BGH, Urteil vom 06.02.2013 - I ZR 62/11
Fundstelle
openJur 2013, 21593
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Februar 2011 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Klage mit den Klageanträgen zu 1 a, 1 c, 2 und 3 abgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Parteien sind Pharmaunternehmen und vertreiben jeweils Injektionslösungen, die zur Anwendung als Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika als Arzneimittel zur Behandlung von Diabetes mellitus zugelassen sind.

Die Klägerin vertreibt seit 2000 das Präparat Lantus¨, das den Wirkstoff Insulinglargin enthält. Die Beklagte vertreibt seit 2004 das Arzneimittel Levemir¨ mit dem Wirkstoff Insulindetemir.

Die Klägerin beanstandet mehrere Angaben, in denen die Beklagte in dem nachfolgend wiedergegebenen Werbefaltblatt "Levemir¨ Gute Einstellung - besseres Profil", das an Ärzte verteilt wurde, einen Gewichtsvorteil von Levemir¨ behauptet hat.

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Behauptungen eines Gewichtsvorteils bei der Gabe von Levemir¨ im Vergleich zur Verabreichung von Insulinglargin seien irreführend. Ein angeblicher Gewichtsvorteil und dessen klinische Relevanz seien nicht hinreichend wissenschaftlich nachgewiesen. Ferner seien die zum Beleg der Behauptung durch Fußnoten in Bezug genommenen Quellen nicht geeignet, die jeweiligen Werbeangaben als wissenschaftlich hinreichend gesicherte Erkenntnis zu stützen. Die Beklagte nehme zudem durch die Behauptung "Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil" eine tatsächlich nicht gegebene Alleinstellung gegenüber allen anderen Wettbewerbern in Anspruch. Die Graphik "Levemir¨ im Vergleich zu Insulinglargin" sei ebenfalls irreführend und außerdem unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen herabsetzenden Vergleichs wettbewerbswidrig.

Die Klägerin hat beantragt, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die Fertigarzneimittel Levemir¨ 100 E/ml Injektionslösung in einer Patrone und/oder Levemir¨ 100 E/ml Injektionslösung in einem Injektor, vorgefüllt (Wirkstoff jeweils: Insulindetemir)

1. mit einem "Gewichtsvorteil" für Levemir¨ in den Angaben An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

a)

...

2. Fachinformation Levemir¨, Februar 2007. 3. Philis-Tsimikas A et al., Clinical Therapeutics 2006; 28: 1569-1581; 20-wöchige multizentrische, offene, randomisierte Studie mit 504 insulinnaiven Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale, offene randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnis-4 se der Patienten, die Levemir¨ 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA1c für Levemir¨ (1-mal täglich). 5. Hermansen K et al., Diabetes Care 2006; 29: 1269-1274; 26-wöchige, offene, randomisierte Studie mit 476 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD; online appendix at http://care.deabetesjournals.org.

und/oderb) "Levemir¨ Flex-Pen¨ (Insulindetemir) Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil1"

...

1. Plank J et al., Diabetes Care 2005; 28: 1107-1112: Zeit-Wirkprofil im Vergleich zu NPH-Insulin.

und/oderc) "Levemir¨. Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil.2-5"

...

2. Fachinformation Levemir¨, Februar 2007. 3. Philis-Tsimikas A et al., Clinical Therapeutics 2006; 28: 1569-1581; 20-wöchige multizentrische, offene, randomisierte Studie mit 504 insulinnaiven Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD. 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale, offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnisse der Patienten, die Levemir¨ 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA1c für Levemir¨ (1-mal täglich). 5. Hermansen K et al., Diabetes Care 2006; 29: 1269-1274; 26-wöchige, offene, randomisierte Studie mit 476 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD; online appendix at http://care.deabetesjournals.org.

und/oderd) "Gewichtsvorteil?! Das ist prima!"

und/oder 2. mit der nachstehend abgebildeten Grafik "Levemir¨ im Vergleich zu Insulinlargin4"

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

...

4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale, offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnisse der Patienten, die Levemir¨ 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA1c für Levemir¨ (1-mal täglich).

und/oder 3. mit der Angabe "Gewichtsvorteil unter Levemir¨ im Vergleich zu Insulinglargin bei vergleichbarer HbA1c-Senkung4"

...

