Hessischer VGH, Urteil vom 13.12.2011 - 5 A 1226/11.A
Fundstelle
openJur 2013, 43943
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Dezember 2005 - 9 E4468/05.A - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten für das gesamte Verfahren hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der nach seinen Angaben am … 1963 bzw. am … 1973in Mannar/Sri Lanka geborene Kläger ist sri-lankischer Staatsangehöriger tamilischer Volks- und christlicher Religionszugehörigkeit. Er verließ erstmals am 24. Januar 1991 sein Heimatland und gelangte seinen Angaben zufolge mit einem Boot zu den Malediven und von dort mit der Swiss Air über Zürich nach Frankfurt. Im Rahmen seiner am 31. Januar 1991 beantragten Anerkennung als Asylberechtigter trug er vor, in seinem Heimatland Busschaffner gewesen zu sein. Er habe sowohl für die sri-lankischen Soldaten als auch für die Tigerbewegung Sachen transportieren müssen und habe von beiden Seiten Ärger bekommen und sei von beiden Seiten ständig geschlagen worden. Sri-lankische Soldaten hätten ihn einmal verhaftet und für eine Woche unter dem Verdacht, die Tiger zu unterstützen im Thallady-Lager inhaftiert. Ihr Haus sei durch ständige Mörserangriffe von sri-lankischen Soldaten beschädigt worden. Er sei Mitglied des Roten Kreuzes gewesen und habe die Flüchtlingslager der UNHCR mit verwaltet. Die LTTE und die Soldaten hätten ihn ständig beobachtet und gewarnt. Da sein Leben gefährdet gewesen sei, habe er sich zur Flucht entschlossen.

Spätestens seit dem 22. Mai 1991 hat sich der Kläger aus der Gemeinschaftsunterkunft in Gotha entfernt und war unbekannten Aufenthalts.

Das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge -Bundesamt -) lehnte mit Bescheid vom 17. Dezember 1992 den Asylantrag ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch des § 53 AuslG hinsichtlich Sri Lanka vorliegen. Dieser Bescheid wurde am 10. Februar 1993bestandskräftig.

Am 3. Januar 1995 beantragte der Kläger erneut die Anerkennung als Asylberechtigter und erklärte dazu, mit dem Flugzeug bis nach Moskau und von dort auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt zu sein. Zur Begründung seines Asylantrags führte er aus, bereits 1991 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, aus Angst jedoch nach Sri Lanka zurückgekehrt zu sein.Dort sei er von einer Gegenorganisation gefangen genommen worden,mit Hilfe seiner Verwandten aber wieder frei gekommen. 1994 habe er erneut Schwierigkeiten bekommen, weil er Kämpfer der E.R.O.S.gewesen sei. Aus diesem Grund habe er Todesdrohungen sowohl von der sri-lankischen Armee als auch von der LTTE bekommen. Er habe um sein Leben gefürchtet. Deshalb habe er ein Landstück verkauft um zu fliehen. Unterwegs sei er von den Tigern gefoltert und verletzt worden, ohne ärztlich behandelt worden zu sein.

Mit Bescheid vom 14. März 1995 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, stellte jedoch fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Sri Lanka vorliegen. Aufgrund des vom Kläger geschilderten Sachverhalts und der vorliegenden Erkenntnisse sei davon auszugehen, dass er im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit asylrechtlich relevanter Verfolgung zu rechnen habe.Dem Anerkennungsbegehren - so die Begründung des Bundesamtes weiter - könne nicht entsprochen werden, da der Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat eingereist sei.

Die dagegen gerichtete Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter wies das Verwaltungsgericht Weimar mit Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheides als offensichtlich unbegründet ab.

Mit Verfügung vom 19. April 2005 leitete die Beklagte gegenüber dem Kläger ein Widerrufsverfahren nach § 73 Asylverfahrensgesetz -AsylVfG - ein und hörte ihn mit Schreiben vom 1. August 2005 hierzu an, wobei zur Begründung ausgeführt wurde, dass es nach Einleitung des Friedensprozesses in Sri Lanka zu einer deutlichen Verbesserung der innenpolitischen Lage gekommen sei. An der Einschätzung einer regionalen Gruppenverfolgung aller tamilischen Volkszugehörigen könne nicht mehr festgehalten werden. Eine Stellungnahme durch den Kläger erfolgte trotz Akteneinsicht seines Bevollmächtigten nicht.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2005 widerrief die Beklagte die mit Bescheid vom 27. März 1995 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Sie stellte auch fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht gegeben seien. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die im Bescheid vom 27. März 1995 getroffene Feststellung im Wesentlichen auf der Annahme beruhe, dass dem Ausländer schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe Verfolgungsmaßnahmen bei Rückkehr gedroht haben könnten. Aufgrund der geänderten Situation in seiner Heimat habe der Kläger Verfolgungsmaßnahmen jedoch nicht mehr zu befürchten.

Gegen den am 25. Oktober 2005 zugestellten Bescheid hat der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. Oktober 2005Klage erhoben. Eine Begründung der Klage erfolgte nicht.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2005 aufzuheben,hilfsweise,die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 ihres vorgenannten Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass in der Person des Klägers Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG bzw. § 60 Abs. 2bis 7 AufenthG hinsichtlich Sri Lanka vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nahm sie Bezug auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung.

Mit Urteil vom 20. Dezember 2005 hob Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2005auf. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es komme für die Entscheidung nicht darauf an, ob die maßgeblichen Umstände, die zur Feststellung des Flüchtlingsschutzes geführt hätten,nachträglich weggefallen seien. Der Widerrufsbescheid erweise sich nämlich bereits deshalb als rechtswidrig, weil seit dem Eintritt der Bestandskraft der widerrufenen Entscheidung zu Gunsten des Klägers mehr als drei Jahre vergangen seien und ein Widerruf aus diesem Grund nach § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG (in der Fassung vom 30. Juli 2004, BGB I Seite 1950) nur noch im Wege einer Ermessensentscheidung im Einzelfall habe ausgesprochen werden dürfen, die Beklagte aber keine Ermessenserwägungen angestellt habe.

Mit Beschluss vom 22. Februar 2006 - 5 UZ 93/06.A. - hat der Senat auf Antrag der Beklagten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte unter Hinweis auf ihre Darlegungen im Zulassungsantrag aus, die in § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG getroffene Fristsetzung von drei Jahren diene nach der ausdrücklichen gesetzgeberischen Intention dem öffentlichen Interesse an einer Überprüfung der Schutzbedürftigkeit des Berechtigten, bei dem das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60Abs. 1 AufenthG festgestellt worden sei. Damit liege die Prüfungspflicht nicht im Interesse eines einzelnen Ausländers als Adressat der Widerrufsentscheidung. Sie liege ausschließlich im öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beendigung einer dem Berechtigten nicht mehr zustehenden Rechtsposition.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Dezember 2005 - 9 E 4468/05.A -, in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt der Bevollmächtigte des Klägers aus, dass die Berufung bereits aus der überzeugenden Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung, die sich der Kläger zu Eigen mache,zurückzuweisen sei. In formeller Hinsicht sei zu ergänzen, dass ein Widerrufsverfahren von der Beklagten unverzüglich - also ohne Zögern - einzuleiten sei, wenn sie der Auffassung sei, dass Gründe dafür vorlägen. Die Beklagte berufe sich in dem angefochtenen Bescheid im Wesentlichen auf den im Jahre 2001 geschlossenen Waffenstillstand und die dann aufgenommenen Friedensgespräche zwischen der LTTE und der sri-lankische Regierung. Dieser Zeitpunkt liege nunmehr jedoch mehrere Jahre zurück und könne mangels Unverzüglichkeit als Grund für die Einleitung eines Widerrufsverfahrens nicht mehr herangezogen werden. Im Übrigen sei ein Widerruf nur dann möglich, wenn sich die politischen Verhältnisse im Heimatland des jeweiligen politischen Flüchtlings dergestalt verändert hätten, dass von einer grundlegenden und dauerhaften Verbesserung der Verfolgungssituation ausgegangen werden müsse. Davon könne in Sri Lanka gegenwärtig keine Rede sein.Nach einem durchaus hoffnungsfrohen Beginn des Verlaufs der Friedensgespräche seien diese von beiden Seiten seit längerer Zeit unterbrochen, Fortschritte seien nicht mehr zu verzeichnen. Hinzu komme, dass die Menschenrechtsverhältnisse in Sri Lanka nach wie vor als unzureichend anzusehen seien und es in den letzten Monaten wieder zu verschärften Übergriffen sowohl seitens der sri-lankischen Sicherheitsorgane als auch der LTTE gekommen sei.Die Zahl der Entführungen, Ermordungen und Anschläge sowie der Verhaftung auch von Zivilisten habe deutlich zugenommen. Von einer dauerhaften Befriedung der innenpolitischen Situation in einem Verfolgerstaat sei aber nur dann auszugehen, wenn eine durchgreifende und permanente Verbesserung dieser Situation auch in menschenrechtlicher Hinsicht zu verzeichnen sei. Die Ereignisse der letzten Wochen und Monate legten jedoch eher das Gegenteil nahe.Nach der - der LTTE zugerechneten - Ermordung des sri-lankischen Außenministers habe sich die Situation weiter verschärft. Es sei zu einer Vielzahl von Entführungen und Tötungen gekommen.Darüberhinaus seien- offenbar unter generalisiertem Verdacht - auch eine Vielzahl von insbesondere jüngeren Tamilinnen und Tamilen wegen der pauschalen Verdächtigung der Unterstützung der LTTE festgenommen worden, so dass insoweit die Vorgehensweise der Behörden an deren Vorgehensweise etwa gegen Mitte beziehungsweise Ende der 90er Jahre erinnere.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 10. und 11.Oktober 2011 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden erklärt (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs.2 und 3 VwGO).

