VG Köln, Urteil vom 22.01.2013 - 14 K 5484/11.A
Fundstelle
openJur 2013, 20449
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtskosten erhoben werden, tragen die Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2013 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht zum Termin erschienen ist, denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Die Beklagte ist form- und fristgerecht mit Empfangsbekenntnis geladen worden.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte noch auf die begehrte Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG oder einen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf Afghanistan.

Die Kläger haben nach der im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte. Nach Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Die politische Verfolgung i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG muss dabei vom Staat selbst ausgehen bzw. diesem zumindest zurechenbar sein. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Kläger tragen vor, sie seien von den Taliban verfolgt worden. Diese haben in Afghanistan jedoch keine - auch nicht örtlich begrenzt in der Provinz Ghazni - staatliche Gewalt oder staatsähnliche Herrschaftsmacht. Es mangelt insoweit jedenfalls an der Existenz einer stabilisierten Gebietsgewalt und deren dauerhafte Ausübung. Die Taliban sind in der Provinz Ghazni auch nicht für die afghanische Zentralregierung zurechenbar tätig.

Unabhängig davon konnte das Gericht aber auch nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass die Kläger vor der Ausreise aus Afghanistan Verfolgungsmaßnahmen erlitten haben oder von solchen Verfolgungsmaßnahmen unmittelbar bedroht waren. Sowohl der Vortrag im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt als auch die Aussagen im Rahmen der informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung blieben äußerst vage und oberflächlich. Sie wiesen keinen Detailreichtum auf, den man auch unter Berücksichtigung des Bildungsstandes der Kläger erwarten kann, wenn man berücksichtigt, dass gerade das behauptete Verfolgungsschicksal ein einschneidendes und prägendes Erlebnis im Leben der Kläger sein muss. Der Vortrag der Kläger begnügt sich mit der Darstellung einer Rahmengeschichte, ohne dass Einzelheiten oder vermeintlich unwichtige Nebenaspekte - trotz intensiver Nachfragen - erwähnt werden. Zudem finden sich Widersprüche, die nicht entkräftet werden konnten. Dies führt zu der Überzeugung, dass die Kläger die geschilderten Ereignisse selbst nicht erlebt haben. Das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ging über das Vorbringen in der Anhörung beim Bundesamt nicht hinaus. Die Kläger begnügten sich mit der Wiedergabe äußerer Umstände. Der zeitlich frühere Vorfall im August 2010 reduziert sich darauf, dass die Taliban offen im Auto liegende Schulunterlagen der Klägerin zu 2.) zum Anlass genommen hätten, den Kläger zu 1.) zu beschimpfen und zu verletzen und der Klägerin zu 2.) zu drohen. Der zweite Vorfall im Januar 2011 lässt sich dahingehend wiedergeben, dass die Kläger zunächst von Taliban kontrolliert und wenig später von der Polizei durchsucht worden seien. Dabei soll der Kläger zu 1.) den Ort der Taliban verraten haben und die Sicherheitskräfte in der Folge die Taliban angegriffen haben. Die Schilderungen der konkreten Kontrollen durch die Taliban und der Polizei weisen dabei durchaus eine überzeugende Detailschärfe auf, so dass das Gericht davon ausgeht, dass die Kläger derartige Durchsuchungen und Kontrollen tatsächlich selbst erlebt haben. Auch die Tatsache, dass die Klägerin zu 2.) am 10. Januar 2011 aufgrund gesundheitlicher Probleme im Krankenhaus in Ghazni-Stadt war, wird vom Gericht nicht in Zweifel gezogen. Die geschilderte Rahmengeschichte mag demnach durchaus so oder ähnlich stattgefunden haben. Jedoch kann daraus nicht auf die behauptete Verfolgung durch die Taliban geschlossen werden. Zunächst verwundert bereits, dass nach dem behaupteten Vorfall im August 2010 keine weiteren Vorkommnisse geschehen sein sollen. Trotz Drohung durch die Taliban blieben die Kläger in Ghazni bei den Eltern des Klägers zu 1.) wohnen, obwohl dieser in Kabul als Taxifahrer gearbeitet hat. Sollten sich die Kläger infolge dieses Vorfalls tatsächlich bedroht gefühlt haben, hätte es