BGH, Urteil vom 05.09.2001 - XII ZR 336/99
Fundstelle
openJur 2010, 7897
  • Rkr:
Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats - zugleich Familiensenat -des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 9. November 1999 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die am 19. Dezember 1950 geborene Klägerin nimmt den Beklagten auf nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit in Anspruch.

Ihre am 19. September 1970 geschlossene Ehe wurde am 19. September 1996 rechtskräftig geschieden. Die Parteien leben seit 5. Dezember 1994 getrennt.

Die Klägerin, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, versorgte während der Ehe den Haushalt und ging bis zur Trennung stundenweise verschiedenen Beschäftigungen im Umfange einer geringfügigen nicht versicherungspflichtigen Tätigkeit nach.

Der Beklagte verfügte 1997 über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 3.616,45 DM und 1998 über ein solches von 3.444 DM. Darin war jeweils ein monatlicher Fahrtkostenersatz von 722,45 DM für 1997 und von rund 632 DM für 1998 enthalten, weil der Beklagte von seinem Arbeitgeber nicht am Firmensitz, sondern an einer 80 km entfernt gelegenen Arbeitsstätte eingesetzt wurde.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zu monatlichen Unterhaltszahlungen (Elementar-, Krankenversicherungs-und Pflegeversicherungsunterhalt) an die Klägerin von 1.809 DM für die Zeit vom 1. November 1996 bis 31. Dezember 1996 und von 1.814 DM für die Zeit ab 1. Januar 1997 sowie zu 2.532,60 DM Unterhaltsrückstand verurteilt.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht den zu zahlenden monatlichen Unterhaltsbetrag für die Zeit vom 19. September 1996 (anteilig) bis 31. Dezember 1997 auf 906 DM, für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1998 auf 862 DM und ab 1. Januar 1999 auf 400 DM herabgesetzt. Im übrigen hat es das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der völligen Klagabweisung weiter.

Gründe

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin nachehelichen Unterhalt gemäß § 1572 BGB zugebilligt, da diese krankheitsbedingt nur eine stundenweise Tätigkeit ausüben könne.

Die Revision rügt, das Oberlandesgericht habe nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt, daß die Klägerin teilweise erwerbsunfähig sei. Es habe von einer teilweisen Erwerbsunfähigkeit nicht ausgehen dürfen, nachdem das eingeholte Sachverständigengutachten des Dr. K. zu dem Ergebnis gekommen sei, daß die Klägerin leichte körperliche Arbeit vollschichtig verrichten könne. Da dieses Gutachten dem im Trennungsunterhaltsverfahren eingeholten Gutachten der Landgerichtsärztin, Ärztin für Psychiatrie Dr. Z., widerspreche, das Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen sei, habe das Oberlandesgericht nicht ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis kommen dürfen, die Klägerin könne nur einer geringfügigen Tätigkeit nachgehen.

Diese Einwände führen im Ergebnis nicht zum Erfolg. Entgegen der Revision widersprechen sich die Gutachten nicht. Der Sachverständige Dr. K. hat in seinem Gutachten festgestellt, daß "aus orthopädischer Sicht" die Klägerin für leichte körperliche Arbeiten (ohne schweres Heben, ohne schweres Tragen, sowie bei Vermeidung von Zwangshaltungen der Hals- und Lendenwirbelsäule) noch vollschichtig einsatzfähig sei. Demgegenüber hat die Ärztin für Psychiatrie Dr. Z. in ihrem Gutachten vom 27. Oktober 1997 eine über die orthopädischen Befunde hinausgehende generelle Beurteilung der Krankheitsgeschichte der Beklagten vorgenommen, insbesondere auch die Schmerzproblematik und den Analgetikaabusus bewertet. Dies hat das Oberlandesgericht in seiner Beweiswürdigung verfahrensfehlerfrei unterschieden. Insoweit bestand kein Widerspruch zwischen den Gutachten; vielmehr hatte das Gutachten der Landgerichtsärztin einen weitergehenden Begutachtungsgegenstand. Die Schlußfolgerung des Oberlandesgerichts, daß der Klägerin aufgrund der Gesamtsymptomatik nur eine Erwerbstätigkeit im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung zuzumuten sei, ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

2.

