OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.07.2013 - 14 A 464/13
Fundstelle
openJur 2013, 31618
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 715,28 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind nicht dem Erfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügend dargelegt oder lassen sich nicht feststellen.

Dies gilt zunächst hinsichtlich der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. Zulassungsbegründung A.).

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. Abdruck des Gerichtsbescheids Seite 12),

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 -, Urteil vom 10. Dezember 2009 ‑ 9 C 13.08 -; OVG Münster, Urteil vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 -, jeweils zit. nach juris,

ausgeführt, mit Blick auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) beschränke sich bei der Kontrolle satzungsrechtlicher Abgaberegelungen die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung der Vereinbarkeit der Festsetzungen mit höherrangigem Recht und umfasse nicht die Überprüfung nach Art ermessensgeleiteter Verwaltungsakte. Daraus folgt, dass die Wirksamkeit gemeindlicher satzungsrechtlicher Abgabenregelungen, soweit es an entsprechenden gesetzlichen Anordnungen fehlt, weder von einer im Rahmen des Satzungserlasses vorgenommenen Zusammenstellung von Abwägungsmaterial noch der Fehlerfreiheit des Abwägungsvorganges abhängt. Steuersätze müssen sich hinsichtlich ihrer Höhe nicht daran messen lassen, wie die kommunale Willensbildung abgelaufen ist. Auf die Erwägungen und Beweggründe, also die Motivation des Satzungsgebers, kommt es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit nicht an.

Vgl.VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 2 S 1010/12 -, KStZ 2013, 116; Urteil des Senats vom 23. Juni 2010 ‑ 14 A 597/09 -, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. November 2010 ‑ 9 LA 199/09 -, juris.

Die erstgenannten Entscheidungen hat das Verwaltungsgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid ausdrücklich angesprochen, sich aber dennoch auf den Standpunkt gestellt, aus verfassungsrechtlichen Gründen und damit aus Gründen höherrangigen Rechts könne "nicht gänzlich auf eine Prüfung des Abwägungsmaterials sowie des Abwägungsvorgangs auf eventuelle Fehlerhaftigkeit verzichtet werden". Der Senat ist einer Überprüfung der entsprechenden Ausführungen im Zulassungsverfahren trotz ihrer rechtlichen Unerheblichkeit zwar nicht enthoben, da sie für den angefochtenen Gerichtsbescheid entscheidungserheblich waren. Jedoch ist dies nur erforderlich, soweit dargelegt wird, dass unter Zugrundelegung dieses erweiterten Prüfungsmaßstabs die Richtigkeit des Gerichtsbescheids ernstlichen Zweifeln begegnet. Das ist nicht der Fall.

Zunächst ist der klägerischen Rechtsauffassung nicht zu folgen, die strittige Satzung über die Steuerhebesätze der Stadt T. vom 18. Januar 2012 (Satzung) sei bereits in formeller Hinsicht unwirksam, weil die Festsetzung des Hebesatzes gemäß § 3 Satz 3 der Satzung für die Folgejahre und damit "bis auf Weiteres" erfolgt sei (vgl. Zulassungsbegründung A. I.). Insoweit hat sich das Verwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt (vgl. Abdruck des Gerichtsbescheides Seite 13), die Vorschrift des § 25 Abs. 2 des Grundsteuergesetzes (GrStG) ermögliche explizit eine Festsetzung der Hebesätze für mehrere Jahre. Zwar könne ein Hebesatz längstens für den laufenden Hauptveranlagungszeitraum Gültigkeit haben. Dies stehe aber einer Festlegung ohne zeitliche Befristung nicht entgegen.

Dem vermag der Kläger nicht entgegen zu halten, aus § 25 Abs. 2 GrStG folge eine Verpflichtung zur zeitlichen Bestimmung der Gültigkeit des Hebesatzes. Genau dies lässt sich dem Wortlaut der Regelung des § 25 Abs.2 GrStG nicht entnehmen, der ausdrücklich eine Festlegung für ein oder mehrere Jahre ermöglicht, lediglich begrenzt durch den Hauptveranlagungszeitraum, ohne allerdings eine genaue zeitliche Bestimmung zu fordern.

