Hessisches LAG, Beschluss vom 02.09.2013 - 16 TaBV 36/13
Fundstelle
openJur 2013, 45402
  • Rkr:

1. Der Arbeitgeber ist für Äußerungen von Arbeitnehmern, die sich kritisch mit der Arbeit des Betriebsrats auseinandersetzen, auch dann nicht verantwortlich, wenn diese am schwarzen Brett im Betrieb ausgehängt werden. Dies gilt selbst dann, wenn unter den 112 Unterzeichnern des Schreibens einige leitende Angestellte sind. Diese haben mit ihrer Unterschrift erkennbar eine persönliche Stellungnahme abgegeben, die in eigenem Namen und nicht für den Arbeitgeber erfolgte.2. Die Regelung des § 78 BetrVG begrenzt das durch Art. 5 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Dieses findet zwar seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen § 78 BetrVG gehört. Bei der Anwendung der Vorschrift muss der besondere Wesensgehalt des Art. 5 Abs. 1 GG gewahrt bleiben.3. Der am schwarzen Brett ausgehängte offene Brief enthält durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Werturteile.4. Bei der Abwägung der einfachgesetzlichen Vorschrift des § 78 BetrVG mit der Bedeutung der Meinungsfreiheit ist Letzterer hier der Vorrang einzuräumen. Die Meinungsäußerung zielte nicht darauf ab, die Betriebsratsarbeit zu erschweren, sondern einen kritischen Dialog zwischen Belegschaft und Betriebsrat herbeizuführen.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13. Februar 2013 – 5 BV 43/12-teilweise abgeändert:

Die Anträge werden insgesamt zurückgewiesen.

Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13. Februar 2013 – 5 BV43/12- wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Betriebsrat nimmt den Arbeitgeber auf Unterlassung sowie Widerruf von Äußerungen in Anspruch.

Arbeitgeber (Beteiligter zu 2) ist die europäische Entwicklungsgesellschaft eines koreanischen Automobilkonzerns. Im Betrieb werden regelmäßig mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt.Dort ist der Antrag stellende Betriebsrat gebildet.

Vom 5. Juli 2012 bis 17. August 2012 hing im Betrieb am schwarzen Brett folgendes Schriftstück (Bl. 36ff der Akten):

„Offener Brief an die Mitarbeiter/innen von H zum Thema Betriebsrat R, den 4. Juli 2012

Wir, die Unterzeichnenden, beobachten seit einiger Zeit,zunächst interessiert, mittlerweile mit zunehmender Sorge die Aktivitäten unseres Betriebsrats bzw. der dort tätigen Personen hinsichtlich der Auswirkungen auf unseren Arbeitsalltag und damit unsere berufliche Zukunft.

Um es klar und vorab zu sagen:

Die Betriebsratsarbeit bei H halten wir für schlecht und nicht zielführend, was natürlich nur unser subjektives Empfinden widerspiegelt.

Betriebsräte wie etwa bei V, B, O etc. verfolgen -wie aus den Nachrichten zu entnehmen ist, stets eine Politik der vertrauensvollen, transparenten und effektiven Zusammenarbeit mit dem Ziel der Lösungsfindung mit dem Unternehmen. Dies immer zum Wohle aller Arbeitnehmer und des Unternehmens unter Einbeziehung aller gegebenen Möglichkeiten -auch wenn Entscheidungen hieraus unter Umständen aus praktischen Gründen manchmal nur einem vorübergehenden Kompromiss darstellen.

Bei dem Betriebsrat von H können wir dieses so nicht erkennen.Es fehlt an Vertrauen, Transparenz, Effizienz und vor allem dem Willen des Betriebsrates praktische Lösungen herbeiführen zu wollen.

- Vertrauen: Betriebsratsmitglieder suggerieren oft grundlegendes Misstrauen gegen die Firma an sich -das ist unserer Ansicht nach falsch, weil dadurch eine einvernehmliche Lösungsfindung unmöglich wird.

- Mangelnde Transparenz: Die Ziele des Betriebsrates, die Themen an denen gearbeitet wird oder auch die Konflikte mit der Firma und deren Lösungsstrategien sind für uns als Mitarbeiter nicht klar erkennbar.

- Effizienz: Konkrete Ergebnisse der Betriebsratsarbeit oder auch nur resultierende Pläne sind für uns trotz der zahlreichen und meist sehr kurzfristig angesetzten Zusammenkünfte des Betriebsrates nicht erkennbar. Auch die Art und Weise, wie hier ohne Rücksicht auf betriebliche Belange und mit fragwürdigem Sozialverhalten gegenüber betroffenen Kollegen agiert wird, ist aus kollegialen Gründen so nicht akzeptabel. Speziell wird die Arbeit rigoros mit dem Verweis auf eine „wichtige Betriebsratssitzung“niedergelegt. Trotz der Vielzahl der gerichtlichen Klagen die der H-Betriebsrat geführt hat und führt, ergaben sich bis dato keine für die Belegschaft erkennbaren Vorteile.

