VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.05.1996 - 2 S 590/94
Fundstelle
openJur 2013, 10070
  • Rkr:

1. Die Umlage, die ein Zweckverband von seinen Mitgliedern erhebt, gehört zu den "sonstigen öffentlich-rechtlichen Abgaben und Umlagen" iSv § 12 KAG (KAG BW). Sie wird durch Verwaltungsakt angefordert.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, durch den ein Bescheid über die Abrechnung der Betriebskostenumlage für die Jahre 1987 bis 1990 aufgehoben wurde.

Die Klägerin ist Mitglied des beklagten Abwasserzweckverbands M.. Nach § 12 der Verbandssatzung vom 15.12.1977 werden die jährlichen, nicht anderweitig gedeckten Aufwendungen des Zweckverbands auf die Verbandsmitglieder umgelegt (Jahresumlage). Die Jahresumlage setzt sich aus der Finanzkostenumlage und der Betriebskostenumlage zusammen. Die Verbandssatzung wurde durch Änderungssatzung vom 14.4.1983 geändert. In § 2 Abs. 4 der Änderungssatzung ist folgendes geregelt: "Die Jahresumlage wird getrennt nach Zins-, Tilgungs- und Betriebskostenumlage von der Verbandsversammlung bei der Aufstellung des Haushaltsplans festgesetzt. Die endgültige Umlage richtet sich nach dem Jahresabschluß. Die Verbandsversammlung beschließt über die endgültige Umlage bei der Genehmigung des Jahresabschlusses. Überzahlungen werden auf das jeweils folgende Haushaltsjahr angerechnet. Restzahlungen werden innerhalb von 14 Tagen nach Genehmigung des Jahresabschlusses nachgefordert; sie sind innerhalb von 14 Tagen an die Verbandskasse abzuführen."

Mit Schreiben vom 22.12.1983 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, die Schmutzfracht einer in ihrem Gebiet ansässigen Brauerei habe sich reduziert. Da im Jahre 1984 die zweijährige Überprüfung des Umlageschlüssels fällig sei, bitte sie darum, daß die notwendigen Untersuchungen und Erhebungen baldmöglichst durchgeführt würden.

Mit Schreiben vom 20.8.1987 machte die Klägerin unter Vorlage eines Privatgutachtens erneut geltend, die Abwasserfracht und Schmutzfracht der A.-Brauerei habe sich seit Anfang 1983 erheblich reduziert. Sie bat um entsprechende Berücksichtigung bei der Betriebskostenumlage.

Die Beklagte erteilte daraufhin der Firma GKW-Ingenieure den Auftrag, Ermittlungen zur Fortschreibung des Kostenverteilungsschlüssels für die Verbandsumlage durchzuführen. Über das Ergebnis der durchgeführten Untersuchungen erstattete das genannte Ingenieurbüro am 23.1.1990 ein schriftliches Gutachten, in dem die anteiligen Jahresbelastungen der Kläranlage durch die Verbandsgemeinden dargelegt wurden. Die in einer Abschlußtabelle aufgeführten Zahlen wurden für das Jahr 1988 aktualisiert. Bei der tabellarischen Aufteilung der Verwaltungskosten und Betriebskosten entfiel auf die Klägerin ein Mittelwert von 15,77%. Der bisherige Umlageschlüssel betrug 19,22%.

Am 23.1.1992 fand eine Verbandsversammlung statt. In der Niederschrift dieser (39.) Verbandsversammlung ist zu dem Tagesordnungspunkt "Feststellung der Jahresrechnung für das Jahr 1990" folgendes ausgeführt:

Stellungnahme der Verbandsversammlung

Die Gemeinde Z. beantragt bezüglich der Feststellung der Betriebskostenumlage den Vorbehalt der Vorläufigkeit einzubringen. Die Gemeinde Z. hat bereits im Jahre 1987 den Antrag auf Neufestsetzung der Betriebskostenumlage gestellt, da die Verschmutzungswerte durch einen geschlossenen Kreislauf der Brauerei erheblich reduziert wurde. Der Schlüssel für die neue Betriebskostenumlage konnte seither noch nicht errechnet werden, da die Fremdwasservariante miteingebracht werden sollte und entsprechende Untersuchungen, die bereits in Auftrag gegeben sind, nicht vorliegen.

