BGH, Urteil vom 19.07.2013 - V ZR 109/12
Fundstelle
openJur 2013, 43001
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg - 5. Zivilsenat - vom 17. April 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem aus zwei Eigentumswohnungen bestehenden Haus. Das Haus dieser Wohnungseigentümergemeinschaft (nachfolgend: kleine Wohnungseigentümergemeinschaft) ist an die zentralen Versorgungs- und Entsorgungseinrichtungen, insbesondere an die Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlage der Beklagten, einer benachbarten Wohnungseigentümergemeinschaft, angeschlossen.

Das von den Klägern bewohnte Haus und die Wohnanlage der Beklagten waren bei ihrer Errichtung im Jahr 1973 als eine einheitliche Wohnungseigentumsanlage mit einheitlichen Ver- und Entsorgungseinrichtungen konzipiert worden. In Abweichung hiervon wurden durch Teilungserklärung der Beklagten vom 17. August 1973 aber nur die 56 Wohneinheiten der Beklagten in die Wohnungseigentumsanlage einbezogen. An den übrigen 14 Wohneinheiten, bestehend aus Einfamilien- und Doppelhäusern, wurde hingegen kein Wohnungseigentum, sondern jeweils Alleineigentum begründet ("Privathäuser"). Nach der Teilungserklärung der Beklagten dürfen die Eigentümer der Privathäuser die gemeinschaftlichen Einrichtungen der Wohnungseigentumsanlage nutzen; im Gegenzug wurde ihnen ein Benutzungszwang "für das gesamte Leitungssystem, insbesondere Zentralheizung, Warmwasser und Entsorgung" auferlegt. Der Benutzungszwang wurde dinglich nicht gesichert.

In der Folgezeit wurde eines der Privathäuser von den Erstkäufern in zwei Eigentumswohnungen aufgeteilt. Nach mehreren Zwischenverkäufen erwarben die Kläger im Jahr 1996 eine der beiden Wohnungen.

Die Kläger möchten festgestellt wissen, dass das Grundstück, auf dem sich ihre Eigentumswohnung befindet, keinem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt, hilfsweise, dass jedenfalls ihr Wohnungseigentum einem solchen Zwang nicht unterworfen ist. Das Landgericht hat der Klage im Hilfsantrag stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Klage für zulässig. Die Kläger seien durch die übrigen Wohnungseigentümer ermächtigt worden, die Feststellungsklage zu erheben. Die Klage sei jedoch im Haupt- und im Hilfsantrag unbegründet. Sowohl die Kläger als auch die Eigentümer der weiteren Wohnung unterlägen dem in der Teilungserklärung der Beklagten geregelten Anschluss- und Benutzungszwang, da sie - ebenso wie ihre Rechtsvorgänger - in ihren Kaufverträgen diese Verpflichtung übernommen hätten. Die schuldrechtliche Übernahme des Anschluss- und Benutzungszwangs sei nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Den Klägern stehe auch kein Kündigungsrecht gemäß § 314 BGB zu, da es an einem wichtigen Grund fehle.

II.

Die Revision ist begründet, weil die Klage entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Hauptantrag nicht zulässig ist.

1. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Klageantrag nach seinem Wortlaut auf die Feststellung gerichtet ist, dass das Grundstück der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber der Beklagten keinem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt. Ein solches Begehren wäre mangels Feststellungsinteresses allerdings unzulässig, da eine auf dem Grundstück lastende Verpflichtung nur aus einem dinglichen Recht herrühren könnte und zwischen den Parteien unstreitig ist, dass ein solches Recht nicht besteht und dass die Beklagte sich dessen auch nicht berühmt. Das Berufungsgericht legt den Klageantrag jedoch rechtsfehlerfrei dahin aus, dass es den Klägern um die Feststellung des Nichtbestehens eines schuldrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwangs der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft geht. 5 2. Der Hauptantrag ist aber deshalb unzulässig, weil den Klägern die Befugnis fehlt, den der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft zustehenden Anspruch ohne eine dahingehende Ermächtigung seitens der übrigen Wohnungseigentümer gerichtlich geltend zu machen.