4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale, offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnisse der Patienten, die Levemir¨ 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA1c für Levemir¨ (1-mal täglich)

zu bewerben, wenn dies wie in dem als Anlage K 1 vorgelegten vierseitigen Folder "Levemir¨. Gute Einstellung - besseres Profil.1-2" geschieht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

A. Das Berufungsgericht hat eine Irreführung durch die beanstandete Werbung mit einem Gewichtsvorteil verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Werbung sei nicht deswegen irreführend, weil sie in Fußnoten mit Studien belegt werde, die den beworbenen Umstand des Gewichtsvorteils nicht 6 trügen. Es könne auch nicht angenommen werden, dass die beworbene Angabe nicht durch gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse belegt sei. Die Werbung könne sich vielmehr auf die Inhalte der Arzneimittelzulassung und der Fachinformation stützen. Dies begründe eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der gesicherte Stand der Wissenschaft wiedergegeben sei. Die Klägerin habe diese Vermutung nicht widerlegt.

Eine Irreführung ergebe sich auch nicht aus dem Fehlen einer klinischen Relevanz des beworbenen Gewichtsvorteils. Die Behauptung einer solchen Relevanz des Gewichtsvorteils sei der Werbung aus der Sicht der angesprochenen Ärzte nicht zu entnehmen.

Die Aussage "Levemir¨. Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil" sei ferner nicht irreführend unter dem Gesichtspunkt einer Alleinstellungsbehauptung. Es fehle an besonderen Umständen, unter denen die Verwendung eines bestimmten Artikels eine Alleinstellung des beworbenen Produkts zum Ausdruck bringe.

Der Klägerin stehe auch hinsichtlich der vergleichenden Grafik kein Unterlassungsanspruch zu. Der Umstand, dass die dort dargestellte Gewichtszunahme von 2,25 kg nur bei der Untergruppe von Testpatienten erreicht worden sei, die nur einmal täglich Levemir¨ erhalten hätten, während bei der zweimal täglich mit Insulindetemir behandelten Gruppe von 55% der Testpersonen eine Gewichtszunahme von 3,7 kg festgestellt worden sei, führe nicht zu einer Irreführung. Der angesprochene Arzt könne der Werbung hinreichend deutlich entnehmen, dass nur die Ergebnisse im Hinblick auf die einmal täglich behandelte Untergruppe dargestellt seien.

Die Angabe "Gewichtsvorteil unter Levemir¨ im Vergleich zu Insulinglargin bei vergleichbarer HbA1c - Senkung" sei ebenfalls weder irreführend noch 9 unter dem Gesichtspunkt der herabsetzenden vergleichenden Werbung zu beanstanden.

B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben teilweise Erfolg. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Berufung gegen die Klageabweisung im Hinblick auf die Anträge zu 1 a und c sowie die Anträge zu 2 und 3 für unbegründet erachtet hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand (dazu unter I). Dagegen bleibt die Revision erfolglos, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge zu 1 b und d richtet (dazu unter II).

I. Im Hinblick auf die mit den Anträgen zu 1 a und c sowie mit den Anträgen zu 2 und 3 angegriffene Werbung mit einem Gewichtsvorteil ergibt sich eine Irreführung aus dem Umstand, dass die Beklagte sich insoweit zum Beleg ihrer Behauptung in der Fußnote 4 auf die Veröffentlichung von Rosenstock und anderen gestützt hat, obwohl diese Studie einen Gewichtsvorteil bei der Anwendung von Levemir¨ im Vergleich zu Insulinglargin nicht hinreichend wissenschaftlich belegt.

1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware wie etwa Vorteile enthält. Gemäß § 3 HWG liegt eine unzulässige irreführende Werbung insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Insoweit sind - wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung - besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 - I ZR 318/90, 13 GRUR 2002, 182, 185 = WRP 2002, 74 - Das Beste jeden Morgen, mwN; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 Rn. 1/137; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 4 Rn. 1.243, Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.181).

Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1970 - I ZR 86/69, GRUR 1971, 153, 155 = NJW 1971, 323 - Tampax; Urteil vom 7. März 1991 - I ZR 127/89, GRUR 1991, 848, 849 = NJW-RR 1991, 848 - Rheumalind II; Urteil vom 7. Dezember 2000 - I ZR 260/98, GRUR 2002, 273, 274 = WRP 2001, 1171 - Eusovit; Urteil vom 4. September 2003 - I ZR 32/01, GRUR 2004, 72; OLG Hamburg, PharmaR 2007, 204, 206; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 4 Rn. 1/140). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können (OLG Düsseldorf, MD 2008, 49, 52 f.). Unzulässig ist es außerdem, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen (BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II; GRUR 2002, 273, 274 - Eusovit; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183; Fezer/Reinhart, UWG, 2. Aufl., § 4-S 4 Rn. 452).

Darüber hinaus kann es irreführend sein, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (OLG Hamburg, PharmR 2007, 204, 206 mwN; Weidert in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. C-172; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 454; vgl. auch Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183). Ein solcher Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt zum einen in Betracht, wenn die als Beleg angeführte Studie den vom 16 Verkehr nach den Umständen des Einzelfalls zugrundegelegten Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg nicht entspricht. Eine Irreführung liegt zum anderen regelmäßig dann vor, wenn die in Bezug genommene Studie selbst Zweifel erkennen lässt, die Werbung indessen diese Einschränkungen nicht wiedergibt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Studie selbst, nicht aber die auf diese Studie bezogene Werbung abweichende Studienergebnisse nennt, wenn die Studie die in der Werbung behaupteten Ergebnisse nicht für bewiesen hält oder wenn sie lediglich eine vorsichtige Bewertung der Ergebnisse vornimmt, die Werbung dieses Ergebnis aber als gesichert darstellt. In diesen Fällen geht es nicht darum, ob die Werbeaussage für sich genommen inhaltlich richtig ist, weil sie gegebenenfalls auf andere Studien gestützt werden könnte. Die Irreführung ergibt sich vielmehr bereits daraus, dass die durch die uneingeschränkt aufgestellte werbliche Behauptung in Bezug genommene Studie selbst die Aussage nicht oder nicht uneingeschränkt trägt und der Arzt in seinem Vertrauen enttäuscht wird, die durch eine Studie angeblich wissenschaftlich belegte Aussage unmittelbar durch diese Studie überprüfen zu können, ohne gewärtigen zu müssen, dass die als Beleg aufgeführte Studie nur teilweise, mittelbar oder nur im Zusammenhang mit anderen, nicht genannten Studien (möglicherweise) valide ist und die Werbebehauptung stützen kann. Dies beeinträchtigt die Sicherheit ärztlicher Therapieentscheidungen auf der Grundlage mit wissenschaftlichen Studien belegter Werbeaussagen und stellt deshalb wegen der besonderen Bedeutung des Schutzgutes der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung grundsätzlich eine relevante Irreführung dar (vgl. OLG Hamburg, PharmR 2007, 204, 206 mwN; Weidert in Harte/Henning aaO § 5 Rn. C-172; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 454; vgl. auch EuGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - C-249/09, Rn. 50 - juris).

2. Die Revision rügt mit Erfolg, dass der Beleg für den behaupteten Gewichtsvorteil durch die Gabe von Levemir¨ mit der in Fußnote 4 in Bezug ge-18 nommene angegebene Rosenstock-Studie den an die Zitatwahrheit zu stellenden Anforderungen nicht genügt.

a) Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 - I ZR 51/06, GRUR 2009, 75 Rn. 26 = WRP 2009, 51 - Priorin, zu Art. 3 der Richtlinie 1999/21/EG über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke; Beschluss vom 1. Juni 2011 - I ZR 199/09, MD 2011, 583 f.; Urteil vom 15. März 2012 - I ZR 44/11, GRUR 2012, 1164 Rn. 20 = WRP 2012, 1386 - ARTROSTAR, zu § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV; vgl. im Einzelnen auch Riegger, Heilmittelwerberecht, Kap. 3 Rn. 33 ff.).

