VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18.07.2013 - 6 L 545/13
Fundstelle
openJur 2013, 36043
  • Rkr:
Tenor

1 Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2 Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt

Gründe

Der Antrag,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, die Anpflanzung einer Hecke im Wege der Umbaumaßnahme E.-------weg vor dem Grundstück des Antragstellers und entlang der Grundstücksgrenze einzustellen,

hat keinen Erfolg.

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist, dass die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines sicherungsfähigen Anspruchs (Anordnungsanspruch) im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht worden sind. Für den Antrag des Antragstellers besteht weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch.

Soweit der Antrag - wie vom Antragsteller ursprünglich gestellt - auf die Einstellung der Maßnahmen der Antragsgegnerin zur Anpflanzung der in Rede stehenden Hecke gerichtet ist, fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Denn nach dem - von beiden Beteiligten übereinstimmend vorgetragenen - Abschluss der Heckenpflanzung geht der Antrag auf deren vorläufige Einstellung ins Leere. Nachdem die Hecke angepflanzt worden ist und am 12. Juni 2013 die Abnahme stattgefunden hat, kann der Antragsteller das ursprünglich begehrte Ziel - die Anpflanzung der Hecke vor seinem Grundstück und entlang der Grundstücksgrenze zu verhindern - nicht mehr erreichen.

Soweit der Antrag des Antragstellers dahingehend auszulegen ist, dass er nunmehr begehrt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Beseitigung der vor seinem Grundstück gepflanzten Hecke aufzugeben, bleibt der Antrag ebenfalls ohne Erfolg. Insoweit besteht weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund.

Das Gericht kann nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ist die angegriffene Maßnahme - wie im vorliegenden Fall - bereits abgeschlossen, kann sich die beantragte einstweilige Anordnung nur darauf richten, den Antragsgegner zur Rückgängigmachung der Maßnahme vorläufig zu verpflichten.

Da eine solche vom Antragsteller erstrebte Regelungsanordnung im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache hinausliefe, kommt ihr Erlass nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn wirksamer Rechtsschutz durch ein Hauptsacheverfahren nicht erreichbar ist. Dies ist der Fall, wenn dem Antragsteller schlechthin nicht zugemutet werden kann, die Folgen des staatlichen Handelns auch nur vorübergehend hinzunehmen, weil er ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile erleiden würde, die durch eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten. Weitere Voraussetzung ist, dass er nach dem von ihm glaubhaft gemachten Sachverhalt voraussichtlich im Klageverfahren obsiegen wird.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 -, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. April 2012 - 19 B 494/12 -, vom 1. März 2012 - 12 B 118/12 -, jeweils www.nrwe.de, vom 4. April 2008 - 19 B 445/08 - und vom 20. Juli 1992 - 15 B 1643/92 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16. November 2010 - 1 L 640/10 -.

Unter Berücksichtigung diese Grundsätze kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht in Betracht. Es fehlt an der hierfür erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller im noch nicht anhängig gemachten Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Ein materiellrechtlicher Anspruch des Antragstellers auf Beseitigung der Hecke besteht nicht. Bereits ein subjektives öffentliches Recht des Antragstellers, welches einen solchen Anspruch begründen könnte, ist nicht ersichtlich.

Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Stellung des Antragstellers als (Mit)Eigentümer des Grundstücks E.-------weg 13:

Bauplanungsrechtliche Ansprüche des Antragstellers auf Beseitigung der Hecke sind nicht ersichtlich.

Ansprüche, die ihre Grundlage im Bauordnungsrecht haben, bestehen ebenfalls nicht. Die insoweit maßgebliche Bauordnung des Landes Nordrhein-Westfalen ist vorliegend nicht anwendbar. Sie gilt nach § 1 BauO NRW für bauliche Anlagen und Bauprodukte. Bauliche Anlagen sind nach § 2 Abs. 1 BauO NRW mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Bauprodukte sind nach § 2 Abs. 9 Nr. 1 Baustoffe, Bauteile und Anlagen, die hergestellt werden, um dauerhaft in bauliche Anlagen eingebaut zu werden, und nach Nr. 2 aus Baustoffen und Bauteilen vorgefertigte Anlagen, die hergestellt werden, um mit dem Erdboden verbunden zu werden, wie Fertighäuser, Fertiggaragen und Silos. Weder bei der streitgegenständlichen Hecke noch bei dem Erdboden, in dem sie wurzelt, handelt es sich um eine bauliche Anlage, denn beide bestehen nicht aus Bauprodukten.

