AG Witten, Beschluss vom 23.05.2012 - 23 F 23/12
Fundstelle
openJur 2013, 3028
  • Rkr:
Tenor

Der Vergleich des Amtsgerichts Witten vom 03.11.2010, 23 F 185/10, wird mit Wirkung vom 01.01.2012 dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller ab diesem Zeitpunkt der Antragsgegnerin keinen weiteren Unterhalt mehr schuldet.

 

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

 

Der Verfahrenswert wird auf 9.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Abänderung eines Unterhaltsvergleichs.

Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Die Trennung erfolgte im März 2010. Am 03.11.2010 schlossen die Beteiligten in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter dem Aktenzeichen 23 F 185/10 vor dem Amtsgericht Witten einen Vergleich, wonach sich der Antragsteller verpflichtete, an die Antragsgegnerin einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 750 Euro zu zahlen.

Bereits vor der Trennung der Beteiligten lernte die Antragsgegnerin ihren neuen Lebensgefährten Herrn L kennen. Kurz vor Weihnachten 2009 übernachteten die Antragsgegnerin und Herr L gemeinsam in einem Hotel in E. Im Januar und Februar fanden regelmäßig Treffen in E bzw. I statt mit anschließenden gemeinsamen Übernachtungen in einem Hotel. Am 14.02.2010 suchten die Antragsgegnerin und Herr L ein Restaurant in X auf. Bei dieser Gelegenheit stellte die Antragsgegnerin Herrn L den anwesenden gemeinsamen Freunden und Bekannten der Beteiligten als ihren neuen Lebenspartner vor. Ebenfalls im Februar 2010 verbrachten die Antragsgegnerin und Herr L einen Kurzurlaub im Ferienhaus des Herrn L in I1 zusammen mit der Tochter der Beteiligten und deren Ehemann und Kind sowie der Schwester der Antragsgegnerin mit Lebensgefährten. Im März 2010 folgte ein gemeinsamer Urlaub der Antragsgegnerin mit Herrn L bei einer befreundeten Familie der Beteiligten in P. Ein Osterurlaub auf T folgte wiederum zusammen mit der Tochter der Beteiligten, deren Ehemann und Kind sowie der Schwester der Antragsgegnerin. Anschließend verbrachte die Antragsgegnerin mit Herrn L nochmals einen Kurzurlaub bei der befreundeten Familie in T Ende Mai 2010. Vom 01.06. bis 25.06.2010 pilgerten sie auf dem K-Weg. Ende Juli 2010 trafen sich die beiden zum wiederholten Mal in einem Golfclub in X1 mit anschließender Übernachtung in einem Hotel. In der Zeit vom 12.08. - 05.09.2010 fand ein weiterer gemeinsamer Urlaub im Ferienobjekt des Herrn L zusammen mit der Schwester der Antragsgegnerin und deren Lebenspartner statt. Den Jahreswechsel 2010/2011 verbrachten sie gemeinsam mit der Tochter, deren Ehemann und Kind sowie der Schwester der Antragsgegnerin und deren Lebenspartner bei der befreundeten Familie in T. Die Antragsgegnerin verbrachte fortan jedes Wochenende bei Herrn L in F. Bereits seit April 2010 transportierte die Antragsgegnerin Gegenstände wie Kleidungsstücke und Kleinmöbel aus der Ehewohnung in das Haus des Herrn L in F. Am 12.04.2011 zog die Antragsgegnerin in das Haus des Herrn L in F und lebt seit diesem Zeitpunkt zusammen mit ihm dort. Herr L hat der Antragsgegnerin einen PKW N zur ständigen Nutzung zur Verfügung gestellt.

Der Antragsteller wendet seine mangelnde Leistungsfähigkeit ein und ist der Ansicht, dass Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin im Hinblick auf die verfestigte Lebensgemeinschaft mit Herrn L verwirkt seien. Er behauptet, die Antragsgegnerin habe für eine Renovierung bzw. Sanierung des Hauses des Herrn L mit diesem zusammen Farbe und Materialausführungen festgelegt. Auch seien die Möbel der Antragsgegnerin bei dem Umzug im gesamten Haus verteilt worden.

