VG Minden, Urteil vom 17.01.2013 - 4 K 3074/10
Fundstelle
openJur 2013, 16277
  • Rkr:
Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Beteiligten hinsichtlich der Rückforderung des Weihnachtsgeldes übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.352,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2010 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte wehrt sich gegen die Rückforderung einer ihm im März 2010 gewährten Ausgleichszahlung in Höhe von 12.602,07 EUR (netto).

Er stand bis zum 1. Juli 2006 als M. W. im Dienst des Zweckverbandes "L. im N1. ", der das Klinikum in N2. und die Krankenhäuser in M1. und S. betrieb, und selbst Dienstherr war. Zum 1. Juli 2006 wurde dieser Zweckverband ebenso wie der Zweckverband "Krankenhaus C. P. " aufgelöst und alle betriebenen L. unter dem Dach der Klägerin als Anstalt des öffentlichen Rechts zusammengeführt. Die Klägerin selbst besitzt keine Dienstherrenfähigkeit. Der Beklagte wurde zum 1. Juli 2006 mit seiner Zustimmung zum Kreis N2. -M1. (im Folgenden: Kreis) versetzt und mit Verfügung der Kreisdirektorin vom 29. Juni 2006 kommissarisch mit den Aufgaben des Stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes des "Klinikverbunds im N1. AöR" betraut.

Vom 21. September 2009 an war der Beklagte durchgängig dienstunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 15. Februar 2010 bat er, ihn wegen Dienstunfähigkeit zum 31. März 2010 in den Ruhestand zu versetzen. Nach einer amtsärztlichen Untersuchung Ende Februar 2010, die bestätigte, dass der Beklagte voraussichtlich nicht vor Erreichen der Pensionsgrenze seine Dienstfähigkeit wieder erlangen würde, versetzte ihn der Landrat des Kreises mit Ablauf des 31. März 2010 in den Ruhestand.

Bereits ab Herbst 2009 hatte der Beklagte mit dem Zeugen Picht, dem Leiter des Personalamts des Kreises, über die Möglichkeit der Zahlung eines Ausgleichsbetrages verhandelt, der ihm aus seiner Sicht zustand, weil er durch die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand finanzielle Nachteile erleiden würde. Die Differenz zwischen seinem aktuellen Bruttogehalt und der künftigen Pension betrage etwa 1.600,00 EUR, so dass er in den 25 Monaten bis zu seiner regulären Pensionierung einen Ausfall von etwa 40.000,00 EUR haben werde.

In einer nichtöffentlichen Sitzung des Verwaltungsrates der Klägerin am 22. Februar 2010 informierte der Zeuge Picht über diese Gespräche und schlug einen Kompromissbetrag von 23.500,00 EUR als Ausgleichszahlung an den Beklagten vor. Er wies darauf hin, dass kein rechtlicher Anspruch auf diese Zahlung bestehe. Landrat Dr. Niermann äußerte in derselben Sitzung Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Zahlung. Der Verwaltungsrat fasste noch am selben Tag den Beschluss, dem Beklagten bei Versetzung in den Ruhestand eine Ausgleichszahlung i.H.v. 23.500,00 EUR (brutto) zu gewähren (Abstimmungsergebnis 12:1). Der Betrag sei von der Klägerin zu leisten.

Sowohl auf die Óbersendung des Protokolls der Verwaltungsratssitzung als auch auf die darauf bezogene ausdrückliche Anfrage des Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Klägerin, Dr. C1. , vom 22. März 2010 beschäftigte sich die Bezirksregierung E. als Aufsichtsbehörde mit der Frage der Zulässigkeit der beschlossenen Ausgleichszahlung.

Mit Schreiben vom 23. März 2010 forderte der Beklagte die Klägerin zur baldigen Umsetzung des Verwaltungsratsbeschlusses auf. Die Zahlung müsse bis spätestens zum 31. März 2010 erfolgen, da er am 1. April 2010 in den Ruhestand trete. Anderenfalls würden zwangsläufig Schadensersatzansprüche ausgelöst werden.

Noch vor Eingang der Antwort der Bezirksregierung E. überwies die Klägerin - auf Anweisung des Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Dr. C1. - am 31. März 2010 per "BLITZÓBERWEISUNG" 12.602,07 EUR auf das Konto des Beklagten, mit der Bemerkung im Feld Verwendungszweck "unter Vorbehalt". Diese Summe setzt sich zusammen aus der Ausgleichszahlung von 23.500,00 EUR zuzüglich des Weihnachtsgeldes für 2009 und 2010 (431,07 EUR brutto), abzüglich Steuern.

Mit Schreiben vom 14. April 2010 teilte die Bezirksregierung E. dem Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Dr. C1. auf seine Anfrage mit, die Ausgleichszahlung sei rechtlich unzulässig. Sie widerspreche beamtenrechtlichen Vorschriften. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Blatt 34 f. des Verwaltungsvorgangs verwiesen.

