OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2013 - 18 UF 298/12
Fundstelle
openJur 2013, 27455
  • Rkr:

1. Die Kollisionsnormen des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (KSÜ) bestimmen auch dann das maßgebende Recht, wenn sich die internationale Zuständigkeit aus der vorrangigen Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 (Brüssel IIa-VO) ergibt. Dies gilt jedenfalls, wenn eine Zuständigkeit (auch) aus den Art. 5 ff. KSÜ - bei einer fiktiven Anwendung - begründet wäre.

2. Das Sorgerechtsstatut nach Art. 16 Abs. 1 KSÜ ist grundsätzlich durch die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ex nunc wandelbar. Es stellt sich die Frage der Rückwirkung des Art. 16 Abs. 1 KSÜ für die bis zum Inkrafttreten des Abkommens am 1.1.2011 abgeschlossenen Tatbestände.

3. Zur Anwendbarkeit des Art. 16 Abs. 3 KSÜ, wenn sich der Aufenthaltswechsel des Kindes und somit der Verlust der sorgerechtlichen Position eines Elternteils bereits zu einer Zeit vollzogen hat, zu der das KSÜ in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht in Kraft getreten war.

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Singen vom 29.8.2012 (2 F 191/12) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

4. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin S. aus F. beigeordnet.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die elterliche Sorge für das Kind T..

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die Eltern des am 18.5.2005 in E. (Russland) geborenen Kindes T.. Die Antragstellerin besitzt die russische, der Antragsgegner die irische Staatsangehörigkeit. T. lebt seit ihrer Geburt bei der Antragstellerin, die mit ihr mit Einverständnis des Antragsgegners im Jahre 2006 nach Deutschland übergesiedelt ist. Die Eltern sind nicht miteinander verheiratet. Sorgeerklärungen wurden nicht abgegeben.

Das Familiengericht Singen hat mit Beschluss vom 29.8.2012 auf Antrag der Antragstellerin die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind T. auf die Antragstellerin übertragen. Zwischen den Eltern bestehe keine tragfähige soziale Beziehung. Eine Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge entspreche nicht dem Kindeswohl. Auf die Entscheidung des Familiengerichts wird verwiesen.

Der Antragsgegner hat gegen diesen - ihm am 31.8.2012 zugestellten - Beschluss mit am 1.10.2012 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Er strebt die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge an und beruft sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.7.2010 (1 BvR 420/09), mit der das Recht der Väter gestärkt worden sei. Der Antragsgegner trägt vor, dass er eine gute Beziehung sowohl zu seinem Kind als auch zur Antragstellerin habe. Er wolle Verantwortung für T. übernehmen. Die Antragstellerin begehre nur deshalb die Alleinsorge, da sie für T. einen irischen Pass beantragen wolle.

Die Antragstellerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der Antragsgegner sorge sich nicht für die gemeinsamen Tochter und strebe keine regelmäßigen Umgangskontakte an; er habe seine Tochter seit ihrem dritten Lebensmonat nur vier- bis fünfmal gesehen. Im Übrigen zahle er keinen Unterhalt. Der Antragsgegner verhalte sich unkooperativ, da er notwendige, gegenüber Behörden abzugebende Erklärungen verweigere, namentlich seine Zustimmung zur Ausstellung eines irischen Passes für das Kind sowie die Genehmigung zur Ein- und Ausreise des Kindes in die Russische Föderation.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Singen ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragstellerin die alleinige elterliche Sorge für das Kind T. zusteht. Die Ausführungen des Antragsgegners in seiner Beschwerdeschrift rechtfertigen keine andere Beurteilung.