Beschluß der Verbandsversammlung

Der Jahresrechnung wird, wie von der Verwaltung vorgeschlagen, zugestimmt. Auf Grund des Untersuchungsergebnisses der GKW vom 23.1.1990 wird die Betriebskostenumlage von 1987 bis 1990 abgerechnet. Die Variante Fremdwasseranteil bleibt außer Betracht. Die Verwaltung erhält den Auftrag, die Fremdwasseruntersuchung zu forcieren bzw. dieses Jahr noch durchführen zu lassen und die Einbindung in den Schlüssel Betriebskostenumlage zu untersuchen."

Am 4.2. 1992 richtete der Beklagte an die Klägerin sowie an die anderen Verbandsgemeinden folgendes Schreiben:

Abrechnung der Betriebskostenumlage für die Jahre 1987 bis 1990

Sehr geehrte Damen und Herren,

auf Antrag der Gemeinde Z. hat die Verbandsversammlung am 23.1.1992 beschlossen, die Betriebskosten von 1987 bis 1990 ohne die Fremdwasservariante nach dem von der GKW ermittelten neuen Betriebskostenschlüssel abzurechnen.

Es ergibt sich folgende Berechnung:

...

In vier tabellarischen Aufstellungen werden für jede Verbandsgemeinde die bisherigen Umlageschlüssel und entsprechenden Kosten sowie die neuen Umlageschlüssel und die neuen Betriebskosten sowie die (positiven bzw. negativen) Unterschiedsbeträge aufgeführt. In einer Zusammenstellung der Unterschiedsbeträge wird für die Klägerin ein Betrag von 142 720,55 DM aufgeführt. In dem Schreiben heißt es abschließend: "Die Unterschiedsbeträge sind innerhalb eines Monats auf das Konto des Verbands zu überweisen bzw. werden erstattet."

Nach einer Anmerkung des Verbandsschriftführers zu der Niederschrift über die Verbandsversammlung vom 23.1.1992 heißt es: "Bei der Besprechung am 18.2.1992, an der die Bürgermeister der Verbandsgemeinden anwesend waren, wurde mehrheitlich festgestellt, daß der Beschluß zur Abrechnung der Betriebskostenumlage in dieser Form nicht gefaßt worden sei. Die Abrechnung der Betriebskostenumlage bedürfe einer getrennten Beschlußfassung als eigener Tagesordnungspunkt."

Am 19.2.1992 richtete der Beklagte an die Klägerin und die übrigen Verbandsgemeinden folgendes Schreiben:

Abrechnung der Betriebskostenumlage für das Jahr 1987 bis 1990 - unser Schreiben vom 4.2.1992 -

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie in der Besprechung am 18.2.1992 festgelegt, wird über die Abrechnung der Betriebskostenumlage in der nächsten Verbandsversammlung beraten und Beschluß gefaßt.

Unser Schreiben vom 4.2.1992 wird damit gegenstandslos und ist als Information zu werten. ...

In der Niederschrift über die 40. öffentliche Sitzung der Verbandsversammlung des Beklagten am 23.6.1992 wird folgender Beschluß der Verbandsversammlung aufgeführt:

Beschluß der Verbandsversammlung

Das Protokoll vom 23.1.1992 ist bezüglich der Aussage über die Abrechnung der Betriebskostenumlage unrichtig. Abstimmungsergebnis: 15 Stimmen für die Unrichtigkeit des Protokolls, 8 Stimmen für die Richtigkeit des Protokolls.

Bei der Behandlung des Tagesordnungspunkts "Abrechnung der Betriebskostenumlage der Vorjahre" beantragte die Verwaltung, die Verbandsversammlung wolle beschließen, die Rückrechnung der Betriebskostenumlage einschließlich des Jahres 1990 vorzunehmen. Es erfolgte der Beschluß der Verbandsversammlung: "Dem Antrag der Verwaltung wurde mit 16 Ja-Stimmen, vier Gegenstimmen und drei Enthaltungen entsprochen."

Mit Schreiben vom 23.10.1992 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 19.2.1992. Sie führte aus, mit dem angefochtenen Bescheid sei der Bescheid des Beklagten vom 4.2.1992, ein begünstigender Verwaltungsakt, zu Unrecht widerrufen worden.