nahegelegen, zumindest vorübergehend bei den Eltern der Klägerin zu 2.) in Kabul zu leben; zumal die Klägerin zu 2.) dann dort noch den beabsichtigen Schulabschluss unbehelligt hätte erreichen können. Insoweit scheint dieser Vorfall auch nicht fluchtauslösend zu sein. Erst fünf Monate später, nach dem zweiten Vorfall, haben die Kläger ihrem eigenen Vortrag nach die Provinz bereits am Folgetag verlassen. Auch hinsichtlich dieses Vorfalls ergeben sich einige unglaubhafte Aussagen. Die behaupteten kausalen Abläufe können nicht überzeugen. So soll die Kontrolle durch die Taliban gegen 21:00 Uhr bzw. 21:30 Uhr stattgefunden haben. Am frühen nächsten Morgen sollen die Kläger bereits durch den Vater des Klägers zu 1.) im Krankenhaus gewarnt und zur Flucht bewogen worden sein. In der Zwischenzeit sollen bzw. müssen denknotwendig folgende Ereignisse stattgefunden haben: Kontrolle durch die Polizei; Organisation des Einsatzes der Streitkräfte; Einsatz der Streitkräfte; Verdacht der Taliban, dass die Kläger sie verraten haben; Herausfinden der Identität der Kläger sowie deren gewöhnlicher Aufenthaltsort bei den Eltern des Klägers zu 1.); zweimaliges Aufsuchen des Elternhauses. Sowohl die Kausalität zwischen dem Angriff der Streitkräfte und dem Verrat durch den Kläger zu 1.) als auch das Herausfinden der Identität der Kläger ist dabei zweifelhaft. Der Vortrag des Klägers zu 1.) wird an diesen entscheidenden Punkten im Vergleich zum sonstigen Vorbringen äußerst vage und oberflächlich. Sie seien das einzige Auto auf der Strecke gewesen und er sei der einzige Inhaber eines weißen PKW. Dies kann nicht überzeugen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1.) angegeben, dass sowohl die Taliban als auch die Polizei auf der Hauptstraße kontrolliert hätte. Diese Straße sei einer der Hauptzubringer des Autoverkehrs nach Ghazni-Stadt. In Zusammenhang mit der Polizeikontrolle führte er aus, dass dort sehr viele Polizisten gewesen seine und viele Autos kontrolliert hätten. Von daher überzeugt es nicht, dass sein PKW der einzige auf der Strecke zwischen den Taliban und der Polizeikontrolle gewesen sein soll. Und nur in diesem Fall könnten die Taliban mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Kläger zu 1.) sie ggf. verraten haben könnte. Ähnliches gilt für das Herausfinden der Identität der Kläger. Der Kläger zu 1.) gab er, dass er keinen der Taliban gekannt habe und diese ihn auch nicht kennen würden. Anhaltspunkt sei allein sein weißer PKW gewesen. Es mag zwar sein, dass der Kläger zu 1.) in seinem Dorf der einzige Inhaber eines weißen PKW ist. Dies wird jedoch nicht für die ganze Region gelten, die die befahrene Hauptstraße mit der Stadt Ghazni verbindet. Jedenfalls ist es mehr als unwahrscheinlich, dass die Taliban noch in der Nacht herausgefunden haben sollen, dass der Kläger zu 1.) als einziger Fahrer in Betracht kommt. Dann können die Kläger auch keine genauen Angaben zur Anzahl der Taliban an diesem Abend machen. Der Kläger zu 1.) gibt zunächst an, dass er die Anzahl nicht wisse. Später sagt er, es seien fünf bis acht Personen gewesen. Die Klägerin zu 2.) will aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage gewesen sein, irgendwelche Wahrnehmungen gemacht zu haben. Später sagt sie, es seien drei bis vier Taliban gewesen. Auch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen können die Glaubhaftigkeit des Vorbringens nicht begründen. Im Gegenteil weisen sie in einem Punkt Verstärkungstendenzen auf und widersprechen sich in einem weiteren Punkt. So hat der Kläger zu 1.) in der Anhörung beim Bundesamt noch angegeben, dass ein Taliban bei der Auseinandersetzung verletzt worden sei. Das Dokument der Taliban spricht von einem Toten und vier Verletzten. Das staatliche Dokument erwähnt gar einige Tote und Verletzte. Zudem deckt sich gerade das Dokument, welches vom afghanischen Innenministerium stammen soll, nicht mit dem Vortrag. In dem Schreiben wird zunächst ein anderes Datum erwähnt (14. Januar 2011 statt dem 10. Januar 2011). Zudem soll sich der Kläger zu 1.) alleine - seine Frau sei bereits im Krankenhaus gewesen - auf dem Rückweg von Ghazni-Stadt in sein Dorf befunden haben und dann einen Hinterhalt der Taliban der Polizei gemeldet haben. Hier weicht das Dokument in eklatanter Weise vom Vortrag der Kläger ab.