Vgl. Troll/Eisele, GrStG, 10. Aufl., § 25, Rn. 6.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Festlegung eines Geltungszeitraums auch nicht erforderlich, um beurteilen zu können, ob es sich bei einer nachfolgenden Hebesatzbeschlussfassung um eine Festsetzung oder eine Änderung des Hebesatzes handelt. Wenn in § 25 Abs. 3 Satz 1 GrStG zwischen der Festsetzung und der Änderung des Hebesatzes unterschieden wird, kann dem ohne weiteres entnommen werden, dass mit dem Begriff der "Festsetzung" die Festsetzung des Hebesatzes für eine Zeit, für die noch kein Hebesatz festgesetzt ist, gemeint ist und mit dem Begriff der "Änderung" die Änderung eines bereits geltenden Hebesatzes.

Vgl. Troll/Eisele, a. a. O., Rn. 7.

Einer zeitlichen Bestimmung bedarf es für die Auslegung der Begriffe "Festsetzung" und "Änderung" nicht, da mit der Festsetzung "bis auf Weiteres" für die Zukunft dieser Hebesatz gilt, so dass eine spätere davon abweichende Festsetzung eine Änderung ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers begründet die Festsetzung "bis auf Weiteres" auch keine Unklarheit darüber, ob es sich um eine endgültige oder nur vorläufige Festsetzung des Hebesatzes handelt. Die Formulierung "bis auf Weiteres" bezeichnet ausschließlich die Festsetzung für einen unbestimmten Zeitraum, ohne der Festsetzung einen lediglich vorläufigen Charakter zuzuschreiben mit der wohl vermuteten Folge, dass mit der Charakterisierung als "vorläufig" der Gemeinde eine Änderung des Hebesatzes jederzeit offen stünde. Das ist ohnehin nicht möglich, da eine satzungsrechtliche Festsetzung des Hebesatzes gemäß § 25 Abs. 2 GrStG einschränkungslos mindestens für ein Kalenderjahr volle Geltung beanspruchen muss und sich eine spätere Änderung der so erfolgten Festsetzung nach § 25 Abs. 3 GrStG und nicht nach vorbehaltenen Änderungen auf Grund einer "vorläufigen" Festsetzung beurteilt.

Dem Kläger ist auch insoweit nicht zu folgen, als er aufgrund der Änderung des Hebesatzes in der hier in Rede stehenden Grundsteuer ‑ wohl: nunmehr ‑ eine als Steuer getarnte Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion sieht (vgl. Zulassungsbegründung A. II.). Eine Sonderabgabe in diesem Sinne zeichnet sich dadurch aus, dass sie vom Normgeber unter Inanspruchnahme von Kompetenzen außerhalb der Finanzverfassung geschaffen wird und einen Sachzweck verfolgt, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009 ‑2 BvR 743/01 -, BVerfGE 123, 132 (141 f.); Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl., Art. 105 Rn. 9.

An beidem fehlt es: Die Abgabenerhebung beruht auf dem Grundsteuergesetz und damit auf finanzverfassungsrechtlicher Kompetenzgrundlage (Art. 105 Abs. 2, 106 Abs. 6 GG). Sie dient der Beschaffung allgemeiner Finanzmittel, wie sich sogar aus dem Vortrag des Klägers selbst ergibt, der die mit der Erhöhung des Hebesatzes verbundene Grundsteuer als "Konsolidierung für das verbleibende jahresbezogene strukturelle Defizit" bezeichnet (vgl. Zulassungsbegründung A. II. 1.). Daher ist es ohne Belang, dass die hier in Rede stehende Grundsteuer nicht speziell der Gruppe der Grundbesitzer zugute kommt. Im Gegenteil belegt dieser Umstand, dass es sich um eine Steuer und nicht um eine Sonderabgabe handelt. Von einer ‑ unzulässigen ‑ Sonderabgabe kann daher keine Rede sein.