1. Die - vom Familiengericht angenommene - Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die bei Fällen mit Auslandsberührung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu beachten ist, folgt im vorliegenden Falle aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 (Brüssel IIa-VO). Diese Verordnung ist stets anwendbar, wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, vgl. Art. 61 lit. a Brüssel IIa-VO. Grundsätzlich sind nach Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO die Gerichte des Staates für die Sorgerechtsregelung international zuständig, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

2. Das anzuwendende Recht bestimmt sich nach dem Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (KSÜ).

Die Kollisionsnormen des KSÜ bestimmen auch dann das maßgebende Recht, wenn sich die internationale Zuständigkeit aus der vorrangigen Brüssel IIa-VO ergibt (Palandt/Thorn, BGB, 72. Auflage 2013, Anh zu EGBGB 24 Rz. 21; Staudinger/Henrich, BGB, 2008, Art. 21 EGBGB Rz. 82; Staudinger/Pirrung, BGB, 2009, Vorb. Art. 19 EGBGB Rz. C 216; Schulz, FamRZ 2011, 156, 159; Wagner/Janzen, FPR 2011, 110, 112). Dies gilt jedenfalls, wenn eine Zuständigkeit (auch) aus den Art. 5 ff. KSÜ - bei einer fiktiven Anwendung - begründet wäre (Heiderhoff in: Beck-Online-Kommentar, BGB, Stand 1.2.2013, Art. 21 EGBGB Rz. 12; Solomon, FamRZ 2004, 1409, 1416). Im vorliegenden Fall wäre die internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 1 KSÜ anzunehmen, da das Kind T. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.

Gemäß Art. 53 Abs. 1 KSÜ ist das Abkommen auf gerichtliche Maßnahmen anzuwenden, die in einem Staat getroffen werden, nachdem das Übereinkommen für diesen Staat in Kraft getreten ist. Für die Bundesrepublik Deutschland ist das Abkommen am 1.1.2011 in Kraft getreten (BGBl. II 2010, 1527). Soweit es um die zu treffende Sorgerechtsregelung geht, liegt eine Maßnahme im Sinne des Art. 1 Abs. 1 lit. a, b, Art. 3 lit. a, b KSÜ vor.

Nach Art. 15 Abs. 1 KSÜ gilt das lex fori-Prinzip. Ist die Zuständigkeit eines Vertragsstaates begründet, wendet dieser sein eigenes Recht an. Vorliegend kommt deswegen deutsches Recht zur Anwendung. Dabei ist unerheblich, ob das betroffene Kind Angehöriger eines Vertragsstaates oder eines Drittstaates ist (Palandt/Thorn, a.a.O., Anh zu EGBGB 24 Rz. 18 a.E.). Die - der Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil vorgelagerte - Frage, wem die elterliche Verantwortung für ein Kind kraft Gesetzes zugewiesen ist, bestimmt sich demgegenüber nach dem sich aus Art. 16 KSÜ ergebenden Sorgerechtsstatut.

3. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht der Antragstellerin die alleinige elterliche Sorge zuerkannt.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob den Eltern nach Übersiedelung der Antragstellerin mit T. nach Deutschland das gemeinsame Sorgerecht zustand oder ob ab diesem Zeitpunkt von einer Alleinsorge der Mutter auszugehen ist. Denn ein gemeinsames Sorgerecht ist jedenfalls aufzuheben und das Sorgerecht allein auf die Antragstellerin zu übertragen; Anlass für die Einrichtung der gemeinsamen Sorge (bei unterstellter Alleinsorge der Mutter) besteht nicht.

a) Es spricht viel dafür, dass der Antragstellerin die alleinige Sorge zusteht, da T. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.

(1) Nach Art. 16 Abs. 1 KSÜ bestimmt sich die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Insoweit knüpft Art. 16 Abs. 1 KSÜ - ebenso wie Art. 21 EGBGB - an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes an. Das Sorgerechtsstatut ist danach grundsätzlich durch die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ex nunc wandelbar (BGH FamRZ 2011, 796 Tz. 32; Finger, FamRB international 2010, 95, 99; Rauscher, NJW 2011, 2332, 2333; Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, 3. Auflage 2012, Art. 21 EGBGB Rz. 13; zu Art. 21 EGBGB: Henrich, FamRZ 1998, 1401, 1404).

