OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2010 - 11 U 132/10 (Kart)
Fundstelle
openJur 2013, 23293
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Gießen vom 13.10.2010 (Az.: 8 O 67/10) abgeändert.

Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, die vorgenommene Sperrung der Gaslieferung an die Versorgungsstelle …, Stadt1, rückgängig zu machen und den Verfügungskläger weiter mit Gas zu versorgen.

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Eilverfahrens.

Gründe

I.

Der Verfügungskläger (nachfolgend: Kläger) verlangt im Eilverfahren von der Verfügungsbeklagten (nachfolgend: Beklagte) die Weiterversorgung mit Gas.

Die Beklagte beliefert den Kläger seit mehreren Jahren auf der Grundlage ihres „Tarifs 2.2 Heizung 2“ mit Gas. Unter dem 21.12.2004 erhob der Kläger gegenüber der Abrechnung den Einwand der Unbilligkeit. Mit Schreiben vom 28.9.2005 und 20.12.2005 wiederholte er eine entsprechende Rüge. Unter dem 3.8.2009 hat die Beklagte vor dem Landgericht Gießen gegen den Kläger Klage auf Zahlung offener Gaspreisforderungen, zuletzt in Höhe von 2.593,59 € erhoben. Mit Schreiben vom 17.5.2010 hat die Beklagte den Erdgasliefervertrag mit dem Kläger gekündigt und in der Folgezeit die Belieferung des Klägers mit Gas eingestellt.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung abgelehnt, es fehle an einem Verfügungsgrund.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, der Feststellungen in erster Instanz sowie der Begründung der angefochtenen Entscheidung wird auf das Urteil vom 13.10.2010 Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Der Kläger ist der Auffassung, er werde auf der Grundlage eines Sondervertrages im Sinne von § 41 EnWG beliefert. Dieser sei von der Beklagten nicht wirksam gekündigt worden. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte die Kündigung vom 17.5.2010 ausdrücklich nur auf die Kündigung eines Grundversorgungsvertrages gestützt habe. Eine Kündigung des Sondervertrages sei darin nicht zu sehen. In jedem Fall sei die Kündigung des Sondervertragsverhältnisses aber treuwidrig und unwirksam, weil er, der Kläger, seinen Zahlungsverpflichtungen stets nachgekommen sei. Ab 1.3.2005 habe er seine Rechnungen auf der Basis eines Arbeitspreises von 3,53 ct/kWh entrichtet. Zur Zahlung höherer Preise sei er mangels Nachweises der Billigkeit durch die Beklagte nicht verpflichtet.

Selbst wenn man von einem Grundversorgungsverhältnis im Sinne von § 36 EnWG ausgehe, sei die Kündigung nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte weiterhin zur Grundversorgung verpflichtet wäre. Auf den Wechsel zu einem anderen Versorger müsse er, der Kläger, sich nicht verweisen lassen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 13.10.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Gießen, Az. 8 O 67/10, der Beklagten aufzugeben, die vorgenommene Sperrung der Gaslieferung an der Versorgungsstelle …, Stadt1 rückgängig zu machen und den Kläger weiter mit Gas zu versorgen,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie rügt die Unzuständigkeit des Kartellsenats. Im Übrigen verteidigt sie das erstinstanzliche Urteil, soweit das Landgericht einen Verfügungsgrund verneint hat. Der Kläger habe, so meint die Beklagte weiter, aber auch keinen Anspruch auf Weiterbelieferung, weil der Gasvertrag zum 30.6.2010 wirksam gekündigt worden sei. Dies gelte unabhängig davon, ob der Kläger auf der Grundlage eines Sonderkundenvertrages oder zum allgemeinen Tarif versorgt worden sei. Gerade ein Sondervertrag habe jederzeit von ihr, der Beklagten, gekündigt werden können. Mangels einer ausdrücklichen Regelung in einem - zu unterstellenden - Sondervertragsverhältnis sei hinsichtlich der Kündigungsfrist auf die für Grundversorgungsverträge geltende gesetzliche Frist von einem Monat abzustellen.