- Lösungsfindung: In den Aktivitäten des H-Betriebsrats lässt sich für uns nicht erkennen, dass eine zielführende, zeitnahe Lösungsfindung angestrebt wird. Es scheint oftmals um persönliche Prinzipien und Geltungsbedürfnis einzelner zu gehen, wobei auch materielle Nachteile für eine große Zahl der Mitarbeiter billigend in Kauf genommen und greifbare Lösungen Monate oder sogar Jahre hinausgezögert werden.

- Ungerechtfertigter Missbrauch des Betriebsratsamtes: Wir sind der Ansicht, dass die gegenwärtig agierenden Personen des Betriebsrates ihr Amt dazu Missbrauch an, um sich nicht zuletzt auch persönliche, materielle Vorteile zu sichern.

Das deutsche Arbeitsrecht sieht in § 23 vor, dass die Auflösung des Betriebsrates wegen grober Pflichtverletzungen von mehr als einem Viertel der wahlberechtigten Mitarbeiter des Betriebes beim Gericht beantragt werden kann.

Im Anschluss daran wird dann im Rahmen von Neuwahlen ein neuer Betriebsrat gewählt oder auch der alte wieder gewählt.

Durch die Angabe seines Namens und die Abgabe seiner Unterschrift in dieser Liste (siehe Aushang) kann sich jeder wahlberechtigte Mitarbeiter/in unserer Sichtweise anschließen.“

Dieses Schreiben, das auf neutralem Papier, nicht auf einem Briefbogen des Arbeitgebers verfasst ist, war von insgesamt 112Mitarbeitern, darunter einigen leitenden Angestellten,unterzeichnet. Einige Unterzeichner brachten durch eine Kennzeichnung in der Unterschriftszeile zum Ausdruck, dass sie den Vorwurf des ungerechtfertigen Missbrauchs des Betriebsratsamts nicht teilen.

An dem schwarzen Brett befinden sich auf der linken Seite Mitteilungen der Geschäftsleitung, auf der rechten Seite Mitteilungen der Mitarbeiter (z.B. Kleinanzeigen). Eine klare Trennung, etwa durch eine rote Linie, besteht nicht. An welcher Stelle genau das Schreiben hing, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Am 11. Juli 2012 fand eine Betriebsversammlung statt, an der auch der erste Bevollmächtigte der I Verwaltungsstelle D, G,teilnahm und einen Redebeitrag leistete. Auf dieser Veranstaltung wurde der offene Brief thematisiert.

Vom 18. Juli 2012 bis 23. Juli 2012 befand sich am schwarzen Brett ein anonymer Brief, wegen dessen Inhalt auf Bl. 18 d.A.verwiesen wird. Dort heißt es unter anderem:

„Die Erklärung des Herrn G war völlig überflüssig, da sich jeder Unterzeichner über sein Tun im Klaren war. Seine Hinweise sind somit lediglich als Einschüchterungsversuch gegen die Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung und der Forderung nach Aufklärung und Transparenz in einem demokratischen System zu sehen.“

Der Betriebsrat hat die Unterlassung und den Widerruf der Äußerungen verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei für die Aushänge unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung verantwortlich. Es handele sich um bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit nicht unterfielen.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I der Gründe (Bl. 140-141Rd.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen teilweise stattgegeben;wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen unter II des Beschlusses (Bl. 141R bis 142R der Akten) verwiesen. Dieser Beschluss wurde am 13. Februar 2013 verkündet; insoweit wird auf den Vermerk des Vorsitzenden vom selben Tag Bezug genommen.

Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 21. Februar 2013 und dem des Arbeitgebers am 25.Februar 2013 zugestellt. Dagegen hat der Verfahrensbevollmächtigte des Arbeitgebers mit einem am 13. März 2013 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese am 18. April 2013begründet. Die Beschwerdebegründung wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 22. April 2013zugestellt. Nach Verlängerung der Beschwerdeerwiderungsfrist bis 22. Juni 2013 ist die Beschwerdeerwiderung, eine Anschlussbeschwerde enthaltend, am 24. Juni 2013 (Montag)eingegangenen.

Der Arbeitgeber ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe den Anträgen des Betriebsrats zu Unrecht teilweise stattgegeben. Der Antrag zu 1 a sei bereits unzulässig, weil nicht hinreichend bestimmt. Im Übrigen seien die Anträge nicht auf bestimmte Vorgänge begrenzt und kämen einem „Maulkorb“ gleich. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Äußerungen als grundrechtlich geschützte Meinungsäußerung keine Behinderung der Betriebsratstätigkeit nach § 78 BetrVG darstellen könnten.Hinsichtlich des Antrags zu 2 lasse die Entscheidung offen, was an den Erklärungen in der Stellungnahme zur Betriebsversammlung unwahr, besonders scharf oder pauschal sein soll.