In Hinblick darauf, dass sich das Sorgerechtsstatut sowohl nach Art. 16 Abs. 1 KSÜ als auch nach Art. 21 EGBGB nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes richtet, stellt sich die Frage der Rückwirkung des Art. 16 Abs. 1 KSÜ für die bis zum Inkrafttreten des Abkommens am 1.1.2011 abgeschlossenen Tatbestände zunächst nicht (offen gelassen BGH FamRZ 2011, 796 Tz. 39; OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 1963 Tz. 27).

T. hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, so dass deutsches Recht anwendbar ist. Dieses setzt für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht verheirateter Eltern gemeinsame Sorgeerklärungen gemäß §§ 1626a ff. BGB voraus. Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben unstreitig keine Sorgeerklärungen abgegeben. Danach steht nach deutschem Recht der Antragstellerin die alleinige elterliche Sorge zu.

(2) Demgegenüber könnte das (gemeinsame) Sorgerecht des Antragsgegners allenfalls aus Art. 16 Abs. 3 KSÜ abgeleitet werden.

Bei der Geburt des Kindes T. in Russland und in den nachfolgenden Monaten, in denen das Kind mit der Mutter und - teilweise - mit dem Vater in Russland lebte, bestand kraft Gesetzes, namentlich gemäß Art. 61 Abs. 1 des Familiengesetzbuchs der Russischen Föderation, die gemeinsame elterliche Sorge der Eltern.

Mit dem - vorliegend mit Einverständnis des mitsorgeberechtigten Vaters vorgenommenen - Umzug des Kindes nach Deutschland galt nach bisherigem Recht für die Rechte und Pflichten der Eltern sodann deutsches Recht, so dass die elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern der Mutter nunmehr allein zustand, da sie und der Vater keine Sorgeerklärungen nach § 1626a BGB abgegeben hatten (Henrich FamRZ 1998, 1401, 1404; Finger FamRB international 2010, 95, 100; Bamberger/Roth/Heiderhoff, a.a.O., Art. 21 EGBGB Rz. 14; Staudinger/Henrich, BGB, Bearbeitung 2008, Art. 21 EGBGB Rz. 26; Schwab/Motzer, Handbuch des Scheidungsrechts, 6. Auflage 2010, Kap. III Rz. 307; a.A. Gärtner in: jurisPK-BGB, 6. Auflage 2012, Art. 21 EGBGB Rz. 75 wonach das gemeinsame Sorgerecht als wohlerworbenes Recht fortgelte).

Demgegenüber besteht nach Art. 16 Abs. 3 KSÜ die elterliche Verantwortung, die sich aus dem Recht des Staates des (ehemaligen) gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ergibt, nach dem Umzug des Kindes in einen anderen Staat fort (dazu Schulz FamRZ 2011, 156, 159; Finger FamRB international 2010, 95, 100; Bamberger/Roth/Heiderhoff, a.a.O., Art. 21 EGBGB Rz. 13; Palandt/Thorn, a.a.O., Anh Art. 24 EGBGB Rz. 23). Die Regelung führt dazu, dass ein Kind durch den Aufenthaltswechsel keinen Sorgeberechtigten verliert (Schulz FamRZ 2011, 156, 159; Palandt/Thorn, a.a.O., Anh Art. 24 EGBGB Rz. 23).

Ob jedoch Art. 16 Abs. 3 KSÜ zur Anwendung gebracht werden kann, wenn sich - wie hier - der Aufenthaltswechsel des Kindes und somit der Verlust der sorgerechtlichen Position eines Elternteils bereits zu einer Zeit vollzogen hat, zu der das KSÜ in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht in Kraft getreten war, mit der Folge, dass nunmehr mit Inkrafttreten des Abkommens das gemeinsame Sorgerecht (wieder) auflebt, ist zweifelhaft (offen gelassen BGH FamRZ 2011, 796 Tz. 39 mit Anmerkung Rauscher NJW 2011, 2332; OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 1963 Tz. 27). Dagegen spricht, dass es für die Kollisionsnorm Art. 16 KSÜ keine Überleitungsvorschrift gibt, insbesondere gilt Art. 53 KSÜ nicht (BT-Ds. 16/12068 S. 72 Tz. 179). Die Probleme des Übergangsrechts sind - da das Abkommen keine Regelungen enthält - durch nationales Recht jedes Vertragsstaates zu lösen (BT-Ds. a.a.O.). Vieles spricht deshalb für die Geltung des Prinzips der Nichtrückwirkung des Abkommens auf abgeschlossene Tatbestände und die Anwendung des bisherigen Internationalen Privatrechts (vgl. Art. 220 Abs. 1, Art. 236 § 1 EGBGB; dazu Rauscher NJW 2011, 2332, 2333). In diesem Fall bestünde vorliegend kein gemeinsames Sorgerecht der Eltern, sondern die alleinige Sorgeberechtigung der Mutter.

