Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.02.2013 - 5 K 318/10
Fundstelle
openJur 2013, 16989
  • Rkr:
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage der Zurechnung von Umsätzen.

Streitig ist, ob die Klägerin … einen Bordellbetrieb in der A als Unternehmerin betrieben hat, mit der Folge, dass ihr die Umsätze der in dem Objekt tätigen Prostituierten zuzurechnen sind.

Die Klägerin hat in ihren Umsatzsteuererklärungen 2007 bis 2009 Umsätze aus der Vermietung der in Objekt X vorhandenen Zimmer an die Prostituierten erklärt. Die erklärten Umsätze beliefen sich

2007 auf…       2008 auf…       2009 auf….    Im Zuge einer Steuerfahndungsprüfung kam der Beklagte (das Finanzamt - FA -) zu abweichenden Umsätzen. Das FA kam zu der Feststellung, dass in dem Objekt X täglich ca. 7 - 8 Prostituierte arbeiteten.

Im Anschluss an die Fahndungsprüfung kam das FA zu der Überzeugung, dass auch die Einnahmen der Prostituierten der Klägerin zuzurechnen seien. Aufgrund zum Prüfungszeitpunkt vorgefundener Unterlagen ergab sich, dass 7 Prostituierte am … (Sonntag) und … (Montag) tätig waren. Die Steuerfahndung hatte zum Prüfungszeitpunkt handschriftliche Aufzeichnungen der Prostituierten vorgefunden, aus denen zu ersehen war, welche Umsätze die Prostituierten im Verlauf eines Tages getätigt hatten. Aus den Aufzeichnungen ergibt sich auch, dass die Prostituierten jeweils einen Betrag im Umfang von ca. 50% von ihren Tageseinnahmen abgezogen hatten. In der Küche … hatte die Steuerfahndung im Übrigen einen Karton mit Bargeld vorgefunden. Nach Aussagen der Prostituierten hatten diese ihre Einnahmen in den Karton gelegt und abends aufgeteilt. Weiterhin stellte die Steuerfahndung fest, dass das Objekt X in den Streitjahren über einen einheitlichen Internetauftritt verfügte, in dem ein Direktkontakt zu einzelnen Prostituierten nicht beworben wurde. Angegeben war auf der Homepage, dass täglich 8 Damen anwesend seien. Neben Dienstleistungen … wurden auch Haus- und Hotelbesuche, Übernachtungen und ein Escortservice angeboten. In den Streitjahren waren die Preise aller Prostituierten ausweislich der Internetseite … einheitlich. Der Betrieb war von Sonntag bis Donnerstag von 10 Uhr bis = 0 Uhr und Freitag und Samstag von 10 Uhr bis 3 Uhr geöffnet. nach den Feststellungen der Steuerfahndung war die Klägerin am …. und … im Betrieb anwesend.

Aus den vorliegenden Aufzeichnungen der Prostituierten errechnete das FA Umsätze in der Summe von … und …. Es ging aufgrund der vorgefundenen Unterlagen davon aus, dass der Klägerin durchschnittlich 3.000 € pro Tag als Umsatz zuzurechnen seien. und schätzte die Umsätze einschließlich Umsatzsteuer für das Streitjahr 2007 zunächst auf 540.000 € (180 Tage x 3.000 €).

Die Klägerin erklärte demgegenüber, sie erhalte von den Prostituierten lediglich 50 € täglich; weitere Umsätze erziele sie nicht. Weiterhin legte die Klägerin dar, dass die Vermietung ab 01.10.2009 nicht mehr durch sie, sondern durch B vorgenommen werde. Den unbestritten gebliebenen Feststellungen des FA zufolge liefen die Telefonanschlüsse und die Internetdomain zumindest bis Januar 2011 weiter auf den Namen der Klägerin.

Gegen den entsprechenden Änderungsbescheid des FA hat die Klägerin Einspruch eingelegt, den das FA mit Einspruchsbescheid vom 06.07.2010 als unbegründet zurückgewiesen hat.

