BVerfG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 BvC 5/11
Fundstelle
openJur 2013, 25971
  • Rkr:
Tenor

Die Wahlprüfungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe

A.

Der Beschwerdeführer hat die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag mit der Begründung angefochten, die ?Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (DIE PARTEI)? sei vom Bundeswahlausschuss rechtsfehlerhaft nicht als Partei zur Bundestagswahl zugelassen worden. Es sei zudem nicht möglich gewesen, gegen diese Entscheidung gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Ferner habe der Bundesgesetzgeber seinen mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2008 (BVerfGE 121, 266) ausgesprochenen Auftrag, den Regelungskomplex um die Bestimmungen über die so genannten Überhangmandate in den § 6 Abs. 4, Abs. 5, § 7 Abs. 3 Satz 2 BWahlG neu zu regeln, nicht schon vor der Bundestagswahl 2009 erfüllt. Schließlich sei es den Wählern bei der Wahl verwehrt worden, auf dem Stimmzettel mit ?Nein? zu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten.

B.

Die Wahlprüfungsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet.

I.

Der Berichterstatter hat dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20. Juni 2011 zu seiner die Gestaltung der Stimmzettel betreffenden Rüge mitgeteilt:

?Die hierfür maßgeblichen Regelungen dürften verfassungsgemäß sein.

Das Grundgesetz schreibt in Art. 38 GG für das Bundeswahlrecht lediglich vor, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen sind (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG), und legt darüber hinaus in Art. 38 Abs. 2 GG das Wahlalter für das aktive und passive Wahlrecht fest. Im Übrigen überlässt es die Ausgestaltung des Wahlrechts einem Bundesgesetz (Art. 38 Abs. 3 GG). Dem Bundesgesetzgeber ist insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum gewährt. Das Bundesverfassungsgericht prüft nur nach, ob der Gesetzgeber sich in den Grenzen des ihm vom Grundgesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums gehalten oder ob er durch Überschreitung dieser Grenzen gegen einen verfassungskräftigen Wahlgrundsatz verstoßen hat. Dagegen ist es nicht Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber innerhalb seines Ermessensbereichs zweckmäßige oder rechtspolitisch erwünschte Lösungen gefunden hat (vgl. BVerfGE 3, 19 <24 f.>; 3, 383 <394>; 5, 77 <81>; 59, 119 <124 f.>).

Danach dürfte die Gestaltung der Stimmzettel auch nach dem Grundsatz der Freiheit der Wahl verfassungsrechtlich unbedenklich sein. Dem Deutschen Bundestag ist darin zuzustimmen, dass es dem Wahlbürger freisteht, beide Stimmen, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen. Soweit Sie meinen, es bestehe ein Anspruch auf Einräumung der Möglichkeit, auf dem Stimmzettel eine Neinstimme abzugeben oder sich dort der Stimme ausdrücklich zu enthalten, lässt sich dies aus dem Grundsatz der freien Wahl indes nicht ableiten.

Die von Ihnen gewünschte Gestaltung wäre ohnehin zweckwidrig, weil es bei der Bundestagswahl darum geht, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages positiv zu bestimmen. Für die Mandatsverteilung im Bundestag ist es aber unerheblich, wie groß der Anteil von Stimmenthaltungen oder ?Nein?-Stimmen an der Gesamtzahl der ungültigen Stimmen ist.

Die in § 39 des Bundeswahlgesetzes verwendete Formulierung ?ungültig? besagt zwar inhaltlich nur, dass die Stimme nicht gezählt wird. Das mag sprachlich nicht voll befriedigen, ist aber aus wahltechnischen Überlegungen gerechtfertigt. Wollte man über die Differenzierung zwischen gültigen und ungültigen Stimmen hinaus weitere Unterscheidungen einführen, wären nicht nur Ermittlungen und Feststellungen zur Zahl der Nichtwähler und der Wähler, die nicht gewählt haben, zu treffen, sondern darüber hinaus auch zur Zahl derjenigen Wähler, die nur die Erststimme, nur die Zweitstimme oder überhaupt keine Stimme abgegeben haben, um dann für diese Gruppen jeweils gesondert festzustellen, dass hier der Zählwert der Stimmen null ist. Diese Vorgehensweise verkomplizierte das ohnehin schon aufwendige und schwierige Verfahren der Auszählung und Feststellung des Wahlergebnisses zusätzlich. Dass sich nach der geltenden Rechtslage nicht erkennen lässt, aus welchen inhaltlichen Gründen die nicht abgegebene Stimme als ungültig erachtet worden ist, wiegt dagegen weniger schwer.?

Die Stellungnahme des Beschwerdeführers dazu gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

II.

Die weiteren Einwände des Beschwerdeführers verhelfen seiner Wahlprüfungsbeschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.

Die von dem Beschwerdeführer gerügte Entscheidung des Bundeswahlausschusses, die ?Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (DIE PARTEI)? nicht als Partei zur Wahl des 17. Deutschen Bundestages zuzulassen, lässt - soweit dies nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den von ihm vorgelegten Unterlagen beurteilt werden kann - keine Wahlfehler erkennen. Auf die fehlende Möglichkeit, diese Entscheidung im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 gerichtlich überprüfen zu lassen, kann es folglich nicht ankommen.

Soweit der Beschwerdeführer meint, der Bundesgesetzgeber hätte seinen mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2008 (BVerfGE 121, 266) ausgesprochenen Auftrag, den Regelungskomplex um die Bestimmungen der § 6 Abs. 4, Abs. 5, § 7 Abs. 3 Satz 2 des BWahlG neu zu regeln, schon vor der Bundestagswahl 2009 erfüllen müssen, hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung ausführlich begründet, weshalb es dem Gesetzgeber nicht aufgegeben hat, das Wahlrecht rechtzeitig vor Ablauf der Wahlperiode des 16. Deutschen Bundestages zu ändern (vgl. BVerfGE 121, 266 <316>). Gesichtspunkte, die es nahelegten, die Befristung des Regelungsauftrages neu zu bewerten, hat der Beschwerdeführer auch in seiner Stellungnahme auf das Schreiben des Berichterstatters vom 20. Juni 2011 nicht vorgetragen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 24 Satz 2 BVerfGG abgesehen.