Der Arbeitgeber beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13. Februar 2013 -5 BV 43/12- die Anträge zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

1. Die Beschwerde zurückzuweisen,

2. Unter teilweiser Aufrechterhaltung und teilweiser Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13. Februar 2013-5 BV 43/12-der Beteiligten zu 2 aufzugeben ihre sinngemäßen Äußerungen, wonach

a) Betriebsratsmitglieder oft grundlegendes Misstrauen gegen die Firma an sich suggerieren,

b) bei Zusammenkünften des Betriebsrats durch die Betriebsratsmitglieder ohne Rücksicht auf betriebliche Belange und mit fragwürdigem Sozialverhalten gegenüber betroffenen Kollegen agiert und die Arbeit rigoros mit dem Verweis auf eine „wichtige Betriebsratssitzung“ niedergelegt werde,

c) es bei der Betriebsratsarbeit oftmals um persönliche Prinzipien und Geltungsbedürfnis Einzelner zu gehen scheint, wobei auch materielle Nachteile für eine Großzahl der Mitarbeiter billigend in Kauf genommen und greifbare Lösungen Monate oder sogar Jahre hinausgezögert werden und

d) die gegenwärtig agierenden Personen des Betriebsrats ihr Amt dazu missbrauchen

-hilfsweise ungerechtfertigt dazu missbrauchen-, um sich nicht zuletzt auch persönliche, materielle Vorteile zu sichern.

zukünftig zu unterlassen -hilfsweise gegenüber Mitarbeitern der Beteiligten zu 2 und der H zu unterlassen- höchst

hilfsweise gegenüber Mitarbeitern der Beteiligten zu 2 zu unterlassen- höchst höchst hilfsweise durch Aushang am schwarzen Brett ihrer Kantine zu unterlassen- und bzgl. des Buchstaben d)durch mindestens sechswöchigen Aushang vom gleichen Format und gleicher Schriftgröße am schwarzen Brett der Kantine der Beteiligten zu 2 und gegenüber dem Beteiligten zu 1 zu widerrufen.

Hilfsweise für den Fall der Abweisung des Widerrufsantrags der Beteiligten zu 2 aufzugeben, durch mindestens sechswöchigen Aushang vom gleichen Format und der gleichen Schriftgröße am schwarzen Brett der Kantine der Beteiligten zu 2 und gegenüber dem Beteiligten zu 1 der Gestalt richtig zustellen, dass kein Betriebsratsmitglied durch Drohung mit oder Inaussichtstellen einer bestimmten Amtsführung seiner Person oder des Betriebsrats als Gremium gegenüber der Beteiligten zu 2 oder einem sonstigen Mitarbeiter der Beteiligten zu 2 sich persönliche materielle Vorteile gesichert hat, auf die er ansonsten keinen Anspruch hätte,oder dies auch nur versucht hat, und durch mindestens sechswöchigen Aushang vom gleichen Format und gleicher Schriftgröße am schwarzen Brett der Kantine der Beteiligten zu 2 und gegenüber dem Beteiligten zu 1 zu erklären, dass sie die ursprüngliche-höchsthilfsweise berichtigte-Äußerung-nicht mehr aufrechterhalten werde.

3. Der Beteiligten zu 2) wird unter Aufrechterhaltung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13. Februar 2013-5 BV43/12-aufgegeben, die sinngemäße Äußerung, wonach der Beteiligte zu 1 den 1. Bevollmächtigten der I D Herrn G dazu veranlasst haben soll, die Mitarbeiter in der Betriebsversammlung am 11. Juli 2012durch lautstarke Drohgebärden einzuschüchtern, zukünftig zu unterlassen-hilfsweise gegenüber Mitarbeitern der Beteiligten zu 2und der H zu unterlassen-höchsthilfsweise gegenüber Mitarbeitern der Beteiligten zu 2 zu unterlassen-höchst höchst hilfsweise durch Aushang am schwarzen Brett ihrer Kantine zu unterlassen.

4. Der Beteiligten zu 2 wird unter Aufrechterhaltung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13. Februar 2013-5 BV43/12-aufgegeben, die sinngemäße Äußerung, wonach Verdachtsmomente bestünden, dass ein Betriebsratsmitglied für sich außerplanmäßige,vertrauliche für mehrere Jahre rückwirkende Gehaltserhöhungen und Vergünstigungen unter bestimmten Zugeständnissen fordere, zukünftig zu unterlassen-hilfsweise gegenüber den Mitarbeitern der Beteiligten zu 2 und der H zu unterlassen-höchsthilfsweise gegenüber den Mitarbeitern der Beteiligten zu 2 zu unterlassen-höchst höchst hilfsweise durch Aushang am schwarzen Brett ihrer Kantine zu unterlassen.

5. a) der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben jeden Aushang, der eine einzelne, mehrere oder aller Äußerungen gemäß den Ziffern 2 a)bis c) beinhaltet und zu dem der Beteiligte zu Z. 1 nicht seine Zustimmung erteilt hat, vom schwarzen Brett ihrer Kantine zu entfernen.

b) hilfsweise zu 5a): Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben jeden Aushang, der eine einzelne, mehrere oder alle Äußerungen gemäß Z. 2a) bis c) beinhaltet und zu dem der Beteiligte zu Z. 1 nicht seine Zustimmung erteilt hat und der durch den Personalleiter, den Abteilungsleiter HR und General Affairs, mindestens einen leitenden Angestellten und Abteilungsleiter oder dem Manager Herrn Uunterzeichnet worden ist, vom schwarzen Brett ihrer Kantine zu entfernen.

c) hilfsweise zu 5 a) und 5b): Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2 durch das Nichtentfernen solcher Aushänge vom schwarzen Brett ihrer Kantine trotz Kenntnis von ihrem Inhalt,gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstößt.

d) hilfsweise zu 5c: Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2 durch das Nichtentfernen solcher Aushänge trotz Kenntnis von ihrem Inhalt gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstößt, es sei denn dass die darin geäußerten Tatsachenbehauptungen wahr sind.