Auf den übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hatte der Berichterstatter mit Beschluss vom 5. Februar 2007 - 5 UE 538/06.A.- das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2011 hat der Beklagte das Berufungsverfahren wieder aufgerufen, das nunmehr unter dem oben genannten Aktenzeichen geführt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände), der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (3 Heftstreifen) sowie auf die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnisquellen (Stand: November 2011) Bezug genommen, die auch zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.

Gründe

Der Berichterstatter konnte anstelle des Senats in der Sache entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis hierzu erteilt haben (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 2 und 3 VwGO).

Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist zulässig,insbesondere ist sie fristgerecht begründet worden.

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg, denn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts kann unter Berücksichtigung der vom Beklagten vorgetragenen Erwägungen im Berufungsverfahren keinen Bestand haben. Der Bescheid vom 18.Oktober 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger auch nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

Der Bescheid des Bundesamtes erweist sich nach der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylVfG) als rechtmäßig. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 1 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) –Richtlinienumsetzungsgesetz – am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl. I S. 1798) liegen vor. Vor allem steht dem Widerruf der mit dem Zuwanderungsgesetz in § 73 AsylVfG am 1.Januar 2005 neu eingefügte Abs. 2a nicht entgegen. Auch lassen sich die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und auch weitere Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in der Person des Klägers nicht feststellen.

Die Rechtsfrage, aufgrund der der Senat die Berufung zugelassen hat, ob der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung einer Ermessensentscheidung (bisher nach § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG;nunmehr nach § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG) bedurfte, ist inzwischen durch das Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich geklärt (BVerwG, Urteil vom 20. März 2007 - 1 C 38.06 -, Buchholz 402.242 §60 Abs. 2 ff AufenthG Nr. 27). Zudem stellt die Neuregelung in § 73Abs. 7 AsylVfG klar, dass in Fällen, in denen - wie vorliegend -die Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden ist, die Prüfung nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu erfolgen hatte.Damit hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für Altanerkennungen getroffen, die vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden sind und festgelegt, bis wann diese auf einen Widerruf oder eine Rücknahme zu überprüfen sind. Daraus folgt, dass es vor einer solchen Prüfung und Verneinung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen in dem seit dem 1. Januar 2005vorgeschriebenen Verfahren (Negativentscheidung) keiner Ermessensentscheidung bedarf (BVerwG, Urteil vom 25. November 2008- 10 C 53.07 -, NVwZ 2009, 328). Auf diese Rechtslage ist gemäß §77 Abs. 1 AsylVfG abzustellen.

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 73Abs. 1 Satz 2 AsylVfG insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann,den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen,ist im Lichte der inzwischen umgesetzten Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EUNr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) - Richtlinie 2004/83/EG -auszulegen. Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten zu untersuchen,ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (Art.11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG). Dies gilt auch für die Fälle,in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind (vgl. BVerwG,Urteil vom 24. Februar 2011 - 10 C 3.10 -, NVwZ 2011, 944).

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seinem Grundsatzurteil vom 2. März 2010 (Rs. C-175/08, C-176/08, C-178/08und C-179/08, Abdulla u.a. - InfAuslR 2010, 188) die Bestimmung wie folgt konkretisiert: Die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände im Herkunftsland diejenigen Umstände,aufgrund derer der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG genannten Gründe hatte und als Flüchtling anerkannt worden war, weggefallen sind und er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor „Verfolgung“ im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG haben muss (EuGH, Urteil vom 2. März 2010a.a.O. Rn. 76, 1. Spiegelstrich). In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof klar, dass der in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/ EG angesprochene „Schutz des Landes“ sich nur auf den bis dahin fehlenden Schutz vor den in der Richtlinie aufgeführten Verfolgungshandlungen bezieht (EuGH,Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 67). Gleiches gilt mithin für den in § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG erwähnten „Schutz des Staates“. Unerheblich ist, ob dem Betroffenen im Herkunftsland sonstige Gefahren drohen. Das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft hängt insbesondere nicht davon ab, dass auch die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes im Sinne des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind.Die Richtlinie verfolgt insoweit zwei unterschiedliche Schutzregelungen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 78ff.).

Dem Urteil des Gerichtshofs ist weiter zu entnehmen, dass die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Veränderungen im Herkunftsland grundsätzlich das Spiegelbild zur Anerkennung ist.Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG sieht ebenso wie Art. 1 Abschnitt C Ziff. 5 GFK vor, dass die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn die Umstände, aufgrund derer sie zuerkannt wurde,weggefallen sind, wenn also die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht mehr vorliegen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010,a.a.O. Rn. 65). Nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG ist Flüchtling, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe,außerhalb des Landes seiner Staatsangehörigkeit befindet, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Ändern sich die der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände und erscheint die ursprüngliche Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG deshalb nicht mehr begründet, kann der Staatsangehörige es nicht mehr ablehnen, den Schutz seines Herkunftslands in Anspruch zu nehmen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010a.a.O. Rn. 66). Die Umstände, die zur Zuerkennung oder umgekehrt zum Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft führen, stehen sich mithin in symmetrischer Weise gegenüber (EuGH, Urteil vom 2. März 2010a.a.O. Rn. 68).

Der Gerichtshof hebt aber zugleich hervor, dass für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG erheblich und nicht nur vorübergehend sein muss, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (EuGH,Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72). Dafür muss feststehen, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland mit Blick auf die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung führten, deutlich und wesentlich geändert haben. Wegen der hierzu notwendigen vergleichenden Betrachtung der Umstände im Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung und der für den Widerruf gemäß § 77 Abs. 1AsylVfG maßgeblichen Sachlage muss sich durch neue Tatsachen eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 10 C10.10 - zitiert nach Juris).

Die Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland dürfen zudem nicht nur von vorübergehender Natur sein; sie müssen vielmehr als dauerhaft beseitigt angesehen werden können. Dies setzt voraus, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d. h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Dem Betroffenen muss dadurch im Herkunftsstaat ein nachhaltiger Schutz geboten werden, der es im Rahmen einer „qualifizierenden“ Betrachtungsweise ausschließt,(erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10- a.a.O.).

Sind die Umstände, aufgrund derer die Anerkennung als Flüchtling erfolgte, weggefallen, ist vor der Feststellung des Erlöschens der Flüchtlingseigenschaft weiter zu prüfen, ob nicht andere Umstände vorliegen, aufgrund derer der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung haben kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn.82). Dabei ist zu differenzieren, je nachdem, auf welchen der in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG genannten (Verfolgungs-)Gründe sich der Flüchtling beruft. Macht er im Widerrufsverfahren unter Berufung auf den gleichen Verfolgungsgrund wie den bei seiner Anerkennung als Flüchtling festgestellten geltend, dass nach dem Wegfall der Tatsachen, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden war, andere Tatsachen eingetreten seien, die eine Verfolgung aus dem gleichen Verfolgungsgrund befürchten ließen, ist dies normalerweise bereits bei Art. 11 Abs.2 der Richtlinie 2004/83/EG zu beachten (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 98). In diesem Fall hat die Behörde die geltend gemachte Verfolgungsgefahr also in der Regel schon bei der Frage mit zu berücksichtigen, ob überhaupt eine erhebliche und nicht nur vorübergehende Änderung der Umstände vorliegt, aufgrund derer die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Beruft sich der Flüchtling hingegen auf einen anderen Verfolgungsgrund als den bei der Anerkennung festgestellten, fehlt es an einem Bezug zu den seiner Anerkennung zugrunde liegenden Umständen. Dieses Vorbringen stellt daher nicht den Wegfall der der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände in Frage.

