VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18.12.2013 - 15 K 2741/11
Fundstelle
openJur 2014, 1357
  • Rkr:

Der Anspruch eines Ratsmitglieds auf Akteneinsicht kann im Einzelfall auch einen Anspruch auf Anfertigung notwendiger Kopien umfassen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet war,dem Kläger auf seinen Antrag vom 2. Februar 2011 hin die Fertigung von Kopien des "Sale and Purchase Aggreements" (SPA) vom 17./18. Dezember 2010 und des "OptionAgreements" zur Vorbereitung der Beschlussfassung zur Ratsvorlage °°°°°°°° in der Sitzung des Rates der Stadt C. am 3. Februar 2011 zu gestatten.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. DieBeklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet

Tatbestand

Der Kläger ist Ratsmitglied des Rates der Stadt C. .

In der Sitzung des Aufsichtsrates der Stadtwerke C. am °°. T. °°°° wurde dieser von der Geschäftsführung über die Absicht der Stadtwerke C. unterrichtet, mit sechs weiteren Stadtwerken eine Kommunale Beteiligungsgesellschaft als GmbH und Co KG zu gründen, deren Komplementär eine Kommunale Beteiligungsgesellschaft als GmbH sei. Ein Gesellschafter der GmbH und Co KG sollte neben den übrigen Gesellschaftern der KG auch die Stadtwerke C. werden. Die Gründung war zu dem Zweck vorgesehen, ein Angebot für eine 51% Beteiligung an der F. T1. H. (T2. ) abzugeben, deren 100% Anteilseignerin zu diesem Zeitpunkt die F. J. B. war.

Ein verbindliches Angebot für den Erwerb eines 51% Anteils unterbreitete das Stadtwerke Konsortium am 29. Oktober 2010 unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Aufsichtsräte, Stadträte, Bezirksregierungen und Kartellbehörden.

Der Rat der Stadt C. fasste am 16. Dezember 2010 einen positiven Beschluss über den Erwerb des 51% Anteils an der T2. (Abschluss eines sog. Sale and Purchase Agreements (SPA)). Der Ratsvorlage Nr. °°°°°°°° lag die Vorlage bei,mit der sich der Aufsichtsrat der Stadtwerke C. am 16. November 2010 mit der Übernahme der T2. befasst hatte. Diese enthielt u.a. eine Beschreibung des Projektes nebst Skizzierung des Kauf- und Abtretungsvertrages zum Erwerb der T2. -Anteile, wobei vom Verfasser darauf hingewiesen wurde, dass der Vertrag erst in den nächsten Wochen abschließend verhandelt werde.

Der Vertrag wurde am 17./18. Dezember 2010 notariell beurkundet.

Bereits im Rahmen der gesamten Verhandlungen hatte die F. B. deutlich gemacht, dass sie den Gesamtverkauf der T2. wünsche, so dass bis zum17. Dezember 2010 auch ein Optionsvertrag (sog. Call-/Put-Option für den Erwerb des weiteren 49% Anteils der T2. ) zwischen den Beteiligten ausgehandelt war. Über diese Call-/Put-Option sollte der Rat der Stadt am 3. Februar 2011 entscheiden. Der Vorlage für diese Sitzung (Ratsvorlage °°°°°°°° bzw. °°°°°°°°) lagen keine weiteren Unterlagen bei.

Der Stadt C. wurden die Verträge von den Stadtwerken am 31. Januar 2011 elektronisch übermittelt. Mit Blick auf die Sensibilität der Unterlagen, das besondere öffentliche Interesse an der Transaktion und unter Hinweis auf die mit F. vereinbarte Vertraulichkeit empfahlen die Stadtwerke, den Ratsmitgliedern nur Akteneinsicht zu gewähren, allerdings keine Erlaubnis zur Fertigung von Kopien zu erteilen. Zur Stützung ihrer Auffassung fügten sie eine rechtliche Stellungnahme der an den Vertragsentwürfen beteiligten Rechtsanwälte E. . D. und D1. bei.