Mit Bescheid vom 12.11.1992 wies das Landratsamt R. den Widerspruch als unzulässig zurück. Es vertrat die Auffassung, daß es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 19.2.1992 nicht um einen Verwaltungsakt handele. Denn auch das Schreiben des Beklagten vom 4.2.1992, auf das sich das erstgenannte Schreiben beziehe, sei kein Verwaltungsakt. Es fehle an einem Über-Unterordnungsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin. Die Leistungspflicht der Verbandsmitglieder entstehe mit dem Beschluß der Verbandsversammlung über die Festsetzung der Umlage. Die Umlage werde mit der Bekanntgabe des Beschlusses an die Verbandsmitglieder fällig. Bei der Anforderung der Betriebskostenumlage durch den Zweckverband werde keine Regelung getroffen.

Am 11.12.1992 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 19.2.1992 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts R. vom 12.11.1992 aufzuheben, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 103 931,24 DM nebst 4% Zinsen zu zahlen, höchsthilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, durch Beschluß der Verbandsversammlung auf der Grundlage des für das Jahr 1990 rückwirkend angewendeten Verteilungsschlüssels eine Rückrechnung der Betriebskostenumlage zum Abwasserzweckverband "M." auch für die Jahre 1987 bis 1989 herbeizuführen.