6a) Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben jeden Aushang, der Äußerungen gemäß den Ziffern 2d beinhaltet und zu dem der Beteiligte zu 1 nicht seine Zustimmung erteilt hat, vom schwarzen Brett ihrer Kantine zu entfernen.

b) hilfsweise zu 6a): Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben jeden Aushang, der Äußerungen gemäß Z. 2d beinhaltet, zu dem der Beteiligte zu 1 nicht seine Zustimmung erteilt hat und der durch den Abteilungsleiter HR und General Affairs, mindestens einen leitenden Angestellten und Abteilungsleiter oder dem Manager Herrn U unterzeichnet worden ist, vom schwarzen Brett ihrer Kantine zu entfernen.

c) hilfsweise zu 6a und 6b): Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2 durch das Nichtentfernen solcher Aushänge vom schwarzen Brett ihrer Kantine trotz Kenntnis von ihrem Inhalt gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstößt.

d) hilfsweise zu 6c): Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2 durch das Nichtentfernen solcher Aushänge trotz Kenntnis von ihrem Inhalt gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstößt, es sei denn dass die darin geäußerten Tatsachenbehauptungen wahr sind.

7a) der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben jeden Aushang, der eine einzelne oder alle Äußerungen gemäß deren Ziffern 3 und 4beinhaltet und zu dem der Beteiligte zu 1 nicht seine Zustimmung erteilt hat, vom schwarzen Brett ihrer Kantine zu entfernen.

b) hilfsweise zu 7a): Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben jeden Aushang, der eine einzelne oder alle Äußerungen gemäß Z. 3 und 4beinhaltet, zu dem der Beteiligte zu 1 nicht seine Zustimmung erteilt hat und der durch niemandem unterzeichnet worden ist, vom schwarzen Brett ihrer Kantine zu entfernen.

c) hilfsweise zu 7a und 7b): Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2 durch das Nichtentfernen solcher Aushänge vom schwarzen Brett ihrer Kantine trotz Kenntnis von ihrem Inhalt gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstößt.

d) hilfsweise zu 7c): Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2 durch das Nichtentfernen solcher Aushänge trotz Kenntnis von ihrem Inhalt gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstößt, es sei denn dass die darin geäußerten Tatsachenbehauptungen wahr sind.

8a) Es wird festgestellt, dass das Nichtentfernen von Aushängen gem. Ziffer 5a), 6a) und 7a) vom schwarzen Brett ihrer Kantine trotz Kenntnis von ihrem Inhalt durch die Beteiligte zu 2 eine Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellt.

b) hilfsweise zu 8a): Es wird festgestellt, dass das Nichtentfernen von Aushängen gem. Ziffer 5b), 6b) und 7b) vom schwarzen Brett ihrer Kantine trotz Kenntnis von ihrem Inhalt durch die Beteiligte zu 2 eine Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellt.

c) hilfsweise zu 8b): Es wird festgestellt, dass das Nichtentfernen von Aushängen gem. Ziffer 5c), 6c) und 7c) vom schwarzen Brett ihrer Kantine trotz Kenntnis von ihrem Inhalt durch die Beteiligte zu 2 eine Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellt.

d) hilfsweise zu 8c): Es wird festgestellt, dass das Nichtentfernen von Aushängen gem. Ziffer 5d), 6d) und 7d) vom schwarzen Brett ihrer Kantine trotz Kenntnis von ihrem Inhalt durch die Beteiligte zu 2 eine Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellt.

9. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Unterlassungsverpflichtung aus den Ziffern 2-7 wird der Beteiligten zu 2 ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000 €angedroht.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Der Betriebsrat verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts,soweit er den Anträgen stattgegeben hat, als zutreffend. Im Übrigen ist er der Auffassung, der Aushang vom 4. Juli 2012 sei dem Arbeitgeber gem. § 278 BGB, § 166 BGB analog und § 831 BGB analog zuzurechnen. Jedenfalls die leitenden Angestellten, der Personalleiter und die unmittelbaren Vorgesetzten der Betriebsratsmitglieder, die den Aushang unterzeichnet haben, seien als Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen des Arbeitgebers anzusehen. Es werde bestritten, dass der Arbeitgeber seine Verrichtungsgehilfen gem. § 831 BGB hinreichend ausgewählt und überwacht hat. Die Zurechenbarkeit von Mobbinghandlungen gem. § 278BGB werde bei unmittelbaren Vorgesetzten allgemein bejaht. Nichts anderes müsse gelten, wenn sich die Persönlichkeitsrechtsverletzung gegen Betriebsratsmitglieder richte und die Arbeit des Betriebsrats behindere. Jedenfalls sei eine Zurechnung über § 166 BGB analog anzunehmen. Hinsichtlich der uneingeschränkt unterzeichnenden leitenden Angestellten mit Ausnahme des Personalleiters seien vor dem Hintergrund des § 119 BetrVG die Wertungen des § 14 Abs. 2 Nr.1 StGB zu berücksichtigen.