Aus der Lohn-/Gehaltsabrechnung des K. X. Klinikums N2. für den Beklagten vom 22. April 2010 für den Monat April 2010 ergibt sich, dass Ende April 2010 das Weihnachtsgeld in Höhe von 431,07 EUR brutto nochmals an den Beklagten überwiesen wurde.

Die Klägerin forderte vom Beklagten mit Schreiben vom 23. April 2010 die Rückzahlung von 12.602,07 EUR. Die Zahlung sei unter Vorbehalt erfolgt und der Vorbehalt habe sich bestätigt.

Am 30. Juni 2010 fand bei der Bezirksregierung E. eine Besprechung zu der Abfindungszahlung an den Beklagten statt. Wegen des Ergebnisses wird auf den Vermerk (Blatt 22 ff. des Verwaltungsvorgangs) verwiesen.

Der Verwaltungsrat der Klägerin hob am 12. Juli 2010 seinen Beschluss zur Auszahlung vom 22. Februar 2010 auf. Die Klägerin erinnerte den Beklagten unter dem 16. Juli 2010 an die Rückzahlung und erläuterte die Höhe der Summe mit Schreiben vom 26. August 2010. Da das Weihnachtsgeld doppelt gezahlt worden sei, bleibe es bei der Rückforderung von 12.602,07 EUR.

Unter dem 9. November 2010 forderte die Klägerin den Beklagten erneut zur Zahlung, diesmal des Bruttobetrages von 23.500,00 EUR, auf und setzte eine Frist bis zum 30. November 2010.

Die Klägerin hat am 3. Dezember 2010 Klage erhoben. Sie begründet die begehrte Rückzahlung des Nettobetrages von 12.602,07 EUR damit, dass sie auf die Abführung der Steuern auf den Auszahlungsbetrag an das Finanzamt wegen des bereits im April 2010 bestehenden Rückforderungsanspruchs verzichtet habe. Hinsichtlich der Ausgleichszahlung bestehe ein öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch. Bei einer solchen Zuwendung, die im weitesten Sinne die Gegenleistung für einen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand darstelle, handele es sich nach der Rechtsprechung nicht um eine Besoldungsleistung. Deshalb könne die Rückforderung nicht auf § 12 Abs. 2 BBesG gestützt und auch nicht durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der doppelt gezahlten Weihnachtszuwendung übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte diese Forderung der Klägerin in Höhe eines Nettobetrags von 250,00 EUR anerkannt hat.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 12.352,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält einen Rückforderungsanspruch der Klägerin für nicht gegeben. Eine Ausgleichszahlung habe ihm zugestanden. Er sei bei der Klägerin als Vorstandsmitglied tätig gewesen, seine Besoldung nach A 16 sei aber im Vergleich zu den Vergütungen der anderen Vorstandsmitglieder, die zwischen 160.000,00 EUR und 190.000,00 EUR im Jahr erhalten hätten, weit unterdurchschnittlich und letztlich unangemessen gewesen. Von daher habe es einen Grund für die Anerkennung seiner Leistung durch eine Ausgleichszahlung gegeben. Bereits Ende Oktober 2009 habe der Verwaltungsrat in seiner damaligen Zusammensetzung den Beschluss über die Gewährung einer Ausgleichszahlung von 25.000,00 EUR gefasst. Da sich der Landrat dagegen gewandt und eine niedrigere Summe vorgeschlagen habe, sei der Leiter des Personalamtes damit beauftragt worden, mit ihm, dem Beklagten, über die Summe zu verhandeln. Die Initiative für die Zahlung eines Ausgleichsbetrages sei aus dem Verwaltungsrat gekommen.

Im Óbrigen äußert er Zweifel an der sachlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts und hält eine Leistungsklage für unzulässig. Die Kläger hätte einen Rückforderungsbescheid erlassen müssen. Ein öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch sei schon deshalb nicht gegeben, weil es sich bei der Ausgleichszahlung nicht um eine öffentlichrechtliche Leistung handele, sondern um eine Zahlung, zu der sich die Klägerin aus Bindungen verpflichtet habe, die nicht dem öffentlichen Recht zuzuordnen seien. Schließlich sei die Zahlung auch entweder nicht rechtswidrig oder aber der Beklagte sei aufgrund des Rechtsgedankens des § 814 BGB nicht zur Rückzahlung verpflichtet. Der Verwaltungsrat habe zulässigerweise den Beschluss über die Ausgleichszahlung gefasst. Deshalb sei die Klägerin verpflichtet gewesen, diesen Beschluss umzusetzen. Für die Zahlung habe es also einen Rechtsgrund gegeben. Daran ändere nichts, dass die Zahlung unter Vorbehalt erfolgt sei, weil nicht zu erkennen gewesen sei, worauf sich der Vorbehalt bezog. Darüber hinaus habe die Klägerin positive Kenntnis im Sinne von § 814 BGB davon gehabt, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet war. In diesen Fällen könne die Leistung nicht zurückgefordert werden. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beklagte seit dem 1. Juli 2006 als Vorstandsmitglied bei der Klägerin eingesetzt gewesen sei. Schon bei dieser Position habe es sich um eine höherwertige Position als sein statusrechtliches Amt gehandelt. Jedenfalls aber ab Juni 2008, als er nach der Entlassung des seinerzeitigen Vorstandsvorsitzenden als kommissarischer Vorstandsvorsitzender eingesetzt worden sei, habe er einen Anspruch auf eine Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes gehabt. Auch vor diesem Hintergrund sei die Ausgleichszahlung gerechtfertigt.

Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2013 erklärt, dass an der Rüge der Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges nicht mehr festgehalten werde.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2013 zu den Umständen der Gewährung der Ausgleichszahlung Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen Picht. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des dazu vorgelegten Verwaltungsvorganges Bezug genommen.

Gründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in Bezug auf das dem Beklagten doppelt ausgezahlte Weihnachtsgeld übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Im Óbrigen ist die Klage zulässig.

Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ergibt sich hier allerdings nicht bereits aus der aufdrängenden Sonderzuweisung des § 54 Abs. 1 BeamtStG. Danach ist für alle Klagen der (früheren) Beamten aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Die Klägerin war hier jedoch nicht der Dienstherr des Beklagten. Sein vorheriger Dienstherr, der Verband L. im N1. , hatte die Dienstherrenfähigkeit durch Auflösung verloren. Der Beklagte war ab dem 1. Juli 2006 zum Kreis N2. -M1. als neuem Dienstherrn versetzt und gleichzeitig gemäß § 123a BRRG (heute: § 20 BeamtStG) den N3. (faktisch) zugewiesen worden, was seine Rechtsstellung als Beamter des Kreises jedoch unberührt ließ, vgl. § 20 Abs. 3 BeamtStG.

Der Verwaltungsrechtsweg ist hier nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Vorliegend handelt es sich bei der Rückforderung nicht um eine privatrechtliche, sondern um eine öffentlichrechtliche nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit. Dies ergibt sich zwar nicht bereits aus der Rechtsnatur der hier in Betracht kommenden streitentscheidenden Normen, da für die begehrte Rückforderung sowohl das öffentliche Recht (§ 12 Abs. 2 BBesG bzw. öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch) als auch das Zivilrecht (§§ 812 ff. BGB) mögliche Anspruchsgrundlagen zur Verfügung stellt. Ob eine Streitigkeit öffentlichrechtlich oder privatrechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Anhaltspunkte für die Zuordnung zum öffentlichen Recht kann auch der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs bzw. der Sachnähe liefern.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl 2012, § 40 Rdn. 6 a.E. und 11 (vorletzter Absatz).

Das Rechtsverhältnis, welches der Auszahlung des Ausgleichsbetrages an den Beklagten zugrunde liegt, ist hier öffentlichrechtlicher Natur. Die Ausgleichszahlung stand in unmittelbaren Zusammenhang mit dem vorzeitigen Eintritt des Beklagten in den Ruhestand, also dem Ausscheiden des Beklagten aus seinem Beamtenverhältnis, und betraf somit ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis. Die Ausgleichszahlung sollte nach den Vorstellungen der Beteiligten in erster Linie den Beklagten dazu bewegen, einen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand zu stellen. Dies haben der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ebenso wie der Zeuge Picht in der mündlichen Verhandlung erklärt. Auch der Beklagte hat dies aus Sicht des Gerichtes eingeräumt, wenn er davon spricht, dass er den Antrag auf vorzeitige Zurruhesetzung sonst möglicherweise erst später gestellt hätte, dass dann aber der Druck so groß geworden sei, dass er um Versetzung in den Ruhestand bereits zum 1. April 2010 gebeten habe. Ob diese Motivation auch im Zeitpunkt des Verwaltungsratsbeschlusses am 22. Februar 2010 noch von wesentlicher Bedeutung war, spielt für die grundsätzliche Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges insoweit keine Rolle. Zum anderen sollten durch die Zahlung dem Beklagten die durch den vorzeitigen Ruhestand entstehenden finanziellen Nachteile ausgeglichen werden. Das Gericht folgt insoweit den glaubhaften Ausführungen des Beklagten und des Zeugen Q. in der mündlichen Verhandlung. Der Zeuge Q. hat dazu ausgeführt, er habe die Höhe der finanziellen Nachteile mit etwa 23.000,00 EUR berechnet und in dieser Höhe (23.500,00 EUR) dem Verwaltungsrat einen Vorschlag zur Auszahlung unterbreitet, der später angenommen worden sei. Der sachliche Zusammenhang der Ausgleichszahlung mit dem Beamtenverhältnis des Beklagten folgt auch aus dem Verweis des Zeugen Q. auf die bestehenden Schwierigkeiten, ein einmal bestehendes Beamtenverhältnis auch gegen den Willen des Betreffenden beenden zu können. Dies sei hier jedoch der Wunsch des Verwaltungsrates gewesen.

Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Die Klage ist als Leistungsklage statthaft. Der Leistungsklage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis deshalb, weil die Klägerin die Rückforderung durch Verwaltungsakt (Rückforderungsbescheid) hätte geltend machen können. Zwar ist bei öffentlichen Rechtsträgern in der Regel der Erlass eines Leistungsbescheides der einfachere Weg. Dies gilt allerdings nicht, wenn ohnehin mit der Anfechtung des Verwaltungsakts durch den Betroffenen zu rechnen ist.

Ständige Rechtsprechung des BVerwG, z.B. Urteil vom 24. November 1966 - II C 27.64 -, juris, Rdn. 36 und Beschluss vom 29. August 2008 - 6 B 48/08 -, juris, Rdn. 4; vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 7. Aufl. 2011, § 14 Rdn. 81; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl 2012, Vorb § 40, Rdn. 50.

Die Klägerin musste hier mit Anfechtung eines eventuellen Rückforderungsbescheides rechnen, nachdem der Beklagte die Rückzahlung mit Schreiben vom 29. Juli 2010 und 17. September 2010 verweigert hatte. Óberdies fehlte es der Klägerin, die nicht Dienstherrin des Beklagten war und keine Bezüge im Sinne von § 12 Abs. 2 BBesG zurückforderte, für eine Geltendmachung ihrer Forderung durch Verwaltungsakt an der sogenannten Handlungsformbefugnis.

Vg. OVG Münster, Urteil vom 02. August 2001 - 1 A 3262/99 -, juris, Rdn. 18.

Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung von insgesamt 12.352,07 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen gegen den Beklagten zu.

Grundlage dieses Anspruchs auf Rückforderung des Nettobetrags der Ausgleichszahlung ist der gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch, da die ansonsten in Betracht kommende spezialgesetzliche Rückzahlungsregelung des § 12 Abs. 2 BBesG hier nicht einschlägig ist.

Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Vorschrift gilt jedoch zum einen ausschließlich für die Óberzahlung von "Bezügen". Um Bezüge im Sinne des Beamtenbesoldungsgesetzes handelt es sich bei der hier umstrittenen Leistung aber gerade nicht. Maßgeblich ist insoweit der sogenannte materielle Besoldungsbegriff, der seinerseits an den Inhalt der in Art. 74 a GG enthaltenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes anknüpft. Besoldung im materiellen Sinne ist danach alles, was als globale Gegenleistung für die globale Leistungspflicht des Beamten, Richters oder Soldaten zu betrachten ist. Hiervon erfasst werden namentlich sämtliche in Erfüllung der Alimentationspflicht gewährten Leistungen.

Vgl. OVG Münster, Urteil vom 02. August 2001 - 6 A 3262/99 -, juris, Rdn. 8 ff. mit weiteren Nachweisen.

Hier handelte es sich nach dem oben Ausgeführten aber nicht um eine Leistung im Rahmen der Alimentationspflicht, sondern im Vordergrund stand der Wunsch der Klägerin, den Beklagten zum Stellen eines Antrags auf Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand zu bewegen bzw. der Gedanke, diesen Antrag zu honorieren.

§ 12 Abs. 2 BBesG betrifft aber zum anderen auch ausschließlich Rückforderungen durch den Dienstherrn selbst. Dies folgt bereits daraus, dass die Erfüllung der Alimentationspflicht allein dem Dienstherrn obliegt. Wie bereits ausgeführt, war die - nicht dienstherrenfähige - Klägerin jedoch nicht der Dienstherr des Beklagten. Die Ausgleichszahlung wurde hier allein durch einen Dritten, die Klägerin, erbracht. Hat der Dienstherr zu den Leistungen eines Dritten - insbesondere einer nicht dienstherrenfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts, wie hier - nichts beigetragen, ist der Dritte auf den allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch zu verweisen.

Vgl. Schwegmann/Summer, Bundesbesoldungsgesetz, Kommentar, Loseblatt, Stand: September 2010, § 2 BBesG Rdn. 31 a.E.; VG N2. , Urteile vom 7. April 2011 - 4 K 1481/09 -, NRWE, Rdn. 109, - 4 K 567/11 -, NRWE, Rdn. 113.

Die Voraussetzungen des gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs liegen hier vor. Die Klägerin hat eine Vermögensverschiebung durch Leistung im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses ohne Rechtsgrund vorgenommen, und der Beklagte kann sich weder auf (den Rechtsgedanken des) § 814 Alt. 1 BGB noch auf Vertrauensschutz unter Berücksichtigung von Treu und Glauben berufen.