Zur Begründung hat sie folgendes ausgeführt: Der Bescheid vom 19.2.1992 verstoße gegen § 131 Abs. 2 AO, da er einen der Klägerin gegenüber begünstigenden Verwaltungsakt des Beklagten (Bescheid vom 4.2.1992) widerrufe, ohne daß die hierfür nach dieser Bestimmung erforderlichen Voraussetzungen vorgelegen hätten. Das Schreiben vom 4.2.1992 sei ein Verwaltungsakt im Sinne von § 118 AO. Mit ihm sei der Beschluß der Verbandsversammlung vom 23.1.1992 gegenüber den einzelnen Gemeinden umgesetzt worden. Trotz gleichrangiger Mitgliedschaft der einzelnen Gemeinden in einem Zweckverband bestehe bei der Heranziehung zur Leistung der Betriebskostenumlage und damit auch für die Erstattung der zuviel gezahlten Umlage insoweit ein partielles Über- und Unterordnungsverhältnis, da sich die Heranziehung zur Leistung der Umlage nicht auf eine Maßnahme innerhalb des Verbands beschränke, sondern hier die öffentlich-rechtliche Körperschaft des Zweckverbands von der insoweit getrennt zu sehenden Selbstverwaltungskörperschaft Gemeinde einen Finanzierungsbeitrag anfordere. Auch die Außenwirkung als Voraussetzung der Qualifikation zum Verwaltungsakt sei gegeben, da die Heranziehung zur Leistung der Umlage nicht im mitgliedschaftlichen Innenverhältnis des Zweckverbands verbleibe, sondern darüber hinausgehend in eigene Rechte der Gemeinde eingreife. Zur Begründung des Hilfsantrags hat sie ausgeführt: Das Schreiben vom 4.2.1992 sei zumindest als allgemeine verwaltungsrechtliche Zusage an die Klägerin zu werten, den Betrag von 142 720,55 DM auszuzahlen, wobei sich dieser Betrag auf 103 931,24 DM reduziert habe. Der Inhalt der Zusage verstoße nicht gegen ein gesetzliches Verbot. Vielmehr entspreche er dem damaligen Beschluß der Verbandsversammlung und stehe auch mit der Verpflichtung des Beklagten zur Rückrechnung des Verteilungsschlüssels ab dem Jahre 1987 in Einklang. Die Verpflichtung der Beklagten zur Rückrechnung der Betriebskostenumlage auch für die Jahre 1987 bis 1989 (vgl. zweiter Hilfsantrag) folge direkt aus § 19 Abs. 1 S. 2 GKZ in Verb. mit den §§ 12 Abs. 3 S. 2, 4 Abs. 2 der Verbandssatzung der Beklagten. Der Beklagte sei seiner Verpflichtung, den der Verbandsumlage zugrundeliegenden Verteilungsschlüssel im Abstand von jeweils zwei Jahren zu überprüfen, nicht nachgekommen. Vielmehr sei der Verteilungsschlüssel seit der rückwirkenden Entscheidung der Verbandsversammlung vom 18.5.1982 ab dem 1.1.1980 unverändert geblieben, obwohl sich die tatsächlichen Umstände seitdem geändert hätten, wie der Überprüfungsantrag der Klägerin vom 22.2.1983 gezeigt habe. Der Beklagte sei verpflichtet, die Betriebskostenumlage zumindest bis zum Jahre 1987 zurückzurechnen, da auf Grund der vorgelegten Gutachten feststehe, daß der Verteilungsschlüssel nicht mehr den Tatsachen entsprochen habe.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle das Schreiben vom 4.2.1992 keinen begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO dar. Der Abwasserzweckverband "M." sei in der Form des Freiverbands, also auf der Ebene eines freiwilligen Zusammenschlusses, gebildet worden. Alle Mitglieder des Freiverbands ständen gleichberechtigt nebeneinander. Ein Überordnungsverhältnis und Unterordnungsverhältnis bestehe zwischen den Mitgliedern nicht. Der Vergleich der Umlage eines Zweckverbands mit der Kreisumlage gehe fehl. Während der Landkreis eine Mischform von Gemeindeverband und Gebietskörperschaft darstelle, sei der Zweckverband ein Zusammenschluß mehrerer Körperschaften zur gemeinsamen Aufgabenerfüllung. Entsprechend der genossenschaftlichen Struktur des Zweckverbands sei die Umlage als eine besondere öffentlich-rechtliche Beitragsleistung des Mitglieds zu qualifizieren, die etwa dem Mitgliedsbeitrag beim Verein oder der Nachschußpflicht bei der Genossenschaft vergleichbar sei. Auch bei der Festsetzung der Höhe der Verbandsumlage handele es sich um einen Fall der körperschaftlichen Willensbildung, an der die Verbandsmitglieder beteiligt seien. Eine Mitgliedsgemeinde, die ihre sich aus der Verbandssatzung ergebende Pflicht nicht erfülle, könne nicht im Wege des Verwaltungsakts zur Einhaltung ihrer Pflicht angehalten werden. Das gelte auch für die Umlagepflicht eines Verbandsmitglieds nach § 19 GKZ. Einem Verstoß gegen die Umlagepflicht könne im Wege der Aufsicht oder mit der verwaltungsgerichtlichen Leistungsklage begegnet werden. Die Abgabenqualität der Verbandsumlage ergebe sich auch nicht aus § 12 KAG. Zwar falle unter den Begriff der Umlage im Sinne des § 12 KAG auch die Umlage der Zweckverbände und der Gemeindeverwaltungsverbände. Aber § 12 KAG enthalte eine Einschränkung dahingehend, daß die §§ 3 und 5 nur sinngemäß für Umlagen gelten, die von Gemeinden oder Gemeindeverbänden erhoben würden. Auch die Hilfsanträge seien unbegründet. Selbst wenn in dem Schreiben vom 4.2.1992 eine allgemeine verwaltungsrechtliche Zusage gesehen würde, sei der Beklagte gem. § 38 Abs. 3 LVwVfG infolge der Rechtsänderung nicht mehr gebunden, die durch den Beschluß der Verbandsversammlung vom 23.6.1992 herbeigeführt worden sei. Eine Anpassung des Verteilungsschlüssels an die geänderten Belastungswerte sei faktisch erst nach Vorlage des Gutachtens der Firma GKW-Ingenieure möglich gewesen.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 9.11.1993 den Bescheid der Beklagten vom 19.2.1992 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts R. vom 12.11.1992 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen des Urteils ist ausgeführt: Auf den von der Klägerin angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 19.2.1992 fänden die Vorschriften der §§ 130 AO in Verb. mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 b, § 12 KAG Anwendung mit der Rechtsfolge, daß er bereits deshalb aufzuheben gewesen sei, weil weder in ihm noch im Widerspruchsbescheid die nach den §§ 130, 131 AO erforderlichen Ermessenserwägungen angestellt worden seien (§ 114 VwGO). Bei dem Schreiben der Beklagten vom 4.2.1992 handele es sich um die Festsetzung einer öffentlichen Abgabe sui generis in der Form eines Verwaltungsakts (§ 118 AO), dessen Wirksamkeit nur nach den Vorschriften der §§ 130 ff. AO beseitigt werden könne (vgl. § 124 Abs. 2 AO). Die von dem Beklagten als einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 3 GKZ) erhobene Umlage sei eine "sonstige öffentlich-rechtliche Abgabe bzw. Umlage" im Sinne der Vorschrift des § 12 KAG. Die nach § 19 GKZ von einem öffentlich-rechtlichen Zweckverband zur Deckung seines Finanzbedarfs zu erhebende Umlage erfülle die Begriffsmerkmale der in § 12 KAG angesprochenen "öffentlichen Abgabe". Die Umlage werde vom Zweckverband gegenüber seinen Mitgliedern einseitig hoheitlich durch Verwaltungsakt festgesetzt. Insoweit handele es sich um eine der Kreisumlage vergleichbare Abgabe (vgl. § 49 LKrO, § 35 FAG), bei der es sich unbestrittenermaßen um eine sonstige öffentlich-rechtliche Abgabe im Sinne des § 12 KAG handele. Zwar sei im Gegensatz zu einem durch Gesetz gebildeten Landkreis der Zweckverband ein freiwilliger Zusammenschluß von Gemeinden zur Erfüllung bestimmter Aufgaben (§ 1 GKZ). Dies ändere jedoch nichts daran, daß ein Zweckverband seine Mitglieder einseitig zur Zahlung einer Umlage nach § 19 GKZ heranziehen dürfe, andernfalls eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch den Zweckverband nicht gesichert wäre. Zwar seien die einzelnen Mitglieder des Zweckverbands insoweit gleichgestellte Partner, als sie in der Verbandsversammlung, in der jedes Mitglied eine Stimme habe, gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 der Verbandssatzung die zu erhebende Jahresumlage festsetzten. Dem Beklagten sei jedoch in § 12 Abs. 2 bis Abs. 3 in Verb. mit § 19 Abs. 1 GKZ darüber hinaus die Befugnis eingeräumt, gleichsam in einem zweiten Schritt, die jeweils von ihren Mitgliedern zu fordernde Jahresumlage auf der Grundlage der von der Verbandsversammlung festgesetzten Jahresumlage nach dem in § 4 Abs. 2 der Verbandssatzung genannten Verteilungsschlüssel für die einzelnen Gemeinden zu errechnen und diese dann zu der so errechneten Umlage heranzuziehen. Dem Beklagten sei die hoheitliche Befugnis eingeräumt, die von der Verbandsversammlung festgesetzte Jahresumlage auf den Einzelfall zu konkretisieren und dann die Mitglieder zur Leistung der Umlage heranzuziehen. Die Festsetzung und Anforderung erfolge gem. § 3 Abs. 1, 3b KAG in Verb. mit § 118 AO durch Verwaltungsakt.