Bei der Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechtsschutz und Meinungsfreiheit sei die Abgrenzung zwischen grundsätzlich unzulässiger falscher Tatsachenbehauptung und grundsätzlich zulässigem Werturteil von entscheidender Bedeutung. Hier hätten die Unterzeichner des offenen Briefes keineswegs nur Unwerturteile über die Arbeit des Betriebsrats abgegeben, sondern schwerwiegende,strafrechtlich relevante Vorwürfe erhoben, also Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Sofern Äußerungen wie „schlecht und nicht zielführend“ um Werturteile darstellten, seien diese bewusst relativierend vorangestellt, um die folgenden Tatsachenvorwürfe vorzubereiten. Die Tatsachenbehauptungen seien unwahr. Kein Betriebsratsmitglied habe jemals grundlegendes Misstrauen gegen den Arbeitgeber suggeriert.Es seien nie Gerichtsverfahren eingeleitet worden, um Forderungen von Betriebsratsmitgliedern nach individuellen Vorteilen Nachdruck zu verleihen. Die Betriebsratsmitglieder hätten sich stets bei ihren Vorgesetzten abgemeldet, sobald sie von dem Termin einer außerordentlichen Betriebsratssitzung erfahren haben. Der Betriebsrat habe nie Entscheidungen verzögert oder den Anschein hierzu gegeben. In dem Vertragsentwurf des Betriebsratsvorsitzenden, Herrn A, sei keine Bereicherung oder Bereicherungsversuch zu sehen. Sein Vorgesetzter, Herr U, sei an ihn wegen einer berufsbegleitenden Promotion herangetreten.Gemeinsam sei man in diesem Zusammenhang auf eine rückwirkende Gehaltsanpassung in Höhe von 79.500 € und eine rückwirkende Beförderung zum Senior Engineer von Herrn A gekommen. Dieser habe jedoch keine Sonderbehandlung wegen seines Betriebsratsamts in Anspruch genommen. Das Management habe grundsätzlich Zustimmung zu dem Promotionsvorhabens signalisiert, in einem Meeting vom 13.April 2012 die entsprechenden Vorschläge zur personellen und finanziellen Entwicklung von Herrn A jedoch abgelehnt. Soweit das Betriebsratsmitglied K einen Dienstwagen beanspruche, stelle dies keine Begünstigung wegen der Betriebsratsarbeit dar, sondern diene vielmehr seiner Gleichbehandlung mit den übrigen Mitarbeitern der Abteilung Design. Der I Sekretär G habe auf der Betriebsversammlung sachlich und in normalem Tonfall gesprochen und lediglich auf die Praxis des Arbeitsgerichts M, dem er als ehrenamtlicher Richter angehört hingewiesen, dass die Antragsteller eines Verfahrens gemäߧ 23 Abs. 1 BetrVG einzeln persönlich vor Gericht geladen und zu den durch sie erhobenen Vorwürfen angehört werden.

Der Arbeitgeber hat mit Schriftsatz vom 27. August 2013 zur Anschlussbeschwerde Stellung genommen; insoweit wird auf Bl.562-579 der Akten Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle verwiesen.

II.

1. Beschwerde und Anschlussbeschwerde sind statthaft, § 87 Abs.1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurden, § 87 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1und 2 ArbGG, § 524 ZPO.

2. Die Beschwerde ist begründet. Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist teilweise abzuändern. Die Anträge des Betriebsrats sind unbegründet. Auch die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet.

a) Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig; insbesondere sind die Anträge zu 2a) bis d) hinreichend bestimmt, §§ 80 Abs. 2, 46Abs. 2 ArbGG, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Betriebsrat wendet sich insoweit gegen bestimmte Äußerungen aus dem offenen Brief vom 4.7.2012, die auszugsweise in den Anträgen wieder gegeben werden.Genauer kann der Streitgegenstand nicht eingegrenzt werden.

b) Die Anträge des Betriebsrats sind nicht begründet. Der Arbeitgeber ist nicht zur Unterlassung sowie zum Widerruf der in den Anträgen genannten Äußerungen verpflichtet. Zwar darf der Betriebsrat nach § 78 BetrVG nicht in der Ausübung seiner Tätigkeit gestört oder behindert werden. Der Begriff der Behinderung nach § 78 S. 1 BetrVG ist umfassend zu verstehen. Er umfasst jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers ist dazu nicht erforderlich. Eine Behinderung kann auch bereits in Äußerungen des Arbeitgebers zur Betriebsratsarbeit und deren Folgen liegen (Bundesarbeitsgericht 12.11.1997-7 ABR 14/97-APNr. 27 zu § 23 BetrVG 1972, Randnummer 12). Die genannten Äußerungen stammen jedoch nicht vom Arbeitgeber, noch sind sie ihm zuzurechnen.