Die Verträge waren in englischer Sprache abgefasst, wobei eine deutsche Arbeitsübersetzung vorlag, die nach Hinweisen der Stadtwerke allerdings keine Gewähr für die inhaltliche Richtigkeit bot.

Mit Mail vom 2. Februar 2011, abgesandt um 22.40 Uhr, beantragte der Klägerbei der Beklagten Akteneinsicht in die Verträge, die der Beschlussvorlage zum T1. -Geschäft der Ratssitzung am 3. Februar 2011 zugrunde liegen würden. Zugleich bat er um Erlaubnis, Kopien dieser Verträge zu fertigen.

Mit Schreiben vom 3. Februar 2011 wurde dem Kläger ein Termin zur Akteneinsicht am selben Tag um 11 Uhr eingeräumt. Seinen weiteren Antrag auf Fertigung von Kopien lehnte die Beklagte unter Hinweis auf eine Kommentarstelle in Held,Kommunalverfassungsrecht NRW, mit der Begründung, dass Akteneinsicht das Recht beinhalte, Auszüge oder Notizen zur Stützung des eigenen Gedächtnisses anzufertigen, jedoch nicht die Akten aus den Räumen der Verwaltung zu tragen oder Fotokopien zu fertigen, ab. Das Schriftstück war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen.

Der Kläger nahm am Vormittag des 3. Februar 2011 in den Räumen der Stadtverwaltung Akteneinsicht.

An der Ratssitzung am selben Nachmittag nahm der Kläger jedenfalls zu demTagesordnungspunkt "Option Agreement" nicht teil, in der der Rat im übrigen mehrheitlich einen positiven Beschluss zu dem Optionsvertrag schloss.

Unter dem 4. Juli 2011 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klage rechtzeitig erhoben worden sei, daeine Frist nicht laufe. Zudem habe er ein Rechtsschutzbedürfnis, weil eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Handhabung der Beklagten bestehe. Das Akteneinsichtsrecht beinhalte auch einen Anspruch auf Kopien. Wegen der Komplexität der Verträge und deren Umfangs sei es ihm nicht möglich gewesen, in der Kürze der Zeit aussagekräftige handschriftliche Auszüge zu fertigen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, demKläger auf seinen Antrag vom 2. Februar 2011 hin die Fertigung von Kopien des "Sale and Purchase Aggreements" (SPA) vom 17./18. Dezember 2010 und des "OptionAgreements" zur Vorbereitung der Beschlussfassung zur Ratsvorlage 20110046 in der Sitzung des Rates der Stadt C1. am 3. Februar 2011 zu gestatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Klage unzulässig sei, da sie zum einen verspätet erhoben worden sei, zum anderen das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Darüber hinaus bestehe kein Anspruch des Klägers auf Fertigung von Kopien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vom Kläger vorgelegten Unterlagen (Beiakte Heft 1) und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte Heft 2) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Feststellungsklage ist zulässig (1.) und begründet (2.).

1. Vorliegend handelt es sich um ein Kommunalverfassungsstreitverfahren.

Vgl. dazu: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 22. Januar 2010- 15 B 1797/09 -, juris, und vom 28. August 1997- 15 A 3432/94 - NWVBl 1998, 110.

Ein solches ist dann gegeben, wenn die Beteiligten über die sich aus dem kommunalen Verfassungsrecht ergebenden Rechte und Pflichten im Bereich kommunaler Organe streiten.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Februar 2011- 15 E 94/11 -, juris.

Die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens, einerseits der Kläger als Ratsmitglied, andererseits die Beklagte als Oberbürgermeisterin, streiten im anhängigen Verfahren über die Rechte und Pflichten des Klägers und der Beklagten aus § 55 Abs. 5 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) und setzen sich damit über innerorganisatorische Rechtspflichten auseinander.

Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Kläger kann sein Begehren nunmehr nur noch mit dem Antrag auf Feststellung, dass ereinen Anspruch auf Fertigung der entsprechenden Kopien hatte, verfolgen. In der Hauptsache wäre der ursprüngliche Anspruch des Klägers auf Fertigung von Kopien mittels einer Leistungsklage, nicht durch eine Verpflichtungsklage zu realisieren gewesen, da er nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet sein konnte. Die Beteiligten stehen sich als körperschaftsinterne Funktionsträger gegenüber, die sich zueinander materiellrechtlich in einem Verhältnis der Gleichordnung, nicht in einem für den Erlass eines Verwaltungsaktes typischen Über- bzw. Unterordnungsverhältnis befinden und die über innerorganisatorische Rechte und Pflichten streiten. Mithin geht es um ein organisationsinternes Rechtsverhältnis, das hier mit dem auf dasAußenrecht zugeschnittenen Instrumentarium des Verwaltungsakts nicht geregelt werden kann. Der Weigerung der Beklagten, dem Begehren des Klägers auf Fertigung von Kopien Rechnung zu tragen, fehlt es an der für den Verwaltungsakt begriffsnotwendigen unmittelbaren Rechtswirkung nach außen (§ 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG - NRW).

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2009 - 15 A 981/06 -und Beschluss vom 26. April 1990 - 15 A 460/88 -, NWVBl. 1990, 347.

Dieses ursprüngliche Begehren hat sich aber schon vor Erhebung der vorliegenden Klage erledig. Der Rat der Stadt hatte in der Sitzung vom 3. Februar 2011 positiv über den Abschluss eines Optionsvertrages entscheiden. Nach dem Antrag und Vortrag des Klägers diente die Fertigung der begehrten Kopien ausschließlich dem Zweck der Vorbereitung dieser Sitzung.

Bei dieser Art von Feststellungsklage gelten die Grundsätze der Fortsetzungsfeststellungsklage. Zwar hat die Beklagte den Antrag des Klägers in Form eines Bescheides beschieden. Da sich dieser aber, wie das Begehren des Klägers selbst,vor Klageerhebung erledigt hat, kann dem Begehren des Klägers die Bestandskraft dieses Bescheides nicht entgegengehalten werden.

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses.

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ist bei der Vergangenheit angehörenden Rechtsverhältnissen grundsätzlich nur anzuerkennen, wenn das Rechtsverhältnis über seine Beendigung hinaus anhaltende Wirkung in der Gegenwart äußert.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 43,Rdn.25; OVG NRW, Urteil vom 2. September 1997- 15 A 2770/94 -, NWVBl. 1998, 149.

Dies kann bei Erledigung einer sonstigen hoheitlichen Maßnahme - wie hier - insbesondere dann der Fall sein, wenn bei Erledigung eines entsprechenden Verwaltungsaktes unter anderem aufgrund einer Wiederholungsgefahr eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig wäre.

Der Kläger hat die Umstände substantiiert darzulegen, die sein Feststellungsinteresse ergeben.

OVG NRW, Urteil vom 14. November 1994- 25 A 1134/92 -.

Eine Wiederholungsgefahr kann dann bejaht werden, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich die Beklagte zukünftig vergleichbar verhält. Dabei genügt weder die bloß theoretische Möglichkeit einer Wiederholungsgefahr, noch muss umgekehrt feststehen, dass eine vergleichbare Situation tatsächlich wieder eintritt. Für das Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr müssen konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines vergleichbaren Verhaltens der Beklagten bei einem vergleichbaren und abzusehenden Sachverhalt vorgetragen werden. Nicht ausreichend ist die vage oder abstrakte Möglichkeit einer Wiederholung.

OVG NRW, Urteil 26. Oktober 2010 - 15 A 2399/08 -,juris.