Die erforderliche Vermögensverschiebung durch Leistung ist hier gegeben. Leistung meint dabei eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.

Vgl. Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 812 Rdn. 14.

Die Klägerin hat am 31. März 2010 bewusst und zweckgerichtet den Nettobetrag der Ausgleichszahlung auf das Konto des Beklagten überwiesen. Die Auszahlung beruhte auf dem zu dieser Zeit noch nicht aufgehobenen Beschluss des Verwaltungsrates der Klägerin vom 22. Februar 2010.

Die Klägerin ist auch nicht gehindert, lediglich den Nettobetrag dieser Zuwendung zurückzufordern. Für die Rückforderungen von Besoldungsleistungen ist zwar anerkannt, dass der Bruttobetrag der überzahlten Bezüge vom Dienstherrn zurückgefordert werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1966 - II C 197.62 -, juris, Rdn. 57 ff.; Schwegmann/Summer, Bundesbesoldungsgesetz, Kommentar, Loseblatt, Stand: September 2010, § 12 BBesG Rdn. 35.

Daraus folgt jedoch nicht, dass die Klägerin nicht auch lediglich den Nettobetrag einfordern dürfte. Dass die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 9. November 2010 zunächst den Bruttobetrag von 23.500,00 EUR eingefordert hat, steht dem nicht entgegen. Ob die Klägerin sich damit - wie der Beklagte meint - einer ihr nicht zustehenden Forderung berühmt habe, bedarf hier keiner Entscheidung, da die Klägerin mit ihrer Klage - wie auch in den vorgerichtlichen Schreiben vom 23. April und 26. August 2010 - allein die Zahlung des Nettobetrages begehrt.

Die Auszahlung geschah auch im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses, da sie mit Hinblick auf das Ausscheiden des Beklagten aus seinem Beamtenverhältnis erfolgte. Insofern kann auf die obigen Ausführungen zur Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs verwiesen werden.

Die Auszahlung des Klagebetrages ist auch ohne Rechtsgrund erfolgt. Rechtsgrund kann jeder Rechtsakt sein, der zur Begründung einer Verbindlichkeit geeignet ist.

Vgl. Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 812 Rdn. 21.

Hier stellt jedoch weder der - später aufgehobene - Verwaltungsratsbeschluss vom 22. Februar 2010 einen solchen Rechtsgrund dar, noch findet die Abfindungszahlung eine rechtliche Grundlage im Gesetz oder in einem zwischen den Beteiligten geschlossenen wirksamen öffentlichrechtlichen Vertrag bzw. einer sonstigen rechtswirksamen Vereinbarung.

Der Verwaltungsratsbeschluss vom 22. Februar 2010 kann insofern keinen rechtlichen Grund mehr für das "Behaltendürfen" der Zuwendung darstellen, als er mit Beschluss des Verwaltungsrates vom 12. Juli 2010 aufgehoben worden ist. Die Möglichkeit einer Rückforderung ergibt sich dann entsprechend § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB, da der rechtliche Grund für die Zahlung später - durch den Aufhebungsbeschluss - weggefallen ist. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbeschlusses sind nicht ersichtlich.

Dem kann der Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Verwaltungsratsbeschluss vom 22. Februar 2010 habe weiterhin derart Bestand, dass der Beklagte den Betrag nicht zurückzahlen müsse. Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch zielt - ebenso wie § 812 BGB - auf die Rückgängigmachung von Leistungen, welche nach den zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen dem Leistungsempfänger objektiv nicht endgültig zustehen.

Vgl. Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 812 Rdn. 21.

Nach Erlass des Aufhebungsbescheids am 12. Juli 2010 stand dem Beklagten der ausgezahlte Betrag objektiv nicht mehr zu.

Insoweit kann sich der Beklagte auch von vorneherein nicht auf (den Rechtsgedanken des) § 814 BGB berufen. Nach § 814 Alt. 1 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Diese Vorschrift gilt jedoch nur für Leistungen zum Zweck der Erfüllung von Verbindlichkeiten, die im Zeitpunkt der Leistungen in Wirklichkeit nicht bestanden. § 814 BGB findet jedoch keine Anwendung bei Ansprüchen wegen späteren Wegfalls des Rechtsgrundes - wie hier -, da insofern im Zeitpunkt der Leistung ein Rechtsgrund für die zu erfüllende Verbindlichkeit bestand.

Vgl. Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 814 Rdn. 1 f.; Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2004, § 814 Rdn. 3.