Ob auch nicht prospektive, sondern nachträglich anhand vorliegender Studiendaten im Rahmen einer sogenannten Subgruppenanalyse oder im Wege der Zusammenfassung mehrerer wissenschaftlicher Studien (Metaanalyse) erstellte Studien eine Werbeaussage tragen können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei wird es für die Frage der Irreführung neben der Einhaltung der für diese Studien geltenden wissenschaftlichen Regeln vor allem darauf ankommen, ob der Verkehr in der Werbung hinreichend deutlich auf die Besonderheiten der Art, Durchführung oder Auswertung dieser Studie und gegebenenfalls die in der Studie selbst gemachten Einschränkungen im Hinblick 19 auf die Validität und Bedeutung der gefundenen Ergebnisse hingewiesen und ihm damit die nur eingeschränkte wissenschaftliche Aussagekraft der Studie vor Augen geführt wird (vgl. OLG Hamburg, MD 2007, 1189, 1195; MD 2008, 55, 61; Riegger aaO Kap. 3 Rn. 40 f.). Diesen Anforderungen genügt die durch einen Fußnotenverweis mit der Rosenstock-Studie belegte Werbung der Beklagten nicht.

b) Mit Erfolg macht die Revision insoweit geltend, die in dieser Studie im Vergleich zu einer einmaligen Gabe von Insulinglargin festgestellte geringere Gewichtszunahme sei nicht wissenschaftlich gesichert, weil dieses Ergebnis nach dem Vortrag der Klägerin nur ein Nebenprodukt der Studie sei. Die Patienten, die nur einmal täglich das Arzneimittel der Beklagten genommen hätten (45%), seien nachträglich zu einer sogenannten Subgruppe zusammengefasst worden, ohne dass für diese nachträglich gebildete Gruppe die allgemein geltenden Bedingungen für eine klinische Studie wie etwa eine Randomisierung eingehalten worden seien. Ferner hat die Klägerin geltend gemacht, die Verfasser der Studie hätten selbst erkannt und auch festgehalten, dass die Studie insoweit keine definitiven Rückschlüsse zulasse. Das Berufungsgericht hat keine abweichenden Feststellungen getroffen, so dass insoweit revisionsrechtlich von der Richtigkeit des Klagevortrags auszugehen ist.

c) In der mit den Anträgen zu 1 a und c sowie mit den Anträgen zu 2 und 3 beanstandeten Werbung werden dem Verkehr diese gegen die Aussagekraft der jeweils in der Fußnote 4 in Bezug genommenen Rosenstock-Studie nicht mitgeteilt. Das Berufungsgericht hat auch sonst keine besonderen Umstände festgestellt, die im Streitfall dafür sprechen könnten, dass die von der angegriffenen Werbung angesprochenen Ärzte der als Fußnotenbeleg angegebenen Studie einen lediglich eingeschränkten Aussagegehalt in Bezug auf die 21 statistische Signifikanz oder den von den Studienverfassern selbst ihrer Studie beigemessenen Beweiswert entnehmen.

Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass - wie noch dargelegt werden wird (dazu unten Rn. 33 ff.) - sowohl in der Zulassung für Levemir¨ als auch in der entsprechenden Fachinformation die bei der Verabreichung von Levemir¨ im Vergleich zu Insulinglargin geringere Gewichtszunahme angeführt ist und daher grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass dieser Umstand als hinreichend wissenschaftlich gesichert gelten kann, sofern die Klägerin keine Umstände darlegt und gegebenenfalls beweist, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen. Wie ausgeführt, geht es bei der Irreführung unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit allein um die Frage, ob die durch die uneingeschränkt aufgestellte werbliche Behauptung in Bezug genommene Studie selbst die Aussage uneingeschränkt trägt.

3. Das Berufungsurteil, dass sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist (§ 561 ZPO), kann danach im Hinblick auf die Abweisung der Anträge zu 1 a und c sowie 2 und 3 keinen Bestand haben.