Die Äußerungen sind keine des Arbeitgebers. Die im Antrag zu 2a) bis d) wieder gegebenen Äußerungen stammen aus dem offenen Brief vom 4.7.2012. Dieser ist nicht auf einem Briefbogen des Arbeitgebers, sondern auf neutralem Briefpapier verfasst. Aus dem ersten Satz des Schreibens ergibt sich, dass es sich um eine Äußerung „der Unterzeichnenden“ handelt. Unterzeichnet haben das Schreiben 112 natürliche Personen. Diese haben sich hierdurch persönlich zu dem Inhalt des offenen Briefs bekannt. Eine Erklärung des Arbeitgebers läge nur dann vor, wenn dessen Organ,der Geschäftsführer der GmbH, oder ein Vertreter der GmbH in deren Namen unterzeichnet hätte. Eine Zurechnung setzt nach § 164 Abs. 1BGB voraus, dass die Erklärung im Namen des Vertretenen abgegeben wird. Eine ausdrückliche Erklärung im Namen des Arbeitgebers wurde von keinem der Unterzeichner des offenen Briefs abgegeben. Aus den Umständen (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB) ergibt sich nichts anderes.Dies gilt auch, soweit einige leitende Angestellte unterschrieben haben. Zwar geht bei unternehmensbezogenen Geschäften der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass der Betriebsinhaber verpflichtet werden soll. Hier geht es jedoch nicht um ein unternehmensbezogenes Geschäft. Die Unterzeichner des Schreibens bewerten aus ihrer Sicht die vom Betriebsrat erbrachte Arbeit. Dabei handelt es sich um eine erkennbar persönliche Stellungnahme, die in eigenem Namen und nicht für den Arbeitgeber erfolgte.

Die Anwendung von § 166 BGB analog scheidet aus. Die Norm ist Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, dass derjenige, der einen anderen mit der Erledigung einer bestimmten Angelegenheit in eigener Verantwortung betraut hat, sich das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss (Palandt-Heinrichs, BGB, § 166 Rn. 9). Darum geht es hier nicht.Die Unterzeichner des offenen Briefs wurden nicht seitens des Arbeitgebers in dieser Angelegenheit betraut, sondern haben eine persönliche Stellungnahme zur Betriebsratsarbeit abgegeben.

Eine Zurechnung gegenüber dem Arbeitgeber ergibt sich nicht daraus, dass der offene Brief an dem schwarzen Brett hing. Der Arbeitgeber stellt mit dem schwarzen Brett nur ein Informationsmedium zur Verfügung, ohne die Verantwortung für den Inhalt jeder dort aushängenden Mitteilung zu übernehmen. Dort hängen nicht ausschließlich Informationen der Geschäftsleitung aus,sondern auch private Mitteilungen von Mitarbeitern (z.B.Kleinanzeigen). Eine klare Trennung des schwarzen Bretts, etwa durch eine rote Linie, in einen Teil des Arbeitgebers und einen der Mitarbeiter besteht nicht. Allein daraus, dass der offene Brief am schwarzen Brett hing, kann deshalb nicht geschlossen werden, es handele sich um eine Verlautbarung des Arbeitgebers. Dies kann sich nur aus der Erklärung selbst ergeben.

Dem Arbeitgeber ist die Äußerung der leitenden Angestellten nicht nach § 278 BGB zuzurechnen. Insoweit ist erforderlich, dass die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe handelnden Mitarbeiters in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat (BAG 25.10.2007 – 8 AZR 593/06 – Rn.79). Die streitgegenständlichen Äußerungen stehen nicht in einem inneren Sachzusammenhang mit den leitenden Angestellten vom Arbeitgeber zugewiesenen Aufgaben. Es fehlt der Bezug zur Arbeitsaufgabe. Die Äußerungen stellen sich vielmehr als persönliche Stellungnahme der Unterzeichner zu der aus ihrer Sicht unbefriedigenden Betriebsratsarbeit dar. Aus demselben Grund scheidet auch eine Verantwortlichkeit des Arbeitgebers nach § 831Abs. 1 BGB aus.

Eine Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ergibt sich auch nicht daraus, dass dieser das Schreiben nicht vom schwarzen Brett abgenommen hat. Verantwortlich ist der Arbeitgeber nur für die am schwarzen Brett befindlichen Äußerungen, die von ihm stammen. Mit der Zur-Verfügung-Stellung dieses Informationsmediums auch für Mitarbeiter ist der Arbeitgeber keine Verpflichtung eingegangen,jede dort aushängende Äußerung rechtlich zu überprüfen und bei einem Rechtsverstoß zu entfernen. Ein Vertrauen der Betriebsöffentlichkeit dahin, dass der Arbeitgeber für jede Erklärung, die an dem schwarzen Brett hängt, die Verantwortung übernehmen will besteht nicht. Vielmehr ist dem Leser der Mitteilungen am schwarzen Brett klar, dass diese nur dem jeweiligen Verfasser zuzurechnen sind. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich das schwarze Brett nur an die (begrenzte) Betriebsöffentlichkeit und nicht die Allgemeinheit richtet und zudem nicht unmittelbar der Gewinnerzielung des Arbeitgebers dient. Insofern besteht ein entscheidender Unterschied etwa zur Einrichtung einer für jedermann nutzbaren Internetplattform zu gewerblichen Zwecken.