Der Antragsteller beantragt,

den Vergleich des Amtsgerichts Witten vom 03.11.2010 - 23 F 185/10 - mit Wirkung vom 01.01.2012 dahingehend abzuändern, dass der Antragsteller ab diesem Zeitpunkt der Antragsgegnerin weder weiteren Unterhalt noch Krankenkassenbeiträge sowie Kfz-Steuern und Kfz-Versicherungsbeiträge schuldet.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie behauptet, für die von ihr bewohnte Wohnung im Haus des Herrn L Miete zu zahlen. Es bestehe ein mündlicher Mietvertrag. Die Mietzahlungen seien jedoch seit längerem wegen ihrer Leistungsunfähigkeit gestundet. Sie und Herr L bewohnten jeweils ein eigenes Schlafzimmer, Bad und Wohnzimmer. Die Schlafzimmer und Bäder befänden sich jeweils im Obergeschoss, während die Wohnzimmer und die gemeinsam genutzte Küche sich im Erdgeschoss befänden.

Sie ist der Ansicht, dass eine Verwirkung nicht eingetreten sei. Sie sei mit Herrn L noch keine zwei Jahre zusammen und sie lebten auch nicht in einem gemeinsamen Hausstand. Im Hinblick auf die erfolgte Veräußerung der Ehewohnung im Juni 2011 sei sie gezwungen gewesen, sich anderweitigen Wohnraum zu suchen und zu Herrn L zu ziehen. Im Rahmen der Billigkeitsabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller selbst seit Jahren mit einer anderen Frau liiert sei und die Antragsgegnerin aufforderte, sich doch auch einem anderen Mann zuzuwenden.

II.

Der Abänderungsantrag ist zulässig und begründet.

Gemäß § 239 FamFG kann jeder Teil die Abänderung eines Vergleichs beantragen, der eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthält. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen.

Der Antragsteller hat hier vorgetragen, dass sich im Hinblick auf die Art und Weise der Gestaltung der Beziehung, dem Umzug der Antragsgegnerin in das Haus des Herrn L sowie den Zeitablauf die bestehende Beziehung der Antragsgegnerin zu Herrn L derart verfestigt hat, dass von einer verfestigten Lebensgemeinschaft im Sinne des § 1579 Nr. 2 BGB auszugehen ist. Dies sind Tatsachen, die bei tatsächlichem Vorliegen eine Abänderung rechtfertigen.

Der Antrag ist auch begründet.

Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 BGB zu versagen.

Danach ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt.

Die Antragsgegnerin lebt mit Herrn L in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in diesem Sinne.

Kriterien für eine solche dauerhafte Gemeinschaft sind vor allem ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit oder die Dauer der Verbindung (Palandt/Brudermüller § 1579 BGB, Rn. 12). Die erforderliche Dauer, ab der von einer hinreichenden Verfestigung auszugehen ist, kann dabei nicht schematisch festgelegt werden. Sie wird vielmehr von objektiven, nach außen tretenden Umständen wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt oder das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit beeinflusst (vgl. BGH FamRZ 2011, 1854ff).

