OLG Hamburg, Urteil vom 11.11.2009 - 5 U 214/08
Fundstelle
openJur 2013, 1015
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20.8.2008, Az. 315 O 354/08, wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Gründe

I .

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragstellerin betreibt ein Kabelnetz, über das sie auch Internetzugänge und Telefonie anbietet. Die Antragsgegnerin bietet ebenfalls Internetzugänge und Telefonie an, u.a. auf Grundlage der DSL-Technik über das Telefonnetz. Von allen DSL-Anbietern in Deutschland hat sie die meisten Kunden.

In einer im Auftrag der Antragsgegnerin in der Zeitung „H... M...“ vom 19.6.2008 veröffentlichten Anzeige heißt es u.a.:

„Wechseln Sie jetzt zu Deutschlands beliebtestem DSL-Anbieter.“

Wegen der Einzelheiten dieser Werbung wird auf die als Anlage AS 1 eingereichte Kopie Bezug genommen.

Diese und eine weitere Aussage erachtet die Antragstellerin als wettbewerbswidrig und erwirkte unter dem 21.7.2008 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, mit der der Antragsgegnerin im Verbotstenor zu Ziffer I.b. verboten wurde,

im Wettbewerb handelnd (...)

die Behauptung aufzustellen, und / oder zu verbreiten, sie sei „Deutschlands beliebtester DSL-Anbieter“

wie in der Anlage AS 1

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin wurde die einstweilige Verfügung insoweit aufgehoben.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, zu deren Begründung sie unter anderem vorträgt, dass die Aussage „Deutschlands beliebtester DSL-Anbieter“ zumindest den möglichen Eindruck erwecke, dass sich die Antragsgegnerin nachprüfbar auf das Ergebnis einer Bewertung durch die Mehrheit der Bundesbevölkerung, etwa ein Meinungsforschungsgutachten zu ihrer Beliebtheit berufen könne. Nach dem Gesamtkontext geriere sich die Antragsgegnerin zudem gerade deshalb als „beliebtester“ DSL-Anbieter, weil sie ihren Konkurrenten vor allem in punkto Service überlegen sein wolle.

Die Antragstellerin beantragt ,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20.8.2008 (Az. 315 O 354/08) aufzuheben und die einstweilige Verfügung in Form des Beschlusses vom 21.7.2008 insoweit zu bestätigen, als der Antragsgegnerin in Ziffer I.b. bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, im Wettbewerb handelnd die Behauptung aufzustellen, und / oder zu verbreiten, sie sei

„Deutschlands beliebtester DSL-Anbieter“

wie geschehen in der Anlage AS 1 zur Beschlussverfügung vom 21.7.2008.

Die Antragsgegnerin beantragt ,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II .

Die Berufung der Antragstellerin ist zulässig, aber nicht begründet. Auch nach Ansicht des Senates steht der Antragstellerin hinsichtlich der in Rede stehenden Aussage „Deutschlands beliebtester DSL-Anbieter“ kein Verfügungsanspruch zu. Die Einwendungen der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts greifen nicht durch.

1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der von der Antragstellerin verfolgte Unterlassungsanspruch hinsichtlich einer konkreten Werbeaussage aus einer konkret benannten Werbeanzeige. Wie sowohl die Antragsformulierung wie auch die Antragsbegründung zeigen, wird diese Äußerung aus der Anzeige für sich - allerdings beschränkt auf die Verwendung in der konkreten Verletzungsform – angegriffen.

2. Zwar ist die Antragstellerin ohne jeden Zweifel Mitbewerberin der Antragsgegnerin. Der Wettbewerb erstreckt sich auch auf Substitutionsgüter, die geeignet sind, ein anderes Gut zu ersetzen oder gar zu verdrängen (Hefermehl / Köhler / Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 27. Aufl., Einl UWG Rz.1.9). Die Angebote der Parteien sind hier in diesem Sinne austauschbar. Zwar ist die technische Grundlage einer Versorgung per DSL (Telefonkabel) oder Kabelnetz in der Tat unterschiedlich. Auch wird man sagen können, dass die „DSL-Anbieter“ eine abgrenzbare Gruppe darstellen. Darauf kommt es aber nicht an: Dem Verbraucher geht es in jedem Fall um exakt die gleichen Nutzungsmöglichkeiten, denn er will Zugang zum Internet, er will telefonieren und er will fernsehen. Mit einem DSL-Anschluss der Antragsgegnerin kann er das ebenso wie mit einem Kabelanschluss der Antragstellerin. Der Nachfragemarkt ist also völlig identisch.

