 AO gegeben sein soll.

Die nunmehr geltende Fassung des Gesetzes lautet:

"Gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterziehung Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 370 1.

gewerbsmäßig oder 2.

als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein minder schwerer Fall liegt insbesondere vor, wenn die Voraussetzungen des § 371 erfüllt sind."

b) Das Landgericht hat ohne weitere rechtliche Erörterung die zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Neufassung des § 370a AO der Verurteilung des Angeklagten D zugrunde gelegt und dabei das Tatbestandsmerkmal der Steuerhinterziehung "in großem Ausmaß" ausdrücklich bejaht. Dies würde im Verhältnis der beiden Fassungen des § 370a AO zueinander - für sich betrachtet und jeweils ihre Verfassungsmäßigkeit unterstellt - keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Denn insoweit stellt sich die Neufassung, die einerseits die Schwelle zum Verbrechenstatbestand durch schärfere Eingangsvoraussetzungen erhöht und andererseits einen minder schweren Fall eingeführt hat, als das mildere Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB dar. Indessen ist zur Ermittlung des mildesten Gesetzes im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB der gesamte Rechtszustand im Bereich des materiellen Rechts heranzuziehen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 2 Rdn. 8 ff.), so daß es bei dem vorzunehmenden Gesamtvergleich vorliegend auch auf das rechtliche Verhältnis des neuen Verbrechenstatbestandes gemäß § 370a AO zum unverändert fortgeltenden Vergehenstatbestand des § 373 AO ankommt, der den gewerbsmäßigen, gewaltsamen und bandenmäßigen Schmuggel unter Strafe stellt.

aa) Den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren sind weder im Zusammenhang mit dem zunächst erlassenen Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz noch mit dem nachfolgenden Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, wie der Gesetzgeber die Konkurrenzen zwischen den genannten, sich weitgehend überschneidenden gesetzlichen Vorschriften regeln wollte, wie sich der Verbrechenstatbestand des § 370a AO in das System des Steuerstrafrechts einfügen sollte, und ob die Kollisionen überhaupt erkannt wurden (verneinend: Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 370a Rdn. 38).

bb) Infolgedessen ist auf die allgemeinen Grundsätze in Fällen der Gesetzeseinheit zurückzugreifen. Gesetzeseinheit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 31, 380 m. w. N.) dann vor, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfaßt wird. Maßgebend für die Beurteilung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muß eine - wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige - Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestandes sein.

Diese Voraussetzungen sind jedenfalls im Verhältnis zwischen § 370a AO aF und § 373 AO gegeben, der bei gleichem allgemeinen Schutzgut - der Sicherung des vollständigen Steueraufkommens - und bei identischem Anwendungsbereich hinsichtlich der gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Strukturen und Begehungsweisen als lex specialis vorgeht. Denn der ausdrückliche Schutz von Eingangsabgaben bzw. Ein-und Ausfuhrabgaben (geänderte Fassung durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3794) läßt den Tatbestand des Schmuggels als die speziellere und damit vorrangige Norm erscheinen (so auch: Bender, Das Zoll-und Verbrauchsteuerstrafrecht mit Verfahrensrecht TZ 67 Rdn. 2; ders. ZfZ 2002, 146, 148 f.; Burger wistra 2002, 1, 3; vgl. auch: Joecks in Franzen/Gast/Joecks aaO Rdn. 55; Kohlmann, Steuerstrafrecht 30. Lfg. § 370a AO Rdn. 30). Dabei kommt es nicht darauf an, daß dieses zusätzliche Merkmal zu einer Privilegierung, d. h. zum Vorrang des Vergehenstatbestandes gegenüber dem (neueren) Verbrechenstatbestand des § 370a AO aF führt (vgl. Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. Vor § 52 ff. Rdn. 73).

cc) Es kann im vorliegenden Fall offen bleiben, ob der Vorrang des § 373 AO auch im Verhältnis zum neugefaßten § 370a AO gilt oder ob durch das zusätzliche Tatbestandsmerkmal des "großen Ausmaßes" nunmehr diese Norm zum spezielleren Tatbestand wird, weil das Merkmal der Einfuhrabgaben dadurch enger gefaßt wird (so Joecks aaO). Denn zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Tatbegehung im Januar 2002 war jedenfalls der Tatbestand des Schmuggels nach § 373 AO die speziellere Strafnorm, der der Vorrang gebührte. Damit stellt sich bei einem Gesamtvergleich die Rechtslage zur Tatzeit als die im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB dem Angeklagten günstigere dar.

2. Der Senat kann im Fall II. 6 der Urteilsgründe den Schuldspruch entsprechend ändern, da weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten sind. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen; es kann ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte sich gegen den geänderten Schuldvorwurf wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

Der Strafausspruch bleibt von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Landgericht hat angesichts des Umfangs der angestrebten Steuerverkürzung in Höhe von mehr als 1 Mio. Euro eine sehr maßvolle Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten festgesetzt. Der Senat schließt aus, daß diese Einzelstrafe bei der nun gefundenen rechtlichen Einordnung der Tat geringer ausgefallen wäre.

IV.

Soweit die Angeklagten wegen Verabredung zur Begehung eines Verbrechens der gewerbs-und bandenmäßigen Steuerhinterziehung gemäß § 370a AO nF, § 30 Abs. 2 StGB verurteilt worden sind (Fälle II. 7 und 8 betreffend den Angeklagten D und Fall II. 8 betreffend den Angeklagten M ), hält das Urteil der rechtlichen Nachprüfung nicht stand; die Angeklagten sind in diesen Fällen aus Rechtsgründen freizusprechen.