Auch soweit von einem Grundversorgungsvertrag auszugehen sei, wie die Beklagte in dem auf Zahlung der Rückstände gerichteten Verfahren vor dem LG Gießen (8 O 95/09) meint, sei die Vertragskündigung gemäß § 20 Abs. 1 GVV Gas begründet gewesen. Denn die weitere Versorgung des Klägers sei ihr wirtschaftlich unzumutbar. Unzumutbarkeit liege vor, wenn die Kosten der Grundversorgung eines einzelnen Kunden zu einer Kostenunterdeckung führten, die die Allgemeinheit der Haushaltskunden unbillig belaste. Infolge der über einen Zeitraum von mehreren Jahren von dem Kläger immer wieder vorgenommenen Entgeltkürzungen könne sie, die Beklagte, aus den mit der Belieferung des Klägers erzielten Einnahmen ihre bei Belieferung des Klägers auflaufenden Kosten nicht decken. Hinzu komme der erhebliche Personalkosten auslösende Verwaltungsaufwand, den sie, die Beklagte, betreiben müsse, um die Vertragsbeziehungen mit dem Kläger abzuwickeln. Dieser Aufwand stehe in keiner Relation zu den im Rahmen der Belieferung zu erzielenden Erlösen. Der Kläger habe sie, die Beklagte, aber auch zu keiner Zeit aufgefordert oder erkennen lassen, dass er von ihr gemäß § 36 EnWG im Rahmen der gesetzlichen Grundversorgung beliefert werden möchte. Vielmehr habe er stets die Meinung vertreten, dass die Kündigung zum 30. Juni 2010 unwirksam sei.

Der Kläger könne sich aber auch nicht auf die Anwendung von § 315 BGB berufen, weil ihm bei Preiserhöhungen gemäß § 5 Abs. 3 GVV Gas ein Kündigungsrecht zustehe und ihm der Wechsel zu einem anderen Anbieter jederzeit frei stehe. Es widerspreche Treu und Glauben, trotz bestehender Kündigungs- und Ausweichmöglichkeit auf andere Versorger am Vertrag mit einem Gasversorger festhalten zu wollen, das Gasversorgungsunternehmen aber andererseits zu einem Billigkeitsnachweis und zur Senkung seiner Gaspreise zwingen zu wollen.

Somit sei nicht die Vertragskündigung, sondern das Verhalten des Klägers treuwidrig. Er setze sich dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens aus, wenn er einerseits den Einwand aus § 315 BGB erhebe, aber andererseits auf einen Wechsel des Versorgers verzichte.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Rüge der Unzuständigkeit des Kartellsenats ist unbegründet. Die Zuständigkeit ergibt sich nicht auf Grund einer kartellrechtlichen Vorfrage gemäß § 87 GWB, sondern gem. §§ 102, 106 EnWG auf Grund einer Vorfrage, die nach dem Energiewirtschaftsgesetz zu beantworten ist (Salje, EnWG, § 102, Rn. 1). Die Entscheidung hängt davon ab, ob dem Kläger ein Anspruch auf Grundversorgung zusteht oder der Beklagten die Versorgung aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist (§ 36 EnWG).

2. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Grundversorgung zu.

18a) Folgt man der Auffassung der Beklagten, wonach der Kläger bislang im Rahmen eines Grundversorgungsverhältnisses zum Allgemeintarif beliefert wurde, so sind auf das seit 1991 bestehende Vertragsverhältnis entsprechend den Übergangsbestimmungen gemäß § 23 GVV Gas, 115 Abs. 2 EnWG die Bestimmungen der GVV Gas vom 26. Oktober 2006 anzuwenden. Gemäß § 20 Abs. 1 GVV Gas kann der Grundversorgungsvertrag mit einer Frist von einem Monat auf das Ende eines Kalendermonats gekündigt werden, soweit nicht eine Pflicht des Versorgers zur Grundversorgung nach § 36 Abs. 1 S. 2 EnWG besteht. Gemäß § 36 Abs. 1 EnWG haben Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, allgemeine Bedingungen und allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nicht, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Damit kommt es für die Frage, ob die Kündigung der Beklagten wirksam ausgesprochen werden konnte, darauf an, ob für die Beklagte die Weiterversorgung des Klägers aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.