3. Gleichwohl steht der Antragstellerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch zu.

a. Die angegriffene Werbeaussage stellt keinen Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 8 I, III Nr.1, 5, 3 UWG (alter wie neuer Fassung) dar, denn es fehlt an einer irreführenden Werbung bzw. irreführenden geschäftlichen Handlung in Gestalt einer unzulässigen Alleinstellungsbehauptung.

aa. Zwar weist sich die Antragsgegnerin mit dem Superlativ „beliebtester DSL-Anbieter“ eine alleinige Spitzenposition zu. Dieses Attribut kann sich auch auf eine tatsächliche Angabe beziehen. Zwar handelt es sich bei der Entscheidung eines jeden einzelnen Verbrauchers, ob etwas bei ihm „beliebt“ ist, sehr wohl um eine reine Wertungsfrage. Denn es hängt ganz überwiegend (wenn nicht gar ausschließlich) von den subjektiven Kriterien des Bewertenden ab, welche Eigenschaften eines Anbieters oder Produktes er besonders schätzt und welchen er darum vorzieht. Einen objektiven Maßstab hierfür gibt es nicht, so dass sich auch nicht durch Beweiserhebung nachprüfen lässt, ob das einzelne Werturteil eines jeden Verbrauchers „berechtigt“ ist.

Die angegriffene Aussage selbst hat aber einen Gehalt, der über die Wiedergabe des Inhaltes derartiger Bewertungen hinausgeht und auf eine objektive Ebene verweist, nämlich auf ein numerisches Übergewicht der positiven Bewertungen der Antragsgegnerin bei der Gesamtheit dieser Bewertungen. Wenn man sich nämlich als „Deutschlands beliebtester DSL-Anbieter“ bezeichnet, dann kann das auch so verstanden werden, dass man eine durch tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Aussage über das überwiegende Ergebnis zahlreicher derartiger Einzelbewertungen treffen kann, denn es lässt sich grundsätzlich feststellen, welchen Anbieter die DSL-Nutzer bevorzugen.

Dies unterscheidet die angegriffene Aussage etwa von der Verwendung des Adjektivs „gut“ und dessen Superlativ (wie bei der Anpreisung „das Beste jeden Morgen“), das per se und ohne weitere Konkretisierungen völlig konturenlos ist. Objektive Ermittlungsmöglichkeiten des Ergebnisses einer Summe von subjektiven Bewertungen gibt es mangels Kriterien bei einem Superlativ wie „das Beste“ gerade nicht.

Wegen dieser objektiv bestehenden Nachprüfbarkeit kann man die angegriffene Aussage hier auch so verstehen, dass der Äußernde tatsächlich irgendeinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür hat, sich mit diesem Prädikat zu schmücken. Hinzu kommt, dass die beiden Angaben „Deutschland“ und „DSL-Anbieter“ Konkretisierungen bzw. Eingrenzungen des Bereichs darstellen, für den die Antragsgegnerin sich an der Spitze sieht; das kann der Verkehr als zusätzliches Indiz dafür ansehen, dass die Antragsgegnerin irgendeinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür hat, dass sie die Beliebteste im Feld der DSL-Anbieter ist. Zumindest maßgebliche Teile des Verkehrs können die angegriffene Aussage daher so verstehen, dass die Antragsgegnerin behaupten will, dass sich eine derartige Wertschätzung in irgendeiner Weise manifestiert hat.