Unionsrechtlich gilt beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab und zwar unabhängig davon, ob eine bereits erlittene Vorverfolgung anzunehmen ist oder nicht. An dem materiell rechtlichen Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe ist wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nicht mehr festzuhalten. Maßstab für die Beurteilung der Verfolgungsgefährdung ist nur noch die tatsächliche Gefahr, der dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht und zwar unabhängig davon in welchem Stadium - Zuerkennung oder Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft - dies geprüft wird (BVerwG,Urteil vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 - a.a.O.).

In Anwendung der sich aus Art. 11 der Richtlinie 2004/83/EG und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergebenden Vorgaben ist das beklagte Bundesamt zu Recht von einem Wegfall der der Flüchtlingsanerkennung des Klägers zugrunde liegenden Verfolgungsgefahr ausgegangen. Dem Kläger wurde vom Bundesamt mit Bescheid vom 14. März 1995 deshalb das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zugebilligt, weil das Bundesamt seinerzeit davon ausging, dass tamilische Volkszugehörige sri-lankischer Staatsangehörigkeit allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit eine Verfolgung durch die Behörden ihres Heimatlandes zu befürchten hatten. Dieser, der Flüchtlingsanerkennung des Klägers zugrunde liegende Umstand, hat sich nach der Überzeugung des Gerichts im - für die Beurteilung relevanten - Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erheblich und nicht nur vorübergehend verändert, so dass die Furcht des Klägers vor einer staatlichen (Gruppen-) Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann.

Dabei geht das Gericht unter Zugrundelegung der in höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Gruppenverfolgung (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2006 - 1 C15.05 -, BVerwGE 126, 243, 249 und vom 01. Februar 2007 - 1 C 24.06-, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 30, jeweils m.w.N.)davon aus, dass die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer,der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben kann, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen)Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 05. Juli 1994- 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200, 204) - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl.BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006, a.a.O.). Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 60 Abs. 1 AufenthGgenannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 05. Juli 1994, - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200, 204). Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.

Auch nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG beanspruchen die dargelegten Maßstäbe für die Gruppenverfolgung weiterhin Gültigkeit, denn das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Qualifikationsrichtlinie in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9Abs. 1 der Richtlinie und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 der Richtlinie definiert (BVerwG,Urteil vom 21. April 2009, - 10 C 11.08 -, NVwZ 2009, 1237).

Der Senat hatte zuletzt im Jahre 2005 festgestellt, dass tamilischen Volkszughörigen bei der Rückkehr nach Sri Lanka in keinem Landesteil eine staatliche oder dem Staat zurechenbare gruppengerichtete Verfolgung allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit drohte (Urteil vom 9. Februar 2005 – 5 UE 3197/02.A –).Das Gericht sieht auch unter Berücksichtigung der Verhältnisse in den Jahren danach bis zur Beendigung des Bürgerkrieges im Mai 2009und darüber hinaus bis heute keine Veranlassung, von dieser Einschätzung abzurücken. Auch derzeit unterliegen die Volkszugehörigen der Tamilen in Sri Lanka landesweit keiner Gruppenverfolgung.

Den vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen lässt sich hierzu folgendes entnehmen:

In Sri Lanka leben ca. 20 Millionen Menschen. Gesicherte Aussagen über die derzeitige ethnische Zusammensetzung der sri-lankischen Bevölkerung sind aufgrund des jahrelangen Bürgerkriegs und der Auswanderung vieler Tamilen nicht mit eindeutiger Gewissheit möglich. Offiziellen Statistiken zufolge soll der Anteil der tamilischen Bevölkerung ungefähr bei etwa 18%liegen. Das Land ist durch sprachlich, religiös-kulturell und politisch getrennte Gesellschaften gekennzeichnet. Im Norden und Osten leben hinduistisch, drawidische Tamilen (15% Tamilen, 8%tamilsprechende Muslime und 4% indische Tamilen), im Westen und Süden buddhistische, indo-germanische Singhalesen (ca. 73%Bevölkerungsanteil) (Quelle: Auswärtiges Amt,http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/-Laender/Laenderinfos/01-Laender/SriLanka.html).Nach Beendigung der europäischen Kolonialherrschaft im Jahre 1948begann eine ausgeprägte Singhalisierung in den 1950er Jahren, die nach mehreren Anti-Tamil-Programmen und pogromartigen Übergriffen zur Radikalisierung der tamilischen Bewegung führte. 1976 kam es zum Bündnis der wichtigsten tamilische Parteien (Tamilische Nationale Allianz) unter der Forderung eines unabhängigen tamilischen Staates. Innerhalb des Spektrums setzte sich die tamilische Rebellenorganisation „Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE)“ gegenüber anderen tamilischen Gruppen als stärkste und schlagkräftigste militante Bewegung durch. Seit 1983bestimmte ein jahrzehntelanger bewaffneter ethnischer Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen die innenpolitische Lage bis ins Jahr 2009 hinein. Im Zuge dieses 26-jährigen bewaffneten Konflikts kamen mehrere Tausend Personen entweder durch unmittelbare Kampfhandlungen der Bürgerkriegsparteien oder durch sogenannte Selbstmordanschläge bzw. Bombenanschlägen der LTTE und anderer bewaffneter Gruppierungen ums Leben. Zehntausende mussten ihre angestammten Gebiete verlassen und wurden zu Binnenvertriebenen oder flohen außer Landes. Infolge eines Waffenstillstandsabkommens im Februar 2002 entspannte sich zunächst die Auseinandersetzung zwischen den Bürgerkriegsparteien und es kam zu Friedensgesprächen in deren Verlauf seit September 2002 das Verbot der LTTE aufgehoben wurde. Seit Ende 2003 stockten die Friedenverhandlungen und es kam immer wieder zu Verletzungen der Waffenstillstandsvereinbarung (Lagebericht des AA vom 30.03.2004). Im November 2004 rüsteten sich Regierung und LTTE wieder für neue Kämpfe und im Jahre 2005 kam es zu einer drastischen Zunahme von Waffenstillstandsverletzungen. Im gleichen Jahr verhängte die Regierung den Ausnahmezustand, der auch heute noch monatlich vom Parlament verlängert wird. Im Dezember 2006 wurden die im Zuge des Waffenstillstandsabkommens ausgesetzten Antiterrorgesetze per Kabinettsbeschluss reaktiviert. Ab Mitte 2006kam es zu großflächigen, längeren Kampfhandlungen. Im Juli 2007konnten die Regierungstruppen, unterstützt von den paramilitärischen Einheiten der Karuna-Gruppe, die sich als Vertretung der Ost-Tamilen verstand, nach dem vorhergehenden Rückzug der LTTE-Kämpfer die letzten von der LTTE gehaltenen Stellungen im Osten Sri Lankas einnehmen (Lagebericht des AA vom 07.04.2009, Stand März 2009, S. 5).Das Waffenstillstandsabkommen zwischen der LTTE und der Regierung wurde am 2. Januar 2008 von der Regierung aufgekündigt. Seitdem konnten mehrere Gebiete durch Regierungstruppen zurückerobert werden (Lagebericht des AA vom 02.09.2009, Stand August 2009, S. 7). Nach einer großangelegten militärischen Offensive gelang der sri-lankischen Armee im Mai 2009der Sieg über die LTTE in dessen Folge der LTTE Anführer Velupillai Prabhakaran und fast die gesamte LTTE Spitze getötet wurden. Im Verlauf der Auseinandersetzungen kamen in der Endphase der Kampfhandlungen mehrere Tausend Personen, überwiegend Tamilen, zu Tode. Schätzungen schwanken zwischen 6.500 bis über 20.000 Toten (Hellmann-Rajanayagam/Seifert in: AWR-Bulletin, Nr. 1/2010, Seite 21 ff). Etwa annähernd 300.000 Menschen, meist tamilische Binnenflüchtlinge, verließen aufgrund der massiven Kampfhandlungen ihre angestammten Gebiete im Norden und Osten des Landes. Es ist davon auszugehen, dass es gerade während der Endphase der Offensive zu erheblichen Kriegsverbrechen sowohl durch die LTTE als auch durch die Regierungsarmee gekommen ist. Ihre Aufklärung wird durch die Regierung massiv verhindert. So soll es zu gezielten extralegalen Tötungen und Verschwindenlassens gekommen sein, die nicht nur der LTTE, der TMVP oder kriminellen Gruppen, sondern auch staatlichen Sicherheitskräften zugerechnet werden. Für die Jahre 2007 und 2008 wird von ca. 1.100 solcher Fälle berichtet. Die im Zuge des militärischen Konflikts zunehmend ausgebauten Einschränkungen der Arbeitsmöglichkeiten nationaler und internationaler Menschenrechts- und Hilfsorganisationen bestehen weiterhin fort. Insgesamt agiert die Regierung auch gegenüber den Bemühungen der Vereinten Nationen und des UNHCR zur Aufklärung begangener Übergriffe ausgesprochen restriktiv (Hellmann-Rajanayagam/ Seifert, a.a.O.; SFH, Update 01.12.2010; ai,Report 2011; Lagebericht des AA vom 16.06.2010).