II. Die Revision bleibt dagegen erfolglos, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge zu 1 b und d richtet.

1. Eine Irreführung unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt insoweit nicht in Betracht. Die mit den Anträgen zu 1 b und d angegriffenen werblichen Aussagen nehmen nicht auf die problematische Fußnote 4 (Studie von Rosenstock und anderen) Bezug. Die Revision hat zudem nicht dargelegt, dass die mit dem Antrag zu 1 b beanstandete Werbung deswegen irreführend ist, weil auf der Grundlage der Feststel-23 lungen des Berufungsgerichts oder eines verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigten Vorbringens der Klägerin die dort mit der Fußnote 1 in Bezug genommene Studie ("Plank J et al.") die Werbebehauptung "Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil1" nicht hinreichend belegen kann. Die mit dem Antrag zu 1 d angegriffene Werbung "Gewichtsvorteil?! Das ist prima!" ist durch keinerlei Fußnoten belegt. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Umstand auch nicht deswegen unerheblich, weil diese Angabe im Zusammenhang mit den übrigen Werbeaussagen steht und den dort verwendeten und mit Fußnoten belegten Begriff "Gewichtsvorteil" übernimmt. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der angesprochene Verkehr die Rosenstock-Studie auch als Beleg der mit dem Antrag zu 1 d angegriffenen Aussage in Verbindung bringt, obwohl die Werbung insoweit gerade keinen Fußnotenbezug herstellt. Die Revision rügt auch nicht, dass das Berufungsgericht einen in diese Richtung gehenden Klagevortrag rechtsfehlerhaft übergangen habe.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Behauptung "Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil" sei nicht als irreführende Alleinstellungsbehauptung unzulässig.

Zwar kann auch die Verwendung des bestimmten Artikels vom Verkehr als Hinweis auf eine Spitzenstellung verstanden werden. Für eine solche Annahme bedarf es indessen besonderer Umstände, die vor allem in der Verbindung mit einem Eigenschaftswort von empfehlender Bedeutung liegen können oder sonst erkennen lassen, dass der Akzent der werblichen Aussage auf dem Artikel liegt (BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - I ZR 110/96, GRUR 1998, 951, 953 = WRP 1998, 861 - Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.146 f.).

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es im Streitfall an besonderen Umständen fehlt, unter denen die Verwendung eines bestimmten Artikels eine Alleinstellung des beworbenen Produkts zum Ausdruck bringt. Diese im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellungen des Berufungsgerichts zur Verkehrsauffassung sind nur darauf vom Revisionsgericht zu überprüfen, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.

3. Vergeblich rügt die Revision schließlich, dass mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung im Streitfall nicht davon ausgegangen werden könne, dass die beanstandeten Behauptungen eines Gewichtsvorteils hinreichend wissenschaftlich gesichert seien.

a) Das vom Berufungsgericht in seiner Urteilsbegründung in Bezug genommene landgerichtliche Urteil ist davon ausgegangen, dass der Umstand eines Gewichtsvorteils von Levemir¨ gegenüber Insulinglargin durch die Inhalte der Arzneimittelzulassung und der Fachinformation hinreichend belegt werde. Es sei deshalb Sache der Klägerin, darzulegen und zu beweisen, dass der beworbene Gewichtsvorteil nicht dem wissenschaftlichen Standard entspreche. Dies sei ihr nicht gelungen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

b) Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger. Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt allerdings dann in Betracht, wenn der Beklagte mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben hat, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Der Werbende übernimmt in einem derartigen Fall dadurch, dass er eine be-29 stimmte Aussage trifft, die Verantwortung für die Richtigkeit, die er im Streitfall auch beweisen muss (BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II). Ob die beanstandete Aussage wissenschaftlich umstritten ist, muss wiederum vom Kläger dargelegt und bewiesen werden (OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 88, 89; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 450; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 45 mwN). Eine entsprechende Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gilt, wenn der Kläger darlegt und nachweist, dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen, auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen (OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 88, 89) oder sogar jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung fehlt (OLG Düsseldorf, MD 2008, 49, 52 f.; OLG Hamburg, PharmR 2011, 99, 102; Weidert in Harte/Henning aaO § 5 Rn. C-175; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 4 Rn. 1/140; Zimmermann, HWG, § 3 Rn. 5).