Eine andere (gesetzliche) Rechtsgrundlage für die Abfindungszahlung ist nicht ersichtlich. Weder § 80 LBG noch die Regelungen im BBesG oder BeamtVG sehen die Gewährung einer Ausgleichszahlung im Falle des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Beamtenverhältnis vor. Entgegen der Ansicht des Beklagten findet die Zahlung ihren Rechtsgrund auch nicht in § 46 Abs. 1 BBesG. Danach erhält der Beamte eine Zulage, falls ihm die Aufgaben eines höherwertigen Amtes vorübergehend vertretungsweise übertragen werden. Das Gericht ist aufgrund der Erklärungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung jedoch davon überzeugt, dass der Sachgrund für die Gewährung der Ausgleichszahlung nicht in der Abgeltung einer solchen - im Óbrigen gesondert zu bewilligenden - Zulage liegen sollte. Nach übereinstimmender Bekundung der Beteiligten sollte die Ausgleichszahlung einerseits den Beklagten zum Stellen eines Antrags auf vorzeitigen Ruhestand bewegen und andererseits der Kompensation für die finanziellen Nachteile dienen, die der Beklagte durch den vorzeitigen Ruhestand erleiden würde. Für den Zusammenhang der Zahlung mit den finanziellen Nachteilen des vorzeitigen Ruhestandes spricht insbesondere die Höhe des ausgehandelten Kompromissbetrags, welcher nach den Berechnungen des Zeugen Q. in etwa diesen Nachteilen entsprechen sollte.

Der Rechtsgrund für die finanzielle Zuwendung an den Beklagten liegt auch nicht in einem zwischen den Beteiligten geschlossenen öffentlichrechtlichen Vertrag bzw. einer sonstigen rechtswirksamen Vereinbarung. Ob für die Vertragsverhandlungen zwischen dem Beklagten und dem Zeugen Q. die Voraussetzungen der §§ 54 ff. VwVfG NRW vorliegen, kann dahinstehen. Ein Vertrag oder eine sonstige Vereinbarung auf Auszahlung einer Abfindung für den Fall des vorzeitigen Eintritts des Beklagten in den Ruhestand verstieße jedenfalls gegen § 2 Abs. 2 BBesG bzw. § 3 Abs. 2 BeamtVG. Nach diesen Vorschriften sind Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die dem Beamten eine höhere als die ihm gesetzlich zustehende Besoldung bzw. Versorgung verschaffen sollen, unwirksam. Eine besoldungs- oder sonstige rechtliche Grundlage für die Abfindungszahlung ist hier - wie oben ausgeführt - nicht gegeben, worauf auch die Kommunalaufsicht die Klägerin mit Schreiben vom 14. April 2010 zutreffend hingewiesen hat.

Die Kammer schließt sich bezüglich der zwingenden Folge der Unwirksamkeit einer eventuell zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarung über die Ausgleichszahlung den Ausführungen des VGH Kassel - Urteil vom 19. Juni 1996, Az. 1 UE 1395/93, juris, Rdn. 28 - an, der dazu ausgeführt hat:

"Diese Regelung stellt die einfachrechtliche Konkretisierung eines hergebrachten und auch derzeit uneingeschränkt gültigen tragenden Grundsatzes des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) dar, wonach die Besoldung (und Versorgung) der Beamten, namentlich ihre Höhe, unmittelbar und ausschließlich der Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers vorbehalten und von ihm abstraktgenerell durch Gesetz zu regeln ist. Wegen dieses Grundsatzes des strikten Gesetzesvorbehalts im Bereich der Besoldung (und Versorgung) von Beamten, mit dessen Hilfe sichergestellt werden soll, dass die Prinzipien der Unparteilichkeit und Objektivität nicht durch Versuche, individuell eine höhere Besoldung der Beamten zu erreichen, in Frage gestellt werden, und dass der Grundsatz der Gleichheit aller Beamten vor dem Gesetz gewahrt werden soll, kann weder durch Rechtsverordnung, Satzung, Verwaltungsakt, öffentlichrechtlichen Vertrag noch durch private Absprachen die dem Gesetzgeber obliegende Entscheidung geändert oder ersetzt werden. Die strenge Sanktionsregelung des § 2 Abs. 2 BBesG konkretisiert dabei die bereits aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vorbehalts und des Vorrangs des Gesetzes als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips und aus dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gesetzesbindung der Regelung von Besoldung und Versorgung (Art. 33 Abs. 5 GG) folgende Entscheidung, dass jeder Verstoß hiergegen, wie auch jeder Versuch des Umgehens der abstraktgenerellen normativen Festlegung der Höhe der Besoldung unzulässig ist und zwingend zur Unwirksamkeit derartiger Regelungen und Vereinbarungen führt."

Auch im Hinblick auf fehlende gesetzliche und vertragliche Rechtsgrundlagen für die Zahlung kann sich der Beklagte nicht auf (den Rechtsgedanken des) § 814 BGB berufen. Ob diese Vorschrift auch im Rahmen des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs, zumindest ihrem Rechtsgedanken nach, anwendbar ist, ist umstritten.