Der Charakterisierung der in Rede stehenden Grundbesitzabgaben als Steuer steht auch nicht entgegen, dass, wie der Kläger meint, keine Abgabenpflicht der Allgemeinheit begründet wird, sondern nur der feststehende Kreis der Grundeigentümer betroffen ist (vgl. Zulassungsbegründung A. II. 2. und 3.). Einen Rechtssatz des Inhalts, dass nur die Abgabe Steuer ist, die alle Einwohner zu entrichten haben, gibt es nicht. Ganz abgesehen davon, dass mit dieser Argumentation die Charakterisierung der Grundsteuer als Steuer im Rechtssinne bereits dem Grunde nach auszuschließen wäre, schließt eine Begrenzung des Kreises der Steuerpflichtigen die Annahme einer Steuer nicht aus. Die Erhebung einer Steuer knüpft an die Erfüllung eines Steuertatbestandes an, wie hier nach § 2 GrStG an den Grundbesitz. Damit wird die Entrichtung der jeweiligen Steuer immer nur einem bestimmten Personenkreis auferlegt, nämlich denjenigen, die den Steuertatbestand erfüllen.

Der Kläger vermag sich auch nicht auf einen Verstoß gegen die sich aus § 10 der Gemeindeordnung NRW (GO NRW) ergebenden Anforderungen an die gemeindliche Wirtschaftsführung unter dem Gesichtspunkt gesunder Gemeindefinanzen (vgl. Zulassungsbegründung A. III.) zu berufen. Die Vorschrift richtet sich gegen eine die Gemeindefinanzen gefährdende Verwaltung von Vermögen und Einkünften, begrenzt aber nicht die Beschaffung von Einkünften. Aus der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW,

Beschluss vom 22. Juli 2009 - 15 A 2324/07 -, DVBl. 2009, 1181 ff.,

die zur kommunalaufsichtlichen Aufhebung einer Hebesatzsenkung ergangen ist, also genau die umgekehrte Konstellation zum vorliegenden Fall betraf, lässt sich nichts ableiten.

Damit ergibt sich weiter, dass die für das Ausgabeverhalten einer Gemeinde in § 10 Abs. 2 Satz 2 GO NRW vorgeschriebene Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Abgabepflichtigen für die hier vorliegende Abgabeerhebung keine Bedeutung hat.

Die Hebesatzerhöhung führt auch zu keiner verfassungsrechtlich unangemessen hohen Steuerbelastung. Richtig ist, dass die Gestaltungsfreiheit des Normgebers auch bei der Schrankenbestimmung durch Auferlegung von Steuerlasten, die an vermögenswerte Rechtspositionen anknüpfen, durch die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit begrenzt ist und dass dann, wenn im Einzelfall keine vermögenswerte Rechtsposition betroffen ist, der gleiche Maßstab zur Rechtfertigung einer Beeinträchtigung des Art. 2 Abs. 1 GG gilt. Die Steuerbelastung darf aus rechtsstaatlichen Gründen nicht übermäßig sein.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2006 ‑ 2 BvR 2194/99 -, BVerfGE 115, 97 (114 ff.); Beschluss vom 5. Februar 2002 ‑ 2 BvR 305, 348/93 -, BVerfGE 105, 17 (32).

Hier geht es um eine jährliche Grundsteuer in Höhe von 715,28 Euro für das klägerische Grundstück, also um Monatsbeträge von etwa 60 Euro, mithin um eine Belastung, die im Bereich monatlicher Telekommunikationskosten oder eines Restaurantbesuchs liegen dürfte. Angesichts dieses Betrags kann daher keine Rede davon sein, dass die Erhöhung des Hebesatzes zu einer unzumutbaren Belastung eines Grundstückseigentümers führen würde und damit unverhältnismäßig wäre (vgl. Zulassungsbegründung A. IV.).

