VG Augsburg, Beschluss vom 13.02.2013 - Au 2 S 13.143
Fundstelle
openJur 2013, 5986
  • Rkr:

Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung; Klagebefugnis von Umweltverbänden; Abschuss und Abfang von Bibern; Artenschutz; Ausnahme durch AllgemeinverfügungLeitsatz:Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention gewährt anerkannten Naturschutzverbänden im Bereich des europäischen Artenschutzes ein über § 64 BNatSchG hinausgehendes Klagerecht gegen eine durch Allgemeinverfügung erteilte Ausnahme von den Verboten des § 44 BNatSchG.

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Allgemeinverfügung des Landratsamts ... vom 23. November 2012 wird wieder hergestellt, soweit sie die in den Anlagen 1, 3, 4, 5, 8, 11, 12, und 13 beschriebenen Gewässer betrifft. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein Umweltschutzverband, wehrt sich gegen eine durch Allgemeinverfügung für bestimmte Gewässerabschnitte erteilte Erlaubnis zum Abschuss und Abfang von Bibern im Zeitraum zwischen dem 1. September und 15. März.

Im Amtsblatt des Landkreises ... machte das Landratsamt ... am 28. November 2012 eine „Allgemeinverfügung für den Abfang und Abschuss von Bibern“ vom 23. November 2012 bekannt. Zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden sowie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit sei es den von der unteren Naturschutzbehörde hierzu bestellten Personen gestattet, Bibern in der Zeit vom 1. September bis 15. März nachzustellen, sie zu fangen und zu töten. Aus der Biberkartierung ergebe sich, dass der günstige Erhaltungszustand nicht bedroht werde.

Der Antragsteller erhob am 21. Dezember 2012 Klage gegen die Allgemeinverfügung. Daraufhin ordnete das Landratsamt ... durch Bekanntmachung im Amtsblatt am 16. Januar 2013 die sofortige Vollziehung der Allgemeinverfügung an. Durch den Aufschub der Vollziehung infolge der Klageerhebung seien erhebliche Schäden und eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, insbesondere Einbruchgefahren von Personen und Maschinen, nicht auszuschließen. Ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache würde bedeuten, dass bis zum 1. Oktober weitere erhebliche Schäden und Gefährdungen zu besorgen seien, da die Biber erst ab diesem Zeitpunkt wieder entnommen werden könnten.

Am 29. Januar 2013 begehrte der Antragsteller vorläufigen Rechtschutz und beantragte sinngemäß,

1. die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Allgemeinverfügung für den Abfang und Abschuss von Bibern des Antragsgegners vom 23. November 2012 und damit gleichzeitig die Außervollzugsetzung der bezeichneten Allgemeinverfügung anzuordnen,

2. gegenüber dem Antragsgegner eine Zwischenverfügung dergestalt zu erlassen, dass der Antragsgegner aufgefordert wird, bis zur Entscheidung über den Antrag zu 1) dafür Sorge zu tragen, dass das Abfangen und Abschießen von Bibern unterlassen wird.

Der Antragsteller sei antragsbefugt, da er ein Klagerecht aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 1998 (Aarhus-Konvention) ableiten könne.

Die Allgemeinverfügung sei rechtswidrig, da sie gegen Art. 16 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) verstoße. Zum einen sei es nicht möglich, eine Ausnahme von artenschutzrechtlichen Regelungen durch eine Allgemeinverfügung vorzusehen. Die Ausnahmeregelung des Art. 16 FFH-Richtlinie erfordere, dass dessen Tatbestandsvoraussetzungen konkret für jedes betroffene Tier geprüft werden müssen. Es bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des § 2 Abs. 3 der Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten (Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung – AAV) bzw. des § 45 Abs. 7 Satz 4 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG), da eine für eine Vielzahl von Fällen geltende Rechtsverordnung nicht mit dem individuenbezogenen Ansatz des Art. 12 FFH-Richtlinie vereinbar sei. Eine Allgemeinverfügung stelle nicht sicher, dass hinsichtlich jedes Bibers geprüft werde, ob Präventivmaßnahmen ausreichend gewesen wären und ob überhaupt eine Kausalität zwischen dem Biber und dem geltend gemachten Ausnahmegrund vorliege. Der Allgemeinverfügung liege auch kein landkreisspezifisches Managementkonzept zugrunde. Dieses sei jedoch als Voraussetzung für eine langfristige Sicherung eines guten Biberbestands erforderlich. Es verstoße gegen Art. 12 und Art. 16 FFH-Richtlinie, bereits vorzeitig durch den Erlass einer Allgemeinverfügung in die Population einzugreifen.