Soweit der Antragsteller mit seinem Vorbringen, er müsse über die gesamte Länge seiner Grundstücksgrenze frei über den Zugang zu seinem Grundstück verfügen können, sein Recht auf straßenrechtlichen Anliegergebrauch aus § 14a Straßen- und Wegegesetz Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) geltend macht, vermag auch dieser Vortrag einen Anspruch auf Beseitigung der Hecke nicht zu begründen.

Nach § 14a StrWG NRW dürfen Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die an einer öffentlichen Straße gelegen sind (Straßenanlieger), innerhalb der geschlossenen Ortslage die an die Grundstücke angrenzenden Straßenteile über den Gemeingebrauch hinaus benutzen, soweit diese Benutzung zur Nutzung des Grundstücks erforderlich ist, den Gemeingebrauch nicht dauernd ausschließt oder erheblich beeinträchtigt oder in den Straßenkörper eingreift. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dieser so genannte Anliegergebrauch nur in seinem Kern durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und durch § 14a StrWG NRW geschützt ist. Er reicht grundsätzlich nur so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordert.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2008 - 2 K 5415/06 -, unter Verweis auf OVG NRW, Urteil vom 4. August 1995- 23 A 1518/92 -, NVwZ-RR 1995, 481.

Dies betrifft zunächst die Zugänglichkeit des Grundstücks von der Straße aus über Zufahrt oder Zugang und die Gewährung von Licht und Luft für das Grundstück.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2008 - 2 K 5415/06 -, unter Verweis auf Wiesinger/Markuske, Straßenrecht, 2003, S. 240 (unter 8.2.2.2).

Hinsichtlich dieser Bestandteile des Anliegergebrauchs bedeutet die Anpflanzung der Hecke auf der vor dem Grundstück E.-------weg 13 gelegenen Straßenfläche keine nennenswerte Beeinträchtigung, zumal die Hecke derzeit - ausweislich der vom Antragsgegner vorgelegten Ablichtungen von dem in Rede stehenden Bereich des E1.-------wegs - lediglich eine Höhe von gut 1,13 Meter aufweist.

Der vorhandene Zugang zum Grundstück des Antragstellers - ein gepflasterter Weg von der Grundstücksgrenze bis zur Eingangstür des auf dem Grundstück aufstehenden Hauses, der nach Angaben des Antragstellers gut 2,40 Meter breit ist - ist durch die Anpflanzung der Hecke nicht verändert worden. Wie auf den vom Antragsteller vorgelegten Ablichtungen des Bereichs E.-------weg 13 erkennbar, geht der Verlauf der Hecke insbesondere nicht über den ohnehin bereits vorhandenen Stahlmattenzaun hinaus, der das Grundstück E.-------weg 13 von der öffentlichen Verkehrsfläche trennt.

Auch soweit der Antragsteller die fehlende Zugänglichkeit zu seinem Grundstück im Zusammenhang mit den geplanten Arbeiten an seiner Hausfassade rügt, ist ein Anspruch des Antragstellers aus seinem Recht auf Anliegergebrauch nicht erkennbar. Zwar umfasst der gesetzlich geschützte Anliegergebrauch in einem gewissen Umfang den Mitgebrauch des Straßengrundstücks für die eigenen Zwecke des Anliegers.

Vgl. Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, S. 785, 823 ff.

Vorliegend lassen indes bereits die vom Antragsteller vorgelegten Ablichtungen erkennen, dass zwischen der öffentlichen Verkehrsfläche des E1.-------wegs und dem auf dem Grundstück E.-------weg 13 aufstehenden Haus eine mehrere Meter breite Rasenfläche liegt, die ausschließt, dass die unmittelbar vor dem Grundstück gelegene öffentliche Verkehrsfläche des E1.-------wegs sinnvoll für die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten an der Hausfassade genutzt werden kann. Hierfür dürfte vielmehr eine Inanspruchnahme der direkt vor der Hausfassade befindlichen Rasenfläche nötig sein.

