BGH, Urteil vom 15.01.2013 - II ZR 90/11
Fundstelle
openJur 2013, 5641
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 5 U 29/06
Handels- und Gesellschaftsrecht Zivilrecht
§ 93 AktG; § 249 BGB; § 5 HypBkG

a) Ein Organ, das Geschäfte betreibt, die vom Unternehmenszweck nicht gedeckt sind, handelt pflichtwidrig (Anschluss an BGHZ 119, 305, 332).

b) Der Abschluss von Zinsderivategeschäften, die nicht der Absicherung von Zinsrisiken aus dem Hauptgeschäft oder dem zulässigen Nebengeschäft einer Hypothekenbank dienten, war bis zum 30. Juni 2002 vom Unternehmensgegenstand einer Hypothekenbank nicht gedeckt und ein für eine Hypothekenbank unzulässiges Spekulationsgeschäft.

c) Wenn aus einer Reihe gleichartiger unzulässiger Spekulationsgeschäfte durch ein Organ sowohl Gewinne als auch Verluste entstehen, muss sich die Gesellschaft auf einen Schadensersatzanspruch wegen der entstandenen Verluste grundsätzlich die Gewinne anrechnen lassen

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagten waren Vorstände der Klägerin, einer Aktiengesellschaft. Gegenstand des Unternehmens war nach § 2 Abs. 1 der Satzung der Klägerin der Betrieb einer Hypothekenbank im Sinne des Hypothekenbankgesetzes. Zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 30. Juni 2002 ging die Klägerin auf Entscheidung der Beklagten hin Zinsderivategeschäfte, u.a. Zinsswap-Geschäfte und Forward-Rate-Agreements ein, deren Volumen das Volumen der originären Hypothekenbankgeschäfte (Bilanzgeschäfte) der Klägerin weit überstieg. 1 Prüfungen durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen gem. § 44 KWG kamen zu dem Ergebnis, dass für einen für das Jahr 2001 drohenden Verlust in Höhe von 436,1 Mio. € keine Rückstellungen bei der Klägerin gebildet worden waren und auch für drohende Verluste im Jahr 2002 Rückstellungen fehlten. Die Hauptaktionäre der Klägerin mussten daraufhin Kapital zuführen.

Ein Gutachten im Rahmen einer Prüfung nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG kam zu dem Ergebnis, dass sich bei den Hypothekenbankgeschäften in den sogenannten Laufzeitbändern erhebliche Aktivüberhänge und bei den derivativen Zinsgeschäften in der Mehrzahl der Laufzeitbänder Passivüberhänge ergaben. Im Vergleich zu den Überhängen aus den Bilanzgeschäften würden die Überhänge aus den derivativen Zinsgeschäften insbesondere in den Laufzeitbändern 2001 bis 2012 wesentlich stärkere Schwankungen aufweisen, die Gesamtzinsbildungsbilanz der Klägerin weise außergewöhnlich hohe Überhänge aus. Das verstoße gegen die Vorschriften des Hypothekenbankgesetzes (HypBkG) und den Willen des Gesetzgebers, Zinsderivategeschäfte nur zur Schließung oder Verminderung offener Positionen im Hauptgeschäft einsetzen zu dürfen, nicht aber zur Erzielung von Einzelhandelserfolgen.