b) Die Frage kann vorliegend dahinstehen, da es dem Wohl des Kindes am besten entspricht, die gemeinsame elterlichen Sorge aufzuheben und auf die Mutter zu übertragen (1), bzw. - soweit man von einer Alleinsorge der Mutter ausgeht - kein Anlass besteht, die gemeinsame Sorge einzurichten (2). Das Familiengericht Singen hat unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine überzeugende Entscheidung getroffen, die sich ausschließlich am Kindeswohl von T. im Sinne von § 1697a BGB orientiert.

(1) Unverzichtbare Grundvoraussetzung für eine Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist, dass zwischen den Eltern objektiv Kooperationsfähigkeit und subjektiv Kooperationsbereitschaft besteht; nur so kann die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach der Trennung der Eltern dem Kindeswohl dienen (BGH FamRZ 1999, 1646). Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt somit ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BVerfG FamRZ 2004, 354; BVerfG FamRZ 2004, 1015).

Zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner ist eine Verständigung über wichtige Sorgerechtsfragen nicht möglich. Das Familiengericht hat zutreffend ausgeführt, dass es insgesamt an einer tragfähigen sozialen Beziehung zwischen ihnen fehlt, so dass eine dem Kindeswohl entsprechende Elternverantwortung gar nicht stattfinden kann.

Nicht nachvollziehbar ist bereits die Verweigerungshaltung des Antragsgegners bei der Mitwirkung der Ausstellung eines irischen Passes sowie in Bezug auf die Ein- und Ausreisegenehmigung in die Russische Föderation. Plausible Gründe für diese Haltung hat der Antragsgegner zu keiner Zeit vorgetragen. Insbesondere hat sich der Antragsgegner nicht über Vor- und Nachteile für das Kind informiert und setzt sich damit auch nicht auseinander.

Eine Kooperation der Eltern scheiterte bisher daran, dass sie sich seit 2005, dem Umzug des Vaters nach Deutschland, nach den Angaben des Antragsgegners im Anhörungstermin am 11.7.2012 weder gesehen noch miteinander telefoniert haben. Ein Kontakt des Antragsgegners zur Antragstellerin habe nicht bestanden. Es wurde somit - außer gelegentlich über E-Mail - seit Jahren nahezu nicht miteinander kommuniziert. Darüber hinaus ist der Antragsgegner für die Antragstellerin - und umgekehrt - nicht zuverlässig erreichbar. Die Ursachen hierfür wurden vor dem Familiengericht kontrovers diskutiert. Beide Elternteile werfen sich gegenseitig vor, Anschriften und Telefonnummern nicht (rechtzeitig) bekannt zu geben.

Soweit der Antragsgegner in der Beschwerdeschrift vorträgt, dass die Eltern ein zweistündiges freundschaftliches Telefonat ohne Streit geführt hätten, wird dies von der Antragstellerin in Abrede gestellt. Sie berichtet von einem 10minütigen Telefonat, in dem der Antragsgegner mitgeteilt habe, dass seine Mutter erkrankt sei und die Antragstellerin (wieder) die Zahlung des Kindesunterhalts gefordert habe. Hier zeigt sich, dass die Eltern sowohl in Bezug auf den äußeren Rahmen des Telefonats als auch inhaltlich unterschiedliche Wahrnehmungen haben.

