Bayerischer VGH, Beschluss vom 04.12.2013 - 21 CS 13.1969
Fundstelle
openJur 2013, 45649
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten, seines europäischen Feuerwaffenpasses, die Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins sowie die weiteren Anordnungen im Bescheid des Landratsamtes Freising vom 22. Mai 2013, insbesondere gegen den kraft Gesetzes bestehenden (§ 45 Abs. 5 WaffG) oder angeordneten Sofortvollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).

Vorausgegangen war die Überlassung der Waffen des Herrn D. an den Antragsteller am 30. November 2011, nachdem Herr D. seine Waffenbesitzkarten am 19. November 2011 abgegeben hatte.

Den Jagdschein gab Herr D. am 8. Februar 2012 an das Landratsamt L. zurück.

Am 1. Januar 2012 schloss die Ehefrau von Herrn D. mit dem Antragsteller einen Mietvertrag über einige Räume samt Mobiliar und Waffenschrank im Anwesen von Herrn D., wobei dem Antragsteller ein (1) Schlüssel für die Räumlichkeiten ausgehändigt worden ist.

In einem vom Antragsteller und Herrn D. am 2. Januar 2012 unterschriebenen Vermerk wurde dem Antragsteller der Code für das Zahlenschloss des Waffenschrankes mit dem Vermerk "streng geheim" bekannt gegeben.

Aufgrund u.a. des Verdachts der Jagdwilderei nahm die Polizeiinspektion Vilsbiburg Ermittlungen gegen Herrn D. auf und führte am 2. Juli 2012 bei ihm eine Hausdurchsuchung durch. Dabei wurde unter anderem festgestellt, dass Herr D. den mit einem Zahlenschloss versehenen Waffenschrank öffnen konnte, weil er die Zahlenkombination kannte.

Das Verwaltungsgericht München hat mit Beschluss vom 27. August 2013 die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 8 des Bescheides angeordnet und im Übrigen den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II.

Die nach § 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO statthafte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Der Senat teilt nach einer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ausreichenden summarischen Prüfung die Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Landratsamts Freising, dass die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers gerechtfertigt ist. Der auf § 45 Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nrn. 2 Buchst. b i.V.m. § 36 Abs. 1 WaffG gestützte Bescheid ist – soweit Gegenstand des Beschwerdeverfahrens – aller Voraussicht nach rechtmäßig und die dagegen erhobene Klage bleibt daher erfolglos. Bei dieser Sachlage überwiegt das besondere öffentliche Interesse der Allgemeinheit, wegen der damit verbundenen Gefahren sofort vor einem unzuverlässigen Waffenbesitzer geschützt zu werden, das gegenläufige Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Waffen weiter benutzen zu können, zumal er konkret nichts dazu vorgetragen hat, beruflich oder wegen sonst schützenswerter Belange darauf angewiesen zu sein. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des Beschlusses vom 27. August 2013 und macht sich diese zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Das Vorbringen des Klägers in der Beschwerdebegründung führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung:

Soweit der Antragsteller meint, dass die Anordnung des Sofortvollzugs rechtswidrig sei, weil die Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO nicht eingehalten worden seien, verkennt er, dass seine Klage gegen den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse bereits gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 5 WaffG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfaltet, so dass eine besondere Begründung nicht erforderlich ist. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt Freising im Bescheid vom 22. Mai 2011 dem öffentlichen Interesse an der Gewährleistung der allgemeinen Sicherheit gegenüber dem Interesse des Antragstellers, seine Waffen vorläufig behalten zu können, den Vorrang eingeräumt hat.

Der Antragsteller kann mit seiner Klage die Annahme seiner waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG wohl nicht widerlegen.

Rechtsgrundlage der Anordnung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zwingend zu widerrufen, ohne dass der Behörde Ermessen eingeräumt wäre, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Einen solchen Versagungsgrund normiert § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, wonach die Erlaubnis voraussetzt, dass der eine waffenrechtliche Erlaubnis Beantragende die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinn von § 5 WaffG und die persönliche Eignung gemäß § 6 WaffG besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG Personen nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG umschreibt insoweit im Hinblick auf die erforderliche Prognose Formen des Umgangs mit Waffen und Munition, die von vornherein im Hinblick auf den Gesetzeszweck spezifisch waffenrechtlich so bedenklich, nämlich im hohen Maße gefährlich für die Allgemeinheit sind, dass, anders als in den Fällen des § 5 Abs. 2 WaffG, eine Widerlegung im Einzelfall nicht zugelassen wird (sogenannte absolute Unzuverlässigkeit; vgl. auch die Begründung des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts, BT-Drs. 14/7758 S. 54). Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drs. 14/7758 S. 51). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (st. Rspr vgl. z.B. BVerwG, B.v. 31.1.2008 – 6 B 4.08 – juris; BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215.93 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 71). Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215.93 – Buchholz – 402.5 WaffG Nr. 71; VGH BW, B.v. 3.8.2011 – 1 S 1391/11 –, NVwZ-RR 2011, 815; BayVGH, B.v. 16.9.2008 – 21 ZB 08.655 – und v. 7.11.2007 – 21 ZB 07.2711 –, jeweils juris).