Gegen das ihm am 2.2.1994 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28.2.1994 Berufung eingelegt. Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 9.11.1993 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Er betont die genossenschaftliche Struktur des Zweckverbands, durch die der Rechtscharakter der Umlage geprägt sei. Ein Überordnungsverhältnis und Unterordnungsverhältnis bestehe nicht.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt sie im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten, die Widerspruchsakten des Landratsamts R. und die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe - 1 K 1860/92 - vor. Auf diese Unterlagen und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Gründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 in Verb. mit § 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht stattgegeben, denn der angefochtene Bescheid vom 19.2.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.1992 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten ist ebenso wie der durch ihn zu Lasten der Klägerin aufgehobene Bescheid vom 4.2.1992 als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Beide Bescheide betreffen die Regelung der von der Klägerin als Verbandsmitglied an den Beklagten für die Jahre 1987 bis 1990 zu entrichtenden Umlage. Die Anforderung der Umlage nach § 19 GKZ durch den Zweckverband erfolgt durch Verwaltungsakt (vgl. Bay.VGH, Beschluß vom 29.8.1968, VwRspr. Bd. 20, 1969, S. 127; Bauernfeind in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand Januar 1996, § 1 RdNr. 36; a.A. OVG Koblenz, Urteil vom 29.10.1962, DVBl. 1964, S. 369).