Belastbare Anzeichen dafür, dass in Zukunft eine Wiederholung des Vorgehens zu gewärtigen ist, ergeben sich vorliegend daraus, dass sich die Beklagte vehement unter Hinweis auf Kommentierungen dagegen wehrt, dass der Kläger überhaupteinen Anspruch auf Kopien habe und damit zu erkennen gibt, dass sie sich auch in Zukunft weiterhin ablehnend verhalten wird. Gegen das Vorliegen einer derartablehnenden Haltung auch in Zukunft spricht nicht die geübte Praxis der Beklagten, Kopien für Ratsmitglieder auf deren Wunsch diesen dann zur Verfügung zu stellen, wenn es sich um verwaltungsinterne Akten handelt. Denn sie wird sich - wie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt - anders verhalten, wenn in den Akten Dokumente außerhalb der Verwaltung stehender Dritter enthalten sind und diese um Geheimhaltung bitten. Darüber hinaus hat die Prozessvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass bei behaupteten Beeinträchtigungen Rechter Dritter entsprechend verfahren werde. Dass eine solche Situation jederzeit wieder eintreten kann, haben selbst die Beteiligten nicht in Abrede gestellt.

Der Kläger ist analog § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Denn er macht eine Verletzung in vermeintlich organschaftlichen Rechten geltend.

2. Die Klage ist auch begründet.

Denn dem Kläger hätte ein Anspruch auf Fertigung von Kopien der näher bezeichneten Verträge jedenfalls am 3. Februar 2011 aus § 55 Abs. 5 GO NRW zugestanden.

Danach hat der Bürgermeister jedem Ratsmitglied auf Verlangen Akteneinsicht zu gewähren, soweit die Akten der Vorbereitung von Beschlüssen des Rates dienen, der es angehört. Dritte sind von der Teilnahme an der Akteneinsicht ausgeschlossen. Die Akteneinsicht darf nur verweigert werden, soweit ihr schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen.

Dem Kläger ist zwar zur Vorbereitung der Ratssitzung vom 3. Februar 2011 Akteneinsicht mit der Möglichkeit, handschriftliche Auszüge zu fertigen, unstreitig durch die Beklagte eingeräumt worden. Die Fertigung der begehrten Kopien ist aber abgelehnt worden.

Der Kläger macht unwidersprochen geltend, dass er der Kopien der Verträge zur Vorbereitung der Sitzung bedurfte. Dies stellt die Beklagte weder im Klageverfahren in Abrede, noch sind Gesichtspunkte ersichtlich, die gegen die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens sprechen. Vielmehr ist nachvollziehbar, dass er auch denbereits geschlossenen Vertrag vom 17./18. Dezember 2010, über den der Rat imDezember 2010 entschieden hat, vorliegen haben wollte. Denn der Optionsvertrag, über dessen Abschluss am 3. Februar 2011 entscheiden werden sollte, fußte auf dem bereits geschlossenen Vertrag von Dezember 2010.

Dem Begehren des Klägers steht grundsätzlich nicht entgegen, dass nach dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 Satz 1 GO NRW lediglich ein Anspruch auf Akteneinsicht begründet wird, obwohl dem Landesgesetzgeber bei Einfügung des Absatzes 5 im Jahre 2007 die älteren Regelungen in § 100 VwGO und § 25 Abs. 5 des Sozialgesetzbuches 10. Buch bekannt waren, mit denen neben dem Akteneinsichtsrecht auch ein Anspruch auf Ablichtungen statuiert wird. Denn auch im Rahmen des § 29 VwVfG wird die Auffassung vertreten, dass, obwohl auch dort nicht ausdrücklich geregelt, die Herstellung von Ablichtungen als zulässig anzusehen ist.

Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 29 Rdn. 84, mitweiteren Hinweisen; Stelkens Bonk/Sachs, VwVfG,8. Aufl., § 29 Rdn. 41a; OVG Sachsen, Beschluss vom31. Mai 2011 - 4 A 2/10 -, juris.

