BVerfG, Beschluss vom 26.01.2011 - 1 BvR 1671/10
Fundstelle
openJur 2013, 25968
  • Rkr:
Tenor

Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) und für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 4.000 € (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt.

Gründe

Über die Erstattung der Auslagen und den Gegenstandswert hat nach § 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG die Kammer zu entscheiden.

1. Dem Beschwerdeführer sind die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren in vollem Umfang durch das Land Hessen zu erstatten.

a) Über die Erstattung der Auslagen ist, nachdem der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat, nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (§ 34a Abs. 3 BVerfGG). Dabei kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, so kann, falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat. In einem solchen Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen in gleicher Weise zu gewähren, wie wenn seiner Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 f.>; 87, 394 <397>; 91, 146 <147>).

b) Nach diesen Grundsätzen ist es billig, dem Land Hessen die Auslagenerstattung vollständig aufzuerlegen. Das Land hat der geltend gemachten Beschwer im Zuge des Verfassungsbeschwerdeverfahrens in dem wesentlichen Punkt abgeholfen und damit objektiv zum Ausdruck gebracht, dass es das Begehren des Beschwerdeführers insoweit für berechtigt erachtet hat. Es hat mitgeteilt, dass die vom Beschwerdeführer beanstandete Haftungsfreizeichnung für die Medikamentengabe durch Lehrkräfte nicht mehr eingefordert werde.

2. Soweit der Auslagenerstattungsantrag des Beschwerdeführers auch die Auslagen für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erfasst, kann er jedoch keinen Erfolg haben.

Zwar ist hierüber ebenfalls nach § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 89, 91 <97>). Selbst in den Fällen, in denen eine Verfassungsbeschwerde Erfolg hat und ein damit verbundener Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung infolgedessen gegenstandslos wird, kommt aber eine Auslagenerstattung insoweit nur dann in Betracht, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach den hierfür geltenden Maßstäben Erfolg gehabt hätte (vgl. auch BVerfGE 89, 91 <97>). Dies beurteilt sich grundsätzlich anhand einer Folgenabwägung (vgl. BVerfGE 77, 130 <135>; stRspr). Es ist nicht feststellbar, dass eine solche bis zum Eintritt der Erledigung sicher zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgegangen wäre.

3. Soweit der Beschwerdeführer auch die Erstattung der Kosten des Ausgangsverfahrens begehrt, kann dem ebenfalls nicht entsprochen werden. Die Kosten des Ausgangsverfahrens haben mit der Verfassungsbeschwerde nichts zu tun und sind daher nicht nach § 34a BVerfGG erstattungsfähig (vgl. BVerfGE 89, 313 <315>; Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 34a Rn. 71 f. (April 2008); Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 34a Rn. 26, 59).

4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit ist auf § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Grundsätzen über die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsrechtlichen Verfahren gestützt (vgl. BVerfGE 79, 365 <368 ff.>). Der Wert von 8.000 &euro; entspricht demjenigen, der in der Regel festgesetzt wird, wenn einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben wird; er erscheint auch hier in Ansehung des erledigenden Umstandes angemessen. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen hier Besonderheiten auf, die eine Abweichung veranlassen würden. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG ist im Hinblick auf seine Zielrichtung, eine lediglich vorläufige Regelung herbeizuführen, ein erheblich niedrigerer Wert zuzumessen als demjenigen für die Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfGE, 89, 91 <96>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.