Inwieweit der das gesamte Grundstück E.-------weg 13 umgebende, lediglich den Zugang zum Hauseingang aussparende 88 cm hohe Stahlmattenzaun den geplanten Instandsetzungsarbeiten entgegenstehen könnte, kann vorliegend dahinstehen, da diese Frage in keinem Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Hecke steht. Ebenso wenig bedarf es einer Beantwortung der vom Antragsteller aufgeworfenen Frage der Zugänglichkeit des E1.-------wegs im Ganzen angesichts der an den Straßenenden vorhandenen Poller. Diese Frage betrifft nicht den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Auch das Vorbringen des Antragstellers, er sei im Rahmen des Neugestaltungskonzepts der Antragsgegnerin nicht ausreichend informiert worden, verhilft seinem Antrag nicht zum Erfolg. Denn aus einer - hier nicht ersichtlichen - Verletzung etwaiger Informationspflichten der Antragsgegnerin folgt noch kein Anspruch des Antragstellers auf Entfernung der in Rede stehenden Hecke.

Desgleichen ist ein auf etwaige finanzielle Belastungen gegründeter Anspruch des Antragstellers nicht ersichtlich. Auf den Antragsteller kommen im Zusammenhang mit der Anpflanzung der in Rede stehenden Hecke keine Kosten zu. Das Umgestaltungsprojekt der Antragsgegnerin, in dessen Rahmen die streitgegenständliche Hecke angepflanzt wurde, wird ausschließlich im Wege einer Teilförderung durch das Land und einer Teilfinanzierung durch die Antragsgegnerin finanziert.

Ein Anspruch des Antragsgegners auf Entfernung der Hecke vor dem Grundstück E.-------weg 13 ergibt sich auch nicht aus dem in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gleichheitsgrundsatz. Es fehlt bereits an der hinreichenden Darlegung und Glaubhaftmachung einer abzustellenden Ungleichbehandlung der Eigentümer der an den E.-------weg angrenzenden Grundstücke durch die Antragsgegnerin im Rahmen der Umgestaltungsmaßnahmen. Der bloße Verweis des Antragstellers darauf, vor anderen Grundstücken am E.-------weg sei auf die Anpflanzung einer Hecke verzichtet worden, und dass es insoweit auf eine etwaige bereits vorhandene Bepflanzung dieser Grundstücke mit Hecken nicht ankomme, genügt den an eine Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen angesichts des Vortrags der Antragstellerin nicht. Diese hat nachvollziehbar dargelegt, dass lediglich vor denjenigen Grundstücken auf eine Heckenpflanzung verzichtet worden sei, auf denen bereits Hecken vorhanden gewesen seien oder vor denen die räumlichen Anforderungen an Rettungswege eine Heckenpflanzung nicht zugelassen hätten.

Ein Anspruch auf Beseitigung der Hecke resultiert schließlich nicht aus den nachbarschaftsrechtlichen Abstandsregelungen des § 42 NachbG. Danach ist mit Hecken von bis zu zwei Metern Höhe - wie hier - ein halber Meter Abstand von der Grenze einzuhalten. Zum einen verleiht diese Regelung keine subjektiv-öffentlichen Rechte. Dies ist jedoch Voraussetzung für die Annahme eines Anordnungsanspruchs. Zum anderen dürfte die Antragsgegnerin bei der Pflanzung der in Rede stehenden Hecke die vorgenannte Regelung beachtet haben. Wie die Antragsgegnerin vorgetragen hat und wie sich auch aus den vom Antragsteller vorgelegten Ablichtungen ergibt, hat die Antragsgegnerin bei der Heckenpflanzung einen Abstand von mehr als 50 cm zur Grundstücksgrenze des E1.-------wegs 13 eingehalten, obwohl sie dazu gemäß § 45 NachbG nicht verpflichtet gewesen sein dürfte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 2 des Gerichtskostengesetzes und orientiert sich am Interesse des Antragstellers an dem Erlass der einstweiligen Anordnung. Dabei hat das Gericht angesichts der hier in Rede stehenden jedenfalls teilweisen Vorwegnahme der Hauptsache von einer in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig angezeigten Halbierung des hier angenommenen Streitwerts abgesehen.

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