Zustimmend OVG Münster, Urteil vom 2. August 2001 - 1 A 3262/99 -, juris, Rdn. 45-49; ablehnend - jedenfalls für den unmittelbaren Anspruch nach § 12 Abs. 2 BBesG - BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 C 2.01 -, juris, Rdn. 18.

Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, denn die Voraussetzungen der Regelung liegen hier nicht vor. Nach § 814 Alt. 1 BGB - der hier allein einschlägig ist - kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Mit "Wissen" ist dabei eine im Zeitpunkt der Leistung bestehende positive Kenntnis gemeint.

Vgl. OVG Münster, Urteil vom 2. August 2001 - 1 A 3262/99 -, juris, Rdn. 50; Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 814 Rdn. 3.

Geht es um die Leistung einer Person des öffentlichen Rechts, so ist in diesem Zusammenhang auf die Kenntnis desjenigen Bediensteten abzustellen, dessen Willensentschließung für das Bewirken der Leistung entscheidend war.

Vgl. OVG Münster, Urteil vom 2. August 2001 - 1 A 3262/99 -, juris, Rdn. 52, mit weiteren Nachweisen; VG Düsseldorf, Urteil vom 31. März 2003 - 23 K 6190/00 -, juris, Rdn. 20.

Dies zugrundegelegt, kommt es hier maßgeblich auf die Kenntnis des Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Dr. C1. an, der die Auszahlung am 31. März 2010 angewiesen hat. Dass Herr Dr. C1. jedoch freiwillig in Kenntnis der Nichtschuld handelte, kommt unter Berücksichtigung aller erkennbaren objektiven Umstände hier nicht in Betracht. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende veranlasste die Auszahlung "per Blitzüberweisung" hier offensichtlich allein deshalb, weil er für die Umsetzung des Verwaltungsratsbeschlusses vom 22.02.2010 zuständig war. Er handelte mithin nicht in Kenntnis einer Nichtschuld, sondern aufgrund - vermeintlicher - rechtlicher Verpflichtung. Seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zahlung brachte er dadurch nach außen deutlich zum Ausdruck, dass er die Auszahlung lediglich "unter Vorbehalt" veranlasste. Die von § 814 BGB geforderte Freiwilligkeit der Leistung trotz Kenntnis der Nichtschuld lässt sich dem gerade nicht entnehmen.

Der Rückforderung des Auszahlungsbetrages steht hier kein schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten unter Berücksichtigung von Treu und Glauben entgegen. Im Rahmen des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs ist nicht auf die Wertung der §§ 818 Abs. 3 und 4, 819 Abs. 1 BGB abzustellen. Es kommt vielmehr auf die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Leistungsempfängers an.

So grundlegend BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 - 7 C 48/82 -, juris, Rdn. 13 ff.; vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 434 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG NRW, 13. Aufl. 2012, § 49a Rdn. 28.

Demnach ist auch derjenige nicht schutzwürdig, der die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung aus grober Fahrlässigkeit nicht erkennt.

BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 - 7 C 48/82 -, juris, Rdn. 17 ff. mit vertiefter Begründung.

Grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes nur deshalb nicht erkannt hat, weil er - gemessen an seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten unter Berücksichtigung auch seiner Vorbildung und Ausbildung sowie seiner Diensterfahrung - die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in außergewöhnlichem Maße außer Acht gelassen hat, indem er unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Falle jedem einleuchten musste.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1993 - 11 C 47/92 -, juris, Rdn. 13; OVG Münster, Urteil vom 10. November 1993 - 25 A 2550/91 -, juris, Rdn. 27; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 48 Rdn. 124.

Unter Berücksichtigung aller Umstände geht die Kammer davon aus, dass das Vertrauen des Beklagten, die Zuwendung behalten zu dürfen, nach diesem Maßstab nicht schutzwürdig ist. Für einen diensterfahrenen Beamten in der Position eines Leitenden Kreisverwaltungsdirektors ist zum "besoldungsrechtlichen Grundwissen" zu zählen, dass besoldungsrechtliche Leistungen nur nach Maßgabe des Gesetzes gewährt werden dürfen und abweichende Vereinbarungen keine Wirksamkeit besitzen. Dieser Kerngehalt des § 2 Abs. 2 BBesG gehört mit zu den wesentlichen, das gesamte Besoldungsrecht prägenden Grundsätzen.

Vgl. OVG Münster, Urteil vom 2. August 2001 - 1 A 3262/99 -, juris, Rdn. 37.

Bei entsprechendem Nachdenken hätte der Kläger deshalb unter diesem Gesichtspunkt die Zahlung auf ihre Berechtigung hin näher prüfen müssen. Das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die Zahlung war jedenfalls durch Einholung von Erkundigungen relativ leicht festzustellen. Dem Kläger hätten sich zumindest Zweifel an der Gesetzmäßigkeit der empfangenen Leistung aufdrängen müssen. Dass ein Bediensteter seines Dienstherrn an den Verhandlungen über die Ausgleichszahlung wesentlich mitgewirkt hatte, ändert daran nichts. Auf dessen rechtliche Óberprüfung allein durfte sich der Kläger nicht "blind" verlassen. Insofern stünde der Rechtmäßigkeit der Rückforderung auch ein erhebliches oder sogar überwiegendes Mitverschulden des Dienstherrn am Zustandekommen der Óberzahlung nicht entgegen.

