BGH, Beschluss vom 20.12.2001 - 4 StR 530/01
Fundstelle
openJur 2010, 5725
  • Rkr:
Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 24. Juli 2001 im Strafausspruch aufgehoben.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

3.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes (begangen im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit) zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Der zur Tatzeit 36jährige Angeklagte lebte mit seinem Vater, dem Tatopfer, in einem gemeinsamen Haushalt. Zwischen ihnen herrschte seit langer Zeit ein erheblich gespanntes Verhältnis, das seine Ursache in ständigen Vorwürfen des Vaters über die in seinen Augen schlechte Arbeitshaltung des Angeklagten hatte. Die Spannungen verstärkten sich nach dem Tod der Mutter des Angeklagten, zumal der Vater ihm nunmehr auch ständig Vorwürfe wegen seines zunehmenden Alkoholkonsums machte. Zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen beiden kam es jedoch nie. Vielmehr "fraß der Angeklagte seinen Ärger in sich hinein", wobei bei ihm allerdings gelegentlich der Wunsch aufkam, seinen Vater umzubringen. Hierzu kam es aber erst Ende März 2001. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Vater wegen einer Krebserkrankung nur noch eine Lebenserwartung von sechs Monaten.

Am Tattage faßte der Angeklagte nach einer erneuten heftigen verbalen Auseinandersetzung endgültig den Entschluß, seinen Vater zu töten. Zuvor hatte er erhebliche Mengen Bier getrunken, die zum Tatzeitpunkt zu einer Blutalkoholkonzentration von 2,14 %o führten. In diesem Zustand holte er aus der Küche eine leere Wasserflasche und ging zurück in das Eßzimmer, in dem sein Vater am Eßtisch Zeitung las, ohne den Angeklagten zu beachten. "Dies bemerkte auch der Angeklagte und wollte die Situation ausnutzen." Er ging deshalb an seinem Vater vorbei, blieb hinter ihm stehen und schlug dem -wie das Schwurgericht festgestellt hat -arg- und wehrlosen Tatopfer mit voller Wucht auf den Kopf. Nachdem dabei die Flasche zersplittert und der Vater zu Boden gegangen war, zertrümmerte der Angeklagte einen Blumenkübel auf dessen Rücken. Sodann holte er aus der Küche ein oder zwei Messer und stach -nachdem er die Musik der Stereoanlage lauter gestellt hatte, "damit die Schreie seines Vaters von Nachbarn nicht zu hören waren" -auf den Körper seines Vaters ein. Da er zutreffend davon ausging, daß sein Vater noch lebe, holte er schließlich einen Hammer und eine Art Rohrzange und schlug mit diesen Werkzeugen wiederum auf den Kopf seines Vaters ein, was schließlich zu dessen Tod führte.

2.

Auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten zu Recht des heimtückisch begangenen Mordes für schuldig befunden. Entgegen der Auffassung der Revision beruhen auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf einer tragfähigen Grundlage. Der durch die Alkoholisierung und die affektive Erregung bei allgemeiner "asthenischer Persönlichkeitsstörung" zur Tatzeit bestehende psychische Ausnahmezustand, der die Anwendung des § 21 StGB durch das sachverständig beratene Schwurgericht trägt, steht der Annahme nicht entgegen, daß der Angeklagte die für die Heimtücke maßgeblichen Gesichtspunkte nicht nur in ihrem äußeren Gehalt erfaßt, sondern auch in sein Bewußtsein aufgenommen hat. Von diesem sogenannten Ausnutzungsbewußtsein (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26 m.w.Nachw.) ist das Schwurgericht nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ausgegangen. Näherer Darlegungen hierzu bedurfte es angesichts der auch zur subjektiven Tatseite geständigen Einlassung des Angeklagten nicht.

3.

Dagegen hält der Strafausspruch der rechtlichen Prüfung nicht stand. Der Senat läßt dahingestellt sein, ob es einen zulässigen Strafschärfungsgrund darstellt, "daß zwischen dem Anlaß und dem weiteren Tatverhalten ein krasses Mißverhältnis bestand" (UA 18). Zur Aufhebung führt jedenfalls, daß das Landgericht dem Angeklagten zudem strafschärfend angelastet hat, er habe "trotz der Schreie ... nicht von seinem Vorhaben abgelassen". Dies läßt besorgen, daß das Landgericht dem Angeklagten zur Last gelegt hat, daß er die Straftat überhaupt vollendet hat, anstatt von ihr Abstand zu nehmen. Das ist rechtsfehlerhaft (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 14, unterlassener Rücktritt). Die Erwägung könnte aber auch dann den Strafausspruch nicht tragen, wenn es sich insoweit lediglich um eine mißverständliche Formulierung handelte, mit der das Schwurgericht die weiter strafschärfend gewertete "äußerste Brutalität und Erbarmungslosigkeit gegen das Opfer" näher umschreiben wollte. Denn in diesem Fall ließe das Urteil -wie die Revision zu Recht einwendet nicht erkennen, daß das Landgericht bedacht hat, daß die besondere Brutalität ihren Grund (auch) in dem psychischen Ausnahmezustand des Angeklagten haben kann, der zur Anwendung von § 21 StGB und zur Milderung des Strafrahmens geführt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es insoweit widersprüchlich, dem Angeklagten die objektiven Umstände der Tatbegehung uneingeschränkt straferschwerend zu werten (BGHR StGB § 21 Strafzumessung 1 f.).

4.

Über die Strafbemessung ist deshalb neu zu befinden. Der aufgezeigte Rechtsfehler berührt aber nur die rechtliche Wertung der zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen. Diese selbst können deshalb bestehen bleiben.

Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Landgericht Essen zurück.