Soweit es die Frage eines möglichen Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip betrifft (vgl. Zulassungsbegründung A. V.), hat das Verwaltungsgericht (vgl. Abdruck des Gerichtsbescheids S. 14) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung,

vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1993 ‑ 8 C 32/90 -, KStZ 1993, 193; OVG NRW, Beschluss des Senats vom 26. November 2009 ‑ 14 A 131/08 -, NWVBl. 2010, 242;

ausgeführt, dass bei der Festlegung der Höhe des Hebesatzes das Gebot der Subsidiarität von Steuern nicht zur Ausschöpfung sonstiger Einnahmequellen zwinge. Diesen Ansatz zieht der Kläger nicht substanziiert in Zweifel, sondern zählt nur mögliche Einnahmequellen auf, die seiner Ansicht nach von der Beklagten nicht ausgeschöpft worden seien.

Die geltend gemachten besonderen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. Zulassungsbegründung B.) weist die Rechtssache nicht auf.

Dies gilt zunächst, soweit der Kläger in Bezug auf Tatsachenfragen (vgl. Zulassungsbegründung B. I.) einen Aufklärungsbedarf zu den Erwägungen des Rates sieht, aufgrund derer die ursprünglich ins Auge gefasste Erhöhung des Hebesatzes auf 900 v. H. um 75 v. H. auf 825 v. H. reduziert worden ist. Insoweit sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (vgl. Abdruck des Gerichtsbescheids S. 19 unten), die Reduzierung spreche gerade gegen ein willkürliches Verhalten, nicht zu beanstanden. Ausweislich der Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Tatbestand des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids (vgl. Abdruck S. 4) erfolgte am 15. Dezember 2011 eine Beratung im Rat. Die weitere Beratung wurde sodann auf die Sondersitzung am 12. Januar 2012 verschoben, da insbesondere in der CDU-Fraktion der Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen war. Grundlage für die Beratung am 12. Januar 2012 war sodann die angepasste Sitzungsvorlage 2011/197-1, die zwischenzeitlich als Kompromissvorschlag zwischen Verwaltung und den Fraktionen von SPD und CDU erarbeitet worden war und nach der die Grundsteuer A noch auf 600 v. H. und die Grundsteuer B auf 825 v. H. angehoben werden sollte. Zur Schließung der dadurch entstehenden Einnahmelücke würden weitere Einsparvorschläge erarbeitet. Nach Wortbeiträgen von sieben Bürgern und Beratung mit kontroverser Diskussion wurde schließlich über diesen Vorschlag abgestimmt. Dabei wurde der Beschlussvorschlag bei 23 Ja- und 8 Nein-Stimmen mehrheitlich angenommen. Dieser Vorgang schließt offensichtlich nicht nur ein willkürliches Handeln bei der Erhöhung des Hebesatzes aus, sondern zeigt gerade, dass der Rat in einen differenzierten Abwägungsprozess eingetreten ist.

Die Klärung der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage (vgl. Zulassungsbegründung B. II.), ob aus der Tatsache, dass der Landesgesetzgeber in Nordrhein-Westfalen von der in § 26 GrStG vorgesehenen Möglichkeit zur Einführung einer (absoluten) Hebesatz-Höchstgrenze keinen Gebrauch gemacht hat, folgt, dass es, abgesehen vom Eintritt einer erdrosselnden Wirkung, keine Höchstgrenze für Hebesätze der Grundsteuer gibt, lässt sich ohne weiteres anhand des Gesetzestextes beantworten. Danach gibt es keine starre Höchstgrenze. Höchstgrenzen können sich vielmehr aus dem Verbot, gegen höherrangiges Recht zu verstoßen, bzw. aus dem Verbot, erdrosselnde Wirkung zu entfalten, im Einzelfall ergeben.

Die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (vgl. Zulassungsbegründung C.) lässt sich nicht feststellen. Die aufgeworfenen Fragen (vgl. Zulassungsbegründung C. I. 1. bis 3.) begründen keine Grundsätzlichkeit der Rechtsache.