c) Welche Anforderungen dabei an das Merkmal der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2011 - I ZR 199/09, MD 2011, 583 f.) und ist wiederum vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat.

d) Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze hinreichend beachtet. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich ein Werbender zum wissenschaftlichen Nachweis der Richtigkeit seiner werblichen Behauptung in Bezug auf Eigenschaften eines Arzneimittels grundsätzlich auf den Inhalt der Zulassung und der Fachinformation berufen kann.

aa) Im Hinblick auf Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels wörtlich oder sinngemäß entsprechen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass sie im Zeitpunkt der Zulassung dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen (vgl. Doepner, HWG, 2. Aufl., § 3 Rn. 72; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 27; Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand: August 1998, § 3 Rn. 15; Zimmermann aaO § 3 Rn. 4; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 455). Dies gilt zunächst für Angaben, die sich auf die therapeutische Wirksamkeit beziehen. Denn gemäß § 25 Abs. 2 Satz 3 AMG fehlt die für eine Zulassung notwendige therapeutische Wirksamkeit, wenn der Antragsteller nicht entsprechend dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Ergebnisse nachweist, dass sich mit dem Arzneimittel therapeutische Ergebnisse erzielen lassen. Hat ein Präparat die Hürde der Zulassung genommen, kann also grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Wirkungsangaben dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen. Weitergehend wird der Inhalt der Zulassung im Regelfall aber auch als hinreichender Beleg für Werbebehauptungen gelten können, die - wie im Streitfall - nicht die zum Anwendungsgebiet gehörenden, sondern darüber hinausgehende Wirkungen und pharmakologische Eigenschaften beschreiben. Aus § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG, wonach die Zulassungsbehörde die Zulassung versagen darf, wenn das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist, ergibt sich, dass auch diese nicht unmittelbar das Anwendungsgebiet betreffenden Eigenschaften Gegenstand der behördlichen Prüfung sind. Grundlage der Zulassungsentscheidung sind alle vom Antragsteller in Übereinstimmung mit den §§ 22, 23 und 24 AMG eingereichten Unterlagen, die von der Zulassungsbehörde dahingehend zu prüfen sind, ob sie die beantragte Zulassung rechtfertigen (Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 25 Rn. 16; Kügel, AMG, § 25 Rn. 117 f.).

bb) Für Aussagen, die den Angaben in der Fachinformation gemäß § 11a HWG entsprechen, gilt regelmäßig nichts anderes (Riegger aaO Kap. 3 Rn. 29). Diese Angaben sind nach § 22 Abs. 7 Satz 1, § 25 Abs. 5 Satz 1 AMG im Zulassungsverfahren ebenfalls Gegenstand der behördlichen Prüfung. Diese Grundsätze gelten zudem, wenn das Arzneimittel - wie im Streitfall - im Wege des zentralen Zulassungsverfahrens von der Europäischen Kommission zugelassen ist (vgl. § 37 Abs. 1 AMG in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004/EG vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur).

e) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts entspricht die im Streitfall von der Klägerin angegriffene Behauptung eines Gewichtsvorteils inhaltlich dem Wortsinn der in der Zulassung und der Fachinformation des Arzneimittels Levemir¨ festgehaltenen Angaben.

aa) Das vom Berufungsgericht in Bezug genommene landgerichtliche Urteil hat sich zutreffend auf den Inhalt der Zulassung und der Fachinformation gestützt. Dort ist ausgeführt, dass Studien bei Patienten mit Typ 2 Diabetes, die mit Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika behandelt wurden, gezeigt haben, dass die Blutzuckereinstellung (HbA1c) mit Levemir¨ mit der unter NPH-Insulin und Insulinglargin vergleichbar, dabei aber mit weniger Gewichtszunahme verbunden ist. So heißt es in der Zulassung sowie der Fachinformation (Stand: Dezember 2009) für Levemir¨ unter der Überschrift "Pharmakodynamische Eigenschaften" gleichlautend unter anderem:

Studien bei Patienten mit Typ 2 Diabetes, die mit Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika behandelt wurden, zeigten, dass die Blutzuckereinstellung (HbA1c) mit Levemir¨ mit der unter NPH-Insulin und Insulinglargin vergleichbar und mit weniger Gewichtszunahme verbunden ist (siehe Tabelle 2).