Bei der Umlage, die ein Zweckverband von seinen Verbandsmitgliedern erhebt, handelt es sich um eine "sonstige öffentlich-rechtliche Abgabe und Umlage" im Sinne von § 12 KAG, auf die die §§ 3 und 5 KAG sinngemäß Anwendung finden (so auch Gössl in: Seeger/Gössl, KAG § 12 Erl. 1). Der Zweckverband ist eine "sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaft" im Sinne von § 12 KAG, der gem. § 19 GKZ von seinen Mitgliedern zur Deckung des anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarfs eine Umlage zu erheben berechtigt ist. Die Umlage des Zweckverbands ist hinsichtlich ihres Rechtscharakters als einer durch Leistungsbescheid anzufordernden Abgabe vergleichbar etwa mit der sog. Kreisumlage nach § 49 LKrO, § 35 FAG (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.3.1960, KStZ 1960, S. 104; Bayer.VGH, Urteil vom 4.11.1992, BWGZ 1993, S. 29), dem Beitrag zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 2.4.1992, VBlBW 1992, S.480; Urteil vom 5.2.1996 - 9 S 1155/93 -) oder dem Innungsbeitrag zur Handwerkskammer nach § 73 Abs. 1 HWO (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.3.1988 - 14 S 375/86 -). In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die genannten Abgaben von § 12 KAG erfaßt werden, d.h. auf sie die in § 3 KAG genannten Vorschriften der Abgabenordnung entsprechende Anwendung finden.

Eine besondere gesetzliche Regelung, die der Anwendung der §§ 3 und 5 KAG auf die Erhebung der Umlage durch einen Zweckverband entgegenstünde (vgl. § 12 KAG letzter Halbsatz), besteht nicht. Auch aus § 19 GKZ, der einschlägigen Vorschrift über die Zweckverbandsumlage, ist nicht zu entnehmen, daß eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der Abgabenordnung gem. §§ 12, 3 KAG auf die Erhebung der Umlage der Sache nach nicht in Betracht käme. Zwar wird nach § 19 Abs. 1 S. 3 GKZ die Höhe der Umlage in der Haushaltssatzung für jedes Haushaltsjahr festgesetzt. Die Festsetzung der Umlage erfolgt durch die Verbandsversammlung, dem Hauptorgan des Zweckverbands (§ 13 Abs. 1 GKZ). Die Verbandsmitglieder sind daher durch ihre Vertreter an der Festsetzung der Umlage beteiligt (§ 13 Abs. 2 S. 1 GKZ). Die Durchführung der in der Haushaltssatzung getroffenen Festsetzung der Umlage obliegt jedoch der Verwaltung des Zweckverbands. Der Zweckverband tritt bei der Anforderung der Umlage den Verbandsmitgliedern mit einem "hoheitlichen" Verwaltungshandeln gegenüber. Betroffen sind nicht mehr die einem Verbandsmitglied zustehenden organschaftlichen Mitwirkungsrechte, sondern Pflichten, die die Mitglieder des Zweckverbands gegenüber diesem als selbständige Rechtssubjekte zu erfüllen haben. Der Zweckverband tritt mit der Anforderung der Umlage den Mitgliedern als außenstehender Rechtsträger gegenüber. Der Umlagebescheid ist insoweit "auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet" (vgl. § 118 AO in Verb. mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 b, § 12 KAG; a.A. Schauwecker, Zweckverbände in Bad.-Württemberg, 1990, S. 163).

Das auf § 19 GKZ beruhende Recht der Zweckverbände, von ihren Mitgliedern Umlagen (durch "hoheitliches Verwaltungshandeln") zu erheben, besteht unabhängig davon, ob der Zweckverband durch freiwilligen Zusammenschluß der ihm angehörigen Gemeinden und Landkreise (Freiverband) oder durch hoheitlichen Zusammenschluß (Pflichtverband) gebildet wurde (vgl. § 2 Abs. 1 GKZ). Denn die Vorschriften über die Verfassung und Verwaltung des Zweckverbands gelten gemeinsam für alle Zweckverbände ohne Rücksicht auf ihre Entstehungsart. Keine Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Tatsache zu, daß der Zweckverband bei einem freiwilligen Zusammenschluß durch eine Vereinbarung (öffentlich-rechtlichen Vertrag) gem. § 6 Abs. 1 GKZ gegründet wird. Denn nachdem auf der Grundlage der Vereinbarung der letzte Akt zur Gründung des Zweckverbands vollzogen ist, ergeben sich die Rechtsbeziehungen der Beteiligten nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Gründung des Zweckverbands, sondern allein aus den nunmehr für ihn geltenden gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.6.1971, BaWüVBl. 1972, S. 90; Urteil vom 18.3.1960, KStZ 1960, S. 107).

