BGH, Beschluss vom 15.03.2001 - 3 StR 57/01
Fundstelle
openJur 2010, 6217
  • Rkr:
Tenor

1.

Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung von Verfahrensrügen wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

2.

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 14. September 2000 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe und mit dem Führen derselben zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

1.

Wie der Generalbundesanwalt näher dargelegt hat, ist das Wiedereinsetzungsgesuch unzulässig, da infolge der rechtzeitig erhobenen Sachrüge die Revisionsbegründungsfrist nicht versäumt worden war und eine von der Rechtsprechung anerkannte Ausnahmesituation zur Gewährung von Wiedereinsetzung zur Ergänzung der bisherigen Revisionsbegründung nicht gegebenist (st. Rspr., vgl. BGHSt 1, 44; BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3, 7). Im übrigen weist der Senat daraufhin, daß die sachlichrechtlichen Ausführungen in dem nachgereichten Schriftsatz vom 13. Dezember 2000 unbeschadet des Fristablaufs vom Senat berücksichtigt werden konnten und mußten und daß die beiden -verspäteten -Verfahrensrügen den Bestand des Urteils aus den nachfolgend genannten Gründen ohnehin nicht hätten gefährden können.

2.

Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

a) Die Strafkammer hat einen bedingten Tötungsvorsatz, der sich bei den festgestellten Tatumständen und den vorausgegangenen Drohungen des Angeklagten regelrecht aufgedrängt hatte, ohne Rechtsfehler bejaht. Daß sie im Schuld- und Strafausspruch nicht berücksichtigt hat, daß sich dieser bedingte Tötungsvorsatz auf alle vier im Eingangsbereich befindlichen Gäste bezogen hatte, weil der Angeklagte auf diese Gruppe und nicht auf einen einzelnen von ihnen gezielt und dabei seine Waffe leer geschossen hatte, weshalb er wegen versuchten Totschlags in vier tateinheitlich begangenen Fällen hätte verurteilt werden müssen (vgl. BGH, Beschl. vom 6. September 2000 -3 StR 226/00), beschwert ihn nicht.

b) Soweit die Verteidigung beanstandet, daß die Strafkammer nicht die Voraussetzungen des § 213 StGB bejaht hat, übersieht sie, daß dies für den Angeklagten nachteilig gewesen wäre, da der Strafrahmen des § 213 StGB mit Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahren höher als der zweifach gemilderte Strafrahmen nach §§ 21, 23, 49 Abs. 1, 212 StGB ist. Im übrigen weist weder die Strafrahmenwahl noch die engere Strafzumessung einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

3. Die verspäteten Verfahrensrügen hätten der Revision nicht zum Erfolg verhelfen können. Ob der Beweisantrag zum Beweis der Tatsache, daß sich der Angeklagte die Waffe zum Eigenschutz besorgt hatte, als bedeutungslos hätte abgelehnt werden dürfen, kann dabei offen bleiben, da die Strafzumessung auf einem etwaigen Fehler nicht beruhen würde. Die Strafkammer hat die Strafe dem zweifach gemilderten Strafrahmen des § 212 StGB entnommen und dabei lediglich ergänzend berücksichtigt, daß tateinheitlich zwei Tatbestände des Waffengesetzes verwirklicht worden sind. Dabei hat sie jedoch rechtsfehlerhaft zu Gunsten des Angeklagten die Voraussetzungen einer - ohnehin rechtlich zweifelhaften - erheblichen Minderung der Schuld nach § 21 StGB auf Grund der erheblichen Alkoholisierung und Erregung des Angeklagten auch für die Tatbestände des bereits seit Monaten begangenen Tatbestandes der Ausübung der tatsächlichen Gewalt und für das ebenfalls schon vor Trinkbeginn erfolgte Führen der halbautomatischen Selbstladekurzwaffe angenommen. Durch diesen Fehler zu Gunsten des Angeklagten wäre eine etwaig unterbliebene Berücksichtigung des Selbstschutzes bei der Gewichtung der Waffenverstöße mehr als ausgeglichen.

Der Antrag auf Einnahme eines Ortsaugenscheins "zur Klärung der Sichtverhältnisse" stellt keinen Beweisantrag dar, da es an der Angabe einer konkreten unter Beweis gestellten Tatsache fehlt.

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 26. Februar 2001, hier eingegangen am 15. März 2001, hat bei der Beratung vorgelegen.