... 36 Studiendauer Insulindetemireinmal täglich Insulindetemirzweimal täglich NPH-Insulin Insulinglargin 20 Wochen

+ 0,7 kg

+ 1,6 kg 26 Wochen

+ 1,2 kg

+ 2,8 kg 52 Wochen

+ 2,3 kg

+ 3,7 kg

+ 4,0 kgbb) Vergeblich wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der angesprochene Fachkreis verstehe die angegriffenen Behauptungen eines Gewichtsvorteils im Sinne einer geringeren Gewichtszunahme, wie sie in der Zulassung und der Fachinformation für Levemir¨ beschrieben sei.

Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Klägerin außer Acht gelassen, wonach die geringere Gewichtszunahme (von 1,6 kg) nur für eine Untergruppe von Patienten festgestellt worden sei, die nur einmal täglich Insulindetemir erhalten hätten. Die Mehrzahl der Patienten habe jedoch eine zweimalige Gabe erhalten, was zu einer geringeren Gewichtszunahme (von nur 0,3 kg) geführt habe. Ein derart geringer Wert habe keine klinische Relevanz und stelle deshalb auch keinen "Vorteil" im Sinne der Werbung der Beklagten dar. Damit hat die Revision keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt. Es hat insoweit angenommen, der durch das Werbefaltblatt angesprochene Verkehr werde der Werbung ausschließlich einen Bezug auf eine täglich einmalige Gabe beimessen. Zudem werde nach der Verkehrsauffassung kein klinisch relevanter Gewichtsvorteil behauptet, sondern ein solcher, der für den Patienten von psychologischer Bedeutung sein könne, weil jedes vermiedene Gramm Gewichtszunahme den in der Überschrift des Faltblattes hervorgehobenen "Einstieg in die Insulintherapie" erleichtern könne. Damit fehle es sowohl an einer Irreführung als auch an den Voraussetzungen einer unzulässi-

gen vergleichenden Werbung. Diese tatrichterlichen Feststellungen zur Verkehrsauffassung lassen keine Rechtsfehler erkennen.

f) Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe keine Umstände dargelegt, die die indizielle Bedeutung der Zulassung und der Fachinformation für den Nachweis einer hinreichenden wissenschaftlichen Sicherung der aufgestellten Behauptung eines Gewichtsvorteils erschüttern.

aa) Allerdings gilt der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Zulassung des Arzneimittels nicht uneingeschränkt, sondern findet seine Grenze in seiner Eigenschaft als Regelung der Darlegungs- und Beweislast. Daraus ergibt sich, dass eine Irreführung dann in Betracht kommt, wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (vgl. Doepner aaO § 3 Rn. 72; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 28; Gröning aaO § 3 Rn. 15).

bb) Daran fehlt es im Streitfall. Die Revision macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit dem von der Klägerin gehaltenen Vortrag auseinandergesetzt, wonach wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen eine von der Zulassungsbehörde angenommene geringere Gewichtszunahme sprechen.

(1) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung und die Fachinformation belegten Aussagen mit dem Vorbringen, die der Zulassung zugrundeliegende Rosenstock-42 Studie entspreche nicht den fachlich anerkannten wissenschaftlichen Standards und enthalte zudem einschränkende Interpretationen der Studienverfasser im Hinblick auf das Ergebnis einer geringeren Gewichtszunahme, so dass ihre Ergebnisse medizinstatistisch nicht signifikant seien. Zwar entspricht - wie dargelegt - das Design der Studie nicht dem medizinstatistischen "Goldstandard" im Sinne einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts waren jedoch die Studie, ihre wissenschaftliche Methodik und die von den Verfassern gemachten Einschränkungen den Fachbehörden im Zulassungsverfahren bekannt. Die Revision wendet sich auch nicht gegen die weitere Feststellung des Landgerichts, die Klägerin habe keine neuen Umstände dargetan, die zu einer Revidierung der Bewertung der Zulassungsbehörde führen könnten. Unter diesen Umständen ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, die Klägerin habe die tatsächliche Vermutung nicht erschüttern können, die aufgrund der erfolgten Zulassung und der dort in Bezug genommenen Rosenstock-Studie für eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung der werblichen Behauptung eines Gewichtsvorteils streite.