Bei der Bestimmung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen hat es -abweichend vom Amtsgericht -für 1997 ein bereinigtes Nettoeinkommen des Beklagten von 2.894 DM monatlich und für 1998 ein solches von 2.812 DM monatlich zugrunde gelegt. Den vom Arbeitgeber zusätzlich gewährten Fahrtkostenersatz von monatlich 722,45 DM für 1997 und rund 632 DM für 1998 hat es unberücksichtigt gelassen, weil davon auszugehen sei, daß dem Beklagten tatsächlich entsprechende Aufwendungen entstünden. Einen weiteren Werbungskostenabzug von 5 % hat es daneben nicht vorgenommen, da zusätzliche Werbungskosten durch den Fahrtkostenersatz mit abgedeckt seien. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch die Revision erhebt insoweit keine Einwendungen.

3.

a) Das Oberlandesgericht hat ferner ausgeführt, die ehelichen Lebensverhältnisse seien weiter geprägt gewesen durch Hinzuverdienste der Klägerin aufgrund von Tätigkeiten unterhalb der Pflichtversicherungsgrenze (für 1997 610 DM, für 1998 620 DM) sowie durch die Hausfrauentätigkeit in der Ehe. Deren Wert hat das Oberlandesgericht in Höhe der (nicht prägenden) Zusatzeinkünfte angesetzt, die der Klägerin nunmehr durch die Versorgung ihres neuen Partners, des Zeugen W., zuzurechnen seien und die es nach den konkreten Verhältnissen auf monatlich 400 DM geschätzt hat (§ 287 ZPO). Den Unterhaltsbedarf errechnet das Oberlandesgericht danach unter Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus von 10 % für 1996/1997 nach der sogenannten Additionsmethode wie folgt:

Einkommen des Beklagten 2.894 DM x 90 % 2.605 DM Einkommen der Klägerin (bereinigt um 5 % pauschalen Berufsaufwand) 580 DM x 90 % 522 DM Hausfrauentätigkeit d. Kläg. 400 DM Summe: 3.527 DM Hiervon die Hälfte als Bedarf der Klägerin rund 1.764 DM abzüglich Eigeneinkommen von 522 DM und 400 DM verbleiben 842 DM Für 1998 errechnet das Oberlandesgericht nach den gleichen Grundsätzen einen Bedarf von monatlich 800 DM.

Bei dem - vorläufig errechneten, jeweils monatlichen -Unterhaltsbetrag von 842 DM für die Jahre 1996 und 1997 ergebe sich ein Kranken- und Pflegeversicherungsvorsorgebedarf der Klägerin von 842 DM x (13,7 % + 1,7 % =) 15,4 % = 129,66 DM, gerundet 130 DM. Für 1998 ergebe sich bei einem vorläufigen Unterhaltsbetrag von 800 DM ein entsprechender Vorsorgebedarf von 123 DM. Daraus hat das Oberlandesgericht einen endgültigen Elementarunterhalt für 1996/1997 in Höhe von monatlich 776 DM errechnet (2.605 DM 130 DM = 2.475 DM + 522 DM + 400 DM = 3.397 DM : 2 = 1.698 DM - 522 DM

-400 DM). Für 1998 betrage der Elementarunterhalt nach den gleichen Grundsätzen gerechnet 739 DM. Dementsprechend ergebe sich für 1996/1997 ein Unterhaltsanspruch in Höhe von insgesamt 906 DM und für 1998 ein Unterhaltsanspruch von 862 DM, jeweils monatlich. Diese -richtig berechneten - Ansprüche hat das Oberlandesgericht ab dem Zusammenleben mit ihrem neuen Partner auf monatlich 400 DM gekürzt, da seit diesem Zeitpunkt der zwischen der Klägerin und dem Zeugen W. bestehenden Gemeinschaft der Charakter einer eheersetzenden Gemeinschaft zukomme, die es für den Beklagten objektiv unzumutbar erscheinen lasse, für die Klägerin mehr als monatlich 400 DM Unterhalt zu zahlen, § 1579 Nr. 7 BGB.