Auch der angefochtene Bescheid vom 19.2.1992 ist ein Verwaltungsakt auf dem Gebiet der Umlageverwaltung des Beklagten (§ 118 AO). In ihm hat die Verbandsverwaltung (der Verbandsschriftführer) gegenüber der Klägerin eine verbindliche Regelung in bezug auf die Betriebskostenumlage für die Jahre 1987 bis 1990 getroffen, indem sie den Umlagebescheid vom 4.2.1992 aufgehoben (für "gegenstandslos" erklärt) hat. In dem Bescheid vom 4.2.1992 wurde von der Verbandsverwaltung die Betriebsumlage für die Jahre 1987 bis 1990 unter Anwendung des geänderten Verteilungsschlüssels der GKW-Ingenieure neu berechnet und gegenüber der Klägerin die Erstattung des überzahlten Differenzbetrags verfügt (§§ 118, 37 Abs. 2 AO). Der Aufhebungsbescheid vom 19.2.1992 enthält gegenüber der Klägerin eine Beschwer (§ 42 Abs. 2 VwGO), da mit ihm die mit Bescheid vom 4.2.1992 verfügte Erstattung des bezahlten Differenzbetrags beseitigt werden sollte.

Die Anfechtungsklage ist auch begründet, da die Aufhebung des Bescheids vom 4.2.1992 rechtswidrig erfolgt ist. Die Voraussetzungen für den "Widerruf" eines rechtmäßigen, begünstigenden Verwaltungsakts gem. § 131 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AO in Verb. mit § 3 Abs. 1 Nr. 3b KAG lagen nicht vor. Dies bedarf keiner weiteren Darlegung und wurde vom Beklagten auch nicht behauptet. Dasselbe gilt für die gesetzlichen Voraussetzungen der "Rücknahme" eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts gem. § 130 Abs. 2 AO in Verb. mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 b KAG, sollte der Bescheid vom 4.2.1992 als "rechtswidrig" anzusehen sein. Eine erkennbare "Rechtswidrigkeit" des Bescheids vom 4.2.1992 (vgl. auch § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO) liegt jedenfalls nicht vor. Der Bescheid über die geänderte Abrechnung der Betriebskostenumlage für die Jahre 1987 bis 1990 wäre nicht etwa dann rechtswidrig, wenn der Beschluß der Verbandsversammlung vom 23.1.1992 nicht so gefaßt worden sein sollte, wie er protokolliert war, nämlich daß die Betriebskosten von 1987 bis 1990 nach dem von der GKW ermittelten neuen Betriebskostenschlüssel abzurechnen seien. Die Ausführung dieses Beschlusses, wie sie in dem Bescheid vom 4.2.1992 geschehen ist, wäre jedenfalls im Außenverhältnis nicht wegen fehlender inhaltlicher Deckungsgleichheit mit dem von der Verbandsversammlung gefaßten (oder eigentlich gewollten) Beschluß rechtswidrig, solange kein Verstoß gegen die objektive Rechtslage gegeben ist. Der Bescheid vom 4.2.1992 war auch nicht deshalb rechtswidrig, weil darin die Betriebskostenumlage - zu Lasten mehrerer Verbandsmitglieder - rückwirkend ab dem Jahre 1987 neu berechnet wurde. Da die Klägerin seit 1983 auf den geänderten Abwasserzufluß aus ihrer Gemeinde aufmerksam gemacht und unter Vorlage eines Privatgutachtens eine Änderung des Verteilungsschlüssels beantragt hat, waren die anderen Verbandsmitglieder mit diesem Sachverhalt vertraut und in die Lage versetzt, sich auf etwaige Nachforderungen in ihren Haushaltsplanungen rechtzeitig einzustellen. Schließlich ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, daß der Aufhebungsbescheid vom 19.2.1992 schon wegen fehlender Ermessenserwägungen, sei es nach § 130 Abs. 2 AO oder nach § 131 Abs. 1 AO, rechtswidrig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verb. mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.