Nach Beendigung des Bürgerkriegs waren zunächst in den von der Armee eingerichteten geschlossenen Lagern zur Aufnahme der Binnenflüchtlinge rund 300.000 Zivilpersonen untergebracht. Die Zahl der derzeit noch in von der Regierung verwalteten Flüchtlingslagern im Norden des Landes untergerbachten Binnenflüchtlinge variiert - je nach Auskunft und Zeitpunkt ihrer Erstellung - stark. Amnesty International (ai - Report 2011)schätzt die Zahl der dort 2010 noch untergebrachten Flüchtlinge auf 20.000. Andere Quellen sprechen von 60.000 bis 90.000 Insassen (SFH, Update 01.12.2010; Deutscher Bundestag, Drucksache 17/1530:Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion „Die Linke“, vom 27.04.2010), die die Möglichkeit haben, die Lager vorübergehend zu verlassen. Rund 3700 ehemalige LTTE-Kämpfer (ai schätzt die Zahl ehemaliger LTTE-Kämpfer auf 11.000, ai-Report 2011) sind noch in geschlossenen sogenannten Rehabilitationslagern untergebracht - 8000 Ex-Kombattanten,darunter 594 Kindersoldaten wurden entlassen (Lagebericht des AAvom 01.09.2011) -, zu denen Hilfsorganisationen im Wesentlichen keinen Zugang haben (Frederik Lange, „Transitional Justice in Sri Lanka“, in Südasien 4/2010-01/2011, S. 67 ff). Gegen ca.700 bis 800 separat untergebrachte Gefangene, die als zum „harten Kern“ gehörend betrachtet werden, würden strafrechtliche Ermittlungen durchgeführt (ai-Report 2011;Deutscher Bundestag, Drucksache 17/1530 a.a.O. Seite 5).

Seit August 2009 hat sich die Sicherheitslage in Sri Lanka in bedeutender Weise stabilisiert. Viele der ursprünglichen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit der Binnenvertriebenen wurden aufgehoben und bis Ende Juni 2011 hatten annähernd 203.000 Personen die Flüchtlingslager verlassen (Lagebericht des AA vom 01.09.2011), um an ihre Herkunftsorte zurückzukehren oder bei Verwandten,Gastfamilien und Freunden unter zu kommen, weil ihre Rückkehr an den Heimatort wegen kriegsbedingter Zerstörungen bzw. großflächiger Verminungen noch nicht möglich ist (UNHCR-Richtlinien vom 05.07.2010). Auch ins Ausland geflohene Flüchtlinge kehrten im Jahr 2010 in einer Größenordnung von ca. 5.000 Personen nach Sri Lanka zurück. Entweder mit Unterstützung durch den UNHCR oder aufgrund eigener Mittel (UNHCR, Sri Lanka, Global Report 2010 vom 20.06.2011). Der Alltag in Sri Lanka hat inzwischen weitgehend wieder zivilere Züge angenommen, die Zahl der Straßenkontrollen ist zurückgegangen und auch die Intensität der Kontrollen hat nachgelassen. Der Ausnahmezustand besteht jedoch fort (Lagebericht des AA vom 01.09.2011). In der ersten Jahreshälfte 2010 hat die Bevölkerung bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl im Januar Präsident Rajapakse mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt und im April das erste Parlament nach dem Ende des Konflikts gewählt. Der Gegenkandidat der Opposition, der ehemalige General und Oberbefehlshaber der Armee Sarath Fonseka, wurde nach den Wahlen verhaftet und verbüßt mittlerweile eine 30-monatige Haftstrafe. Er wurde wegen Einmischung in politische Angelegenheiten während seiner Amtszeit verurteilt (FAZ 14.08.2010; NZZ 13.08.2010;Lagebericht des AA vom 01.09.2011). Mit einer Verfassungsänderung hat im September 2010 das von der Regierungspartei beherrschte Parlament in Sri Lanka Präsident Rajapakse noch mehr Macht verliehen. Die Amtszeitenbegrenzung wurde aufgehoben und die Befugnisse des Präsidenten bei der Besetzung zentraler Institutionen, wie Justiz, Polizei und Wahlkommission weiter ausgeweitet. Präsident Rajapakse baut so systematisch seine präsidialen Befugnisse auch gegen die Verfassung aus und besetzt systematisch wichtige Positionen in Politik, Justiz, Verwaltung und Polizei mit politisch vertrauten Personen oder Familienangehörigen.(Friedrich Ebert Stiftung: Sri Lanka nach den Wahlen 2010: Ein „Familienunternehmen“?, Seite 2; FAZ 10.09.2010). Die im Zuge der Verfassungsänderung im September 2010 dem Präsidenten zukommende Machtfülle erlaubt es ihm, über Dekrete Kontrollmöglichkeiten eines rechtsstaatlichen Systems außer Kraft zu setzen (SFH, Aktuelle Situation, Update vom 01.12.2010).

Es gibt Berichte, dass in der Zeit unmittelbar nach dem Ende des Konflikts der LTTE nahestehende Personen verschwunden sein sollen.Es soll weiterhin zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte und durch Dritte, häufig mit der Regierung zusammenarbeitende paramilitärische Gruppen kommen. Die Schweizer Flüchtlingshilfe dokumentiert Verhaftungsaktionen zur Identitätsfeststellung bei denen im Januar 2009 106 Zivilisten, (68Tamilen, 2 Muslime und 36 Singhalesen), im Februar 2009 142Zivilisten, im März 2009 18 und im April 2009 11 tamilische Jugendliche verhaftet worden sein sollen (SFH, Bericht vom 07.07.2009). Sie berichtet zudem über fünf dokumentierte Todesfälle im Oktober 2010 im Polizeigewahrsam. Solche extralegalen Tötungen sowie Folter und Misshandlungen im Polizeigewahrsam werden überhaupt nicht oder nur unzureichend untersucht (SFH, Update 01.12.2010, Seite 13 ff). Aktuelle belastbare Zahlen hierzu liegen für die jüngste Zeit nicht vor. Da Angehörige der tamilischen Bevölkerungsgruppe häufig unter dem Generalverdacht der LTTE-Unterstützung stehen, sind sie besonderem Druck ausgesetzt.Das verschärfte Notstandsrechts gibt den Sicherheitsbehörden weitgehende Eingriffsrechte und gewährt nur eine sehr eingeschränkte richterliche Kontrolle. Eine Haftdauer von bis zu 18Monaten ohne Anklage ist danach möglich. Menschenrechtsverletzungen werden kaum untersucht oder strafrechtlich verfolgt (Lagebericht des AA vom 16.06.2010). Auch der Druck auf regierungskritische Medien, Menschenrechtsverteidiger und Nichtregierungsorganisationen nimmt weiter zu, Oppositionspolitiker sollen eingeschüchtert werden (SFH vom 08.12.2009; NZZ 01. 09.2009; NZZ 06.02.2010; NZZ31.07.2010; Lagebericht des AA vom 01.09.2011). Prononcierte regierungskritische Journalisten werden bedroht, verhaftet oder wie Lasantha Wickrematunga im Januar 2009 getötet. Andere verlassen nach Morddrohungen das Land. Wirksame Schutz- und Aufklärungsbemühungen seitens der Regierung sind bisher nicht erkennbar (Deutscher Bundestag, Drucksache 17/1530 a.a.O. Seite 5f). Im Mai 2010 lockerte die Regierung jedoch die Notstandsverordnungen durch Aufhebung mehrere Bestimmungen wie solchen zu Ausgangssperren, Propagandaaktivitäten, Druck und Verteilung von Schriften, Prozessionen und Versammlungen. Zur Sicherstellung innergesellschaftlicher Stabilität ernannte der Präsident im Mai 2010 eine „Lessons Learnt and Reconciliation Commission (LLRC)“ die im August 2010 ihre Arbeit aufnahm.Ihre Aufgabe besteht darin, Aussagen der Zivilbevölkerung zu hören und die Gründe für das Scheitern des Waffenstillstandsabkommens von 2002 und den Ausgang des „Eelam IV“ Krieges (2006 bis 2009) zu ergründen. Ihr wird jedoch der Vorwurf der fehlenden Unabhängigkeit gemacht (Lange: in Südasien 4/2010 - 01/2011, Seite 67 ff). Als Beitrag zur besseren Vertretung der tamilischen Bevölkerung im öffentlichen Dienst, plant der Präsident die Rekrutierung von mehr als 2.500 Tamilen für den Polizeidienst. Sie sollen überwiegend in tamilischen Siedlungsgebieten eingesetzt werden (Lange: in Südasien, a.a.O.). Auch nach Beendigung des Bürgerkrieges ermöglichen Antiterrorgesetz (Prevention of Terrorism Act) und Notstandsbestimmungen den Sicherheitsorganen Ausnahmebefugnisse ohne hinreichende rechtsstaatliche Kontrolle.Zwar gilt in Sri Lanka das Verbot der Folter, doch werden immer wieder Foltervorwürfe gegen die Sicherheitskräfte erhoben. Diese werden nur in wenigen Fällen gerichtlich untersucht (Lagebericht des AA vom 16.06.2010). Insgesamt richtet sich die Zielrichtung repressiver Maßnahmen der Sicherheitsbehörden schwerpunktmäßig gegen Oppositionelle bzw. regimekritische Stimmen und nicht grundsätzlich gegen das unveränderliche Merkmal der Volkszugehörigkeit (Lagebericht des AA vom 01.09.2011). So stellt die SFH (Sri Lanka: Aktuelle Situation, Update vom 01.12.2010)fest, dass nach dem Bürgerkrieg das Land nicht nur längs ethnischer oder religiöser Grenzen, sondern entlang mehrerer Konfliktlinien geteilt ist. So gebe es im tamilischen Lager Allianzen der aus paramilitärischen Gruppen hervorgegangenen tamilischen Parteien mit dem Präsidenten Rajapakse und seiner Sri Lanka Freedom Party (SLFP). Auch sei das singhalesische Lager selbst gespalten.