Mit dem Antrag auf Feststellung, dass die kleine Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber den Beklagten keinem schuldrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt, nehmen die Kläger eine Verwaltungsangelegenheit der Gemeinschaft wahr und machen einen Anspruch geltend, dessen prozessuale Durchsetzung nicht dem einzelnen Wohnungseigentümer, sondern dem Verband der Wohnungseigentümer unterliegt (§ 10 Abs. 6 Satz 2 und 3 WEG). Zwar ist es auch nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft möglich, dass ein oder mehrere Wohnungseigentümer Ansprüche des Verbandes im Wege gewillkürter Prozessstandschaft in eigenem Namen geltend machen, wenn hierfür ein schutzwürdiges Eigeninteresse besteht (siehe für den Verwalter: Senat, Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 145/10, BGHZ 188, 157, 163 Rn. 15). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fehlt es hier aber schon an einer wirksamen Ermächtigung der Kläger durch die übrigen Wohnungseigentümer. Von den beiden Miteigentümern der weiteren Eigentumswohnung hat nur Herr O. mit Schreiben vom 2. März 2010 die Kläger zu einer Prozessführung ermächtigt, nicht dagegen dessen Ehefrau. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, eine Mitwirkung dieser Miteigentümerin sei deshalb nicht erforderlich gewesen, weil Mitberechtigte an einem Miteigentumsanteil gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG nur eine gemeinsame Stimme hätten und es im Außenverhältnis ohne Relevanz sei, ob die Stimmabgabe durch Herrn O. auf einer intern ordnungsgemäßen Willensbildung beruhe. Die Erklärung des Miteigentümers O. könnte nur dann Wirkungen für und gegen die mitberechtigte Ehefrau entfalten, wenn er die Erklärung zugleich in deren Namen abgegeben hätte (vgl. Klein in Bärmann, 8 WEG, 12. Aufl., § 25 Rn. 51). Dies muss zwar nicht ausdrücklich geschehen; vielmehr genügt es nach § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sich dies aus den Umständen ergibt. Daran fehlt es hier jedoch. Das genannte Schreiben von Herrn O. enthält nicht andeutungsweise einen Hinweis darauf, dass er die Erklärung auch im Namen seiner Ehefrau abgibt.

III.

Trotz der Unzulässigkeit des Hauptantrags kann der Senat keine abschließende Entscheidung in der Sache treffen. Denn die fehlende Prozessführungsbefugnis der Kläger ist bisher nicht gesehen worden. Ihnen ist deshalb Gelegenheit zu geben, die noch fehlende Ermächtigung nachzureichen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 1993 - IV ZR 267/91, NJW-RR 1993, 669, 670) und ihr - für eine gewillkürte Prozessstandschaft notwendiges - schutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessführung darzulegen. Das führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Für den Fall, dass das Berufungsgericht aufgrund der neuen Verhandlung zur Zulässigkeit der Klage gelangen sollte, weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Ein Benutzungszwang der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft kann sich nur aus deren Gemeinschaftsordnung oder aus einem von ihr mit der Beklagten geschlossenen Versorgungsvertrag ergeben.

2. a) Sollten die Mitglieder der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft in der Vergangenheit einen Versorgungsvertrag mit der Beklagten geschlossen haben, wären die Kläger kraft ihrer Mitgliedschaft in der Gemeinschaft hieran gebunden. Ein solcher Vertrag verpflichtet nämlich den rechtsfähigen Verband mit der Folge, dass die Bindung die Gemeinschaft unabhängig 10 von ihrem jeweiligen Mitgliederbestand und unabhängig von der Ausgestaltung der jeweiligen Erwerbsverträge späterer Wohnungseigentümer trifft. Insoweit gilt nichts anderes als bei Verträgen mit öffentlichen Versorgern, bei denen Vertragspartner ebenfalls die Gemeinschaft ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 125/06, NJW 2007, 2987 f.; Urteil vom 20. Januar 2010 - VIII ZR 329/09, NJW 2010, 932 f.).

b) Aus der bloßen Inanspruchnahme der Versorgungsleistungen der Beklagten durch die kleine Wohnungseigentümergemeinschaft folgt der Abschluss eines Vertrages mit einem Anschluss- und Benutzungszwang allerdings nicht. Zwar kann ein Versorgungsvertrag auch konkludent durch Entgegennahme der Versorgungsleistungen geschlossen werden. Eine damit gleichzeitig begründete Verpflichtung zur dauerhaften Nutzung der Versorgungseinrichtungen der Beklagten ist aber nur anzunehmen, wenn die Nutzung der Leistungen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft erkennbar in Kenntnis des in der Teilungserklärung der Beklagten geregelten Anschluss- und Benutzungszwangs erfolgte.

aa) Hierzu kann es bereits bei der Teilung des Privathauses in Wohnungseigentum im Jahr 1983 durch die Ersterwerber E. gekommen sein. Sollten diese die in der Teilungserklärung der Beklagten geregelten Bedingungen für die Versorgungsleistungen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer der beiden neu entstandenen Wohnungen gegenüber der Beklagten (ausdrücklich oder konkludent) erkennbar als verbindlich angesehen haben, wäre die widerspruchslose Fortsetzung der Nutzung des Versorgungssystems als Abschluss eines Versorgungsvertrages seitens der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft zu den Bedingungen der Beklagten anzusehen. Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtsprechung damals noch nicht von der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ausging. Denn die mit der Entscheidung des Senats vom 2. Juni 2005 geänderte Rechtsprechung zur Rechtsfä-14 higkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft gilt grundsätzlich auch für früher begründete, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 - VII ZR 102/11, BGHZ 193, 10, 18 Rn. 21; Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 10 Rn. 277).

bb) Sollte ein Vertragsschluss der Gemeinschaft durch die Wohnungseigentümer E. nicht feststellbar sein, ist zu prüfen, ob es zu einem späteren Zeitpunkt zu einem (konkludenten) Abschluss eines Versorgungsvertrages durch die Mitglieder der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft zu den Bedingungen der Beklagten gekommen ist; die Verpflichtung hieraus träfe wiederum den teilrechtsfähigen Verband. Hierzu reicht allein die Feststellung, dass in Frage kommende Wohnungseigentümer in ihrem Kaufvertrag die Verpflichtungen ihrer Rechtsvorgänger hinsichtlich der Benutzung der Einrichtungen der Beklagten übernommen hatten, allerdings nicht aus. Schuldrechtliche Verpflichtungen, die ein Eigentümer in dem Wohnungskaufvertrag gegenüber Dritten übernommen hat, binden die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob das tatsächliche Verhalten der Mitglieder der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber der Beklagten den Schluss zulässt, dass sie mit dieser nicht jeder für sich, sondern gemeinsam für das gesamte Privathaus einen Versorgungsvertrag zu deren Bedingungen abschließen wollten und abgeschlossen haben.

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Vereinbarung eines dauerhaften Anschluss- und Benutzungszwangs sei nicht sittenwidrig, ist frei von Rechtsfehlern. Ebenso nimmt es zutreffend an, dass ein solcher Benutzungszwang gemäß § 314 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht ein etwaiges Kündigungsrecht aber nicht dem einzelnen Wohnungseigentümer, sondern, weil nur sie Vertragspartner ist, der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu. 16 3. Die von den Klägern mit dem Hilfsantrag erstrebte Feststellung, jedenfalls ihre Wohnung unterliege keinem Anschluss- und Benutzungszwang, kann keinen Erfolg haben. Ist der Hauptantrag unbegründet, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Nutzung der Anlage der Beklagten verpflichtet ist, sind die Kläger als Mitglied der Gemeinschaft hieran gebunden. Ihr Wohnungseigentum kann insoweit kein eigenständiges rechtliches Schicksal nehmen.

Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Roth Brückner Vorinstanzen:

LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 29.07.2011 - 32 O 34/11 -

OLG Bamberg, Entscheidung vom 17.04.2012 - 5 U 171/11 - 18