Deshalb ist der Arbeitgeber auch nicht als Störer für die Aushänge verantwortlich. Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des absoluten Rechts beiträgt (BGH 18.10.2001 - I ZR 22/99, GRUR 2002, 618, 619; BGH 30.04.2008- I ZR73/05- GRUR 2008, 702, Rn. 50). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Eine derartige Prüfpflicht ist mit der Zurverfügungstellung eines schwarzen Bretts (auch) für Mitteilungen der Arbeitnehmer jedoch nicht verbunden.

Eine Zurechnung ergibt sich entgegen der Ansicht des Betriebsrats auch nicht aus den Wertungen des § 14 Abs. 2 Nr. 1StGB. Dort geht es um die Verantwortlichkeit des Beauftragten. Der Betriebsrat will jedoch mit dieser Norm die Zurechnung zum Arbeitgeber begründen.

Entsprechendes gilt für die weiteren – auch anonymen – Äußerungen am schwarzen Brett. Auch sie sind dem Arbeitgeber nicht zuzurechnen, weshalb die Anträge zu 3 und 4unbegründet sind.

Die Anträge zu 5 bis 9 sind unbegründet. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Aushänge, die sich in der in den Anträgen genannten Weise mit der Betriebsratsarbeit auseinander setzen vom Schwarzen Brett zu entfernen, noch hat er durch das Nichtentfernen gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen oder die Betriebsratsarbeit behindert.

Die Regelung des § 78 BetrVG begrenzt das durch Art. 5 Abs. 1 GGgarantierte Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Dieses findet zwar seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze,zu denen § 78 BetrVG gehört. Bei der Anwendung der Vorschrift muss der besondere Wesensgehalt des Art. 5 Abs. 1 GG gewahrt bleiben.Deshalb muss die Norm unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundrechts ausgelegt und dementsprechend in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden (zu § 74Abs. 2 BetrVG: BAG 17.3.2010 – 7 ABR 95/08BAGE 133,342; Rn. 39 m.w.N.). Die Gerichte haben von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von der Anwendung einfach-gesetzlicher Vorschriften Grundrechte der Arbeitnehmer betroffen sind. Trifft dies zu, haben sie diese, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11NZA 2013,730, Rn. 18).

Der am schwarzen Brett ausgehängte offene Brief vom 4. Juli 2012und auch der im Anschluss an die Betriebsversammlung vom 11. Juli 2012 dort ausgehängte anonyme Brief unterfallen dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG.

Nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Grundgesetz hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern.Meinung ist jede subjektive Stellungnahme, die durch Elemente des Wertens und Dafürhaltens geprägt ist (BVerfGE 61, 1,8; 44,197,202;7, 198,210). Subjektive Stellungnahmen in diesem Sinn sind zunächst alle Werturteile. Werturteile sind nicht dem Beweis zugänglich.Über sie kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Sie sind häufig schon an der Wortwahl zu erkennen, insbesondere an der Verwendung wertender Adjektive („gut“,„schlecht“) und Substantive („Gewerkschaftsskandal“, BVerfG NJW 2004,277,278).Werturteile sind unabhängig von ihrem Inhalt und ihrer Qualität geschützt (BVerfGE 93,246,289; 33, 1,14; BVerfG NJW 2003,3760). Von Werturteilen sind Tatsachenbehauptungen zu unterscheiden. Diese sind verobjektivierbar, d.h. dem Beweis zugänglich. Sie können als richtig oder falsch, als wahr oder unwahr eingestuft werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beweis im konkreten Fall tatsächlich geführt werden kann, sondern nur, ob sich eine solche Beweisführung überhaupt denken lässt (BVerfG NJW 1999,483,484). In die Abgrenzung ist der gesamte Kontext der Äußerung (Ort, Zeit,Personen, Intention) einzubeziehen. Eine untrennbare Verknüpfung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil liegt vor, wenn die Tatsachenbehauptung als Grundlage für ein Werturteil dient, so dass Letzteres ohne Erstere nicht verständlich wäre (BVerfGE 85, 1,15).Dasselbe gilt, wenn sich in einem Text Tatsachen und Werturteile abwechselnd und derart aufeinander beziehen, dass eine einheitliche Äußerung vorliegt (BVerfGE 61, 1,9). Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (BVerfGE93,266,295). Auch ist im Einzelfall eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung nur zulässig, wenn dadurch ihr Sinn nicht verfälscht wird. Wo dies nicht möglich ist,muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden, weil anderenfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte. Denn anders als bei Meinungen im engeren Sinne, bei denen insbesondere im öffentlichen Meinungskampf im Rahmen der regelmäßig vorzunehmenden Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit einerseits und dem Rechtsgut, in deren Interesse sie durch ein allgemeines Gesetz eingeschränkt werden kann, eine Vermutung zu Gunsten der freien Rede gilt, gilt dies für Tatsachenbehauptungen nicht in gleicher Weise (BVerfG 24. Juli 2013 -1 BvR 444/13, 1 BvR 597/13,Rn. 18). Steht die Tatsachenbehauptung dagegen für sich, d.h. in keiner Verbindung mit einem Werturteil, ist sie nicht geschützt (BVerfGE 99,185,187).