Vgl. OVG Münster, Urteil vom 2. August 2001 - 1 A 3262/99 -, juris, Rdn. 37.

Die Rückforderung verstößt hier auch nicht gegen Treu und Glauben. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz findet bei Rückforderungen gem. § 812 BGB Anwendung, zumal das Bereicherungsrecht ohnehin ein Rückabwicklungsrecht mit Zügen von Treu und Glauben ist.

Ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. Urteil vom 18. Dezember 1973 - I C 34.72 -, juris und Beschluss vom 5. März 1998 - 4 B 3/98 -, juris; vgl. auch VGH München, Urteil vom 11. November 1998 - 6 B 95.2137 -, juris, Rdn. 48; VG Lüneburg, Urteil vom 22. Januar 1997 - 1 A 91/94 -, juris, Rdn. 38.

Als Anhaltspunkt für eine entsprechend möglicherweise gebotene Reduzierung der Rückforderung kann hier - angesichts des bestehenden engen Sachzusammenhangs mit dem Besoldungsrecht - auch im Rahmen des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs ergänzend auf die Rechtsprechung zu § 12 Abs. 2 BBesG zurückgegriffen werden, insbesondere auf die nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG vorgeschriebene Billigkeitsentscheidung.

Siehe dazu Schwegmann/Summer, Bundesbesoldungsgesetz, Kommentar, Loseblatt, Stand: September 2010, § 12 BBesG Rdn. 37 und 37d.

Für die im Rahmen des Rückforderungsanspruchs nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG durch den Dienstherrn zu treffende Billigkeitsentscheidung ist anerkannt, dass in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen ist, wenn der Grund für die Óberzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesem Fall gilt ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrages im Regelfall als angemessen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 C 15/10 -, juris, Rdn. 26.

Ein derartiges - überwiegendes - Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen der Ausgleichszahlung, welches eine Reduzierung der Rückforderung gebieten könnte, hält die Kammer hier für nicht gegeben. Die Auszahlung am 31. März 2010 beruhte - wie ausgeführt - maßgeblich darauf, dass der Beklagte am 23. März 2010 für den Fall der verspäteten Zahlung seinerseits die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen angekündigt hatte. Daraus ergibt sich, dass das Verhalten des Beklagten maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die bereits eingeleitete Óberprüfung der Rechtmäßigkeit der Zahlung durch die Bezirksregierung von der Klägerin nicht abgewartet worden ist. Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin ansonsten die Auszahlung erst nach der rechtlichen "Freigabe" durch die Bezirksregierung E. vorgenommen hätte. Dies belegt insbesondere der Fortgang der Ereignisse im Jahr 2010. Nachdem die Bezirksregierung die Rechtswidrigkeit der Zahlung in der Besprechung mit Vertretern der Klägerin am 30. Juni 2010 gerügt hatte, hob der Verwaltungsrat der Klägerin unverzüglich, nämlich bereits in der darauffolgenden Sitzung, den Auszahlungsbeschluss vom 22. Februar 2010 auf, welcher bis dahin Dr. C1. zur Auszahlung verpflichtet hatte. Zudem handelte der Beklagte bei seiner Forderung nach baldiger Auszahlung in dem Bewusstsein, dass die Rechtmäßigkeit der Ausgleichszahlung Ende März 2010 noch nicht abschließend geklärt und daher fragwürdig war. Bereits aus dem - ihm unbestritten zur Kenntnis gelangten - Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom 22. Februar 2010 ergab sich, dass der Landrat auf seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zahlung hingewiesen hatte. Zudem wusste der Beklagte, dass Dr. C1. eine weitere rechtliche Prüfung der Zahlung vornehmen wollte. Dies belegt das Schreiben des Beklagten vom 23. März 2010 an die Klägerin, in welchem er "befremdet" auf die Ankündigung dieser erneuten rechtlichen Óberprüfung reagierte. Aufgrund dieser Begleitumstände sieht das Gericht auch den durch die Klägerin bei der "Blitzüberweisung" ausgesprochenen Vorbehalt für den Beklagten als inhaltlich ausreichend bestimmt an, da dieser die maßgeblichen Erwägungen für diesen Vorbehalt kannte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 161 Abs. 2 VwGO. Dem Beklagten waren nach Billigkeit hier auch die Kosten in Bezug auf den erledigten Teil der Hauptsache aufzuerlegen, da er die Forderung der Klägerin insoweit anerkannt hat.

Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.