(2) Nicht durchgreifend ist auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit dem von der Klägerin vorgelegten Abschlussbericht "Langwirksame Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2" des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) vom 26. Februar 2009 und dem dazu gehaltenen Vortrag auseinandergesetzt. Die Revision verweist insofern auf den Vortrag der Klägerin, wonach in diesem Bericht festgestellt worden sei, dass sowohl die klinische Relevanz der bei der Gabe von Insulindetemir beobachteten geringeren Gewichts-46 zunahme als auch die Nachhaltigkeit dieser Wirkung zweifelhaft seien, da nur Studien mit einer Laufzeit von zwölf Monaten vorlägen. Es sei dort auch ausdrücklich festgehalten worden, dass die geringere Gewichtszunahme auch unerwünscht sein könne.

Das vom Berufungsgericht insoweit in Bezug genommene landgerichtliche Urteil ist davon ausgegangen, dass der Abschlussbericht des IQWIG vom 26. Februar 2009 auf einer Auswertung fremder Studien und einer Anhörung, nicht aber auf einer neuen eigenen Studie beruhe. Die Feststellung, dass die klinische Relevanz der geringeren Gewichtszunahme unklar sei, sei eine Schlussfolgerung aus Bekanntem, die zur Rosenstock-Studie nicht im Widerspruch stehe. Es komme nicht auf die klinische Relevanz des Gewichtsvorteils an, weil eine solche in der angegriffenen Werbung nicht behauptet werde. Der im Abschlussbericht ausgedrückte Zweifel, ob der Gewichtseffekt nachhaltig sei, sei nicht dazu geeignet, die durch die Angabe in der Zulassung und der Fachinformation begründete Vermutung zu widerlegen. Die Dauer der Rosenstock-Studie sei der Zulassungsbehörde bekannt gewesen. Konkrete Anhaltspunkte für neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine mangelnde Nachhaltigkeit belegten, gebe es nicht. Die Klägerin habe nur dargetan, dass die Frage der Nachhaltigkeit aus der Sicht des Abschlussberichts unklar sei. Eine solche Unsicherheit sei nicht geeignet, einen nachhaltigen Gewichtsvorteil zu widerlegen.

Diese im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegenden Ausführungen lassen keine Rechtsfehler erkennen.

C. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuweisen. Denn der Senat kann die Sache auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. 47 Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen zu Design und wissenschaftlicher Validität der in der Fußnote 4 in Bezug genommenen Rosenstock-Studie getroffen. Ferner hat das Berufungsgericht sich bislang nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob und inwieweit die Verfasser der Studie selbst erkannt und auch zum Ausdruck gebracht haben, dass die Studie keine definitiven Rückschlüsse auf den Gesichtspunkt der geringeren Gewichtszunahme zulasse. Es fehlen bislang auch Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, wie der angesprochene Fachkreis die beanstandete Werbung mit dem Gewichtsvorteil mit Bezug auf die Fußnote 4 versteht. Insoweit wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass hier das Verständnis der mit dem Werbefolder angesprochenen Ärzte, mithin eines Fachkreises, zu dem die Mitglieder des Berufungsgerichts nicht gehören, maßgebend ist. Eine verfahrensfehlerfreie Feststellung der Verkehrsauffassung setzt deshalb die Darlegung voraus, dass die Mitglieder des Berufungsgerichts über ein zur Feststellung der hier 50 maßgebenden Verkehrsauffassung hinreichendes Erfahrungswissen verfügen (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 254 - Marktführerschaft; BGH, Urteil vom 15. April 2010 - I ZR 145/08, GRUR 2010, 1125 Rn. 50 = WRP 2010, 1465 - Femur-Teil, mwN).

Bornkamm Pokrant Kirchhoff Koch Löffler Vorinstanzen:

LG Berlin, Entscheidung vom 09.06.2009 - 15 O 704/07 -

KG Berlin, Entscheidung vom 22.02.2011 - 5 U 87/09 -