Der offene Brief vom 4. Juli 2012 enthält im Wesentlichen Werturteile. Dies ergibt sich bereits aus dem 1. Absatz, wonach mit „zunehmender Sorge“ die Aktivitäten des Betriebsrats beobachtet werden. Im darauf folgenden Absatz wird die Betriebsratsarbeit als „schlecht und nicht zielführend“bewertet. Sodann wird kritisiert, dass es dem Betriebsrat an „Vertrauen, Transparenz, Effizienz und vor allem dem Willen,praktische Lösungen herbeiführen zu wollen“ fehlt. Hierbei handelt es sich um eine kritische Bewertung der bisherigen Arbeit des Gremiums, also um Werturteile. In den folgenden Absätzen werden sodann diese Werturteile näher erläutert. Es werden Eindrücke wieder gegeben, nämlich dass die Betriebsratsmitglieder Misstrauen gegenüber der Firma hegen sowie die Ziele des Betriebsrats und konkrete Ergebnisse nicht erkennbar sind. Soweit dort Tatsachen aufgeführt werden, dienen diese der Meinungsbildung, nämlich dem Beleg des zuvor aufgestellten Werturteils des mangelnden Vertrauens, Transparenz, Effizienz und des fehlenden Willens des Betriebsrats praktische Lösungen herbeiführen zu wollen. Derartige,der Meinungsbildung dienende Tatsachenbehauptungen unterfallen ebenfalls dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz. Dies gilt auch, soweit der Vorwurf des ungerechtfertigen Missbrauchs des Betriebsratsamts erhoben wird. Damit könnten die vom Betriebsratsvorsitzenden mit dem Arbeitgeber geführten Verhandlungen über eine rückwirkende Gehaltserhöhung gemeint sein.Hierdurch soll näher ausgeführt werden, aus welchen Gründen die Unterzeichner des offenen Briefes die Arbeit des Betriebsrats für „schlecht und nicht zielführend“ halten. Insofern steht diese Passage in untrennbarem Zusammenhang zum übrigen Inhalt des Schreibens.

Auch der anonyme Brief vom 18. Juli 2012 unterfällt dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz. Soweit dort das Verhalten des Ersten Bevollmächtigten der I, G, kritisiert wird handelt es sich um Werturteile („völlig überflüssig“,„Einschüchterungsversuch gegen die Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung“).

Bei dieser Kritik handelt es sich nicht um Schmähkritik. Der Begriff der Schmähkritik ist vor dem Hintergrund, dass es nach der verfassungsrechtlichen Systematik und bei im Einzelfall gegenüberstehenden Grundrechtspositionen grundsätzlich einer Abwägung zwischen diesen verschiedenen Grundrechtspositionen unter Berücksichtigung aller wesentlicher konkreter Umstände bedarf, eng definiert. Eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Die Äußerung muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (BVerfG 24. Juli 2013 -1 BvR 444/13,1 BvR 597/13, Rn. 21). Wie sich aus dem Inhalt der Schreiben ergibt, ging es den Verfassern um eine sachliche Kritik an der Betriebsratsarbeit, nicht um die persönliche Diffamierung der Betriebsratsmitglieder. Es werden verschiedene Aspekte der Betriebsratsarbeit angesprochen und inhaltlich kritisiert. Bewusste Kränkungen enthält das Schreiben nicht. Keines der Betriebsratsmitglieder wird namentlich verächtlich gemacht. Auch der Vorwurf des ungerechtfertigten Missbrauchs des Betriebsratsamts wird in zurückhaltender und sachlicher Weise erhoben.Entsprechendes gilt für die in dem anonymen Schreiben vom 18. Juli 2012 erhobene Kritik an dem Verhalten des Ersten Bevollmächtigten der I , G.

Eine Abwägung der einfachgesetzlichen Vorschrift des § 78 BetrVGmit der Bedeutung des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz ergibt, dass Letzterer hier das größere Gewicht einzuräumen ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Meinungsäußerung nicht darauf abzielte, die Betriebsratsarbeit zu erschweren, sondern einen kritischen Dialog zwischen Belegschaft und Betriebsrat herbeizuführen. Der Betriebsrat als demokratisch gewähltes Gremium muss sich der Kritik seiner Wähler stellen. Dies bedeutet, dass er diese zur Kenntnis zu nehmen hat und sich damit auseinandersetzen muss. Anders ist eine innerbetriebliche Demokratie nicht vorstellbar. Damit ist es unvereinbar, wenn er kritische schriftliche Stellungnahmen am schwarzen Brett als Behinderung der Betriebsratsarbeit zu unterbinden versucht.Vielmehr kann er in Betriebsversammlungen und Sprechstunden hierzu Stellung nehmen und seine Position darstellen, was hier auch erfolgt ist. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der offene Brief vom 4.7.2012 auch von leitenden Angestellten –die vom Betriebsrat nicht repräsentiert werden –unterzeichnet worden ist. Zum einen sind auch diese Träger des Grundrechts der Meinungsfreiheit. Zum anderen diente ihre Meinungsäußerung der Überzeugungsbildung bei den vom Betriebsrat repräsentierten Wahlberechtigten.

III.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, § 92Abs. 1, § 72 ArbGG.