Welcher Elternteil letztlich (maßgeblich) für die mangelnde Kommunikation verantwortlich ist und ob die Gründe für die Kommunikationsprobleme nachvollziehbar oder anerkennenswert sind, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass hier eine objektiv Kooperationsfähigkeit und subjektiv Kooperationsbereitschaft fehlen.

Die gemeinsame elterliche Sorge ist jedoch wesentlich ein von den Eltern gewolltes und gelebtes Zusammenwirken und nicht Nebeneinander- oder Gegeneinanderwirken zur Erziehung und Pflege des Kindes. Beide Eltern müssen gewillt sein, die gemeinsame Verantwortung für ihre Kinder nach der Trennung weiter zu tragen. Hierfür genügt nicht die bloße Erklärung des Willens zur Gemeinsamkeit; hinzukommen muss vielmehr die beiderseitige innere Bereitschaft zur Kooperation bei der Erziehung und Betreuung (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Auflage 2010, § 1671 Rz. 36). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Anhaltspunkte dafür, dass in absehbarer Zeit eine Verbesserung der Situation eintreten könnte, sind nicht gegeben.

Die Ausübung der elterlichen Sorge setzt des Weiteren voraus, dass der jeweilige Elternteil ein ernstes Interesse an seinem Kind und dessen Lebensumständen zeigt. Nur so ist er in der Lage, die Interessen und Belange des Kindes wahrzunehmen und unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse verantwortungsvoll Entscheidungen für es zu treffen.

Ein solches nicht nur verbal geäußertes, sondern auch gelebtes Interesse des Antragstellers ist nicht festzustellen. Der Antragsgegner hat die 7 ½ jährige T. - nach eigenen Angaben - bisher vier bis fünf Mal gesehen. Um weitere Kontakte hat er sich - auch dies räumte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht ein - nicht bemüht. Dass er gleichwohl erklärt, er wolle zu seinem Kind Kontakt aufbauen, erscheint vor diesem Hintergrund nicht ausreichend.

Nach all dem ist für eine Beibehaltung der gemeinsamen Sorge kein Raum. Es gibt - nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - kein milderes Mittel (etwa eine teilweise Übertragung der elterlichen Sorge), da insgesamt keinerlei tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern erkennbar ist (BVerfG FamRZ 2004, 1015; BGH FamRZ 2005, 1167).

Nachdem die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl von T. am besten entspricht, ist die elterliche Sorge zum Wohl des Kindes auf die Mutter zu übertragen.

T. lebt seit ihrer Geburt bei der Mutter und wird von dieser betreut und versorgt. Den Vater hat sie nur wenige Male gesehen. Dass er eine Bezugsperson für das Kind ist, wird selbst von ihm nicht behauptet.

(2) Soweit davon ausgegangen würde, dass der Antragsgegner nach dem Umzug des Kindes nach Deutschland seine Sorgerechtsposition verloren und die Antragstellerin seither Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge ist, besteht gleichwohl kein Anlass die gemeinsame elterliche Sorge einzurichten.

Zwar greift der generelle Ausschluss des Vaters eines nichtehelichen Kindes von der Sorgetragung für sein Kind unverhältnismäßig in dessen Elternrecht ein, wenn die Weigerung der Kindesmutter, der gemeinsamen elterlichen Sorge mit dem Vater oder dessen Alleinsorge zuzustimmen, gerichtlich nicht - am Maßstab des Kindeswohls - überprüft werden kann (BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403 ff.). Das Familiengericht überträgt den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge jedoch nur dann gemeinsam, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht (BVerfG a.a.O.). Der gewählte Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Kindeswohls soll sicherstellen, dass die Belange des Kindes maßgeblich Berücksichtigung finden, die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen elterlichen Sorge jedoch nicht zu hoch angesetzt werden.

Vorliegend ist jedoch - aus den genannten Gründen - nicht zu erwarten, dass die Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes entspräche.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

Der bedürftigen Antragstellerin ist gemäß § 76 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 114 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.