BFH, Urteil vom 09.12.2010 - VI R 23/09
Fundstelle
openJur 2013, 17384
  • Rkr:
Tatbestand

I. Streitig ist, ob Finanzierungsanteile von Arbeitnehmern, die in dem Gesamtversicherungsbeitrag des Arbeitgebers an eine Pensionskasse enthalten sind, nach § 3 Nr. 63 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein gemeinnütziger Verein ... Der Kläger war als Mitglied im X-Verband ... verpflichtet, für seine Arbeitnehmer eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bei einer Zusatzversorgungskasse abzuschließen. Entsprechend war er der ... Zusatzversorgungskasse ... (ZVK) beigetreten. Der Pflichtbeitrag des Klägers betrug nach der Satzung der ZVK 4 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes. Nach ... waren die Arbeitnehmer verpflichtet, sich mit einem Eigenbeitrag in Höhe von 0,75 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes an der monatlichen Umlage des Klägers zu der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu beteiligen.

Für das Kalenderjahr 2003 zahlte der Kläger 3,25 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes des jeweiligen Arbeitnehmers maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in die ZVK ein. Hinsichtlich des Eigenbeitrags seiner Arbeitnehmer kürzte er nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) die Gehaltsauszahlungen seiner Arbeitnehmer nicht um ihren Eigenbeitrag, sondern behandelte sowohl den Arbeitgeberbeitrag als auch den Arbeitnehmerbeitrag zur zusätzlichen Altersversorgung als nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei, indem der Eigenanteil des jeweiligen Arbeitnehmers nicht in dessen steuerpflichtigem Brutto ausgewiesen wurde, obwohl der Abzug in der Position der gesetzlichen Abzüge enthalten war.

Im Jahre 2005 wurde beim Kläger eine Lohnsteuer-Außenprüfung für die Zeit vom 1. Juni 2002 bis 1. Januar 2005 durchgeführt. Die Eigenbeiträge der Arbeitnehmer in Höhe von 0,75 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts wurden von dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) als steuerpflichtig angesehen, weil es sich insoweit nicht um Beiträge des Arbeitgebers handele. Mit Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 26. Oktober 2005 wurde der Kläger deshalb in Anspruch genommen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, dass der Arbeitnehmereigenanteil nicht lohnsteuerpflichtig sei, sondern dem Anwendungsbereich des § 3 Nr. 63 EStG unterfalle. Nach erfolglosem Vorverfahren erhob er Klage vor dem FG. Das FG wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1105 veröffentlichten Gründen ab, da es sich bei den Arbeitnehmerbeiträgen zur Zusatzversorgung wirtschaftlich betrachtet um eigene Beiträge der Arbeitnehmer und damit nicht um Beiträge des Arbeitgebers i.S. von § 3 Nr. 63 EStG handele.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt,

das Urteil des FG Köln vom 19. März 2009  2 K 659/07 aufzuheben und den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 26. Oktober 2005 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2007 insoweit abzuändern, als darin Lohnsteuer auf den Finanzierungsanteil der Arbeitnehmer am Gesamtversicherungsbeitrag des Klägers an die ZVK enthalten ist.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

  II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA war nicht berechtigt, den Kläger nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG in Anspruch zu nehmen.

1. Die Finanzierungsanteile der Arbeitnehmer des Klägers am Gesamtversicherungsbeitrag des Klägers zur ZVK sind nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei. Der Kläger ist daher nicht verpflichtet, auf die Finanzierungsanteile seiner Arbeitnehmer Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und an das FA abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 EStG).

a) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn sind nach § 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen; dabei ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form die Einnahmen gewährt werden. Demgemäß ist Arbeitslohn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) jeder gewährte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinn als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (BFH-Urteile vom 15. Februar 2006 VI R 92/04, BFHE 212, 445, BStBl II 2006, 528; vom 26. Juni 2003 VI R 112/98, BFHE 203, 53, BStBl II 2003, 886; vom 30. Mai 2001 VI R 159/99, BFHE 195, 364, BStBl II 2001, 815; jeweils m.w.N.).

Im Streitfall ist der strittige Bestandteil des arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitslohns, der auf die Finanzierungsanteile der Arbeitnehmer an der Zusatzaltersversorgung entfiel, daher zunächst als Arbeitslohn zu erfassen. Denn die Arbeitnehmer des Klägers haben als Versorgungsberechtigte bei Eintritt des Versicherungsfalls einen Anspruch auf die Leistungen.

b) Entgegen der Ansicht des FG liegen jedoch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 63 EStG für eine Steuerfreiheit vor.

aa) Nach § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG sind eigentlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassende Beiträge des Arbeitgebers aus dem ersten Dienstverhältnis an eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung, soweit sie insgesamt im Kalenderjahr 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten nicht übersteigen, steuerfrei.

Unter den Begriff "Beiträge des Arbeitgebers" fallen dabei alle Beiträge, die vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer selbst geschuldet und an die Versorgungseinrichtung geleistet werden. Dies ergibt sich bereits aus der allgemeinen Wortbedeutung des Begriffs des "Beitrags", dem aufgrund der Bezugnahme des Gesetzes auf die genannten Versorgungseinrichtungen eine spezifisch zivilrechtliche/versicherungsrechtliche Bedeutung zukommt. Im Versicherungswesen ist danach der Beitrag als die Summe anzusehen, die der Versicherungsnehmer entrichtet, um Versicherungsleistungen zu erhalten (vgl. hierzu auch § 1 des Versicherungsvertragsgesetzes). Eigene Beiträge des Arbeitnehmers sind dagegen jedenfalls dann anzunehmen, wenn aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen mit der Versorgungseinrichtung eine originäre Beitragspflicht des Arbeitnehmers besteht.

bb) Im Streitfall handelt es sich danach bei den Finanzierungsanteilen der Arbeitnehmer am Gesamtversicherungsbeitrag des Klägers zur ZVK um Beiträge des Arbeitgebers, die nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei sind.

Die Finanzierungsanteile der Arbeitnehmer des Klägers gründen auf ..., wonach die Arbeitnehmer verpflichtet waren, eine "Eigenbeteiligung" in Höhe von 0,75 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes an der monatlichen Umlage des Klägers zu der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu leisten. Versicherungsnehmer und Beitragsschuldner für den Gesamtbeitrag an die ZVK ist jedoch ausschließlich der Kläger. Die vertraglichen Pflichten, insbesondere die Zahlungsverpflichtungen, treffen ausschließlich ihn und qualifizieren die an die ZVK geleisteten Zahlungen als --auch aus den Finanzierungsanteilen der Arbeitnehmer bestehenden-- Beiträge des Klägers. Zur weiteren Begründung verweist der Senat insoweit auf sein zur amtlichen Veröffentlichung bestimmtes Urteil vom 9. Dezember 2010 VI R 57/08, BFHE 232, 158 (www.bundesfinanzhof.de).

2. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war das vorinstanzliche Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif und der Klage insoweit stattzugeben. Einer Entscheidung des Senats, ob der Haftungsbescheid formell rechtswidrig ist, weil ein Nachforderungsbescheid zu erlassen wäre, bedarf es insoweit nicht.

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