Darüber hinaus seien die Voraussetzungen der Ausnahme nicht hinreichend dargelegt. Es sei nicht ersichtlich, worin die erheblichen Schäden liegen sollen, welche Flächen betroffen seien und wie sie genutzt würden. Insbesondere sei nicht geprüft worden, ob die betroffenen Flächen legal genutzt werden. Zudem sei weder erkennbar, ob der Schadensermittlung alle gemeldeten Schäden oder nur die entschädigungspflichtigen Schäden zugrunde gelegt worden seien, noch, ob andere mildere Maßnahmen für die betroffenen Gebiete ergriffen wurden oder zu ergreifen gewesen wären.

Selbst wenn die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen zu betrachten wären, spreche eine Interessenabwägung für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Der Biber sei eine streng geschützte Art und mit seiner Tötung würden vollendete Tatsachen geschaffen. Der Abschuss könne zur Folge haben, dass gewichtige, auch unionsrechtlich geschützte Gemeinwohlbelange des Artenschutzes beeinträchtigt werden.

Demgegenüber habe der Antragsgegner nicht dargelegt, welche Schäden konkret zu erwarten seien, so dass ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht möglich sei. Auch hinsichtlich der Gefahren für die Sicherheit durch den Einbruch von Menschen und Maschinen sei keine Konkretisierung vorgenommen und offenbar auch nicht geprüft worden, ob andere Maßnahmen – z.B. Sperrung der betroffenen Gebiete – die Gefahr ebenfalls beseitigen oder abmildern könnten.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2013 nahm der Antragsgegner zum Hauptsacheverfahren Stellung und beantragte mit Schreiben vom 5. Februar 2013 im vorliegenden Eilverfahren,

den Antrag abzulehnen.

Der Antrag sei nicht zulässig, da der Antragsteller keine Antragsbefugnis besitze. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht von § 63 BNatSchG erfasst, da dieser eine Verbandsklage nur bei Befreiungen, nicht jedoch bei Ausnahmen vorsehe.

Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung sei § 2 Abs. 3 AAV. Für alle Gewässerabschnitte seien entweder bereits erfolgte land- und forstwirtschaftliche Schäden oder aber vorhersehbare erhebliche Schäden und Gefahrsituationen Grund für den Erlass der Allgemeinverfügung gewesen. Es bestehe die Gefahr von Unterhöhlungen, Uferabbrüchen, Vernässungen landwirtschaftlicher Flächen und forstwirtschaftliche Schäden durch Verbiss und Vernässung. Zudem sei die Gefahr des Auslaufens von Fischteichen und die Gefährdung von Straßen, Wegen und öffentlichen Flächen zu befürchten. In allen Fällen sei geprüft worden, ob es zumutbare Alternativen gebe. Für die besonders schadensintensiven Gewässerabschnitte und in Fällen, in denen Sicherheitsaspekte die Aufnahme in die Allgemeinverfügung rechtfertigten, habe schnell gehandelt werden müssen. Absperrungen der betroffenen Bereiche oder Einzelabfang seien hier nicht erfolgversprechend.

Einer Befristung habe die Allgemeinverfügung nicht bedurft, da nur durch Verwaltungsakt bestellte Personen Biber abfangen und abschießen dürften, so dass ein unkontrollierter Abschuss nicht möglich sei.

Der Erlass der Allgemeinverfügung sei nur ein erster Schritt in Sachen „Bibermanagement im Landkreis ...“ gewesen.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2013 vertiefte der Antragsgegner seinen Vortrag und machte detailliertere Ausführungen zu den einzelnen Gewässern, den bereits vorhandenen oder befürchteten Schäden sowie zu den Präventivmaßnahmen.

Der Antragsteller nahm mit Schreiben vom 11. Februar 2013 Stellung und rügte unter anderem, dass es sich bei einem Teil der Gewässer um natürliche Gewässer handle, die nicht in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 AAV fielen.

Am 13. Februar 2013 erwiderte der Antragsgegner, dass aus dem begrenzten Anwendungsbereich der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung nicht geschlossen werden könne, dass in nicht von ihr erfassten Fällen eine Ausnahme unzulässig sei. Die Biberkartierung des Landkreises ... gebe den Biberbestand mit hinreichender Genauigkeit wieder.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist teilweise erfolgreich. Hinsichtlich der in den Anlagen 1, 3, 4, 5, 8, 11, 12, und 13 der Allgemeinverfügung bezeichneten Gewässer war die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 21. Dezember 2012 anzuordnen. Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.