Auch das Informationsfreiheitsgesetz sieht in seinem § 5 keinen Anspruch auf Kopie vor, hat aber in der dazu erlassenen Verwaltungsgebührenordnung eine Tarifstelle zur Abrechnung von gefertigten Kopien.

Vgl. VG Münster, Urteil vom 13. September 2013- 1 K 3312/12 -, juris.

Der Landesgesetzgeber war im Rahmen des § 55 Abs. 5 GO NRW auch nicht gehalten, das Anfertigen von Kopien expressis verbis zu regeln, da die Fertigung von Kopien eine Form der Akteneinsicht darstellt. Denn dem Akteneinsichtsrechts kannin verschiedenen Formen Rechnung getragen werden, etwa durch Mitgabe der Akten in die Fraktionsbüros der Ratsmitglieder oder in deren sonstige Wohnräume, wenn sichergestellt ist, dass die Teilnahme Dritter an der Akteneinsicht ausgeschlossen ist (§ 55 Abs. 5 Satz 2 GO NRW).

Dass auch die Beklagte die Fertigung von Kopien als eine Möglichkeit der Akteneinsicht erachtet, ergibt sich aus der Erklärung der Prozessvertreterin in der mündlichen Verhandlung, wonach Ratsmitgliedern von verwaltungsinternen Akten Kopien zur Verfügung gestellt werden.

Das danach der Beklagten eingeräumte Ermessen, in welcher Form Akteneinsicht gewährt wird, war im vorliegenden Fall auf Null reduziert. Denn wegen der Komplexität des Sachverhalts und wegen des Umstandes, dass die Verträge am3. Februar 2011 nur in englischer Sprache vorlagen, die deutsche Übersetzung ausweislich des Hinweises der Stadtwerke keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit bot, konnte dem Akteneinsichtsrecht ernsthaft nur durch Fertigung von Kopien Rechnung getragen werden. Denn nur beim Durchlesen der in englisch verfassten Verträge konnte deren Regelungsinhalt wegen des Umfangs nicht erfasst werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Anfertigung von handschriftlichen Aufzeichnungen bereits eingeräumt hatte.

Dass der Kläger seinen Antrag zeitlich erst kurz vor der Sitzung, am 2. Februar 2011, 22.41 Uhr, gestellt hatte, barg für ihn lediglich das Risiko, angesichts der Kürze der Zeit keine Akteneinsicht zu erhalten. Dass wegen der Kürze der Zeit die Fertigung von Kopien der Verträge nicht möglich gewesen sei oder die Stadt C1. über keinen Kopierer mit der notwendigen Leistungsstärke verfügte, trägt selbst die Beklagte nicht vor.

Dem Anspruch des Klägers kann auch nicht entgegengehalten werden, die Beklagte sei ihrer Informationspflicht dadurch nachgekommen, dass Vertreter der Stadtwerke und Rechtsanwälte, die das Vertragswerk erarbeitet hatten, bei der Sitzung am3. Februar 2011 anwesend gewesen seien, um Ratsmitgliedern Rede und Antwort zu stehen. Denn die Rechte aus § 55 Abs. 5 GO NRW treten neben die Informationspflicht des Oberbürgermeisters gemäß § 55 Abs. 1 GO NRW.

Auch die Auffassung der Beklagten, die Kopien hätten wegen der Kürze der Zeitkeinen Sinn mehr gemacht, geht fehl. Denn ein Ratsmitglied ist nur bei genauer Kenntnis der Verträge, die dem Kläger in der Sitzung nicht mehr zur Verfügung standen, überhaupt in der Lage, Fragen zu formulieren und die Antworten nur durch Einsichtnahme in die ihm vorliegenden Verträge auf ihre Richtigkeit zu überprüfen; d.h. für ein effiziente Kontrolle der Verwaltung waren die Kopien der Verträge unverzichtbar.