Allgemein lässt sich feststellen, dass das durch jahrzehntelangen Bürgerkrieg geprägte Klima allgemeiner Unsicherheit, die Einschränkungen bürgerlicher Freiheitsrechte und die Verletzungen von Menschenrechten fortbestehen. Anzeichen für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen Rasse, Nationalität oder politischer Überzeugung von Seiten der Regierung - wie es sie während des Bürgerkrieges gab - sind darin aber heute nicht mehr zu erkennen (Lageberichte des AA vom 01.09.2011, S. 11).

Zurückkehrende Asylbewerber sind weitgehend auf die Hilfe von Familienmitgliedern oder Freunden angewiesen. Ohne solche Unterstützung ist es für Rückkehrer nach wie vor schwierig, sich in angemessener Zeit eine wirtschaftliche Existenzgrundlage aufzubauen und sozial wieder Fuß zu fassen. Bei ihrer Einreise am Flughafen Colombo mit gültigem sri-lankischen Reisepass soll es zu keinen nennenswerten Hindernissen kommen. Zurückgeführte, die lediglich ein Reisedokument zur einmaligen Rückkehr von ihrer Auslandvertretung erhalten haben (sog. Identity Certificate Overseas Missions, ICOM, auch Emergenscy Pass genannt) werden regelmäßig durch die Kriminalpolizei und der Einreisebehörde einer Personenüberprüfung unterzogen und zu ihrer Identität, persönlichem Hintergrund und Reisezielen befragt und erkennungsdienstlich behandelt. Nicht ausgeschlossen ist, dass durch die Auslandsvertretungen entsprechende Vermerke im Reisedokument angebracht oder Datensätze angelegt worden sind (SFH: Update 01.12.2010). Nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes halten sich die Überprüfungen jedoch in diesem Rahmen, zumal die Stellung eines Asylantrags im Ausland von vielen in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen wird, sich einen Aufenthaltsstatus im Ausland zu verschaffen. Er begründet grundsätzlich keinen Verdacht, der LTTEnahezustehen. Tamilische Rückkehrer sind jedoch häufig entsprechendem Misstrauen und Schikanen der Sicherheitsorgane ausgesetzt. Im Mai 2010 ist nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes eine sri-lankische Staatsangehörige aus Deutschland bei der Einreise am Flughafen Colombo unter dem Verdacht der LTTEUnterstützung festgenommen worden. Auch nach belastbaren Angaben anderer Botschaften kam es in Einzelfällen bei der Einreise zu Festnahmen aus vergleichbaren Gründen (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, S. 24).

Vor diesem Hintergrund lässt sich zur aktuellen Situation tamilischer Volkszugehöriger seit Beendigung des Bürgerkrieges in Sri Lanka aufgrund der in das Verfahren eingeführten Informationen sachinformierter Kreise weiter feststellen, dass es für eine systematische Verfolgung von Tamilen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit keine Anhaltspunkte gibt. Tamilen stehen jedoch unter dem Generalverdacht, Anhänger, Unterstützer oder gar Mitglied der LTTE zu sein. Diese Einschätzung herrscht bei der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit vor und wird insbesondere auch von den staatlichen Sicherheitskräften geteilt. Die im Zuge des Waffenstillstandsabkommens im Jahre 2002 erfolgte Legalisierung der LTTE ist zu Beginn des Jahres 2009 auch formell zurückgenommen worden, so dass jeder, der in den Augen der Sicherheitsorgane der Nähe zur LTTE verdächtigt ist, mit Verhaftung rechnen muss. Die weiterhin im ganzen Land durchgeführten Kontrollen führen dazu,dass Tamilen, die aufgrund ihrer tamilischen Sprache und entsprechender Einträge in Ausweiskarten für Sicherheitskräfte leicht identifizierbar sind, häufiger mit staatlichen Repressionen rechnen müssen. Razzien, Hausdurchsuchungen und schikanöse Behandlung bei den zahlreichen Polizeikontrollen im Straßenverkehr und auch Verhaftungen bei Vorliegen schon geringster Verdachtsmomente richten sich vor allem gegen Tamilen (SFH vom 22.09.2011). Im Norden und Osten des Landes haben Tamilen darunter noch in höherem Maße zu leiden. Allerdings haben der Umfang dieser Razzien und Suchaktionen und die Zahl der Verhaftungen an den noch zahlreichen Checkpoints spürbar abgenommen (Lageberichte des AA vom 01.09.2011, SFH vom 01.12.2010). Lange Inhaftierungen ohne Anklageerhebung kommen auch nach Beendigung der Kampfmaßnahmen aufgrund der Notstands- und Antiterrorgesetze weiterhin vor. Da 90%der im Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung und Sicherheitsprävention Verhafteten Tamilen sind, ist diese Volksgruppe im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen generell weit überproportional von Festnahmen und langen Haftzeiten betroffen, bei denen es auch zu Folterungen oder gar zum Verschwindenlassen von Personen kommen kann (Lagebericht des AA vom 16.06.2010). Zudem besteht im Großraum Colombo für Tamilen eine Registrierungspflicht und vor allem junge Tamilen aus dem Norden des Landes werden bei einer Registrierung scharf überwacht. Auch kann ihnen der Aufenthalt in Colombo verweigert werden (SFH vom 01.12. 2010 und vom 22.09.2011). Die Auskünfte zeigen auch auf,dass auch andere Volksgruppen wie Muslime und Singhalesen Opfer von Übergriffen durch die Sicherheitsbehörden geworden sind. Für eine systematische Verfolgung von Tamilen allein auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit gibt es allerdings keine Anhaltspunkte (Lagebericht des AA vom 01.09.2011).

Auch unter Berücksichtigung der neueren Entwicklung im Anschluss an die Beendigung des Bürgerkrieges und der in den Auskünften aufgezeigten Entwicklung bis in den Herbst 2011 hinein kann nach Einschätzung des Gerichts die allgemeine Sicherheitslage in Sri Lanka derzeit zwar noch als instabil bezeichnet werden. Gleichwohl gibt es aufgrund der Lockerungen von Notstandsbestimmungen und der in weiten Teilen erfolgten Rückkehr der Binnenvertriebenen in ihre Herkunftsgebiete sowie aufgrund der durchgeführten Parlaments- und Kommunalwahlen ernstzunehmende Tendenzen der Normalisierung. Nicht zu verkennen sind dabei jedoch die fortbestehenden Bestrebungen der Regierung, ein Wiedererstarken der LTTE zu verhindern. Dabei unterstellt sie trotz des Sieges über die LTTE eine fortbestehende Bedrohungslage für die staatliche Sicherheit und Souveränität insbesondere aus dem Ausland. Sie wird ihre Ziele weiterhin mit den Mitteln der Antiterrorgesetze im Wege der vorbeugenden Terrorbekämpfung verfolgen, so dass gerade tamilische Volkszugehörige von derartigen Maßnahmen überproportional betroffen sein werden.