In der Einspruchsentscheidung hat das FA im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die Klägerin diejenige gewesen sei, die nach außen mit den Kunden in Kontakt getreten sei. Außerdem sei die gesamte Werbung von der Klägerin (und ihrem Ehemann) in Auftrag gegeben worden; auch der Internetauftritt … und die gesamte Geschäftsabwicklung seien über die Klägerin erfolgt, sie habe die Kunden in Empfang genommen, die Prostituierten präsentiert und die Buchungen entgegen genommen. Die Preise aller Prostituierten seien einheitlich gewesen, Nachlässe hätten die Kunden mit der Klägerin vereinbaren müssen. Dies alles spreche für einen einheitlichen Geschäftsbetrieb. Auch wenn die Prostituierten das Geld vereinnahmt hätten, sei es letztlich die Klägerin gewesen, die die Kunden in Empfang genommen habe, die Prostituierten präsentiert und die Buchungen vorgenommen habe.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Im Verlauf des Klageverfahrens hat das FA die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre geändert und den Tagesumsatz aus Prostitutionsumsätzen nur noch mit 2.500 EUR angesetzt.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie könne nicht als Unternehmerin i. S. d. § 2 Abs.1 UStG angesehen werden. An den Tageseinnahmen der Prostituierten sei die Klägerin nicht beteiligt. Die Präsenz der Klägerin während der Fahndungsprüfung an drei Tagen innerhalb von drei Jahren sei kein hinreichendes Indiz für eine Zurechnung der Umsätze. Grund für die gelegentliche Anwesenheit der Klägerin sei der Umstand, dass sie die einzige Person sei, die polnisch und deutsch spreche. Sie habe sich deshalb als „Ansprechpartnerin“ bereit erklärt, den Kundenkontakt zu moderieren. Soweit sie in Internetforen von Stammkunden als Empfangsdame oder „Chefin“ bezeichnet worden sei, rechtfertige dies ebenfalls keine juristische Beurteilung. Im Übrigen seien die Tagesaufzeichnungen der Prostituierten kein Nachweis für eine Zurechnung der Umsätze bei der Klägerin. Die Argumentation des FA sei widersinnig, denn ein „Betreiber“ eines Unternehmens werde es nicht zulassen Aufzeichnungen durch die Beschäftigten selbst vornehmen zu lassen. Vielmehr würde er selbst diese Aufzeichnungen vornehmen. Seitens der Klägerin sei dies jedoch nicht erfolgt.

Auch der in der Küche vorgefundene Geldkarton rechtfertige keine Zurechnung auf die Klägerin. Die bloße Existenz eines solchen Kartons sei kein Hinweis oder Beweis für eine Verbindung zur Klägerin. Die Prostituierten hätten vielmehr den Karton in der Küche als Sammelstelle verwendet, um es diebstahlsicher zu lagern. Am Ende des Tages seien dann die Einnahmen aufgeteilt worden. Entsprechendes gelte auch für die „einheitliche Preisgestaltung“. Die Prostituierten hätten ein Agreement getroffen und einheitliche Preise vereinbart, um gemeinsam zum Geschäftserfolg zu gelangen und nicht einen „Dumpingkampf“ führen zu müssen.

Die Klägerin bringt weiter vor, dass die vorgefundenen Aufzeichnungen es nicht rechtfertigten, von einer Tageseinnahme i. H. v. 2.500 € auszugehen. Das FA habe der Klägerin zu Unrecht die von den Prostituierten vereinnahmten Beträge zugerechnet. Es sei vielmehr so, dass die Antragstellerin den Prostituierten gegen Zahlung eines Betrages von 50 € täglich Räumlichkeiten zur Verfügung stelle. Hierüber seien mündliche Mietverträge geschlossen worden. Die im Betrieb der Klägerin beschäftigten Prostituierten zahlten keine weiteren Beträge an die Klägerin. Die vom FA vorgenommene Schätzung sei rechtsfehlerhaft. Die angenommenen Umsätze ergäben sich lediglich aus 3 Zetteln, die intern von Prostituierten erstellt worden seien. Im Übrigen sei es völlig lebensfremd, davon auszugehen, dass ein Bordell in der vorhandenen Größe einen Jahresumsatz von ca. 900.000 € erzielen könne.