Aus den geschilderten Gründen, die der Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Kläger entgegenstehen, scheidet auch ein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG aus. Demnach können sich die Kläger auch nicht auf die Privilegierung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutz (ABl. EU Nr. L 304, S. 12) -sog. Qualifikationsrichtlinie (QRL)- berufen, da die Kläger eine Vorverfolgung nicht glaubhaft vorgebracht haben.

Die Kläger haben ebenfalls keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung eines der auf Gemeinschaftsrecht zurückgehenden Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Bezug auf Afghanistan. Dabei ist zu beachten, dass typischerweise vorrangig die Feststellung eines Abschiebungsverbots der in den genannten Vorschriften normierten Abschiebungsverbote begehrt wird. Der Hilfsantrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf das Herkunftsland ist seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im Asylprozess sachdienlich dahin auszulegen, dass in erster Linie die Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird,

vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 -10 C 43/07-, juris Rn. 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2010 -10 C 10/09-, NVwZ 2011, 48, 49.

Das gilt zunächst im Hinblick auf die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG, da sich aus dem Vorbringen der nicht vorverfolgt ausgereisten Kläger keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen ergeben. Weder besteht für die Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan die für die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG erforderliche konkrete Gefahr, einer Verfolgung oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, noch werden sie wegen einer Straftat gesucht (§ 60 Abs. 3 AufenthG).

Ebenfalls haben die Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Bezug auf Afghanistan. Das durch das Richtlinienumsetzungsgesetz neu eingefügte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dient der Umsetzung der Regelung über den subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c QRL. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Schutzgewährung greift auch dann ein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt nur auf ein Teil des Staatsgebietes erstreckt,

vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 -10 C 43.07-, BVerwGE 131, 198.

Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht auszulegen. Dabei sind insbesondere die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 und das Zusatzprotokoll II vom 08. Juni 1977 (ZP II) heranzuziehen. Danach liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt die Kriterien des Art. 1 Nr. 1 ZP II erfüllt. Er liegt hingegen nicht vor, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt sind, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Für zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegende Konflikte ist die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c QRL nicht von vornherein ausgeschlossen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen und eine bestimmte Größenordnung erreichen,

so zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 -10 C 43.07-, a.a.O. und vom 27. April 2010 -10 C 4.09-, BVerwGE 136, 360.

Nach der vorzitierten Entscheidung des BVerwG vom 27. April 2010 -10 C 4.09- findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze, wo ihr Zweck der Schutzgewährung von Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht sind, entgegensteht. Mit Blick auf diesen Zweck setzt nach Auffassung des BVerwG das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c QRL nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Kreuzes erforderlich ist (vgl. Art 1 Abs. 1 ZP II). Vielmehr kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss.