1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt. Er ist eine in Bayern anerkannte Naturschutzvereinigung nach § 63 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 3 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfs-gesetz – UmwRG). Auch wenn § 63, § 64 BNatSchG als maßgebliche nationale Bestimmung kein eigenes Recht anerkannter Naturschutzvereinigungen zur Einlegung von Rechtsbehelfen bei Erteilung einer Ausnahme von artenschutzrechtlichen Vorschriften explizit vorsehen (vgl. BayVGH, U.v. 17.3.2008 – 14 BV 05.3079BayVBl 2008, 499; Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl. 2011, § 64 Rn. 16), so ergibt sich im vorliegenden Fall jedoch eine Antragsbefugnis unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention. Die Konvention wurde sowohl von der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25.6.1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen) vom 9.12.2006; BGBl. II 2006, 1251) als auch von der Europäischen Gemeinschaft (Beschluss des Rates 2005/370/EG vom 17.2.2005 über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft) angenommen.

Nach Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. Da das Aarhus-Abkommen in den Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union fällt (vgl. EuGH, U.v. 8.3.2011 – C-240/09 – Slg. 2011, I-1255 Rn. 37 ff.), diese aber noch keine Regelung bezüglich der Mitgliedsstaaten zur Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention getroffen hat, ist es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedsstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die dem Schutz der dem Einzelnen aus der FFH-Richtlinie erwachsenen Rechte gewährleisten sollen (EuGH, U.v. 8.3.2011 a.a.O. Rn. 47).

Unter Berücksichtigung der Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität ist das nationale Recht, wenn eine durch das Unionsrecht und insbesondere durch die FFH-Richtlinie geschützte Art betroffen ist, im Hinblick auf die Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in den vom Umweltrecht der Union erfassten Bereichen so zu interpretieren, dass es so weit wie möglich im Einklang mit den in Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention festgelegten Zielen steht (EuGH, U.v. 8.3.2011 a.a.O. Rn. 50). Das nationale Verfahrensrecht ist in Bezug auf die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahrens vorliegen müssen, so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzorganisation zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten (EuGH, U.v. 8.3.2011 a.a.O. Rn. 51).

Das bedeutet, dass das Verwaltungsprozessrecht, insbesondere § 42 Abs. 2 VwGO, in dem Sinne zu verstehen ist, dass es einer Naturschutzvereinigung gestattet ist, einen als rechtswidrig erachteten Verwaltungsakt auf dem Gebiet des europäischen Umweltrechts anzugreifen. Mit dem Urteil vom 8. März 2011 hat der Europäische Gerichtshof den Weg für eine angemessene Lockerung des am Individualrechtsschutz orientierten Zugangs zu gerichtlichen Überprüfungsverfahren auch in Deutschland geebnet; Nichtregierungsorganisationen wird die Möglichkeit der Kontrolle des mitgliedsstaatlichen Vollzugs des Gemeinschaftsrechts eingeräumt. Damit ist das innerstaatliche Prozessrecht in den Fällen erweiternd auszulegen, in denen das Unionsrecht substanziell verfahrensrechtliches und materiell-rechtliches Umweltschutzrecht gesetzt hat (HessVGH, B.v. 14.5.2012 – 9 B 1918/11ZUR 2012, 438; VG München, U.v. 9.10.2012 – M 1 K 12.1046ZUR 2012, 699; VG Wiesbaden, U.v. 16.8.2012 – 4 K 165/12.WI – juris Rn. 32; vgl. hierzu auch Schlacke, Stärkung überindividuellen Rechtsschutzes zur Durchsetzung des Umweltrechts, ZUR 2011, 312; Frenz, Individuelle Klagebefugnis zwischen Bürgerprotest und Umweltverbandsklagen, DVBl 2012, 811).

2. Der Antrag ist teilweise begründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist zwar gemessen an den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO formell ordnungsgemäß erfolgt, hinsichtlich der in Anlagen 1, 3, 4, 5, 8, 11, 12, und 13 der Allgemeinverfügung beschriebenen Gebiete bestehen jedoch ernsthafte Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung, so dass insoweit die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen war. Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.