Auch die Art und Weise der Werbung lasse keinen Rückschluss auf eine Unternehmereigenschaft der Klägerin zu. Die Klägerin sei zu keiner Zeit im Internet oder an anderer Stelle „nach außen“ aufgetreten. Daran ändere auch die Rechnungsadresse der Klägerin für den Telefonanschluss nichts. Im Übrigen habe die Klägerin - wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung vorlegten Telefonrechnung der Deutschen Telekom vom 30.06.2008 ergebe - gerade inversen Rufnummernsuche und der Aufnahme in Kommunikationsverzeichnisse widersprochen.

Die Klägerin beantragt,

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA verweist auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass für die Streitjahre zutreffend die Umsätze unter Berücksichtigung einer Tageseinnahme von geschätzten 2.500 € angesetzt worden seien. Die Aufzeichnungen der Klägerin seien nicht geeignet, hinreichende Auskunft über ihre steuerlichen Angelegenheiten zu geben. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die im Betrieb der Klägerin tätigen Prostituierten lediglich 50 € am Tag an sie hätten abführen müssen.

Im Übrigen seien auch dann die erklärten Umsätze zu niedrig. Gehe man davon aus, dass täglich durchschnittlich 6 Prostituierte in dem Objekt X anwesend seien, so müsse sich daraus ein Umsatz von ca. 300 € pro Tag x 360 Tage/Jahr = 108.000 €/Jahr ergeben. Allerdings sei dieser von der Klägerin geschilderte Betriebsablauf nicht glaubhaft. Vielmehr müssten auch die Umsätze der Prostituierten der Klägerin als eigene Umsätze zugerechnet werden. Entscheidend sei, wer im Außenverhältnis zu den Gästen als Leistender in Erscheinung trete. Treten Bordelle oder bordellartige Betriebe gegenüber den Gästen in Erscheinung, seien die Betreiber als Unternehmer anzusehen. Die Prostituierten seien dann unabhängig von den Umständen des Einzelfalles entweder als Arbeitnehmer oder selbständige Subunternehmer anzusehen. Die Betreiber eines Bordells hätten in diesen Fällen neben den Mieten, den Entgelten für Eintritt, Getränke, Speisen und Hilfsmittel auch die gesamten Dirnenlöhne der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Im Streitfall sei die gesamte Werbung von der Klägerin und ihrem Ehemann in Auftrag gegeben worden. Außerdem existiere zu Werbezwecken ein einheitlicher Internetauftritt. Darin würden nicht die einzelnen Prostituierten als solche werben. Als Kontaktmöglichkeiten seien eine einheitliche E-Mail-Adresse und eine einheitliche Telefonnummer …angegeben. Ein Direktkontakt zu einzelnen Prostituierten werde nicht beworben.