b) Nichts anderes gilt, wenn man das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien als Sondervertrag einordnet. Da für ein Sondervertragsverhältnis keine besonderen Vertragsbedingungen bestehen und besondere Bedingungen im Sinne von § 41 Abs. 2 EnWG bislang nicht existieren, ist hinsichtlich der Möglichkeit der Kündigung auf die allgemeinen Bestimmungen des BGB abzustellen. Fehlen Vorschriften über ein ordentliches Kündigungsrecht und haben die Parteien die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen, so sind §§ 624, 723 BGB entsprechend anwendbar (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 314 Rdnr. 13 m.w.N.). Dass das Sondervertragsverhältnis hier nicht ordentlich kündbar sein sollte, kann schon im Hinblick auf entsprechende Regelungen in den allgemeinen Versorgungsbedingungen und sonstigen Sondervertragsverhältnissen nicht angenommen werden. Eine so weitgehende Bindung eines Kunden wäre ohnedies auch unzulässig.

Entgegen der Auffassung des Klägers stünde der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen, dass die Beklagte die Kündigung ausdrücklich nur auf § 20 Abs. 1 GVV Gas gestützt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass aus der Kündigungserklärung der eindeutige Wille zweifelsfrei hervorgeht, das Vertragsverhältnis unbedingt zu beenden. Dafür aber ist die rechtliche Einordnung des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses unerheblich.

Fraglich erscheint allenfalls die angemessene Kündigungsfrist. Vorliegend hat die Beklagte den Erdgasliefervertrag mit Schreiben vom 17.5.2010 zum 30.6.2010 entsprechend der Bestimmung des § 20 Abs. 1 S. 1 GVV Gas gekündigt. Ob im Falle der Annahme eines Sondervertragsverhältnisses eine Kündigungsfrist von einem Monat angemessen wäre, erscheint eher zweifelhaft, weil sowohl in den früheren allgemeinen Versorgungsbedingungen (AVB Gas) wie in Sondernutzungsverträgen längere Kündigungsfristen üblich waren. In entsprechender Anwendung des § 624 BGB sowie der Regelung in den häufig in Sonderverträgen entsprechend herangezogenen AVB wäre eine Kündigungsfrist von 3 bzw. 6 Monaten zum Jahresende eher angemessen. Geht man daher von einem Sondervertragsverhältnis aus, so wäre die nicht fristgerechte Kündigung der Beklagten gegebenenfalls in eine fristgerechte Kündigung mit der Wirkung umzudeuten, dass der Erdgasliefervertrag spätestens Ende Dezember 2010 endete.

22Für diesen Fall wäre die Beklagte verpflichtet, den Kläger gemäß § 38 EnWG für drei Monate als Ersatzversorger zu beliefern. Endet die Ersatzversorgung, so gilt, dass Haushaltskunden, die sich während der drei Monate keinen anderweitigen Bezug sicherstellen, nach Ende der gesetzlichen Frist durch weiteren Bezug von Energie in die Grundversorgung überführt werden. Ist der Ersatzversorger nicht gewillt, den Haushaltskunden auch grundzuversorgen, so kann er die anschließende Grundversorgung nur verhindern, indem er einen Sperrungsgrund geltend macht. In den Grenzen der Zumutbarkeit lebt der Kontrahierungszwang des § 36 Abs. 1 EnWG daher auch nach Auslaufen der Ersatzversorgung wieder auf (de Wyl in Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft § 13 Rn. 136). Im Ergebnis kommt es für eine weitere Belieferungspflicht der Beklagten auch im Rahmen eines etwaigen Sondervertragsverhältnisses deshalb darauf an, ob ihr die Grundversorgung des Klägers nach § 36 Abs. 1 aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.