Die im Amtsblatt des Landkreises ... am 16. Januar 2013 bekannt gemachte behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Allgemeinverfügung vom 23. November 2012 lässt formelle Rechtsfehler nicht erkennen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO). Die zur Begründung der Sofortvollzugsanordnung angeführten fallbezogenen und nicht lediglich formelhaften Aspekte tragen den gesetzlichen Anforderungen von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO noch in ausreichender Weise Rechnung und sind geeignet, das Vollzugsinteresse nachvollziehbar zu belegen (vgl. z.B. Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 80 Rn. 43). Die Behörde hat hier in adäquater Weise dargelegt, warum ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht hinnehmbar ist und dabei auf Gefahren der öffentlichen Sicherheit (z.B. Einbruchgefahren) sowie die Gefahr hoher wirtschaftlicher Schäden verwiesen. Dass hierbei im Wesentlichen dieselben Überlegungen zum Tragen kommen, die tatbestandlich den Abschuss der Biber überhaupt rechtfertigen, ergibt sich als zwingende Folge der hohen Anforderungen an eine artenschutzrechtliche Ausnahme. Eine dezidierte Auseinandersetzung mit den betroffenen Interessen war hier hingegen nicht erforderlich, da durch die Allgemeinverfügung keine subjektiven Rechte betroffen sind und die Abwägung der öffentlichen Belange durch den Gesetzgeber in der Schaffung der zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen weitestgehend vorgegeben wurde. Eine Aufhebung der Sofortvollzugsanordnung war daher nicht veranlasst (s. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 80 Rn. 148 ff.).

Ein Anspruch auf die vom Antragsteller begehrte gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 21. Dezember 2012 gegen die Allgemeinverfügung des Landratsamts ... vom 23. November 2012 besteht nur bezüglich der in den Anlagen 1, 3, 4, 5, 8, 11, 12, und 13 der Allgemeinverfügung beschriebenen Gebiete (§ 80 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 4a Abs. 3 und Abs. 4 UmwRG).

Das Gericht hat bei der im vorliegenden summarischen Verfahren zu treffenden eigenen Ermessensentscheidung die durch den Antragsteller vertretenen Interessen auf der einen Seite und die Interessen des Antragsgegners bzw. der Allgemeinheit auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen. Abzustellen ist dabei vor allem auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Je größer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, hier der mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2012 erhobenen Klage, sind, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse des vorläufigen Rechtsschutz Begehrenden zu stellen. Je geringer umgekehrt die Erfolgsaussichten zu bewerten sind, umso höher müssen die erfolgsunabhängigen Interessen der Antragstellerseite zu veranschlagen sein, um eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs, dass dieser offenkundig aussichtslos ist, so ist die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in der Regel abzulehnen. Ist dagegen der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich erfolgreich, d.h. zulässig und begründet, so ist dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel stattzugeben (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 21.4.1995 – 1 VR 9.94NJW 1995, 2505; Schmidt in Eyermann, a.a.O., § 80 Rn. 68 ff.). Lässt sich auch nach intensiverer, wenngleich einem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes angemessener Prüfung nicht feststellen, ob der Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben oder Erfolg haben wird, so wird zur Vermeidung vollendeter Tatsachen regelmäßig die aufschiebende Wirkung anzuordnen sein (BayVGH, B.v. 14.01.1991 – 14 CS 90.3166NVwZ 1991, 1002).

a) Bei der gebotenen Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs war – da dieser wie oben ausgeführt zulässig ist – maßgebend, dass im Eilverfahren nicht ausräumbare Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtene Allgemeinverfügung bei der anzustellenden Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie sich aus dem Vortrag der Beteiligten sowie aus den vorgelegten Behördenakten ergeben, bestehen. Hinsichtlich der Gebiete, wie sie in den Anlagen 2, 6, 7, 9, 10, 14 und 15 der Allgemeinverfügung beschrieben sind, fällt die Interessenabwägung unter Gewichtung der zu erwartenden Vollzugsfolgen und unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage, die vorliegend als offen einzuschätzen sind, zugunsten des Antragsgegners aus. In den übrigen Fällen – d.h. bezüglich der in Anlagen 1, 3, 4, 5, 8, 11, 12, und 13 bezeichneten Bereiche – führt die Interessenabwägung zu einem Überwiegen der durch den Antragsteller vertretenen Aussetzungsinteressen.

Rechtsgrundlage der Allgemeinverfügung ist § 2 Abs. 3 AAV. § 2 Abs. 1 AAV gestattet zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden sowie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 abweichend von den artenschutzrechtlichen Verboten, Bibern in der Zeit vom 1. September bis 15. März nachzustellen, sie zu fangen und zu töten. Nach § 2 Abs. 3 AAV kann die Kreisverwaltungsbehörde als untere Naturschutzbehörde erwerbswirtschaftlich genutzte Fischteichanlagen, Abschnitte von angelegten Be- und Entwässerungsgräben sowie Abschnitte von öffentlichen Straßen festsetzen, bei denen Maßnahmen nach Absatz 1 zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit erforderlich sind. Dies setzt voraus, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und die Populationen des Bibers in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.