Für einen einheitlichen Geschäftsbetrieb spreche auch, dass die Preise aller Prostituierten einheitlich seien (50 € für 15 Minuten, 80 € für 30 Minuten, 150 € für eine Stunde etc.). Im Übrigen sei in der Küche … ein Karton gefunden worden, in dem sich Bargeld befunden habe. Nach Aussagen der Prostituierten vor den Beamten der Steuerfahndung hätten sie ihre Einnahmen in diesen Karton gelegt und dessen Inhalt am Abend wieder unter den einzelnen Prostituierten nach den von ihnen erwirtschafteten Einnahmen aufgeteilt. Diese Aussagen seien jedoch nicht glaubhaft. Wenn die Prostituierten tatsächlich selbst die gesamten Einnahmen für ihre Dienste erhalten würden, sei dieser Zwischenschritt nicht notwendig und bei dem dann zu erwartenden Konkurrenzkampf unter den einzelnen Prostituierten auch widersinnig. Sie würden dann die Einnahmen sofort behalten und lediglich ihre Zimmermiete an die Klägerin abführen. Es bestünde demgemäß überhaupt keine Notwendigkeit, die Einnahmen mit den Einnahmen der anderen Prostituierten zunächst zusammenzuführen, um sie dann am Abend wieder zu teilen. Bei den geschätzten Tageseinnahmen seien nur die Einnahmen aus der Tätigkeit der Prostituierten zugrunde gelegt worden.

Zu berücksichtigen sei zudem, dass Einnahmen aus dem Verkauf von Getränken, dem von der Klägerin angebotenen Escortservice und Hausbesuchen vom FA bei seiner Schätzung nicht berücksichtigt seien, die tatsächlichen Umsätze also tatsächlich eher noch höher ausgefallen seien. Des Weiteren seien die beiden Tage … solche, an denen das Objekt X von 10:00 Uhr - 0:00 Uhr geöffnet habe. Freitags und samstags sei dagegen 3 Stunden länger - bis 3:00 Uhr - geöffnet. Typischerweise dürften am Wochenende auch mehr Kunden die angebotenen Leistungen in Anspruch nehmen und daher die Tageseinnahmen deutlich höher ausfallen. Nach alldem sei eine Schätzung der täglichen Umsätze in Höhe von durchschnittlich 2.500 € noch im unteren Bereich des Schätzungsrahmens.

Wenn die Klägerin im Übrigen in Internetforen als „Chefin“ bezeichnet werde, belege dies gerade ihre Wirkung nach außen, mithin ihre Unternehmerstellung.

Gründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2009 sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.

Zutreffend hat das FA zwar die Umsätze der Prostituierten der Klägerin als Unternehmerin (§ 2 Abs. 1 UStG) zugerechnet; allerdings erachtet der erkennende Senat die vom FA vorgenommene Schätzung als zu hoch.

1. Zurechnung der Umsätze

Nach Auffassung des Senats ist das FA zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin die gesamten Tageseinnahmen (einschließlich der Einnahmen der Prostituierten) zuzurechnen sind. Die Klägerin muss deshalb hinsichtlich der Gesamtumsätze als Unternehmerin i. S. d. § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz - UStG - angesehen werden.

Nach § 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Steuerschuldner ist grundsätzlich der Unternehmer (§ 13 a Abs. 1 UStG), der die Leistung erbracht hat. Leistender ist grundsätzlich derjenige, der im eigenen Namen Lieferungen oder sonstige Leistungen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde im Außenverhältnis gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen des anderen aufgetreten ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Dabei kommt es grundsätzlich darauf an, wer als Unternehmer nach außen hin auftritt (BFH-Urteil vom 11.10.1990 - V R 75/85, BStBl II 1991, 191; BFH-Urteil vom 09.09.1993 - V R 63/89, BFH/NV 1994, 589; BFH-Beschluss vom 20.02.2001 - V B 191/00, BFH/NV 2001, 1152).

Im Streitfall ist die Klägerin nach außen als Unternehmerin aufgetreten. Das ergibt sich zur Überzeugung des erkennenden Senats bereits daraus, dass in den Streitjahren zu Werbezwecken ein (einheitlicher) Internetauftritt … existierte. Als Kontaktmöglichkeiten wurde hierbei nicht nur eine einheitliche Adresse und eine einheitliche Telefonnummer des Objekts X angegeben. Hinzu kommt auch, dass ein Kontakt zu den einzelnen Prostituierten im Internetauftritt …nicht beworben wird. Auch die im Zusammenhang mit der Steuerfahndungsprüfung vernommenen Kunden … haben angegeben, dass die Klägerin die Verhandlungen geführt hat. Unerheblich ist nach Meinung des Senats, dass die Klägerin bei ihrem Telefonanschluss eine inverse Suche (sog. „Rückwärtssuche“) untersagt und einer Veröffentlichung in Kontaktmedien (z. B. Telefonbücher, Internetdatenbanken) widersprochen habe. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin sowohl eine Festnetznummer als auch eine unter ihrem Namen geführte Mobilfunknummer auf der Internetseite zu Werbezwecken ausgewiesen hatte und immer noch hat.