c) Die Frage ist zu verneinen. Der Kläger ist bislang nicht in Verzug geraten. Eine Unzumutbarkeit aus wirtschaftlichen Gründen kann insbesondere gegeben sein, wenn ein Haushaltskunde zahlungsunfähig oder - unwillig ist (de Wyl a.a.O. § 13 Rdnr. 112). § 17 GVV Gas bestimmt, dass Rechnungen und Abschläge zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch 2 Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig werden und Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur in den besonders aufgeführten Fällen berechtigen, nämlich wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund eine auffällige Höhe erreicht bzw. der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt und hierdurch die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts noch nicht festgestellt ist.

Ein solcher Fall liegt hier zwar nicht vor. Von dieser Regelung ausdrücklich ausgenommen wird allerdings die Bestimmung des § 315 BGB. Entsprechend der früheren Bestimmung in §§ 4, 5 AVB Gas enthält auch § 5 Abs. 2 GVV Gas ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgungsunternehmens, das die Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB eröffnet. Durch den Vorbehalt hinsichtlich § 315 BGB in der GVV Gas soll eine Streitfrage zu § 30 AVB ausgeräumt werden, weil die allgemeinen Versorgungsbedingungen ein Zurückbehaltungsrecht des Kunden nur für solche Einwendungen gegen Rechnungen des Energieversorgers vorsahen, bei denen sich aus den Umständen ergab, dass offensichtliche Fehler vorliegen. Schon zu § 30 AVB war allerdings geklärt, dass das Bestreiten der Billigkeit der Preisbestimmung des Versorgungsunternehmens von der Vorschrift nicht erfasst wurde, weil die Geltendmachung der Unbilligkeit nicht reine Rechen- und Ablesefehler oder andere Abrechnungsgrundlagen betrifft, sondern die Leistungspflicht des Kunden, der im Falle der Unangemessenheit des verlangten Preises von Anfang an nur den vom Gericht bestimmten Preis schuldet (BGH NJW 2003, 3131). Nach § 315 Abs. 3 BGB sind die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entsprechen. Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen mit der Folge, dass erst diese durch das Gericht festgesetzten Tarife für den Kunden verbindlich sind und erst mit Rechtskraft eines solchen Gestaltungsurteils die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig wird, so dass erst ab diesem Zeitpunkt Verzug bei dem Kunden des Energieversorgers eintreten kann. Daraus folgt, dass der Kunde nicht darauf beschränkt ist, Einwendungen gegen die Billigkeit der Tarifbestimmungen in einem von ihm anzustrengenden Rückforderungsprozess geltend zu machen. Erst die vom Gericht neu festgesetzten Tarife sind für den Kunden verbindlich und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urteil vom 5.7.2005, X ZR 60/04 - juris - m.w.N.).

d) Daraus folgt für das Eilverfahren, dass vor Abschluss der Billigkeitsprüfung in dem Verfahren 8 O 95/09 nicht festzustellen ist, ob die von der Beklagten festgesetzten Entgelte der Billigkeit entsprechen, so dass sie für den Kläger derzeit nicht verbindlich sind und der Kläger nicht in Verzug geraten kann. Dann aber ist der Beklagten die Berufung auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit abgeschnitten und sie ist mindestens zur Grundversorgung des Klägers verpflichtet.