Mit der Klage hat die Klägerin von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Zahlung von 250.403.491,69 € verlangt und die Feststellung begehrt, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr aus im Einzelnen bezeichneten, im Zeitraum von 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2002 geschlossenen und am 1. September 2004 noch nicht beendeten Derivategeschäften entstanden sei. Die Beklagten hätten entgegen § 5 HypBkG unzulässige Zinsderivategeschäfte abgeschlossen. Aus 52 vorzeitig aufgelösten Geschäften habe die Klägerin Verluste in Höhe von 182.036.439,28 € im Jahr 2001 und von 68.423.041,67 € im Jahr 2002 erlitten. 2 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und die Verurteilung zur Zahlung nach Hinweisen des Berufungsgerichts hilfsweise auf den erstrangigen Teil eines negativen Saldos in Höhe von 335.763.252,58 € aus Geschäften aufgrund eines Beschlusses des Marktrisikokomitees der Klägerin vom 23. April 2002 und eines Vorstandsbeschlusses vom 30. April 2002 gestützt, in zweiter Linie hilfsweise auf den erstrangigen Teil eines negativen Saldos von 528.212.526,91 € aufgrund von 65 Geschäften von sieben Geschäftstagen und hilfsweise in dritter Linie auf den erstrangigen Teil eines Schadensaldos von 2.053.745.572,72 € als des Saldos aller 215 in den Rechtsstreit eingeführter, unzulässiger Derivategeschäfte. Hilfsweise zu dem Feststellungsantrag hat sie die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 3.413.135.060,70 € verlangt und die Feststellung der Ersatzpflicht für Schäden aus zwei Derivategeschäften.

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihre Anträge aus der Berufungsinstanz weiter verfolgt.

Gründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.

I. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt, Urteil vom 22. März 2011 - 5 U 29/06, juris) hat ausgeführt, die Klägerin habe hinsichtlich des in der Hauptsache gestellten Zahlungsantrags und der ersten beiden Hilfsklagegründe einen Schaden nicht substantiiert dargelegt bzw. hinsichtlich des dritten und 5 vierten Hilfsklagegrundes den Grund des erhobenen Anspruchs nicht hinreichend bestimmt. Hinsichtlich des Feststellungsantrags habe sie nicht dargelegt, dass der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich sei. Der dazu hilfsweise gestellte Zahlungsantrag sei mangels hinreichender Bestimmtheit des Klagegrundes unzulässig, für den Feststellungsantrag bezüglich zweier konkret genannter Derivategeschäfte fehle es an der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts.

Eine Vermögensminderung bei der Klägerin könne nicht mit dem isolierten Ergebnis eines einzelnen derivaten Geschäfts gleichgesetzt werden. Vielmehr sei das Ergebnis eines ganzen Pakets in den Blick zu nehmen, da nur der Saldo die vermögensrelevante Konsequenz der Entscheidung für den Abschluss von derivativen Geschäften darstelle. Dabei handele es sich nicht um einen Fall des Vorteilsausgleichs. Da die Entscheidung für die Einzelgeschäfte beim von den Beklagten praktizierten Macro-Hedging in Bezug auf das Gesamtrisiko getroffen würden, sei mit Rücksicht auf die Wechselwirkungen der Einzelgeschäfte mit dem Gesamtrisiko zu fordern, bei der Frage nach dem Schaden sämtliche Konsequenzen in den Blick zu nehmen. Der Entscheidung könne nicht zugrunde gelegt werden, dass die im Rahmen des Macro-Hedging praktizierten Zinsderivategeschäfte grundsätzlich unzulässig gewesen seien, weil die Beurteilung der Zulässigkeit des Zinsderivategeschäfts auch nach der Methode des Macro-Hedging erfolgen könne.

Zur Darlegung des Schadens sei in einem ersten Schritt erforderlich, dass die Klägerin für sämtliche Einzelabschlüsse vortrage, aufgrund welcher konkreten Entscheidung der Beklagten welche derivativen Zinsgeschäfte abgeschlossen worden seien, dann sei zu deren Beendigung vorzutragen und zu den Ergebnissen der auf den jeweiligen Entscheidungen der Beklagten beruhenden Geschäften, anschließend, ob sich bei einer Saldierung aller jeweils auf einer Einzelentscheidung beruhenden und von ihr umfassten derivaten Geschäfte ("Pakete") eine Zahlungsverpflichtung ergebe. Die Einzelgeschäfte wür-9 den durch die Beschlussfassung als natürliche Handlung miteinander verbunden.