Bei der Prüfung, ob eine "erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben" i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bzw. eine entsprechende "ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt" i.S.v. Art. 15 Buchst. c QRL vorliegt, ist zu berücksichtigen, dass sich auch eine allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Personen ausgeht, die nach dem Erwägungsgrund Nr. 26 der QRL allein nicht ausreichend ist, individuell so verdichten kann, dass sie die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c QRL erfüllt,

vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 -10 C 43.07-.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des BVerwG kann eine solche individuelle Verdichtung ausnahmsweise dann angenommen werde, wenn der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne des Art. 15 Buchst. c QRL ausgesetzt zu sein. Eine derartige Verdichtung bzw. Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann sich aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann aber unabhängig davon ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Hierfür sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt bzw. zu der sogenannten Gefahrendichte erforderlich, d.h. eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Hierzu gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann,

vgl. BVerwG, vom 27. April 2010 -10 C 4.09-, BVerwGE 136, 360; Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 06. März 2012 -A 11 S 3177/11-.

Bei der Ermittlung des erforderlichen Niveaus willkürlicher Gewalt i.S.v. Art 15 Buchst. c QRL in einem bestimmten Gebiet sind nicht nur solche Gewaltakte der Konfliktparteien zu berücksichtigen, die gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts verstoßen, sondern auch andere Gewaltakte der Konfliktparteien, durch die Leib oder Leben von Zivilpersonen wahllos und unbeachtet ihrer persönlichen Situation verletzt werden,

vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 -Rs. C - 465/07 -Elgafaji-, NVwZ 2009, 705; BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 -10 C 9.08-, BVerwGE 134, 188; Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09-, a.a.O.

In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 Buchst. e der QRL,

vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 -10 C 13/10-, juris, Rn. 20.

Besteht ein bewaffneter Konflikt mit einem solchen Gefahrengrad nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehrt. Ein Abweichen von dieser Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ihm Schutz gewähren soll,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2012 -10 B 22/12-; zur Frage der "tatsächlichen Zielregion" OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2012 -13 A 2010/12.A-; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06. März 2012 -A 11 S 3177/11-.

Schließlich darf für den Ausländer keine Möglichkeit internen Schutzes gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 QRL bestehen. Nach Art. 8 Abs. 1 QRL können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Zur Frage, wann von dem Ausländer "vernünftigerweise erwartet werden kann", dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, wird vorausgesetzt, dass der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet sei,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2012 -10 B 22/12-, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11/07-; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06. März 2012 -A 11 S 3177/11-.

Gemessen an diesen Grundsätzen kann die Frage, ob die in Afghanistan oder Teilen von Afghanistan stattfindenden gewalttätigen Auseinandersetzungen nach Intensität und Größenordnung als vereinzelt auftretende Gewalttaten im Sinn von Art. 1 Nr. 2 ZP II oder jedenfalls als innerstaatlicher Konflikt im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu qualifizieren sind, dahinstehen, weil die Kläger in ihrer Heimat - das Vorliegen einer allgemeinen Gefahr aufgrund eines innerstaatlichen Konflikts unterstellt - als Angehöriger der Zivilbevölkerung jedenfalls keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre,

vgl. bzgl. Ghazni insoweit auch: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2012 -8 A 11048/10.OVG-, VG Köln, Urteil vom 23. Oktober 2012 -14 K 5476/11.A- und vom 04. September 2012 -14 K 6744/10.A-.

Der Kläger zu 1.) stammt nach seinen Angaben aus der südwestlich von Kabul liegenden Provinz Ghazni. Nach der Heirat zog auch die Klägerin zu 2.), die aus Kabul stammt, dorthin. Dort haben sie ihren Angaben zufolge bis zur Ausreise im Jahr 2011 gelebt. Lediglich die letzten zehn bis 14 Tage hätten sie in Kabul bei den Eltern der Klägerin zu 2.) verbracht. Angesichts der aktuellen Auskunftslage verdichtet sich die für eine Vielzahl von Zivilpersonen aus dem Konflikt entstehende allgemeine Gefahr in der Provinz Ghazni nicht so, dass sie für die Kläger eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellen würde,

vgl. VGH München, Urteil vom 08. Dezember 2011 -13a B 11.30276- unter Bezugnahme auf die aktuellen Sicherheitslage und Berücksichtigung der maßgeblichen Opfer- und Anschlagszahlen; Urteil vom 03. Juli 2012 -13a B 11.30064- und Beschluss vom 27. Juni 2012 -13a ZB 12.30213-; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2012 -8 A 11048/10.OVG-, jeweils juris.