Der entscheidende Berichterstatter vermag gleichwohl in einer Gesamtschau auf der Grundlage der zuvor aufgezeigten Erkenntnisse eine Gruppenverfolgung tamilischer Volkszugehöriger im entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht festzustellen. Die Annahme eines staatlichen Verfolgungsprogramms lässt sich anhand der aktuellen Erkenntnisse ebenfalls nicht rechtfertigen. Nach der Auswertung der in das Verfahren eingeführten und dargestellten Auskünfte wird keine Volksgruppe gezielt allein wegen eines unveränderlichen Merkmals verfolgt. Allein die Feststellung zahlreicher oder häufiger Übergriffe reicht für die Annahme einer Gruppenverfolgung nicht aus. Vielmehr muss die ungefähre Größenordnung der Verfolgungsschläge in Beziehung zur Gesamtgruppe der von Verfolgung Betroffenen gesetzt werden. Dabei kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine mathematisch genaue Erfassung der Verfolgungshandlungen nicht erwartet werden (BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2010 - 10 B 18.09 -, zitiert nach Juris). Berücksichtigt man, dass selbst in den benannten Auskünften für die Jahre vor der Beendigung des Bürgerkriegs belastbare Zahlen über Verhaftungen hinsichtlich des Großraums Colombo, in dem mehr Tamilen als Singhalesen leben (Lagebericht des AA vom 27.07.2006),in einer Größenordnung von 1.200 bis 2.500 dokumentiert sind und die in der Regel nur von kurzer Dauer waren (SFH, Aktuelle Situation, Update November 2006), ergibt sich daraus im Verhältnis zur Gesamtzahl der dort lebenden 2 Millionen Menschen bereits kein Anhaltspunkt für eine Verfolgungsdichte, die die Annahme einer gruppengerichteten politischen Verfolgung zu rechtfertigen vermag.Für die Zeit von 2009 bis heute liefern die Auskünfte nur sehr zurückhaltend konkrete Zahlen zu Verhaftungen oder sonstigen Übergriffen, die aber in ihrer absoluten Gesamtzahl bei weitem nicht mehr das Maß erreichen, das noch in den Jahren zuvor dokumentiert wurde. Die Relation zwischen von relevanten Repressionsmaßnahmen betroffenen Tamilen und der Gesamtheit der in Colombo oder im gesamten Land insgesamt lebenden 3,6 Millionen Tamilen lässt die Annahme nicht zu, dass gleichsam jeder Tamile jeder Zeit und an jedem Ort einer asylerheblichen Verfolgung ausgesetzt ist. Für eine solche Annahme bietet weder die Anzahl der festgestellten Übergriffe noch ihre Zielrichtung eine valide Grundlage, so dass es zum hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung an einer repräsentativen und nachvollziehbaren Dokumentation von Fällen fehlt, die im beachtlichen Umfang eine allein in Anknüpfung an ein unveränderliches Merkmal vorgenommene staatliche Verfolgung erkennen lassen. Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte kann deshalb bereits nicht festgestellt werden. Tamilische Volkszugehörige werden weder generell noch in einer beachtlichen Anzahl (längerfristig)verhaftet oder durch gezielte menschenrechtswidrige Behandlung aus der übergreifenden Friedensordnung in ihrem Heimatland ausgegrenzt.Traf die Aussage, dass die 80 % der Tamilen Sri Lankas, die im Regierungsgebiet leben, trotz der nicht zu bestreitenden Diskriminierungen gut integriert sind und am öffentlichen Leben weitgehend unbehindert teilnehmen können (Lagebericht des AA vom 11.12.2006) selbst in Zeiten des Bürgerkrieges zu, so lässt sich aus den Auskünften des Jahres 2010 bis heute keine geänderte Einschätzung entnehmen. Vielmehr ist mit den Auskünften zu konstatieren, dass sich diese Situation nicht nur verfestigt,sondern aufgrund der Beendigung der Kampfhandlungen seit Mitte des Jahres 2009 sichtbar verbessert hat.

Die in den Blick genommenen und dokumentierten Einzelfälle von Übergriffen staatlicher Sicherheitsbehörden knüpfen in ihrer objektiv erkennbaren Gerichtetheit zunächst an die vermutete LTTE-Verbindung und nicht allein an die tamilische Volkszugehörigkeit an, so dass ihnen insoweit eine Asylrelevanz nicht zukommt. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Staat zur Terrorismusbekämpfung präventive und repressive Sicherheitsmaßnahmen ergreifen darf. Solange er sich dabei auf die Terrorismusabwehr beschränkt und nicht unter diesem Pseudonym eine politische Verfolgung vornimmt, verfolgt er damit das legitime Ziel, terroristische Straftaten, die die Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit seiner Bürger gefährden, zu verhindern oder aufzuklären.Maßnahmen in diesem Zusammenhang können in asylerhebliche Verfolgung dann umschlagen, wenn zusätzliche Umstände darauf schließen lassen, dass der von ihnen Betroffene auch wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird. Auch wenn die staatliche Maßnahme das der reinen Terrorismusbekämpfung angemessene Maßüberschreitet, weil erhebliche körperliche Misshandlungen,systematische Folterungen oder übermäßig lange Inhaftierungen festzustellen sind, kann eine asylerhebliche Verfolgung vorliegen (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2000 - 9 C 28.99 -, BVerwGE 111, 334 =AuAS 2000, 235 = NVwZ 2000, 1426).

Auch unter diesen Vorgaben vermag da Gericht anhand der ausgewerteten Erkenntnisse eine staatliche Gruppenverfolgung von Tamilen nicht zu erkennen. Die benannten Erkenntnisse stimmen zwar darin überein, dass tamilische Volkszugehörige im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen überproportional von Maßnahmen wie Personenkontrollen, Identitätsfeststellung, Festnahmen und langfristigen Inhaftierungen betroffen sind. Doch werden die Sicherheitskontrollen und Verhaftungen deshalb an dem genannten Merkmal der Ethnie ausgerichtet, weil gerade in der Vergangenheit terroristische Straftaten und Anschläge insbesondere durch die LTTEund damit durch tamilische Volkszugehörige begangen wurden. Sie sind damit Folge der Tatsache, dass aus der Sicht der Sicherheitsbehörden die Bedrohung der Rechtsordnung durch terroristische Anschläge und die tamilische Volkszugehörigkeit quasi kongruent sind. Die Tatsache der überwiegenden Betroffenheit tamilischer Volkszugehöriger vermittelt von daher weder qualitativ noch quantitativ eine unmittelbare Vorstellung davon, ob die Maßnahmen in ihrer Gesamtheit bei objektiver Bewertung die Ausgrenzung dieser Volksgruppe als solche bezwecken. Da den aktuellen Auskünften seit der zweiten Jahreshälfte 2009 auch keine konkreten Belege dafür zu entnehmen sind, dass im Zuge von Personenkontrollen oder Identitätsfeststellungen festgenommene Tamilen generell länger als zwei Tage festgehalten wurden bzw.werden, kann den Maßnahmen auch nicht generell eine asyl- und abschiebungsrelevante Eingriffsintensität beigemessen werden.Unabhängig davon fehlt es aber auch unter diesem Aspekt des Umschlagens an einer für die Annahme einer an die tamilische Volkszugehörigkeit anknüpfenden Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte. Denn selbst dem sri-lankischen Staat zurechenbare asyl- und abschiebungsrelevante Repressionen von asylerheblichem Gewicht gegenüber Tamilen sind lediglich in einer Größenordnung dokumentiert, die in Bezug auf die Gruppengröße eine für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendige Relation nicht rechtfertigen können.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht hinsichtlich einer gruppenspezifischen politischen Verfolgung in Form eines Verfolgungsprogramms. Wie das Gericht zuvor bereits dargelegt hat,lässt allein der Umstand, dass tamilische Volkszugehörige überproportional von Verhaftungen und Inhaftierungen betroffen sind, nicht zwingend den Schluss zu, dass die sicherheitsbehördlichen Maßnahmen ihrer objektiven Zielgerichtetheit nach auf eine Ausgrenzung der Bevölkerungsgruppe und damit auf eine politische Verfolgung ausgerichtet ist. Dass der sri-lankische Staat gezielt die Verfolgung von Tamilen im Allgemeinen oder einer relevanten Untergruppe wie Tamilen aus dem Norden und Osten oder jüngere männliche Tamilen in Form eines Verfolgungsprogramms eingeleitet hatte und dessen Fortsetzung zu befürchten wäre, lässt sich den Auskünften selbst nicht entnehmen und kann auch nicht wertend den in ihnen dokumentierten staatlichen Repressionsmaßnahmen entnommen werden. So gelangt sowohl das Auswärtige Amt in seinem insgesamt die allgemeine Sicherheitslage als auch die Menschenrechtssituation kritisch reflektierenden Lagebericht vom 01. September 2011 als auch der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 5. Juli 2010 zu der Einschätzung, dass Anhaltspunkte für eine systematische Verfolgung tamilischer Volkszugehöriger in Sri Lanka nicht zu erkennen seien. Auch den übrigen Auskünften sachinformierter Stellen lassen sich für die Jahre seit 2009 keine belastbaren Belege für eine systematische Verfolgung der Volksgruppe im Sinne eines staatlichen Verfolgungsprogramms entnehmen.