e) Das gilt erst recht für den Fall, dass der Kläger auf der Grundlage eines Sondervertrags versorgt worden sein sollte. Denn für diesen Fall fehlte es an einer ausdrücklichen Vertragsbestimmung, nach der die Beklagte zu einer Preisanpassung berechtigt gewesen wäre. Selbst wenn man im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu dem Ergebnis gelangte, dass der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht entsprechend demjenigen in den allgemeinen Versorgungsbedingungen bzw. der GVV Gas geregelten zustehen sollte, müsste die Ausübung des Rechts wiederum der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterzogen werden können mit der Folge, dass der Kläger auch für diesen Fall vor der Bestimmung des billigen Entgelts im Rahmen der Zahlungsklage nicht in Verzug geraten sein kann.

f) Etwas anderes folgt auch nicht aus der theoretischen - von dem Kläger bestrittenen - Möglichkeit eines Versorgerwechsels. Die Beklagte kann sich ihrer Verpflichtung als Grundversorger nämlich nicht unter Verweis auf einen theoretischen Wechsel zu einem anderen Versorger entziehen. Im Ergebnis wäre die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB darüber hinaus obsolet, wenn jedem Versorger die Möglichkeit eröffnet wäre, sich der Billigkeitskontrolle durch Verweis auf die Möglichkeit eines Versorgerwechsels zu entziehen. Auch im Falle einer Versorgung des Klägers im Rahmen eines Sondervertrages gilt nichts anderes. Soweit sich die Beklagte auf die allgemeine Vertragsfreiheit beruft und verschiedene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs anführt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Vielmehr ergibt sich aus diesen Entscheidungen, dass dem Sonderkunden ebenso wie dem Grundversorgungskunden die Möglichkeit einer Überprüfung der einseitigen Preisänderung zusteht (vgl. insb. BGH VIII ZR 225/07 - juris -). Dass dem Versorgungsunternehmen dagegen jederzeit ein Kündigungsrecht zusteht, wenn der Abnehmer von diesem Recht Gebrauch macht, lässt sich der Entscheidung nach Auffassung des Senats nicht entnehmen. Ungeachtet dessen verhalten sich weder diese noch die weiteren von der Beklagten aufgeführten Entscheidungen zu der Frage, ob und inwieweit nach der Kündigung eines Sondervertragsverhältnisses ein Anspruch auf Grundversorgung weiterbesteht.

5. Steht dem Kläger nach allem ein Verfügungsanspruch zu, so ist auch ein Verfügungsgrund zu bejahen. Zwar hat das Landgericht im Ansatz zutreffend angeführt, dass insbesondere beim Erlass von Leistungsverfügungen strenge Anforderungen an das Bestehen eines Verfügungsgrundes zu stellen sind, weil Leistungsverfügungen in aller Regel auf die Vorwegnahme der Hauptsache hinauslaufen. Erforderlich sind deshalb zumindest schwere und nicht oder nur schwer wieder auszugleichende Nachteile für den Gläubiger, ohne dass diese allerdings existenzieller Art sein müssen. Nach der Rechtsprechung - auch des Senats - sind die Anforderungen an einen Verfügungsgrund jedoch umso geringer, je eindeutiger die materielle Rechtslage beurteilt werden kann und einen Anspruch zu Gunsten des Gläubigers ergibt (Senat, Beschluss v. 13.8.2010, 11 U 6/10 Kart m.w.N.).

So liegt der Fall auch hier. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Grundversorgung gemäß § 36 Abs. 1 EnWG zu. Ihm die Durchsetzung dieses Anspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung zu versagen, würde daher letztlich auf eine Rechtsverweigerung hinauslaufen. Wie dargelegt, kann der Kläger auch nicht auf einen anderen Gasversorger verwiesen werden, schon um zu verhindern, dass Versorgungsunternehmen sich ihrer Verpflichtung zum Nachweis der Billigkeit ihrer Leistungsbestimmung jeweils durch Verweis auf einen möglichen Versorgerwechsel entziehen. Im Übrigen hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die derzeitige Beheizung mit Radiatoren mit nicht unerheblichen Nachteilen und Komforteinbußen verbunden ist. Dies reicht unter den gegebenen Umständen zur Bejahung eines Verfügungsgrundes aus.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.