Für eine Zurechnung auf die Klägerin spricht auch, dass ausweislich des damaligen Internetauftritts und der vorgefundenen Aufzeichnungen eine einheitliche Preisgestaltung für alle Prostituierten vorgenommen wurde. Derartige Aufzeichnungen ergeben nur dann einen wirtschaftlichen Sinn, wenn sie einer Kontrolle durch den Betreiber des Unternehmens - in diesem Fall also der Klägerin - dienen sollen.

Ein weiteres Indiz für die Zurechnung der Umsätze auf die Klägerin ist auch ihre Präsenz vor Ort. Es mag zwar sein, dass diese Anwesenheit auch dazu diente, einen besseren Kontakt zwischen den Kunden und den vorwiegend polnisch sprechenden Prostituierten herzustellen; gleichwohl spricht dieses jedoch in erster Linie dafür, dass die Klägerin die Organisation und Zuteilung der Kunden zu einzelnen Prostituierten in den eigenen Händen halten wollte. Jedenfalls hat sich daraus eine Außenwirkung dergestalt ergeben, dass die Klägerin ausweislich der Beiträge in Internetforen regelmäßig als „Chefin“ bezeichnet wurde. Sie war danach diejenige, die die Fäden in der Hand hielt.

Für die Zurechnung der Gesamtumsätze an die Antragstellerin spricht entgegen der Auffassung der Klägerin, dass die Prostituierten die Einnahmen in einen Karton in der Küche sammelten. Es mag zwar sein, dass ein solcher Geldkarton einen „billigen Stilbruch“ der „erlesenen Geschäftsführung“ darstellt (so die Klägerin im Schriftsatz vom 14.01.2013, S. 4 oben). Die Einlassung der Prostituierten, sie würden diese Einnahmen am Ende des Arbeitstages wieder untereinander aufteilen, ist allerdings nicht schlüssig und ergibt keinen wirtschaftlichen Sinn. Würden die Prostituierten als selbständige Unternehmerinnen behandelt, wäre es widersinnig, wenn sie die Tageseinnahmen zunächst zusammenführten, um sie am Ende des Tages wieder untereinander aufzuteilen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass hier die Tageseinnahmen für die Klägerin gesammelt werden sollten.

Insgesamt ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin als Unternehmerin für die Gesamtumsätze anzusehen ist. Dies gilt auch für das gesamte Jahr 2009. Soweit die Klägerin vorbringt, ab 01.10.2009 habe ggfs. eine Zurechnung auf Frau B zu erfolgen, folgt der Senat dem nicht. Dagegen spricht, dass nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des FA zumindest die Internetdomain und die Telefonanschlüsse noch bis Januar 2011 auf den Namen der Klägerin lauteten. Es ist nicht ersichtlich, dass sich für Außenstehende ab Oktober 2009 etwas verändert hatte.

2. Höhe der zugerechneten Umsätze

Die vom FA vorgenommene Schätzung unter Zugrundelegung von 2.500 € pro Tag ist allerdings überhöht.