(1) Diese Regelung ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung ergibt sich aus § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG. Weder § 2 AAV noch § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG stehen in Widerspruch zu Art. 12 und Art. 16 der FFH-Richtlinie. Insbesondere verlangt das Unionsrecht bei einer Ausnahme im Wege der Allgemeinverfügung nicht, dass eine Einzelfallprüfung für jedes Tier durchgeführt werden muss. Zwar ist es zutreffend, dass das Verbot des § 44 BNatSchG auf den Schutz der Individuen abzielt und einer populationsbezogenen Relativierung nicht zugänglich ist (vgl. Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 1.6.2012, § 44 BNatSchG Rn. 9 m.w.N.). Hieraus kann jedoch lediglich geschlossen werden, dass jede verbotene Maßnahme hinsichtlich jedes einzelnen Tieres von einer Gestattung gedeckt sein muss, nicht jedoch dass jedes Tier dabei zwingend individualisiert sein muss. Im Übrigen hat der nationale Gesetzgeber durch Schaffung des § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG zum Ausdruck gebracht, dass aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung regional eine Ausnahme vom Tötungsverbot gemacht werden kann (vgl. BT-Drs. 16/5100 Begr. S. 17; BT-Drs. 16/12274 Begr. S. 70). Auch die Vorschrift des Art. 16 FFH-Richtlinie schließt den Erlass einer Allgemeinverfügung nicht aus. Art. 16 FFH-Richtlinie ist als Ausnahmeregelung zwar eng auszulegen (EuGH, U.v. 14.6.2007 – C-342/05Slg. 2007, I-4713 Rn. 25) und erlaubt nicht die Exklusion einer ganzen Art aus dem Schutzregime der FFH-Richtlinie (EuGH, U.v. 12.7.2007 – C-507/04Slg. 2007, I-5939 Rn. 90). Vorliegend handelt es sich jedoch um konkrete Maßnahmen mit klarer Beschränkung auf im Einzelfall ausgewählte Gebiete. Es erfolgt gerade keine flächendeckende Ausnahme vom Verbot der Tötung von Bibern.

(2) Ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 AAV für jedes der in der Allgemeinverfügung genannten Gebiete vorliegen, kann ohne Beweiserhebung in einem Eilverfahren nicht abschließend beurteilt werden.

Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei einzelnen Anlagen um natürliche Gewässer und nicht um Be- und Entwässerungsgräben, handelt, da in diesem Fall der Abschuss und Abfang der Biber direkt auf § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG gestützt werden könnte, der dieselben Voraussetzungen aufstellt wie § 2 Abs. 3 AAV.

§ 2 Abs. 3 Satz 1 AAV erlaubt den Erlass einer Allgemeinverfügung zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden. Solche Schäden können nur dann bejaht werden, wenn die Beachtung des artenschutzrechtlichen Verbots zu einer Verletzung des unionsrechtlich garantierten Eigentumsrechts führt (Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 45 BNatSchG Rn. 20). Der betreffende Gewerbebetrieb muss durch die Anforderungen des Artenschutzes schwer und unerträglich getroffen werden, obwohl der Betriebsinhaber alle Anstrengungen unternommen hat, dem entgegenzuwirken (Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 45 Rn. 14). Die Regelungen der Naturschutzgesetze stellen regelmäßig lediglich Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die vom Eigentümer im Rahmen der in Art. 14 Abs. 2 GG verankerten Sozialbindung des Eigentums entschädigungslos hinzunehmen sind (BVerwG, U.v. 24.6.1993 – 7 C 26.92NJW 1993, 2949). Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist ein besonderer Ausdruck der Sozialbindung von Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 2 GG. Durch Nutzungsverbote oder Nutzungsbeschränkungen aus Gründen des Naturschutzes werden keine eigentumsrechtlich geschützten Rechtspositionen entzogen, sondern lediglich die Art und Weise der Nutzung von Eigentum näher geregelt (vgl. BVerwG, B.v. 17.1.2000 – 6 BN 2.99NVwZ-RR 2000, 339). Wie viel an Beschränkungen dem Eigentümer durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen entschädigungslos auferlegt werden kann, ist situationsabhängig. Die Grenze der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist jedoch erst dann überschritten, wenn durch die Bestimmungen des Naturschutzes kein Raum mehr bleibt für einen privatnützigen Gebrauch des Eigentums bzw. für eine Verfügung über den Eigentumsgegenstand oder wenn eine bisher ausgeübte oder sich nach der Lage der Dinge objektiv anbietende Nutzung ohne jeglichen Ausgleich unterbunden wird (BVerwG, B.v. 17.1.2000 a. a. O.).