Die Provinz Ghazni hat eine Bevölkerungszahl von geschätzt ca. 1.149.000 Einwohnern, die sich auf eine Gesamtfläche von 22.914 km2 verteilt,

vgl. Daten vom Central Statistics Office Afghanistan, abrufbar unter: http://www.geohive.com/cntry/afghanistan.aspx?levels.

Nach den Quartalsberichten des Afghanistan NGO Safety Office (ANSO),

vgl. ANSO, Quartalsberichte 1/2011 (April 2011), 2/2011 (Juli 2011), 1/2012 (April 2012) 2/2012 (Juli 2012) und 3/2012 (Oktober 2012),

wurden in der Provinz Ghazni im Jahr 2010 1.544 und im Jahr 2011 1.679 Anschläge von aufständischen Gruppierungen registriert. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen leichten Anstieg um 9 %. Landesweit betrachtet lag die Zahl der Anschläge damit an der Spitze (zum Vergleich 2011: Kandahar 1.285, Kunar 1.280, Paktika 1.193, Khost 1.106 Anschläge). Bezogen auf die Einwohnerzahl ereignete sich in Ghazni im Jahr 2010 ein Angriff je 744 Einwohner bzw. im Jahr 2011 ein Angriff je 684 Einwohner.

Landesweit hat UNAMA (Annual Report 2011) für das Jahr 2010 2.790 zivile Tote und 4.368 Verwundete und für das Jahr 2011 3.021 zivile Tote und 4.507 Verwundete ermittelt,

vgl. UNAMA, Annual Report 2011; abrufbar unter: http://photos.state.gov/libraries/usnato/562411/PDFs_001/UNAMA%20POC%202011%20Report_Final_Feb%202012.pdf.

Wenn man berücksichtigt, dass von den insgesamt für Afghanistan für das Jahr 2011 registrierten 14.577 Anschlägen 1.679 Anschläge auf die Provinz Ghazni (also ca. 11,5 %) entfielen,

vgl. ANSO, Quartalsbericht 4/2011,

dürfte die Zahl der Toten in der Provinz Ghazni - grob geschätzt - bei etwa 347 und die Zahl der Verletzten bei 518 gelegen haben. Damit liegt in der Provinz Ghazni das Verhältnis der Toten zur Gesamtbevölkerung infolge des bewaffneten Konflikts etwa bei 1 zu 3.300 pro Jahr (Verletzte: 1 zu 2.218). Hiervon ausgehend besteht bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Umstände nur eine relativ geringe Wahrscheinlichkeit, als Zivilist in der Provinz Ghazni Opfer eines Anschlags der regierungsfeindlichen Gruppierungen oder von militärischen Aktionen der nationalen und internationalen Sicherheitskräfte zu werden und damit einer ernsthaften Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Vielmehr lässt sich schon allein anhand der Gefahrendichte feststellen, dass sich nicht für jeden Rückkehrer allein wegen seines Aufenthaltes in der Provinz Ghazni eine ernsthafte individuelle Bedrohung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt,

vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 -10 C 13/10-, welches eine derartige Gefahrendichte auch bei einem Verhältnis von 1:800 abgelehnt hat.

Besondere persönliche Umstände, die sich im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts als gefahrerhöhend auswirken könnten, sind bezüglich der Kläger weder vorgetragen noch ersichtlich.