Diesen Anforderungen an die Darlegungslast für einen negativen Saldo nach einzelnen Beschlussfassungen habe die Klägerin bis auf die Beschlüsse vom 1. August 2001 und 23. April 2002 nicht genügt. Ein Schaden sei damit aber noch nicht dargetan. Er liege nur vor, wenn aufgrund der Ergebnisse der genannten Pakete bei einem Vergleich mit der Vermögenslage der Gesellschaft, die sich ohne Abschluss dieser Geschäfte ergeben hätte, eine Vermögensminderung festzustellen wäre. Da im Rahmen des Macro-Hedging eine Einzelzuordnung von Sicherungsgeschäften nicht möglich sei, würden mit jeder Entscheidung alle bestehenden Geschäfte berücksichtigt und beeinflussten diese. Das Ergebnis einer einzelnen Entscheidung sei als Summe der Wertänderung und des Einnahmen-/Ausgaben-Saldos der Gesamtheit aller Geschäfte, die noch im Bestand seien, zu messen. Daher könne ein Schaden der Klägerin nur darin bestehen, dass die Gesamtzinsbuchposition eine Verschlechterung erfahren habe. Eines gerichtlichen Hinweises habe es nicht bedurft. Da nach der Methode des Macro-Hedging die Entscheidung des Vorstands für die Derivategeschäfte zulässig gewesen sei, weil die maßgeblichen Risikokennzahlen reduziert worden seien, sei davon auszugehen, dass die Beklagten sich pflichtgemäß verhalten hätten.

Das Vorbringen der Klägerin biete auch keine Grundlage für eine Schätzung, weil im Rahmen des Macro-Hedging jeweils die Gesamtbanksituation und das Ergebnis des gesamten zinstragenden Geschäfts in den Blick genommen würden. In dieser Lage wäre eine Schätzung unzulässig, weil sie völlig in der Luft hinge.

II. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin hat zu dem in der Hauptsache gestellten Zahlungsantrag 11 einen Schaden und hinsichtlich des Feststellungsantrags die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts hinreichend substantiiert dargelegt.

1. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG hat die Gesellschaft - ggf. mit der Erleichterung des § 287 ZPO - darzulegen und ggf. zu beweisen, dass ihr durch ein Verhalten des Vorstandsmitglieds in seinem Pflichtenkreis, das möglicherweise pflichtwidrig ist, ein Schaden entstanden ist; das Vorstandsmitglied hat dagegen nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG darzulegen und zu beweisen, dass es seine Pflichten nicht verletzt oder jedenfalls schuldlos gehandelt hat oder dass der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - II ZR 146/09, ZIP 2011, 766 Rn. 17; Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rn. 42; Urteil vom 4. November 2002 - II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 283 ff.). Das schließt ggf. den Nachweis der Einhaltung seines - grundsätzlich weiten - unternehmerischen Ermessensspielraums ein (vgl. jetzt § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG; BGH, Urteil vom 4. November 2002 - II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 284).

2. Die Klägerin hat einen Schaden und seine Verursachung durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten der Beklagten ausreichend dargelegt.

a) Die Klägerin hat ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten der Beklagten dargelegt. Sie hat vorgetragen, dass sie unter der Leitung der Beklagten näher bezeichnete Zinsderivategeschäfte abgeschlossen habe, die nicht als Neben- oder Hilfsgeschäfte der Absicherung von Zinsrisiken aus dem Hypothekenbankgeschäft dienten, und hat dies im Einzelnen ausgeführt. Der Abschluss von Zinsderivategeschäften, die nicht der Absicherung von Zinsrisiken aus dem Hauptgeschäft oder dem zulässigen Nebengeschäft einer Hypothekenbank dienten, war vom Unternehmensgegenstand der Klägerin, dem Betrieb einer Hypothekenbank, nicht gedeckt und ein für eine Hypothekenbank unzulässiges Spekulationsgeschäft. Ein Organ, das Geschäfte betreibt, die vom Unterneh-14 menszweck nicht gedeckt sind, handelt pflichtwidrig (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1992 - II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 332).

Eine Hypothekenbank durfte Zinsderivategeschäfte abschließen, wenn sie absichernden Charakter für die zulässigen Geschäfte hatten und das Verlustrisiko begrenzt blieb, dagegen nicht, wenn sie ausschließlich in Verbindung mit anderen Derivategeschäften standen oder ihr Umfang den Hypothekenbanken als Spezialinstituten gesetzte Grenzen überschritt (Bellinger/Karl, HypBkG, 4. Aufl., § 5 Rn. 20). Hypothekenbanken durften nach § 5 Abs. 1 HypBkG i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. September 1998, BGBl. I S. 2674 außer den in § 1 HypBkG genannten Geschäften (Hauptgeschäfte) nur bestimmte Geschäfte betreiben, zu denen Zinsderivategeschäfte nicht zählten. Der Abschluss von Zinsderivategeschäften war nach § 5 Abs. 1 Nr. 4a HypBkG (i.d.F. des Art. 11 Nr. 1 Buchst. a dd des Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland [Viertes Finanzmarktförderungsgesetz] vom 21. Juni 2002, BGBl. I S. 2010) erstmals ab 1. Juli 2002 erlaubt, und zwar über Derivate im Sinne des § 1 Abs. 11 Satz 4 Nr. 1 bis 4 KWG mit geeigneten Kreditinstituten oder Finanzdienstleistungsinstituten auf der Grundlage standardisierter Rahmenverträge. In § 5 HypBkG a.F. nicht erwähnte Geschäfte waren zulässig, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Ausführung der Hauptgeschäfte ergaben (Bellinger/Karl, HypBkG, 4. Aufl., § 5 Rn. 8), also wenn sie einem Hauptgeschäft oder einem nach § 5 HypBkG zulässigen Nebengeschäft dienten, das Risiko von Verlusten begrenzt war und das Spezialinstitutsprinzip nicht aufgeweicht wurde (Bellinger/Karl, HypBkG, 4. Aufl., § 5 Rn. 11).

b) Es war danach Sache der Beklagten, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die im Einzelnen von der Klägerin bezeichneten Zinsderivategeschäfte der Absicherung von Zinsrisiken aus dem Hauptgeschäft oder dem zulässigen Nebengeschäft dienten. 17 Die Entscheidung der Beklagten für den Abschluss von Zinsderivategeschäften im Rahmen eines Macro-Hedging allein macht ihr Verhalten nicht pflichtgemäß. Um die Zinsderivategeschäfte dem Hauptgeschäft der Klägerin als Neben- oder Hilfsgeschäfte zuzuordnen, musste zwar nicht einem bestimmten Geschäft oder Risiko jeweils ein Absicherungsgeschäft durch Zinsderivate zugeordnet werden (Micro-Hedging); vielmehr war bei umfassender Erfassung aller Einzelpositionen in richtiger Gewichtung sowie geeigneten Vorkehrungen im Bereich der Dokumentation und der internen Überwachung, die zu einer Risikoverminderung führen, auch ein Macro-Hedging zulässig (Bellinger/Karl, HypBkG, 4. Aufl., § 5 Rn. 20), bei dem das gesamte Zinsänderungsrisiko abgesichert wird. Die im Rahmen eines solchen Macro-Hedging abgeschlossenen Zinsderivategeschäfte waren dann Neben- oder Hilfsgeschäfte, soweit das Macro-Hedging der Absicherung der Zinsänderungsrisiken aus dem Hauptgeschäft und zulässigen Nebengeschäften, aber nicht der selbständigen Gewinnerzielung diente.

Dass die einzelnen Zinsderivategeschäfte jeweils diesen Anforderungen genügten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Soweit es zu den Vorstandsbeschlüssen vom 1. August 2001 und 23. April 2002 ausgeführt hat, für die Entscheidung wäre auf der Ebene der Pflichtgemäßheit, auf der die Darlegungslast bei den Beklagten gelegen hätte, davon auszugehen gewesen, dass sich die Beklagten pflichtgemäß verhalten hätten, handelt es sich um hypothetische Erwägungen, die die erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen nicht ersetzen können. Solche Feststellungen waren nicht entbehrlich, weil die Beurteilung, die Beklagten hätten sich pflichtgemäß verhalten, auf Befunden des von der Streithelferin der Beklagten vorgelegten Parteigutachtens beruhen, nach denen die beschlossenen Maßnahmen der Absicherung dienten und risikovermindernd waren. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der in einem solchen Parteigutachten liegende Sachvortrag der Beklagten der Ent-19 scheidung nicht schon deshalb zugrunde zu legen, weil die Klägerin ihn schlicht bestritten und keine inhaltliche Auseinandersetzung stattgefunden habe. Da die Vorstandsmitglieder nicht nur darzulegen, sondern gegebenenfalls zu beweisen haben, dass sie ihre Pflichten nicht verletzt haben, konnte sich die Klägerin grundsätzlich auf ein Bestreiten beschränken.

c) Die Klägerin hat auch einen durch den Abschluss der - unterstellt pflichtwidrigen - Zinsderivategeschäfte verursachten Schaden dargelegt. Der Schaden ist durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses tatsächlich eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, zu ermitteln (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09, ZIP 2011, 529 Rn. 8 mwN). Die Gesellschaft ist danach so zu stellen, als wäre das pflichtwidrige Geschäft nicht abgeschlossen worden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2008 - II ZR 62/07, ZIP 2008, 736 Rn. 8). Da haftungsbegründend nach dem insoweit nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG ausreichenden Vortrag der Klägerin der Abschluss der einzelnen, von der Klägerin aufgelisteten Zinsderivategeschäfte war, entsprechen die aus den einzelnen Geschäften jeweils entstandenen Verluste der infolge dieser haftungsbegründenden Ereignisse jeweils eingetretenen Vermögensminderung.

Haftungsbegründendes Ereignis war der Abschluss des jeweiligen Zinsderivategeschäfts. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheiden Derivategeschäfte, bei denen die Klägerin nicht darlegen kann, dass sie auf einem konkreten Beschluss des Vorstands beruhen, als haftungsbegründende Ereignisse nicht von vorneherein aus. Vorstandsmitglieder verletzen ihre Pflichten nicht nur dann, wenn sie eigenhändig tätig werden oder Kollegialentscheidungen treffen, sondern auch, wenn sie pflichtwidrige Handlungen anderer Vorstandsmitglieder oder von Mitarbeitern anregen oder pflichtwidrig nicht dagegen einschreiten. Da die Einhaltung des Unternehmensgegenstandes beim Abschluss der Zinsderivategeschäfte nach dem auch insoweit ausreichenden Vor-21 trag der Klägerin im Ausgangspunkt den Pflichtenkreis aller Vorstandsmitglieder betraf, müssen sie sich auch hinsichtlich ihrer individuellen Verantwortlichkeit jeweils entlasten.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts müssen zur Darlegung eines Schadens auch nicht die aufgrund eines Vorstandsbeschlusses abgeschlossenen Geschäfte saldiert werden, weil die Vorstandsentscheidung infolge des Macro-Hedging in Bezug auf das Gesamtrisiko getroffen worden sei. Ob eine Vorstandsentscheidung für einzelne oder mehrere Zinsderivategeschäfte in Bezug auf das gesamte Zinsänderungsrisiko zutreffend war, betrifft den Pflichtenverstoß durch den späteren Abschluss der jeweiligen Zinsderivategeschäfte und die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der einzelnen Vorstandsmitglieder, nicht die Entstehung eines Schadens.

Erst recht überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegung eines Schadens, soweit es von der Klägerin verlangt, darüber hinaus die nachteiligen Auswirkungen der nach den Vorstandsbeschlüssen abgeschlossenen Zinsderivategeschäfte auf die Gesamtzinsbuchposition vorzutragen. Dass die Vorstandsbeschlüsse im Rahmen eines Macro-Hedging gefasst wurden, macht weder die Gesamtzinsbuchposition zur geschützten Vermögensposition noch vermag es sämtliche verbotenen Geschäfte zu einem einheitlichen haftungsbegründenden Ereignis zu verknüpfen.