b) Die Revision wendet sich gegen den Ansatz des Berufungsgerichts, die Haushaltsführung als die ehelichen Lebensverhältnisse mitbestimmend anzusehen und ein an deren Stelle tretendes (fiktives) Ersatzeinkommen in die Unterhaltsbedarfsermittlung nach § 1578 BGB einzubeziehen. Im übrigen sei es ermessensfehlerhaft, ohne Feststellung der konkreten Verhältnisse und ohne Darlegung der Schätzungsgrundlage einen bestimmten Geldbetrag anzusetzen. Auch diese Einwände führen im Ergebnis nicht zum Erfolg.

Der Senat hat in seinem Urteil vom 13. Juni 2001 (-XII ZR 343/99 -FamRZ 2001, 986 ff.) entschieden, daß die -auf den Scheidungszeitpunkt bezogenen - konkreten Barmittel immer nur ein Kriterium, nicht aber der alleinige Maßstab für die ehelichen Lebensverhältnisse gemäß § 1578 BGB sein können. Vielmehr seien die ehelichen Lebensverhältnisse durch alles geprägt, was während der Ehe für den Lebenszuschnitt der Ehegatten nicht nur vorübergehend tatsächlich von Bedeutung ist, mithin auch durch die häusliche Mitarbeit des nicht erwerbstätigen Ehegatten, die mitursächlich für den erreichten sozialen Standard sei. In den Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte -wie hier - nach der Scheidung ein Einkommen erzielt oder erzielen kann, welches gleichsam als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes seiner bisherigen Tätigkeit angesehen werden kann, ist dieses Einkommen in die Berechnung des Unterhaltsbedarfs nach der Differenzmethode (bzw. wie hier nach der zum selben Ergebnis führenden Additionsmethode) einzubeziehen. Diesem Ansatz entspricht die vom Oberlandesgericht vorgenommene Bedarfsermittlung, soweit es das fiktive Erwerbseinkommen der Klägerin aus einer ihr zuzumutenden geringfügigen Beschäftigung einbezogen hat.

Entsprechendes gilt, jedenfalls für den hier gegebenen Fall, für den Wert der Versorgungsleistungen, die die Klägerin in der häuslichen Gemeinschaft mit ihrem neuen Partner tatsächlich erbringt. Grundsätzlich sind auch solche geldwerten Versorgungsleistungen als Surrogat für die frühere Haushaltstätigkeit in der Familie anzusehen. Denn sie sind insoweit nicht anders zu beurteilen als wenn die Klägerin eine bezahlte Tätigkeit als Haushälterin bei Dritten annähme. Ist die Erwerbsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten -wie hier krankheitshalber -eingeschränkt, versorgt er aber daneben noch einen neuen Partner, ist im Zweifel davon auszugehen, daß er diese häuslichen Tätigkeiten noch zusätzlich übernehmen kann (vgl. Senatsurteil vom 20. Mai 1987 -IVb ZR 50/86 -FamRZ 1987, 1011, 1013 a.E.). Davon ist ersichtlich auch das Oberlandesgericht ausgegangen, das den Wert dieser Tätigkeit der Klägerin zugerechnet hat. Dann aber ist auch insoweit der Wert dieser Versorgungsleistungen als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes ihrer früheren Haushaltstätigkeit in der Ehe anzusehen, ohne daß es hier noch auf die Frage ankäme, ob es sich dabei um Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit im eigentlichen Sinn handelt (vgl. Senatsurteil vom 20. Mai 1987 aaO; zweifelnd Scholz FamRZ 2001, 1061, 1064).

c) Auch die Bewertung der Haushaltstätigkeit der Klägerin für ihren jetzigen Partner mit einem Vorteil von 400 DM monatlich durch das Oberlandesgericht begegnet keinen Bedenken. Die Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO obliegt in erster Linie dem Tatrichter und ist mit der Revision nur insoweit angreifbar, als sie auf falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht oder wesentlichen Tatsachenvortrag außer acht läßt (st.Rspr. des BGH, vgl. nur BGHZ 3, 162/175 f.; Urteil vom 18. Februar 1993 -III ZR 23/92 -NJW-RR 93, 795, 796) oder wenn dem Urteil eine Auseinandersetzung mit den für die Bemessung wesentlichen Umständen nicht zu entnehmen ist (BGH, Urteil vom 16. Juni 1992 -VI ZR 264/91 -VersR 1992, 1410). Solche Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf.