Auch unter Berücksichtigt der hierzu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung und der in ihr festgestellten Sachverhalte ist nicht erkennbar, dass sich die Zahl der Übergriffe nach Beendigung des Bürgerkrieges gegenüber den bis zum Mai 2009festgestellten in einer Weise erhöht hat, dass sie die vom Gericht getroffene Einschätzung nicht mehr rechtfertigen könnte. So hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 9.November 2010 (- A 4 S 703/10 -) für den Zeitraum November 2005 bis Dezember 2007, also einen Zeitraum, in dem es zu erheblichen Kämpfen zwischen den Bürgerkriegsparteien kam, für den Großraum Colombo 3.400 Verhaftungen feststellen können. Selbst wenn es sich bei diesen Festgenommenen ausschließlich um tamilische Volkszugehörige gehandelt haben sollte, sei die Anzahl der ermittelten Übergriffe bei mehr als 240.000 tamilischen Einwohnern in diesem Gebiet und angesichts des Zeitraums von zwei Jahren nicht geeignet, eine Regelvermutung der Gefährdung eines jeden Gruppenmitglieds zu rechtfertigen. Zu der gleichen Einschätzung gelangt auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 29. April 2009 (- 3 A 627/07.A -) unter Hinweis auf konkret dokumentierte Fälle von verschwundenen Personen in einer Größenordnung von insgesamt 597 für die Jahre 2006 und 2007, von 446 Festnahmen im Jahre 2008 und 1.200 Inhaftierten jungen Tamilen in den Haftzentren der Hauptstadt Anfang September 2008. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes stellte in seinem Urteil vom 3. Dezember 2010 (- 3 A 309/08 -) ebenfalls fest, dass die Erkenntnislage angesichts der Anzahl der in Sri Lanka lebenden tamilischen Volkszugehörigen und der dokumentierten Anzahl von Festnahmen und berichteter Repressalien gegenüber Tamilen nach wie vor den Schluss nicht zulasse, dass Tamilen im allgemeinen oder entsprechende Untergruppen hiervon, wie zurückkehrende tamilische Asylbewerber, männliche Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters oder Tamilen aus dem Norden oder Osten des Landes allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit landesweit oder regional einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind.

Lassen diese Feststellungen und Erkenntnisse nach der Überzeugung des Gerichts die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung von Tamilen in Sri Lanka nicht zu, ist weiter zu prüfen, ob dem Kläger nach Wegfall der seiner Anerkennung zugrunde liegenden Verfolgungsgefahr in Sri Lanka wegen anderer Tatsachen oder Umstände Verfolgung droht. Denn der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung setzt neben dem Wegfall der der Anerkennung zugrunde liegenden Verfolgungsgefahr weiter voraus, dass der Betreffende auch nicht wegen anderer Umstände begründete Furcht vor Verfolgung hat.

Ausgehend von den obigen Feststellungen kann sich die Gefahr einer politischen Verfolgung eines Tamilen im Falle seiner Rückkehr nach Sri Lanka grundsätzlich verdichten, wenn in seiner Person individuelle Umstände vorliegen, die es beachtlich wahrscheinlich erscheinen lassen, dass sri-lankische Sicherheitskräfte -unabhängig von einer konkreten Volkszugehörigkeit - Maßnahmen ergreifen, die in ihrer Intensität über das hinausgehen, was an Maßnahmen im Rahmen der legitimen Terrorismusabwehr noch als zulässig erachtet werden kann. Die Gefahr, Opfer solcher asyl- und abschiebungsrelevanter Maßnahmen zu werden, ist nach Einschätzung des Gerichts für zurückkehrende Tamilen grundsätzlich nicht generell allein deshalb gegeben, weil sie sich als Flüchtling über Jahre im Ausland aufgehalten haben und unter Umständen keinen gültigen sri-lankischen Reiseausweis mehr besitzen. Wie zuvor dargelegt, gibt es für Rückkehrer bei ihrer Einreise über den Flughafen Colombo regelmäßig keine Probleme, wenn sie im Besitz eines gültigen Einreisedokumentes sind. Personen, die freiwillig zurückkehren, werden in der Regel über einen entsprechenden Reiseausweis verfügen. Zurückgeführte Personen werden entsprechende, von der jeweiligen Auslandsvertretung ausgestellte Reisedokumente zur einmaligen Einreise nach Sri Lanka (sogenannte ICOM oder Emergency Pass) besitzen. Diese Personen werden regelmäßig einer Identitätsüberprüfung und einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen und über die persönlichen Hintergründe und ihre Reiseziele befragt. Der Gefahr einer unter Umständen auch längerfristigen Inhaftierung sind solche Personen nur dann ausgesetzt, wenn sie in den Verdacht geraten, der LTTE anzugehören, dieser Organisation nahezustehen oder andere nach sri-lankischem Recht strafbare Vorwürfe vorliegen (Lagebericht des AA vom 01.09.2011).

Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen ist für das Gericht auf der Grundlage des Klägervortrags nicht erkennbar, dass ihm bei seiner Rückkehr nach Sri Lanka mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine individuelle politische Verfolgung droht.

Sollte der Kläger in diesem Zeitpunkt nicht über einen gültigen sri-lankischen Reiseausweis verfügen, wird ihm von der Botschaft seines Heimatlandes in Deutschland ein Reisedokument zur einmaligen Rückkehr nach Sri Lanka ausgestellt werden. Von daher wird er bei der Einreise von den zuständigen Sicherheitskräften über die persönlichen Hintergründe seiner Reise befragt. Es wird eine Identitätsfeststellung sowie eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt werden. Für die Sicherheitsbehörden wird dabei erkennbar, dass er Tamile ist und aus dem Norden des Landes stammt.Damit weist der Kläger in den Augen der Sicherheitskräfte zumindest erste Risikofaktoren auf, die den Verdacht der Nähe zur LTTEbegründen könnten. Gleichwohl kann das Gericht bei Würdigung sämtlicher konkreter Umstände nicht erkennen, dass sich bei dem Kläger deshalb die Gefahr einer politischen Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit manifestieren wird, weil er unter Umständen festgenommen und für längere Zeit inhaftiert werden könnte. Der Kläger, der zumindest im Besitz eines Emergency-Passes nach Sri Lanka gereist ist, wird nicht mehr, wie in der Vergangenheit üblich, dem Magistrate Court vorgeführt werden (hierzu: Lagebericht des AA vom 07.04.2009). Es wird ihm im Rahmen der Befragung möglich sein darzustellen, dass er bereits im Jahre 1991 bzw. 1994 aus Sri Lanka ausgereist war und aufgrund seiner Asylantragstellung viele Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet hat. Diese Angaben kann er auch durch entsprechende Dokumente nachweisen und belegen. Vor allem wird er damit jeden Verdacht an eine Mitgliedschaft bzw. Unterstützung der LTTE in den letzten Jahren, vor allem seit den Jahren 2006 bis zum Ende des Bürgerkrieges bei den Sicherheitsbehörden zerstreuen können. Zudem hat der Kläger auch zu keinem Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens dargelegt, in Sri Lanka von den dortigen Sicherheitskräften per Haftbefehl gesucht zu werden oder einschlägig vorbestraft zu sein, so dass die Gefahr, nach seiner Einreise über den Flughafen Bandaranaike allein aufgrund der Hinterlegung seines Namens in elektronischen Registern, auf die Sicherheitsbehörden dort zurückgreifen können, verhaftet zu werden,nicht besteht.