d) Die Klägerin musste zur Darlegung ihres Schadens schließlich nicht einen Gesamtsaldo aus Verlusten und Gewinnen aller Zinsderivategeschäfte bilden. Die Darlegungs- und Beweislast für anzurechnende Gewinne liegt bei den Beklagten.

aa) Wenn aus einer Reihe gleichartiger unzulässiger Spekulationsgeschäfte durch ein Organ sowohl Gewinne als auch Verluste entstehen, muss sich die Gesellschaft auf ihren Schadensersatzanspruch wegen der entstande-23 nen Verluste grundsätzlich die Gewinne anrechnen lassen (Fleischer, DStR 2009, 1204, 1210; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 93 Rn. 39; Michalski/Haas, GmbHG, 2. Aufl., § 43 Rn. 212; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 94; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., Vor § 249 Rn. 233; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 503). Das folgt aus einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind auf den Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG anzuwenden (BGH, Urteil vom 20. September 2011 - II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 Rn. 31). Danach sind Vorteile bei der Berechnung des Schadens zu berücksichtigen, soweit ein haftungsbegründendes Ereignis zu adäquat kausalen Vorteilen für den Geschädigten geführt hat und deren Anrechnung nach Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entspricht, d.h. den Geschädigten nicht unzumutbar belastet und den Schädiger nicht unbillig begünstigt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2009 - VII ZR 233/08, NJW 2010, 675 Rn. 9 mwN).

Gewinne aus den in gleicher Weise pflichtwidrig abgeschlossenen Zinsderivategeschäften können daher auf den Schadensersatzanspruch wegen einzelner verlustbringender Zinsderivategeschäfte anzurechnen sein. Zwar beruhen Vorteile und Nachteile auf unterschiedlichen haftungsbegründenden Ereignissen, so dass kein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen den Verlustgeschäften und den Geschäften mit Gewinn besteht. Das Gebot der Vorteilsausgleichung beruht aber unter anderem auf dem Bereicherungsverbot. Die Gesellschaft soll sich nicht aufgrund eines Fehlers der Organmitglieder auf deren Kosten bereichern (BGH, Urteil vom 20. September 2011 - II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 Rn. 31). Die Gesellschaft verhielte sich treuwidrig und widersprüchlich, wenn sie das Organmitglied für einen Fehler ersatzpflichtig macht, aber den Gewinn behält, wenn das Organ den gleichen Fehler erneut begeht. Dass sich ein haftungsbegründendes Ereignis nach einer ersten fehlerhaften 27 Entscheidung wiederholt, ist bei Dauerverhältnissen wie dem Organverhältnis nicht selten und rechtfertigt es, gleichartige unzulässige Geschäfte hinsichtlich der Anrechnung von Vorteilen miteinander zu verknüpfen. Eine solche Anrechnung von Gewinnen auf Verluste belastet die Gesellschaft nicht unzumutbar und begünstigt das Organ nicht unbillig. Sie entspricht auch der gesetzlichen Wertung für einen unberechtigten Geschäftsführer, der ohne Auftrag handelt (vgl. Gregor, Das Bereicherungsverbot, 2012, S. 200). Dieser schuldet zwar Schadensersatz (§ 678 BGB), kann aber auch eine Bereicherung des Geschäftsherrn herausverlangen, § 684 Satz 1 BGB. Das Organ, das pflichtwidrig Geschäfte außerhalb des Unternehmensgegenstandes abschließt, ähnelt insoweit einem unberechtigt ohne Auftrag handelnden Geschäftsführer.

Dagegen sind Gewinne aus pflichtgemäß abgeschlossenen Zinsderivategeschäften nicht anzurechnen. Der Verlust aus solchen Geschäften trifft die Gesellschaft, der auch die Gewinne zustehen müssen.

bb) Die Darlegungs- und Beweislast für anzurechnende Gewinne tragen aber die Beklagten. Der Ersatzpflichtige ist für die dem Geschädigten zugeflossenen Vorteile darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urteil vom 20. September 2011 - II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 Rn. 34; Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 26). Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ändert sich nicht, wenn wie hier die Grundsätze der Vorteilsausgleichung entsprechend angewandt werden.

e) Die Abweisung des in der Hauptsache gestellten Zahlungsantrags erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Insbesondere kann der Senat nicht feststellen, dass sämtliche Verluste aus unzulässigen Zinsderivategeschäften durch Gewinne kompensiert wurden. Es steht schon nicht fest, welche Geschäfte pflichtwidrig waren.

3. Die Abweisung des Feststellungsantrags ist schon vom unzutreffenden Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aus, dass der Schaden in einer nachteiligen Veränderung der Gesamtzinsbuchsituation bestehe, rechtsfehlerhaft. Das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO setzt voraus, dass ein Schadenseintritt wahrscheinlich ist (BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 27). Dazu bedarf es keiner Berechnung der Gesamtzinssituation. Wenn Einzelgeschäfte - auch die aufgrund eines Vorstandsbeschlusses saldierten Einzelgeschäfte - zu Verlusten geführt haben und insgesamt mit Derivaten Verluste erwirtschaftet wurden, ist es wahrscheinlich, dass auch die Gesamtzinsbuchsituation negativ beeinflusst wurde.

Insoweit ist das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen richtig, weil für die Schadensfeststellung anstelle der vom Berufungsgericht verlangten Gesamtbetrachtung die einzelnen abgeschlossenen Zinsderivategeschäfte maßgeblich sind. Dazu, ob für die im Feststellungsantrag aufgelisteten Einzelgeschäfte jeweils ein Schadenseintritt wahrscheinlich ist, fehlen Feststellungen.

4. Auch die Hilfsanträge sind aus den dargelegten Gründen rechtsfehlerhaft abgewiesen worden. Das betrifft auch die Abweisung mangels hinreichender Bestimmtheit des Klagegrundes, weil der geltend gemachte erstrangige Teilbetrag des negativen Gesamtergebnisses aller 215 Geschäfte nicht eindeutig dem saldierten Ergebnis eines oder mehrerer Beschlüsse zuzuordnen sei. Auf die Zuordnung zu einem bestimmten Beschluss kommt es nicht an (II. 2. c).

III. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat - ggf. mit sachverständiger Hilfe (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - II ZR 146/09, ZIP 2011, 766 Rn. 25) - die bisher unterbliebenen Feststellungen dazu nachzuholen, ob die einzelnen Zinsderivategeschäfte im Rahmen des Macro-Hedging ganz oder teilweise der 31 Absicherung von Zinsänderungsrisiken aus dem Hauptgeschäft oder zulässigen Nebengeschäften dienten.

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass ein pflichtwidriges Zinsderivategeschäft nicht allein deshalb vorliegt, weil sich nachträglich feststellen lässt, dass es objektiv nicht zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken aus dem Hauptgeschäft erforderlich war. Da der Art und Weise der Absicherung eine unternehmerische Entscheidung zugrunde liegt, sind die Beklagten bereits dann entlastet, wenn sie - was sie zu beweisen haben - vernünftigerweise annehmen durften, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (vgl. jetzt § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG; BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - II ZR 146/09, ZIP 2011, 766 Rn. 19; Beschluss vom 3. November 2008 - II ZR 236/07, ZIP 2009, 223; Beschluss vom 14. Juli 2008 - II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675 Rn. 11; Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253). Insoweit kann es von Bedeutung sein, ob die Beklagten sich beim Abschluss der einzelnen Zinsderivategeschäfte an die betriebswirtschaftlichen und bankwirtschaftlichen Regeln zur Steuerung des Zinsänderungsrisikos für das Hauptgeschäft oder zulässige Nebengeschäfte durch das Macro-Hedging gehalten haben und die Risikovorsorgesysteme wie z.B. das Limitsystem den Anforderungen genügten.

Bergmann Strohn Reichart Drescher Born Vorinstanzen:

LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 25.01.2006 - 3-9 O 143/04 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 22.03.2011 - 5 U 29/06 -