Es ist dem Antragsgegner hinsichtlich der in den Anlagen 1, 3, 4, 5, 8, 11, 12, und 13 der Allgemeinverfügung beschriebenen Bereiche nicht gelungen, in für das vorliegende Verfahren ausreichender Weise darzulegen, dass Schäden drohen, die die oben genannten Voraussetzungen erfüllen. Sofern Schäden an landwirtschaftlichem Gerät durch Einbrechen in den Boden geltend gemacht wurden, erreichen diese nicht die Schwelle zur Verletzung des Eigentumsrechts am landwirtschaftlichen Betrieb, da dieser durch die Beschädigung einer Maschine nicht schwer und unerträglich getroffen wird. Auch wurde diesbezüglich nicht dargelegt, ob der jeweilige Eigentümer alles unternommen hat, um diese Schädigungen zu vermeiden, z.B. indem er einen Schutzstreifen zum Ufer hin brachlegt (vgl. S. 1 der Anlage 1 zu den Richtlinien zum Bibermanagement des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 24.1.2012, Az.: 62a-U8644.32-2011/2-51 – Richtlinien zum Bibermanagement). Hinsichtlich der Vernässungen der landwirtschaftlichen Flächen spricht viel dafür, dass noch kein erheblicher wirtschaftlicher Schaden im Sinne einer ernsten Beeinträchtigung des Betriebs eingetreten ist, da die betroffenen Landwirte soweit ersichtlich bisher auf die Geltendmachung von Entschädigungen verzichtet haben. Auch ist nicht erkennbar, ob die Vernässungen, die nur auf lange Sicht zu Wertminderungen führen (vgl. Anlage 1 zu den Richtlinien zum Bibermanagement S. 1), in naher Zukunft solche zu verursachen drohen. Aus den vorgelegten Unterlagen ist nicht hinreichend deutlich erkennbar, ob und in welcher Höhe Schäden bezüglich welcher Flächen konkret zu erwarten sind. Gutachten oder fachliche Stellungnahmen, die einen Anhalt für die Existenz und den Umfang von Wertminderungen, Ertragseinbußen oder sonstigen wirtschaftlichen Schäden durch die Vernässungen bieten könnten, liegen (derzeit) nicht im erforderlichen Umfang vor.

Hinsichtlich der betroffenen Waldfläche (Gemarkung ..., Anlage 1 der Allgemeinverfügung) ist nicht ersichtlich, ob sie der Forstwirtschaft dient. Zudem ist ein Schaden von 470 EUR nicht als erheblich einzustufen. Auch bezüglich des Fischteiches (Gemarkung ..., Anlage 13 der Allgemeinverfügung) ist nicht erkennen, ob es sich hierbei um eine der gewerblichen Fischzucht dienende Anlage handelt.

Die Kosten der öffentlichen Hand für Präventivmaßnahmen (Entfernung der Dammbauten) können ebenfalls keine erheblichen wirtschaftlichen Schäden begründen, da Kommunen in diesem Bereich nicht durch das Eigentumsgrundrecht geschützt sind, sondern in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben handeln. Vielmehr sind deren Belastungen lediglich bei der Frage der fehlenden Zumutbarkeit anderer Maßnahmen zu berücksichtigen.

Als erhebliche wirtschaftliche Schäden kommen somit ausgehend von dem bisherigen Vortrag lediglich die Schäden in Betracht, die bei den in Anlage 2 (Überflutung eines Gehöfts), Anlage 6 (Überschwemmung des Gemeindegebiets), Anlage 14 (Überlaufen des Wassers in besiedelte Gebiete) und Anlage 15 (Unterminierungen beim Wasserkraftwerk) bezeichneten Gewässern dargelegt sind.

Der Abschuss und Abfang von Bibern ist außerdem möglich, wenn Gründe der öffentlichen Sicherheit dies erfordern (§ 2 Abs. 3 Satz 1 AAV). Legt man bei der Anwendung von § 2 Abs. 3 Satz 1 AAV die auf der FFH-Richtlinie basierende Terminologie des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG zugrunde, ist der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ nur europarechtlich zu verstehen, d.h. er umfasst lediglich die Belange im Zusammenhang mit der Existenzsicherung des Staates, der Bekämpfung von Gewaltanwendung im Inneren oder von außen sowie der Abwehr unmittelbarer oder absehbarer Gefahren für grundlegende gesellschaftliche Interessen (Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 45 Rn. 17). Allerdings würde dieses Normverständnis nicht in Einklang zu bringen sein mit dem Sinn und Zweck von § 2 Abs. 3 AAV, da sich dann ein eklatantes (Gewichtungs-)Missverhältnis in der Norm dahingehend ergeben würde, dass der Abschuss von Bibern zur Verhinderung von wirtschaftlichen Schäden erlaubt wäre, nicht aber zum Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber hier einen an der sicherheitsrechtlichen Terminologie orientierten Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ gewählt hat (vgl. z.B. Richtlinien zum Bibermangement S. 8). Allerdings ist eine Definition des Begriffs der „öffentlichen Sicherheit“ nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt und würde auch europäischem Recht zuwiderlaufen. Der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ in der Verordnung ist somit im Licht der Ermächtigungsgrundlage und der FFH-Richtlinie und unter Berücksichtigung des Willens des Verordnungsgebers dahingehend auszulegen, dass „öffentliche Sicherheit“ neben dem gleichlautenden Ausnahmegrund in § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG jedenfalls auch den dort genannten Ausnahmegrund „Gesundheit des Menschen“ umfasst.