Die Frage

Kann bei einer kreisangehörigen Gemeinde, die sich in der Haushaltskonsolidierung befindet, noch von gesunden Gemeindefinanzen gesprochen werden, wenn das unter Berücksichtigung der Konsolidierungshilfe verbleibende jahresbezogene strukturelle Defizit nur dadurch geschlossen wird, dass die Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B auf ein in Deutschland bislang beispiellos hohes Niveau erfolgt?

ist nicht klärungsfähig, da sie sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde. Die Rechtmäßigkeit der Hebesatzanhebung hängt nicht davon ab, ob die Gemeindefinanzen gesund sind.

Die Frage

Kann der Vorschrift des § 10 Satz 2 GO NRW losgelöst von der Ausgabeseite eine Begrenzung der Steuererhebung entnommen werden?

ist nicht klärungsbedürftig, da sie ‑ wie oben ausgeführt ‑ auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres zu verneinen ist.

Die Frage

Ist eine Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Abgabepflichtigen im Sinne des § 10 Satz 2 GO NRW nicht mehr gegeben, wenn eine kreisangehörige Gemeinde, die sich in der Haushaltskonsolidierung und in der vorläufigen Haushaltsführung gemäß § 82 GO NRW befindet, den Hebesatz der Grundsteuer B auf ein in der Bundesrepublik bislang beispiellos hohes Niveau anhebt?,

ist nicht klärungsfähig, da sie sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde. Die Rechtmäßigkeit der Hebesatzerhöhung hängt nicht von einer Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Abgabepflichtigen ab, sondern davon, ob die Steuerbelastung übermäßig ist.

Die vom Kläger angesprochene "Dammbruchwirkung" vermag ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung betreffend die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Erhöhung des Hebesatzes zu begründen, zumal der Kläger insoweit keine grundsätzlich zu klärende Tatsachenfrage (vgl. Zulassungsbegründung C. II.) formuliert.

Die vom Kläger geltend gemachte Divergenz (vgl. Zulassungsbegründung D.) im Sinne von § 124 Nr. 4 VwGO führt nicht zur Zulassung der Berufung. Zwar dürfte eine Abweichung im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid von der Rechtsprechung des Senats zur Erforderlichkeit der Prüfung des Abwägungsvorganges bestehen, weil das Verwaltungsgericht sich ausdrücklich in Widerspruch zum Urteil des Senats vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 -, a. a. O., setzt. Dies hat allerdings keine Auswirkungen auf die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht gehabt, so dass der erstinstanzliche Gerichtsbescheid auch nicht auf dieser Abweichung beruht. Eine Überprüfung, die sich ausschließlich auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht beschränkt, bietet bereits im Ansatz weniger Angriffsmöglichkeiten als eine zusätzliche Prüfung von Abwägungsmaterialien, so dass ein insoweit eingeschränkter Prüfungsumfang erst recht die Abweisung der Klage zur Folge hat. Nicht nachvollziehbar ist die Auffassung des Klägers, dass ohne Berücksichtigung der Abwägungsmaterialien der Grundbesitzabgabenbescheid schon per se wegen "Ermessensfehlern" hätte aufgehoben werden müssen.

Schließlich lassen sich auch die geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (vgl. Zulassungsbegründung E.) nicht feststellen.

Zwar beruft sich der Kläger darauf, das Verwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen - vgl. § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG -, weil das Verwaltungsgericht das im Schreiben vom 20. Dezember 2012 (Seite 53 bis 57) geltend gemachte Beteiligungsvermögen der Beklagten nicht angesprochen habe. Das Verwaltungsgericht hat jedoch im Tatbestand des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids (vgl. Abdruck S. 5) den Klägervortrag zur Realisierung sonstiger Finanzierungsmittel und ausdrücklich auch zur Veräußerung von Beteiligungen wiedergegeben, so dass davon auszugehen ist, dass es dieses Vorbringen bei seiner Entscheidungsfindung auch berücksichtigt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen sich dabei jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegen genommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes niedergelegten Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Solche Umstände sind hier nicht erkennbar, denn es ist schon nicht erkennbar, welche Norm die Gemeinde zur Veräußerung ihres Beteiligungsvermögens zwingen soll, um eine Hebesatzerhöhung zu vermeiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3 sowie 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.