Vorsichtig und sachgemäß im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ist der Umgang mit Waffen und Munition nur dann, wenn alle Sicherungsmöglichkeiten ausgenutzt werden. Die Anforderungen, die für die sorgfältige Verwahrung von Waffen zu erfüllen sind, folgen aus § 36 WaffG. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung hat ein Waffenbesitzer die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass Waffen oder Munition abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben bestehen an der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers – jedenfalls bei summarischer Prüfung – keine Zweifel.

Mit dem Verwaltungsgericht geht auch der Senat davon aus, dass die verschlossene Zimmertür zum Jagdzimmer keine Vorkehrung ist, um zu verhindern, dass Waffen und Munition abhandenkommen oder unbefugte Dritte diese an sich nehmen können. Insoweit ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Zimmertür durch ein Sicherheitsschloss oder Zusatzschloss besonders gesichert gewesen ist. Letztendlich kommt es aber darauf nicht an, weil nach der Rechtsprechung des Senats selbst eine allein bewohnte, stets abgeschlossene Wohnung als solche nicht als geeigneter Aufbewahrungsort von Waffen angesehen werden kann (BayVGH B.v. 18.3.2011 – 21 CS 11.514 – juris). Demnach ist es auch unerheblich, dass dem Antragsteller versichert worden sein soll, er sei alleiniger Schlüsselinhaber für die Türe, die zum Jagdzimmer führt.

Nachdem der Antragsteller in Kenntnis der Zahlenkombination des Waffenschranks (vgl. Bl. 104 der Behördenakte) unterlassen hat, diese Zahlenkombination zu ändern, wusste er, dass Herr D. nach wie vor Zugriff auf die Waffen haben kann. Hier liegt der Verdacht nahe, dass der Antragsteller Herrn D. bewusst den Zugriff auf die in dem Waffenschrank aufbewahrten Waffen weiterhin ermöglichen wollte.

Soweit der Antragsteller einwendet, Herr D. habe ihm einen gültigen Jagdschein gezeigt, der diesen zum Berechtigten mache, ändert das an der rechtlichen Beurteilung nichts.

Zunächst ist festzuhalten, dass es für den Senat nicht nachvollziehbar ist, weshalb die damals zuständige Behörde unter Außerachtlassung der sicherheitsrechtlichen Intentionen des Waffenrechts Herrn D. zwar die Waffenbesitzkarten entzogen, ihm aber den Jagdschein belassen hatte (vgl. dazu auch BayVGH B.v. 8.2.2013 – 21 ZB 12.2412 -, juris). Denn damit wäre es möglich gewesen, dass Herr D. aufgrund des – gültigen – Jagdscheins jedenfalls Langwaffen hätte erwerben dürfen (§ 13 Abs. 3 S. 1 WaffG). Diese durch einen gültigen Jagdschein vorhandene Berechtigung (bis 8.2.2012, vgl. Bl. 123 der Behördenakte) erstreckt sich aber ausdrücklich nicht auf Kurzwaffen, was § 13 Abs. 4 WaffG entnommen werden kann. Nach dieser Vorschrift steht ein Jagdschein im Sinn von § 15 Abs. 1 Satz 1 BJagdG einer Waffenbesitzkarte nur für den Erwerb und den vorübergehenden Besitz nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 WaffG von Langwaffen gleich.

Nachdem sich in dem Waffenschrank, zu dem Herr D. jedenfalls bis zur Hausdurchsuchung am 2. Juli 2012 Zugang hatte, auch eine Kurzwaffe, nämlich ein Revolver (Kaliber 38 spezial, Herst. Weihrauch) befunden und der Antragsteller Herrn D. auch den Zugriff auf diese Kurzwaffe bis zum 2. Juli 2012 ermöglicht hat, liegt ein durch den Antragsteller veranlasster, auf Dauer angelegter rechtswidriger Zustand vor, der seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit belegt.

Damit kann der Antragsteller mit seiner Klage die Annahme seiner waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG wohl nicht widerlegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 50.2 des Streitwertkataloges 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach sind in der Hauptsache für die Waffenbesitzkarte des Antragstellers und eine eingetragene Waffe der Auffangstreitwert von 5.000,-- Euro, für die vierzehn eingetragenen weiteren Waffen je 750,-- Euro und den Jagdschein 8.000,-- Euro, insgesamt 23.500,-- Euro anzusetzen. Der europäische Feuerwaffenpass bleibt ohne Ansatz. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist der Hauptsachestreitwert (23.500,-- Euro) zu halbieren, womit sich ein Streitwert von 11.750,-- Euro ergibt.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.