Selbst wenn man auf die Region Kabul abstellen sollte, weil davon auszugehen ist, dass die Kläger nicht mehr in die Provinz Ghazni zurückkehren werden, da alle familiären Bezugspunkte spätestens durch die Flucht der Eltern des Klägers zu 1.) nach Kabul in Ghazni verloren gegangen sind, kann von einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht ausgegangen werden. Aufgrund der insoweit übereinstimmenden aktuellen Erkenntnisquellen und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung geht die Kammer davon aus, dass die Kläger in Kabul nicht einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ausgesetzt wäre,

vgl. Urteile der Kammer vom 13. Dezember 2011 -14 K 286/10.A-, -14 K 958/10.A- und vom 28. Oktober 2011 -14 K 3778/10.A- mit ausführlicher Darstellung der Erkenntnisquellen; OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2012 -13 A 2721/10.A-; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06. März 2012 -A 11 S 3177/11-, alle zitiert nach juris.

Die Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf den hilfsweise geltend gemachten Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich; aber auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.

Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen entschieden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerwG nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann,

vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 -1 C 2.01-, BVerwGE 114, 379.

Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde”. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde,

so BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2010 -10 C 10.09-, NVwZ 2011, 48, 49; Urteil vom 29. September 2011 -10 C 24.10-, juris.

Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die Kläger nicht erfüllt. Die Kläger berufen sich vorliegend auf die unzureichende Versorgungslage in Afghanistan, die für sie als Familie mit einem Baby bestehe. Es ist aber nicht anzunehmen, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr nach Kabul wegen einer unzureichenden Versorgungslage einer extremen Lebensgefahr im vorgenannten Sinn ausgesetzt sind. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Afghanistan durch eine problematische wirtschaftliche Situation geprägt ist, die zu einer schwierigen Versorgungslage auch im Raum der Hauptstadt Kabul führt,

vgl. hierzu näher: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2012 -8 A 11050/10-, juris, Rn. 44 ff. unter Bezugnahme auf aktuelle Erkenntnisquellen.

Dennoch kann bei Würdigung aller Umstände kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der jetzt 28-jährige gesunde Kläger zu 1.) bei einer Rückkehr in sein Heimatland nicht in der Lage wäre, auch durch einfache körperliche Tätigkeiten seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie zumindest in bescheidenem Umfang zu erzielen. Dabei ist zunächst zu beachten, dass er vor seiner Flucht ein regelmäßiges Einkommen als Taxifahrer in Kabul hatte. Es ist davon auszugehen, dass er aufgrund seiner weiterhin vorhandenen Ortskenntnisse, die er für diesen Beruf ohne Zweifel haben musste, in der Lage sein dürfte, in diesen Berufszweig zurückzukehren. Doch selbst wenn eine Tätigkeit als Taxifahrer zunächst nicht möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich, warum dem Kläger zu 1.) jeder Zugang zu einer Tätigkeit versperrt sein sollte. Hinzu kommt, dass die Kläger nach Überzeugung des Gerichts in Kabul auf die Unterstützung ihrer Familien zählen können. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es den in Kabul befindlichen Familien der Kläger angesichts einer für die allgemeine Bevölkerung schwierigen Versorgungs- und Sicherheitslage nicht ohne größere Anstrengungen möglich sein dürfte, die Kläger auf Dauer aufzunehmen und zu versorgen. Allerdings ist davon auszugehen, dass jedenfalls in der Anfangszeit nach ihrer Rückkehr nach Kabul die Kläger mit dem Nötigsten zur Existenzsicherung versorgt werden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sich die Familien der Kläger in einer derartigen Notlage befänden, dass selbst eine (geringe) Unterstützung durch sie nicht zu erwarten wäre. Die Familien müssen einen nicht unwesentlichen finanziellen Spielraum haben, sonst ließen sich die beiden Flüge nach Dubai im Jahr 2011 ebenso wenig wie die Kosten für die Visa erklären. Gleiches gilt für die Kosten des Schleppers sowie der Direktflüge von Kabul nach Frankfurt/Main. Von daher ist davon auszugehen, dass die Familien zumindest für eine begrenzte Übergangszeit eine Minimalversorgung der Kläger werden gewährleisten können, um ihnen die Aufnahme einer existenzsichernden Beschäftigung zu ermöglichen. Die bis dahin zu bewältigenden Schwierigkeiten im Zuge der Rückkehr nach Kabul stellen nach dem Gesagten indes keine Extremgefahr dar, die die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG durchbrechen könnte.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

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