Eine Ausnahme von den artenschutzrechtlichen Verboten zum Schutz der Gesundheit von Menschen kann etwa zugelassen werden zur Abwehr von Überschwemmungs- und Lawinengefahren oder zur Entschärfung von Unfallschwerpunkten (Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 45 Rn. 17).

Sofern vom Antragsgegner Einbruchgefahren für landwirtschaftliche Fahrzeuge auf Wiesen und Ackerflächen vorgetragen wurden, können diese primär nicht als Gefahr für die Gesundheit von Menschen angesehen werden, sondern regelmäßig (nur) als Eigentumsbeschädigung. Auch hinsichtlich der Uferabbrüche ist nicht ersichtlich, inwiefern dadurch die unmittelbare Gefahr von Personenschäden droht. Der Ausnahmegrund kommt somit lediglich in Bezug auf die Gebiete zum Tragen, die in den Anlagen 6 (Überschwemmung des Gemeindegebiets), 7 (Gefährdung der Staatsstraße), 9 (Unterminierung der Zufahrt zu einem Gehöft), 10 (Unterminierung des Kinderspielplatzes) und 14 (Überlaufen des Wassers in besiedelte Gebiete) der Allgemeinverfügung beschrieben sind.

§ 2 Abs. 3 AAV verlangt darüber hinaus, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung für die zu bewältigende Situation gibt. Die AAV greift damit wieder die Terminologie der FFH-Richtlinie auf, während § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG von „zumutbaren Alternativen“ als Ausschlussgrund für eine Ausnahme spricht. Eine anderweitige zufriedenstellende Lösung ist dann gegeben, wenn die durch den Biber verursachten Schäden oder Gefahren auch auf andere Art und Weise vermieden werden können. In dieser Formulierung kommt zum Ausdruck, dass dann, wenn Präventivmaßnahmen möglich sind, diesen Vorrang vor dem Abschuss und Abfang der Tiere zukommt. Die Tötung der Biber darf lediglich als ultima ratio in Betracht gezogen werden.

Zum Entscheidungszeitpunkt ist es (noch) als offen einzuschätzen, ob hinsichtlich jedes von der Allgemeinverfügung betroffenen Gebietes keine anderweitige zufriedenstellende Lösungsmöglichkeit besteht. Der Antragsgegner hat für die betroffenen Gebiete nicht in ausreichender Weise dargelegt, warum keine der möglichen Präventivmaßnahmen zu einem Erfolg geführt hat bzw. führen wird. Hinsichtlich der Einbruchgefahren wurde beispielsweise nicht aufgezeigt, ob die Brachlegung eines Schutzstreifens von zehn Metern versucht wurde, die ungefähr 95 Prozent der Einbrüche verhindert (vgl. Anlage 1 zu den Richtlinien zum Bibermanagement S. 1). Gleiches gilt für die Errichtung von Biberdrainagen, um Vernässungen zu verhindern und die Möglichkeit, die Kosten der ständigen Dammentfernung durch den Bau von Elektrozäunen zu minimieren.

Ob ein Grundstück in das Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) aufgenommen werden kann oder nicht, spielt hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Sofern das VNP als Entschädigungsinstrument dient, ist es im vorliegenden Fall ohne Belang, da eine Entschädigung erst dann stattfinden soll, wenn Präventivmaßnahmen oder Zugriffsmaßnahmen keinen Erfolg zeigen und es trotzdem zu einem Schaden kommt (vgl. Richtlinien zum Bibermanagement S. 13). Sofern das VNP Fördermöglichkeiten von Präventionsmaßnahmen bietet, reicht es nicht aus, lediglich darauf zu verweisen, dass eine Förderung nicht möglich sei. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass den Anliegern Präventivmaßnahmen auch ohne Förderung zugemutet werden können (z.B. Brachlegung eines Schutzstreifens). Die Fördermöglichkeit erweitert lediglich den Kreis der zumutbaren Maßnahmen. Im Übrigen stellt das VNP nicht das einzige Förderprogramm dar (vgl. die in Anlage 1 der Richtlinien zum Bibermanagement aufgeführten Fördermöglichkeiten).