Im Grundsatz war das FA jedoch berechtigt, eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO vorzunehmen. Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO ist das FA u. a. dann zur Schätzung befugt, wenn der Steuerpflichtige Bücher und Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, dem FA nicht vorlegen kann. Im Streitfall hat die Klägerin keine Einzelaufzeichnungen über die Prostitutionsumsätze geführt. Sie hat damit gegen ihre Verpflichtung zur Aufzeichnungspflicht aus § 22 Abs. 1 UStG verstoßen. Unerheblich ist dabei, dass die Klägerin die Auffassung vertritt, die Umsätze der Prostituierten seien ihr nicht zuzurechnen, mit der Folge, dass sie entsprechende Aufzeichnungen nicht führen müsse. Der Grund, warum der Steuerpflichtige Bücher und Aufzeichnungen nicht vorlegen kann, ist unerheblich. Ein Verschulden des Steuerpflichtigen ist keine Voraussetzung für eine Schätzung nach § 162 Abs.2 Satz 2 AO (Cöster, in Pahlke/Koenig, Kommentar zur AO, 2. Aufl., § 162 Rz. 61 m. w. N. auf die ständige Rechtsprechung des BFH).

In der Sache ist die vom FA vorgenommene Schätzung allerdings zu hoch angesetzt worden. Der Senat legt deshalb gem. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 AO seine eigene Schätzung zugrunde.

Im Streitfall ist die Schätzung des FA schon deshalb unzutreffend, weil es der Klägerin nicht nur die mit 2.500 € pro Tag angesetzten Umsätze der Prostituierten zurechnet, sondern darüber hinaus noch zusätzlich die von der Klägerin erklärten Vermietungsumsätze in Ansatz bringt. Diese Handhabung ist - auch nach dem Vorbringen des FA - unschlüssig, da man der Klägerin die Gesamtumsätze der Prostituierten zurechnen wollte. Darin enthalten waren aber nach allen Feststellungen der Steuerfahndung auch die Vermietungsumsätze (das „Eintrittsgeld“).

Im Einzelnen waren danach vorab aus den Schätzungen folgende Beträge auszuscheiden:

2007   …       2008   …       2009   …       Im Übrigen ist der Tagesumsatz mit 2.500 € pro Tag zu hoch angesetzt. Der Senat schätzt insofern den Umsatz mit täglich lediglich 1.800 €. Dabei muss berücksichtigt werden, dass das FA lediglich (angenommene) Umsätze von 2 Tagen im Jahr 2009 der Schätzung zugrunde gelegt hat. Es existieren keinerlei Feststellungen darüber, dass tatsächlich - wie vom FA angenommen - täglich bis zu 8 Prostituierte vor Ort … tätig waren. Möglich ist vielmehr auch, dass es zu bestimmten Tages- oder Jahreszeiten weniger Personen waren. Ein (Prüfungs-)Zeitraum von zwei Tagen im Juni 2009 kann jedenfalls nicht als repräsentativ angesehen werden. Das FA selbst hat im Übrigen vorgetragen, dass der „tatsächliche Bruttoumsatz“ zwischen 1.300 € und 3.405 € pro Tag liegen dürfte.

Gegen den Ansatz des unteren Rahmens spricht nach Auffassung des Senats, dass in der vom FA vorgenommenen Schätzung weitere Leistungen - wie z. B. Haus- und Hotelbesuche, Escortservice und Getränke - nicht enthalten waren.

Angesichts der geschilderten Unsicherheiten schätzt der Senat die täglichen Umsätze deshalb auf 1.800 €. Die Vorsteuerbeträge lässt der Senat unverändert, weil insoweit keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass die Beträge zu hoch oder zu niedrig angesetzt sind. Hinsichtlich der Jahre 2007 und 2009 folgt das Gericht insofern den Umsatzsteuererklärungen der Klägerin. Hinsichtlich des Jahres 2008 hat das FA abweichend höhere Vorsteuerbeträge angesetzt. Erkenntnisse über eine fehlerhafte Handhabung liegen insoweit nicht vor.

Hinsichtlich des Schätzungsumfangs hat die Klage mithin teilweise Erfolg. Im Übrigen war sie aus den genannten Gründen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.