Das Oberlandesgericht hat bei der Bewertung entsprechend der Rechtsprechung des Senats im Ergebnis auf den objektiven Wert abgestellt, den die Versorgungsleistungen und die Wohnungsgewährung für den Partner hat (vgl. Senatsurteile vom 28. März 1984 -IVb ZR 64/82 -FamRZ 1984, 662, 663 und vom 21. Dezember 1988 -IVb ZR 18/88 -FamRZ 1989, 487, 490). Dabei hat es den konkreten Einzelfall bewertet und berücksichtigt, daß die Klägerin ihren Beitrag zur Lebensgemeinschaft in erster Linie in der Wohnungsgewährung an den Zeugen, aber auch durch sonstige Versorgungsleistungen erbringt. Es hat in diesem Zusammenhang festgestellt, daß der Zeuge regelmäßig bei der Kl ägerin übernachtet und auch die Wochenenden und Feiertage sowie seine Urlaubszeiten mit der Klägerin verbringt, während er werktags bei seinen Eltern die Mahlzeiten einnimmt, wo auch seine Wäsche gewaschen wird. Die auf diesen Umständen beruhende Schätzung der der Klägerin zugute kommenden Vorteile auf 400 DM hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.

4. a) Entgegen der Ansicht der Revision ist das Urteil hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem die Unterhaltsverpflichtung nach § 1579 Nr. 7 BGB herabzusetzen sei, nicht widersprüchlich. Sowohl aus der Berechnung des Unterhaltsrückstandes auf S. 10 der Entscheidungsgründe als auch aus dem Eingangssatz auf S. 6 folgt, daß das Oberlandesgericht den 1. Januar 1999 als Anfangszeitpunkt für die Herabsetzung des Unterhalts angenommen hat. Das abweichende Datum auf S. 9 des Berufungsurteils stellt sich als offensichtliches Schreibversehen dar.

b) Die Rüge der Revision, das Oberlandesgericht habe nicht in Betracht gezogen, daß sich die Klägerin ihrem jetzigen Partner noch während bestehender Ehe zugewandt habe, so daß gemäß § 1579 Nr. 6 BGB nicht nur eine Herabsetzung, sondern eine gänzliche Versagung des Unterhalts hätte erwogen werden müssen, greift nicht durch.

Das Vorliegen eines Härtegrundes nach § 1579 Nr. 6 BGB setzt ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig allein bei dem unterhaltsberechtigten Ehegatten liegendes einseitiges Fehlverhalten voraus (st.Rspr. des Senats, vgl. nur Senatsurteil vom 21. Dezember 1988 aaO). Dabei sieht § 1579 Satz 1 BGB auch für diese Fälle, je nach Schweregrad, die Möglichkeiten der Versagung, Herabsetzung oder zeitlichen Begrenzung vor. Dafür, daß im vorliegenden Fall das Fehlverhalten der Klägerin so schwer wog, daß nur die Unterhaltsversagung als härteste Sanktion angemessen gewesen wäre, hat der Beklagte nichts Ausreichendes vorgetragen. Daß die Klägerin sich dem Partner noch während bestehender Ehe zugewandt hat, begründet allein noch nicht den Vorwurf eines offensichtlich schwerwiegenden, eindeutig bei ihr liegenden Fehlverhaltens gegen den Beklagten.

Blumenröhr Hahne Bundesrichter Prof. Dr. Wagenitzist im Urlaub und verhindertzuunterschreiben.