Zudem spricht viel dafür, dass das Fehlen einer zeitlichen Begrenzung der Allgemeinverfügung gegen das Erfordernis verstößt, nur unbedingt notwendige Eingriffe vorzunehmen. An einzelnen Stellen, an denen der Biber generell unerwünscht ist und andere Maßnahmen nicht fruchten, kann eine zeitliche Begrenzung nicht notwendig sein, doch hat der Antragsgegner auch angegeben, dass bei dem Grabensystem nördlich der ...seen, der ... und der ... (Anlagen 5, 9 und 11 der Allgemeinverfügung) langfristige Maßnahmen denkbar sind. In diesen Fällen mag zwar der Abschuss der Biber zur Überbrückung der Zeit, bis die Maßnahmen greifen, eine akzeptable Lösung darstellen. Dann drängt sich jedoch eine zeitliche Beschränkung der Ausnahme auf. Im Ergebnis deutet dies darauf hin, dass die bloße Möglichkeit der Aufhebung der Allgemeinverfügung den hohen Anforderungen der FFH-Richtlinie nicht genügt.

Bei einer Biberpopulation von 120 Revieren im Landkreis ... stellt der Abschuss von Bibern an 15 Gewässern zwar keinen unbedeutenden, aber doch einen den Erhaltungszustand des Bibers nicht gefährdenden Eingriff dar. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung der Reduzierung der Zahl der Biber durch anderweitige Tötungen (z.B. im Straßenverkehr). Der Einschätzung der unteren Naturschutzbehörde als Fachbehörde kommt hierbei ein besonderes Gewicht zu.

(3) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann davon ausgegangen werden, dass – wenn die Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind – das Ermessen intendiert ist (Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 45 Rn. 13). Das Fehlen eines ausgearbeiteten Biberkonzepts führt vorliegend nicht dazu, dass der Abschuss und Abfang der Biber schon aus rechtlichen Gründen als verfrüht anzusehen ist. Zur Abwehr erheblicher Gefahren für grundrechtlich geschützte Rechtsgüter können Maßnahmen ergriffen werden, auch wenn ein flächendeckendes Konzept noch nicht erstellt ist.

b) Hinsichtlich der in Anlagen 1, 3, 4, 5, 8, 11, 12 und 13 der Allgemeinverfügung beschriebenen Gewässer überwiegt das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse, da zu wenige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Biber solche Schäden verursacht hat bzw. in naher Zukunft tatsächlich verursachen wird, die geeignet sind, eine artenschutzrechtliche Ausnahme zu rechtfertigen. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass in diesen Bereichen erhebliche wirtschaftliche Schäden drohen könnten, wenn die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wieder hergestellt wird. Aus den vorgelegten Unterlagen ergeben sich jedoch keine konkreten Hinweise darauf, dass die Schäden durch Vernässung derartige Ausmaße annehmen würden, dass sie die wirtschaftliche Grundlage von einzelnen forst- oder landwirtschaftlichen Betrieben bedrohen würden. Sofern bisher Schäden aufgetreten sind, konnten diese minimiert oder entschädigt werden oder wurden hingenommen. Gefahren für die Gesundheit von Menschen wurden nicht vorgetragen. In dieser Situation ergeben sich unter Berücksichtigung der Sozialbindung des Eigentums nicht genügend Anhaltspunkte, die dafür sprechen, die aufschiebende Wirkung aufrecht zu erhalten, obwohl gewichtige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung bestehen.

Hinsichtlich der in den Anlagen 2, 6, 7, 9, 10, 14 und 15 der Allgemeinverfügung bezeichneten Gebiete konnte der Antragsgegner hinreichend schlüssig darlegen, dass erhebliche wirtschaftliche Schäden oder Gefahren für die Gesundheit von Menschen drohen. Im Eilverfahren kann nicht geklärt werden, wie konkret diese Gefahren sind und ob es andere Möglichkeiten gäbe, eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Damit sind die Erfolgsaussichten als offen einzustufen. Da jedoch in all diesen Bereichen Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen oder schwere Eigentumsverletzungen drohen, während es auf der anderen Seite ausgeschlossen erscheint, dass durch den Abschuss von geschätzt bis zu 35 Bibern die Biberpopulation nachhaltig und unrettbar negativ beeinträchtigt wird, war die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage bezüglich dieser Bereiche nicht wiederherzustellen. In diesen Fällen überwiegt das Gewicht der gefährdeten Rechtsgüter die Belange des Artenschutzes.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG, wobei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur die Hälfte des Streitwerts eines Hauptsacheverfahrens anzusetzen ist (vgl. Ziff. II.1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 7./8. Juli 2004, Kopp/Schenke, VwGO, Anh § 164 Rn. 14).