bb. Welche Anhaltspunkte die Antragsgegnerin dafür zu haben meint, lässt sich der angegriffenen Aussage entgegen der Ansicht der Antragstellerin aber gerade nicht entnehmen; dies bleibt vielmehr auch und gerade im Kontext der konkreten Werbeanzeige offen. Namentlich vermag der Senat nicht im Ansatz zu erkennen, dass der Verkehr die Werbung so verstehen wird, dass die Antragsgegnerin sich gerade für den Bereich des Services die Spitzenposition zuweisen will. Die angegriffene Aussage ist von diesem Thema in der Werbeanzeige räumlich und inhaltlich klar abgesetzt und nicht auf die Aussage „Die Hotline Ihres DSL-Anbieters kostet Geld? Dann sind Ihre Probleme ja ein prima Geschäft für ihn“ bezogen. Am nächsten liegt für die angesprochenen Verkehrskreise hierbei allenfalls das Verständnis, dass die Anzahl der Kunden gemeint sein könnte, denn dies ist die einfachste und am weitesten verbreitete Art, um zu einer Aussage über die Beliebtheit eines Anbieters zu kommen. Auch dies erscheint den angesprochenen Verkehrskreisen aber nur als ein mögliches Verständnis der angegriffenen Werbung, da diese hierzu keine – ausdrücklichen oder verdeckten - konkreten Aussagen trifft. Die von der Antragstellerin angenommene Verständnismöglichkeit, dass die Antragsgegnerin hiermit auf das Ergebnis einer tatsächlich durchgeführten Bewertung durch die Mehrheit der Bundesbevölkerung abstellt, etwa durch ein Meinungsforschungsgutachten zu ihrer Beliebtheit, ist hingegen derart fernliegend, dass diese Verständnismöglichkeit bei der Frage, ob die angegriffene Werbung irreführend ist, außer Betracht zu bleiben hat. Mit anderen Worten: Die angesprochenen Verkehrskreise werden die angegriffene Werbung ganz überwiegend so verstehen, dass die Antragsgegnerin herausstellen will, dass die Mehrzahl der Verbraucher sie von allen DSL-Anbietern am meisten schätze und dass es auch tatsächliche Anhaltspunkte für diese Aussage gebe, wobei kein Hinweis darauf gegeben wird, um welche tatsächlichen Anhaltspunkte es sich hierbei handeln soll. Lediglich unmaßgebliche Teile des Verkehrs werden nach allem die angegriffene Werbung anders verstehen.

cc. Dieses Verständnis, das die angesprochenen Verkehrskreise von der streitgegenständlichen Werbeaussage entwickeln, können die Mitglieder des Senates aus eigener Kenntnis beurteilen, da sie zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören; das Angebot der Antragsgegnerin richtet sich potentiell an jedermann.

dd. Damit indes erweist sich die angegriffene Werbeaussage nicht als unzulässig, da es tatsächlich einen tragfähigen tatsächlichen Anhaltspunkt für diese Alleinstellungsbehauptung der Antragsgegnerin gibt. Unstreitig nämlich verfügt die Antragsgegnerin im DSL-Bereich mit deutlichem Abstand über die meisten Kunden. Diese Tatsache kann die Antragsgegnerin mit Fug und Recht als Gradmesser für die Beliebtheit ihres Unternehmens ansehen; wie bereits ausgeführt, werden auch die angesprochenen Verkehrskreise die angegriffene Werbung am ehesten in dieser Richtung verstehen. Dem steht die Tatsache, dass die Antragsgegnerin ehemaliger Monopolist auf dem Gebiet der Telekommunikation ist, schon deshalb nicht entgegen, weil auch die Antragstellerin nicht behauptet, dass sich das Monopol der Antragsgegnerin auch auf den Bereich der Internetzugänge und konkret auf die Zugangsvermittlung per DSL-Anschluss bezogen habe.

b. Eine Herabsetzung iSv § 4 Nr.7 UWG (alter wie neuer Fassung) liegt in der streitgegenständlichen Aussage „Deutschlands beliebtester DSL-Anbieter“ nicht. Durch ein positives Urteil über die eigene Beliebtheit wird in der Regel kein abträgliches Werturteil über andere gefällt. Auch hier steht die Anpreisung der eigenen Stellung alleine im Vordergrund.

c. Eine vergleichende Werbung im Sinne von § 6 UWG (alter wie neuer Fassung) liegt schon deshalb nicht vor, weil durch die angegriffene Werbung kein Wettbewerber identifizierbar ist (vgl. zu diesem Kriterium: Hefermehl / Köhler / Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 27. Aufl., § 6 UWG Rz.35).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.