1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils wurden die beiden letzten Container mit Schmuggelgut im Januar 2002 unter Mitwirkung des Angeklagten D (Fall II. 7) sowie im März 2002 unter Mitwirkung beider Beschwerdeführer (Fall II. 8) jeweils mit falschen Schiffsladepapieren in den Hamburger Freihafen verbracht, ohne daß die Angeklagten in der Folgezeit bis zu ihrer Verhaftung am 10. April 2002 noch eine Einfuhr in das Gemeinschaftsgebiet bewirken konnten. Für diesen Zeitraum, in dem § 370a AO aF noch in Kraft war, gelten dieselben Grundsätze zu den Konkurrenzverhältnissen wie im Fall II. 6, so daß die Angeklagten sich allenfalls nach der vorrangigen Vorschrift des § 373 AO wegen (versuchten) Schmuggels strafbar gemacht haben könnten. Indessen haben die Angeklagten - anders als im Fall II. 6 - zur Begehung solcher Taten noch nicht unmittelbar angesetzt im Sinne von § 22 StGB.

a) Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung strafloser Vorbereitungshandlungen vom strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Gefährdungshandlungen vor, die nach der Tätervorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbar räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen (BGH NStZ 1989, 473). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht (st. Rspr., vgl. BGHSt 48, 34, 35 f.

m. w. N.). Dabei ist im Einzelfall bei der Abgrenzung in wertender Betrachtung auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 22 Rdn. 11, 13).

b) Danach gilt für Einfuhrdelikte, bei denen die beabsichtigte Steuerverkürzung durch Abgabe inhaltlich falscher Anmeldungen bei der zollamtlichen Abfertigung bewirkt werden soll, daß erst mit der Vorlage der wahrheitswidrigen - weil unvollständigen - Zollanmeldung der Versuch beginnt. Zwar wurden in den hier zu beurteilenden Fällen die verbrauchsteuerpflichtigen Waren schon bei der Verladung der Container in China nicht in die Frachtpapiere aufgenommen, die insoweit nur die jeweilige Tarnladung enthielten. Indes beginnt bei Erklärungsdelikten der vorliegenden Art der konkrete Angriff auf das geschützte Rechtsgut - das öffentliche Interesse am vollständigen Aufkommen der einzelnen Steuern - erst mit Erreichen der Zollgrenzstelle. Denn erst zu diesem Zeitpunkt haben die Zollbehörden zum Schutz der inländischen und gemeinschaftsrechtlichen Fiskalinteressen Kontroll-und Zugriffsrechte, denen andererseits zollrechtlich ausdrücklich geregelte Erklärungspflichten des Steuerpflichtigen entsprechen, die bis zum Erreichen der Zollgrenze nicht bestehen (vgl. Kohlmann aaO Abschnitt B Rdn. 76.4).

Auch die Tatsache, daß die Container im Freihafen Hamburg abgestellt waren und von dort aus in irgendeiner Weise - naheliegend wie zuvor in einem Zollverfahren auf dem Landweg - weiterbefördert werden mußten, führt nicht zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Vorbereitungshandlung und Versuch des Schmuggels. Zwar ist der Freihafen als Freizone nach Art. 166 Zollkodex (ZK) Teil des Zollgebiets der Europäischen Gemeinschaft und kein (zoll-)rechtsfreier Raum. Die dort befindlichen Waren werden aber als nicht im Gemeinschaftsgebiet befindlich angesehen (Art. 166 lit. a ZK) mit der Folge, daß sie grundsätzlich weder den Zollbehörden zu gestellen sind noch eine Zollanmeldung für diese Waren abzugeben ist (Art. 170 Abs. 1 ZK). Daß im vorliegenden Fall aufgrund abweichender Regelungen zu besonderen Zollverfahren eine Ausnahme gelten könnte, ist den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht zu entnehmen.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß bei steuerlichen Einfuhrdelikten - anders als bei Betäubungsmitteldelikten (vgl. BGHSt 31, 252, 253 f.) - die Verbringung von zoll-und verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den Freihafen selbst dann noch nicht als versuchte oder sogar vollendete Hinterziehung von Einfuhrabgaben zu werten ist, wenn der Täter plant, die Waren zu einem späteren Zeitpunkt mit falschen Zollanmeldungen in das Gemeinschaftsgebiet weiterzubefördern.

2. In den Fällen II. 7 und 8 der Urteilsgründe wurden von den Angeklagten entsprechende Erklärungen gegenüber den Zollbehörden nicht abgegeben. Vielmehr veranlaßte der Angeklagte D im Fall II. 7, daß der Container nicht aus dem Freihafen abgeholt wurde, nachdem ihm mitgeteilt worden war, der Container sei "gesperrt" worden. Im Fall II. 8 gaben D und M ihren Plan, die Zigaretten aus dem Freihafen zu verbringen, im Hinblick auf den Container auf, der mit Hilfe der Containerprüfanlage kontrolliert werden sollte. Bezüglich des zweiten, freigestellten Containers kam es aufgrund des Zugriffs der Zollbehörden und der Verhaftung der Angeklagten nicht mehr zu einer zollamtlichen Abfertigung, so daß die geplanten Taten jeweils in der Phase der Vorbereitungshandlung verblieben.

3. Die Aufhebung der in diesen beiden Fällen erfolgten Schuldsprücheläßt die jeweils verhängten Einzelstrafen entfallen. Dies zieht die Aufhebungder gegen die beiden Beschwerdeführer getroffenen Aussprüche über die Gesamtstrafen nach sich.