Vgl. zum Vorliegen eines Anspruchs auf Kopien bei Notwendigkeit zur effizienten Rechtsverfolgung: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz,14. Aufl., § 29 Rdn. 85.

Dem gewonnenen Ergebnis stehen auch nicht die Kommentarstellen beiArticus/Schneider, Gemeindeordnung, § 55 Anm. 9; Kleerbaum, Gemeindeordnung, § 55 Anm. VII 2; Held, Kommunalverfassungsrecht, § 55 Anm. 7.4, entgegen. Denn in diesen wird ohne jegliche Begründung apodiktisch festgestellt, dass das Anfertigen von Kopien nicht von der Akteneinsicht erfasst werde.

Da der Anspruch auf Akteneinsicht zudem grundsätzlich dann im Ermessen desBürgermeisters steht, wenn schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2013- 15 B 556/13 - juris,

unterliegt auch der Anspruch auf Anfertigung von Kopien diesem Vorbehalt. Unabhängig davon, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Entscheidung ausweislich ihres Schreibens vom 3. Februar 2011 eine derartige eigene Prüfung nicht vorgenommen hat, sondern sich nur auf eine Kommentarstelle zu § 55 GO NRW zurückgezogen hat, ist vorliegend nicht ersichtlich, welche schutzwürdigen Belange Dritter hier zu berücksichtigen waren. Soweit die Beklagte schriftsätzlich darauf hinweist, dass die Stadtwerke ausweislich der in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen enthaltenen Mail vom 31. Januar 2011 anführen "die besondere Sensibilität der Unterlagen, das besonders große öffentliche Interesse an der Transaktion und die mit F1. vereinbarte Vertraulichkeit", sind dem schützenswerte Belange Dritter nicht zu entnehmen. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, welche besonderen sensiblen Daten den Verträgen zu entnehmen waren, und ob und in welchem Umfang Vertraulichkeit mit dem Vertragspartnern F1. überhaupt vereinbart worden ist. Dass allein das "besonders große öffentliche Interesse" an dem Inhalt der Verträge keine schützenswerten Belange Dritter tangiert, liegt auf der Hand.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger bereits Einsicht in die Akten nebst Möglichkeit der Anfertigung von handschriftlichen Abschriften gewährt worden ist. Diesem Recht standen nach Einschätzung der Beklagten offensichtlich keine schützenswerten Belange Dritter entgegen.

Wenn die Prozessvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Verwaltung von dem Vorliegen derartiger Belange ausgeht, wenn denn die Stadtwerke diese behaupten, verkennt sie, dass die Oberbürgermeisterin sich nicht auf diese durch nichts belegte Behauptung zurückziehen kann, sondern sie ein eigenes Prüfungsrecht im Rahmen des § 55 Abs. 5 Satz 3 GO NRW auszuüben hat.

Soweit die Beklagte erklärt, sie habe befürchtet, dass die Verträge an die Presse weitergegeben würden, übersieht sie zum einen, dass der Kläger als Ratsmitglied gemäß §§ 43 Abs. 2, 30 GO NRW zur Verschwiegenheit verpflichtet ist; d.h. eine Weitergabe der Vertragstexte an die Öffentlichkeit führte zu Sanktionen für denKläger, den man als Informanten auch leicht hätte ausmachen können, weil er neben der Verwaltung der Einzige gewesen wäre, der über den gesamten Vertragstext verfügte.

Zum anderen ist nichts dafür vorgetragen, dass Anzeichen dafür bestanden, dass gerade der Kläger sich unredlich verhalten werde und die Absicht hege, gegen seine Verschwiegenheitspflicht zu verstoßen. Vielmehr hat er das Unbehagen aller Fraktionen an der Geheimhaltung der Dokumente, das sich insbesondere darin zeigte, dass alle Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses ausweislich des Protokolls der Sitzung vom 26. Januar 2011 (zu Top 2.9) um Anfertigung von Kopien der Verträge baten, lediglich verbalisiert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.