Die vom Kläger gegenüber dem Bundesamt gemachten Angaben und seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2011 sind ebenfalls nicht geeignet die Annahme zu rechtfertigen, er könne über die bei den Sicherheitskräften allgemein vorhandene,alle Tamilen der Nähe zur LTTE verdächtigende Annahme hinaus wegen weiterer Risikofaktoren - insbesondere regierungskritischer Aktivitäten - ins Blickfeld der Sicherheitskräfte gelangen. Seine Angaben anlässlich der Anhörung vor dem Bundesamt Anfang 1991 und in der schriftlichen Begründung seines Folgeantrages Anfang 1995sind zur Überzeugung des Gerichts in ihrer Pauschalität,Detailarmut, Undifferenziertheit und Widersprüchlichkeit bereits nicht geeignet, eine solche über das allgemeine Maß hinausgehende Gefährdung des Klägers im Falle seiner Rückkehr nach Sri Lanka zu begründen. Der Hinweis des Klägers, als Busschaffner sowohl für die sri-lankische Soldaten als auch für die Tigerbewegung Sachen transportiert haben zu müssen und deshalb von beiden Gruppierungen geschlagen worden zu sein bzw. als Unterstützer der LTTEverdächtigt und für eine Woche inhaftiert worden zu sein, ist wegen der Detailarmut und Unsubstantiiertheit des Vortrages nicht geeignet, eine solche Gefährdung zu begründen, zumal der Kläger sich wenige Monate nach seiner Ausreise aus Sri Lanka dorthin zurückgegeben hat. Unsubstantiiert ist auch sein Vortrag in der schriftlichen Begründung des Folgeantrages, nach seiner Rückkehr nach Sri Lanka von einer Gegenorganisation gefangen genommen worden zu sein. Der weitere dort formulierte Hinweis, als Kämpfer der E.R.O.S. von den sri-lankischen Soldaten und der LTTETodesdrohungen erhalten zu haben, steht im Widerspruch zu seinen Angaben in der Anhörung vor dem Bundesamt, nach denen er Mitglied des Roten Kreuzes gewesen und deshalb von den sri-lankische Soldaten und den Tigern verfolgt worden zu sein. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2011 klargestellt hat, dass er für die E.R.O.S. Öffentlichkeitsarbeit geleistet habe,dementsprechend keinen bewaffneten Kampf geführt hat, ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass diese Tätigkeit 17 Jahre später eine solche Gefährdung begründet.

Weitere, über seine tamilische Volkszugehörigkeit hinausgehende Faktoren, insbesondere solche, die in den letzten siebzehn Jahren seines Aufenthaltes in Deutschland das Risiko einer Festnahme oder langfristigen Inhaftierung im Anschluss an seine Einreise nach Sri Lanka erhöht haben könnten, sind vom Kläger ebenfalls nicht vorgetragen worden. Auch nach seiner Einreise wird das Risiko einer Verhaftung im Zuge der häufigen Straßen- und Personenkontrollen aufgrund von Passlosigkeit bereits deshalb ausgeschlossen sein,weil er sich auch weiterhin mit seinem Emergency Ausweis wird ausweisen können, da dieser bei Bestätigung der Personalien durch die Einwanderungsbehörde als normaler Reisepass gültig bleibt bis ihm ein Nationalpass ausgestellt sein wird (Lagebericht AA vom 11.12.2006). In der Person des Klägers realisiert sich damit ein individuelles Risiko, dass er mit einer Vielzahl von Tamilen in Sri Lanka teilt, nämlich Sprache und Volkszugehörigkeit, das nach den obigen Feststellungen jedoch nicht dazu führt, generell oder individuell konkret Opfer von staatlichen Übergriffen zu werden.Sonstige objektive oder subjektive Nachfluchtgründe sind in der Person des Klägers nicht erkennbar. Allein seine Asylantragstellung in Deutschland lassen ihn in den Augen sri-lankischer Sicherheitskräfte nicht in den Verdacht der Nähe zur LTTE oder einer regierungskritischen Einstellung geraten (Lagebericht AA vom 01.09.2011). Auch weitere individuelle Anknüpfungspunkte, nach denen dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung seitens des sri-lankischen Staates drohen könnte, sind weder vorgetragen worden noch in einer Gesamtschau aller Umstände für das Gericht erkennbar.

Im Hinblick auf den Vortrag des Klägers ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, einer Verfolgung durch Dritte, insbesondere durch die LTTE, durch Mitglieder der Karuna-Gruppe oder anderer paramilitärischer Gruppierungen ausgesetzt zu sein, sollte er in sein Heimatland zurückkehren. Die LTTE selbst wurde durch die sri-lankische Armee im Mai 2009 militärisch besiegt und in ihren Strukturen soweit zerschlagen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Wiedererstarkens der Gruppierung auf absehbare Zeit nicht zu befürchten ist. Abgesehen davon, hat der Kläger auch keine Gründe dargetan, weshalb die LTTE bzw. eine Nachfolgeorganisation oder andere paramilitärische Gruppierungen veranlasst sein könnten, nach über siebzehn Jahren Auslandsaufenthaltes des Klägers gegen ihn vorzugehen.

Auf der Grundlage der zuvor gemachten Ausführungen ist auch nicht erkennbar, dass für den Kläger in Sri Lanka die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (§ 60 Abs. 2AufenthG). Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung kann nach den obigen Feststellungen in Sri Lanka zwar nicht generell ausgeschlossen werden. Sie entsprechen aber überwiegend Fällen politsicher Verfolgung, die dem Kläger nach der Überzeugung des Gerichts jedoch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass auch eine konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 2 AufenthG ausgeschlossen werden kann.

Auch für das Vorliegen der weiteren Abschiebungsverbote des § 60Abs. 3 und 5 AufenthG gibt es mangels eines konkreten Vortrags im Verfahren keine Anhaltspunkte. Weder hat der Kläger dargetan, in seinem Heimatland wegen einer Straftat gesucht zu werden, auf die die Todesstrafe steht, noch ist durch den Kläger eine konventionswidrige Beeinträchtigung im Sinne des § 60 Abs. 5AufenthG behauptet worden.

Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorliegen, hat der Kläger ebenfalls nicht vorgetragen. Danach ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zwischen der LTTE und der sri-lankischen Armee ist seit Mai 2009 beendet. Wie zuvor aufgezeigt, ist aufgrund der derzeitigen tatsächlichen Verhältnisse in Sri Lanka nicht davon auszugehen, dass dieser oder ein vergleichbarer innerstaatlicher Konflikt in absehbarer Zeit wieder ausbrechen könnte.

Letztendlich liegt auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7Satz 1 AufenthG nicht vor. Durch die Abschiebung nach Sri Lanka würde der Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine Gefahrenlage versetzt, die dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bedeuten würde. Auch insoweit hat der Kläger weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren konkrete Anhaltspunkte für die Annahme solcher Gefahren vorgetragen. Das Gericht hatte bereits in seiner Entscheidung vom 15. September 2010 (- 5 A 1985/08 -) festgestellt,dass auch ein Extremfall, der einen solchen Abschiebungsschutz begründen könnte, in Sri Lanka aufgrund der dortigen Verhältnisse,insbesondere der Versorgungslage nicht zu besorgen sei. Bis auf wenige, wegen anhaltender Minenräumung oder noch bestehender Hochsicherheitszonen noch nicht zur Rücksiedlung freigegebene Gebiete im Norden, besteht im ganzen Land Freizügigkeit (AA,Lagebericht 01.09.2011). Zurückkehrende Asylsuchende sind in der Anfangsphase häufig auf Hilfe angewiesen. Diese wird in Sri Lanka traditionsgemäß durch Familienangehörige und Freunde geleistet. Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung dargelegt, dass in Sri Lanka seine Mutter und mehrere seiner elf Geschwister leben. Damit besteht für ihn grundsätzlich die Möglichkeit, auf verwandtschaftliche Hilfe und Unterstützung zurückgreifen und vertrauen zu können. Tatsachen, die der Annahme entgegenstehen,dass sich ihm auch bei einer Rückkehr nach Sri Lanka Möglichkeiten bieten, sich dort trotz seiner Bandscheibenprobleme wirtschaftlich eine Existenz aufzubauen, liegen nicht vor. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Sri Lanka dort nicht überleben könnte, besteht deshalb nicht.Gründe für die Annahme einer solchen Gefahr hat der Kläger im gesamten Verfahren auch nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b Abs. 1 AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, 167 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132Abs. 2 VwGO).

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