Vorliegend ist bereits ab Januar 2012 und damit 1 ¾ Jahre nach der Trennung der Beteiligten von einer verfestigten Lebensgemeinschaft zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Lebensgefährten Herrn L auszugehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin Herrn L bereits vor der Trennung der Beteiligten kennenlernte und bereits gemeinsam in einem Hotelzimmer mit ihm übernachtete und ihn auch Freunden und Bekannten im Februar 2010 bereits als ihren neuen Lebenspartner vorstellte. Nach der Trennung der Beteiligten intensivierte sich die Beziehung dann sehr rasch. Ein wesentliches Indiz für die Verfestigung der Gemeinschaft ist dabei das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt seit April 2011 und damit seit einem ¾ Jahr. Dabei ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin von einem Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt auszugehen. Allein der Umstand, dass nach Vortrag der Antragsgegnerin sie und Herr L jeweils ein eigenes Schlafzimmer, Badezimmer und Wohnzimmer in dem Haus bewohnen, lässt nicht den Schluss zu, dass ein Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt nicht vorliegt. Die Aufteilung der Zimmer in einem Haus kann verschiedene Gründe haben, die nicht zwingend etwas mit der Qualität der Beziehung der Bewohner zu tun haben muss. Jedenfalls handelt es sich nicht um zwei in sich abgeschlossene und voneinander getrennte Wohnbereiche, da sich nach dem Vortrag der Antragsgegnerin sowohl der Schlafraum des Herrn L als auch der von ihr genutzte Schlafraum im Obergeschoss befindet und sowohl der von der Antragsgegnerin genutzte Wohnraum, als auch der von Herrn L genutzte Wohnraum im Erdgeschoss. Weiterhin teilen sich beide eine Küche. Zwar sind reine Wohngemeinschaften ohne ein Füreinandereinstehen, gemeinsame Zukunftsplanung und besondere emotionale Qualität keine Lebensgemeinschaften im Sinne des § 1579 Nr. 2 BGB (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 12.09.2011, 8 UF 230/10). Von einer solchen reinen Zweckgemeinschaft kann jedoch vorliegend im Hinblick auf das bereits vor Umzug der Antragsgegnerin in das Haus ihres Lebensgefährten bestehende Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit nicht ausgegangen werden. Die Antragsgegnerin und ihr Lebensgefährte haben diverse Urlaube teils mit Einbeziehung naher Angehöriger wie Tochter und Schwester der Antragsgegnerin verbracht. Sie haben die Wochenenden mit entsprechender gemeinsamer Freizeitgestaltung verbracht. Feiertage wie beispielsweise der Jahreswechsel 2010/2011 wurden gemeinsam wiederum unter Einbeziehung naher Angehöriger der Antragsgegnerin begangen. Daraus ergibt sich, dass die Antragsgegnerin und ihr Lebensgefährte nach außen als „Paar“ aufgetreten sind. Insbesondere die Einbeziehung naher Angehöriger spricht für eine Verfestigung und gegen eine nur lose Beziehung, bei der die jeweiligen Lebensbereiche bewusst getrennt und auf Distanz gehalten werden. Weiterhin hat Herr L der Antragsgegnerin ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt und hat eine nach Angaben der Antragsgegnerin vereinbarte Beteiligung an den Wohnkosten sowie Mietzahlungen im Hinblick auf die Leistungsunfähigkeit gestundet. Dies zeigt, dass die Verbindung insoweit auch durch gegenseitige Unterstützung und ein Füreinandereinstehen getragen ist.

Mag die bevorstehende Veräußerung der Ehewohnung auch den Anlass für den Einzug der Antragsgegnerin in das Haus ihres Lebensgefährten gegeben haben, so zeigt doch die bereits zuvor erfolgte Verbringung von Kleidungsstücken und Kleinmöbeln in das Haus des Herrn L eine gewisse Verflechtung der jeweiligen Lebensbereiche bis hin zum endgültigen Einzug. Jedenfalls zeigt die tatsächliche Entwicklung zum Zeitpunkt Januar 2012 ein solche Verfestigung, dass ein Unterhaltsanspruch zu versagen ist.

Der Umstand, dass der Antragsteller nach dem Vortrag der Antragsgegnerin selbst seit vielen Jahren mit einer anderen Frau liiert sein soll, steht dem nicht entgegen. Verschuldensgesichtspunkte sind bei der Beurteilung, ob ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1579 Nr. 2 BGB zu versagen ist, unerheblich. Vielmehr sind allein objektive Gegebenheiten und eine Veränderung in den Lebensverhältnissen des Unterhaltsbedürftigen von Belang, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung des Ehegatten unzumutbar erscheinen lassen, weil die neu entstandene Gemeinschaft an die Stelle der ehelichen Verantwortung getreten ist (vgl. Palandt/Brudermüller § 1579 BGB Rn. 11).

Der Unterhaltstitel war daher wie aus dem Beschlusstenor ersichtlich abzuändern. Dabei ist in den Beschlusstenor lediglich der Wegfall der Verpflichtung zur Unterhaltszahlung aufgenommen worden, da nur die monatliche Unterhaltszahlungspflicht von 750 Euro nach dem Wortlaut des Vergleichs tituliert ist.

Eine Entscheidung konnte vorliegend ohne Gewährung einer weiteren Schriftsatzfrist ergehen, da die im Termin überreichten Schriftsätze keinen für die Entscheidung erheblichen neuen Vortrag enthalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Witten, Bergerstr. 14, 58452 Witten schriftlich in deutscher Sprache durch einen Rechtsanwalt einzulegen.

Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht -Witten eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen.

Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung unmittelbar bei dem Beschwerdegericht - Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm - eingegangen sein.

Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind.