LAG Köln, Urteil vom 27.09.2012 - 6 Sa 449/12
Fundstelle
openJur 2012, 131783
  • Rkr:

Der Arbeitgeber kann den einmal bewilligten Urlaub allenfalls in Notfällen widerrufen. Ein personeller Engpass reicht hierfür nicht aus.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am

                                          21.11.2011 verkündete Urteil des Arbeitsge-

                                          richts Aachen - 8 Ca 3645/10 d - wird zurück-

                                          gewiesen.

 

                            2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

 

                            3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

              Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 21.09.2010 wegen „Arbeitsverweigerung“ und davon abhängiger Vergütungsansprüche. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 24.05.2007 als Verkäuferin in deren Bekleidungsgeschäft „C   im Stadtcenter D   gegen eine Vergütung von 2.100,00 € brutto monatlich beschäftigt. Neben der Klägerin als Vollzeitkraft waren lediglich drei Aushilfen tätig. Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen.

              Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 21.11.2011 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 21.09.2010 nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.10.2010 fortbestanden hat. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, die restliche Vergütung für September und Oktober 2010 in Höhe von insgesamt 2.800,00 € brutto zu zahlen.

              Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie meint, selbst wenn der Klägerin am 15.07.2010 der Urlaub für die Zeit vom 13. bis zum 25.09.2010 uneingeschränkt bewilligt worden sei, so sei er jedenfalls für das verkaufsoffene Wochenende im Stadtcenter D   am 18./19.09.2010 aus dringenden betrieblichen Gründen widerrufen worden. Gleichwohl habe die Klägerin sich beharrlich geweigert, zur Arbeit zu kommen. Selbst wenn aber die fristlose Kündigung unberechtigt wäre, so sei der Entgeltanspruch für Oktober 2010 verfallen, weil er erstmals mit Schriftsatz vom 14.09.2011 geltend gemacht worden sei.

              Die Beklagte beantragt,

                            das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.11.2011

                            - 8 Ca 3645/10 d - unter Aufrechterhaltung des Urteils-

                            tenors zu 2 b (Urlaubsabgeltung in Höhe von 859,05 €

                            brutto) im Übrigen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

              Die Klägerin beantragt,

                            die Berufung zurückzuweisen.

              Sie trägt vor, eine Unterbrechung des einmal bewilligten Urlaubs sei unzulässig gewesen, so dass von einer eigenmächtigen Selbstbeurlaubung keine Rede sein könne. Auch ein Verfall von Vergütungsansprüchen sei nicht eingetreten, weil die arbeitsvertragliche Verfallklausel wegen zu kurzer Frist unwirksam sei.

              Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i  d u n g s g r ü n d e

I.              Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.              In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die fristlose Kündigung der Beklagten vom 21.09.2010 mangels wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis als hilfsweise anzunehmende fristgerechte Kündigung erst zum 31.10.2010 beenden konnte. Die bis zum Beendigungszeitpunkt aus dem Aspekt des Annahmeverzugs begründeten Vergütungsansprüche der Klägerin sind auch nicht verfallen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1.              Die Beklagte hat den für ihre fristlose Kündigung angeführten wichtigen Grund einer Arbeitsverweigerung der Klägerin am 18./19.09.2010 nicht beweisen können. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu beanstanden. Es ist zu Recht im Hinblick auf die in der entscheidungserheblichen Frage einer uneingeschränkten Bewilligung des Urlaubs gegenteiligen Aussagen der Zeugen H   und W   von einem „non liquet“ ausgegangen. Daran vermag auch die Aussage der Zeugin K   nichts zu ändern, der sich zu dem fraglichen Zeitpunkt einer Einschränkung des Urlaubs nichts entnehmen lässt. Ihre Bekundung, der Urlaub der Klägerin sei damals genehmigt gewesen, allerdings unter der Prämisse, dass sie am Wochenende arbeiten kommen müsse, ist mit beiden Tatbestandsvarianten - ursprünglich uneingeschränkte oder eingeschränkte Urlaubsbewilligung - vereinbar und insoweit unergiebig.

              Die Nichterweislichkeit einer nur eingeschränkten Urlaubsbewilligung mit der Rechtsfolge einer Arbeitspflicht der Klägerin an dem Wochenende des Stadtfestes geht zu Lasten der Beklagten. Denn der Kündigende ist darlegungs- und beweisbelastet für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Der Kündigende muss also die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung in vollem Umfang darlegen und beweisen. Die Darlegungs- und Beweislast ist nicht etwa so verteilt, dass der Kündigende nur die objektiven Merkmale für einen Kündigungsgrund und die bei der Interessenabwägung für den Gekündigen ungünstigen Umstände und der Gekündigte seinerseits Rechtfertigungsgründe und für ihn entlastende Umstände vorzutragen und zu beweisen hätte (BAG vom 19.12.1991 - 2 AZR 367/91, juris, m. w. N.).

              Muss wegen dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast davon ausgegangen werden, dass der Klägerin jedenfalls zunächst Urlaub für die Zeit vom 13. bis zum 25.09.2010 ohne Einschränkung bewilligt worden war, so hat sich daran durch einen Teilwiderruf der Beklagten für das Wochenende des 18./19.09.2010 nichts geändert. Der Arbeitgeber kann den einmal bewilligten Urlaub nämlich allenfalls in Notfällen widerrufen. Dabei muss es sich um zwingende Notwendigkeiten handeln, die einen anderen Ausweg nicht zulassen (vgl. BAG v. 19.12.1991 - 2 AZR 367/91, juris; BAG vom 20.06.2000 - 9 AZR 405/99, juris; Hessisches Landesarbeitsgericht v. 18.03.1997 - 9 Sa 1675/96, juris). Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor. Ein personeller Engpass ist für sich noch keine Notlage (vgl. zutreffend HWK/Schinz, 5. Aufl. § 7 BUrlG Rz. 43 m. w. N.). Die Beklagte hat ihr Ladengeschäft trotz des Fehlens der Klägerin an dem besagten Wochende öffnen können. Gab es keinen zwingenden Grund für einen (Teil-) Widerruf des Urlaubs, so lag in der Weigerung der Klägerin, den Urlaub zu unterbrechen und zur Arbeit zu kommen, keine Pflichtverletzung. Die Situation ist nicht vergleichbar mit einem eigenmächtigen Urlaubsantritt nach vorheriger unberechtigter Ablehnung eines entsprechenden Antrags. Meint der Arbeitnehmer in einem solchen Fall, der Arbeitgeber sei zur Gewährung des Urlaubs verpflichtet, weil dringende betriebliche Gründe nicht entgegenstünden, kann er diesen Anspruch in der Regel nicht eigenmächtig durchsetzen, indem er der Arbeit fernbleibt. Im Zweifel muss er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen (vgl. BAG v. 19.12.1991 - 2 AZR 371/91, juris m. w. N.). Hier lag aber eine wirksame Urlaubserteilung vor, und zwar - mangels wirksamen Widerrufs - auch noch bei Antritt des Urlaubs. Die Klägerin blieb also berechtigt der Arbeit fern.

2.              Infolge der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung befand sich die Beklagte bis zum Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses am 31.10.2010 in Annahmeverzug. Sie schuldet der Klägerin nach den §§ 611, 615 BGB die auf diese Zeit entfallende Arbeitsvergütung.

              Die restlichen Ansprüche der Klägerin sind auch nicht nach § 11 des Arbeitsvertrags verfallen. Danach verfallen die Ansprüche drei Monate nach Ablauf des Fälligkeitsmonats, spätestens drei Monate nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, wenn sie nicht rechtzeitig schriftlich geltend gemacht wurden. Bleibt die Geltendmachung erfolglos, muss zur Abwendung des Verfalls innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten Klage beim Arbeitsgericht erhoben werden.

              Selbst wenn man die Klausel, die als Teil eines vorformulierten Verbrauchervertrags im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB der sog. Klauselkontrolle unterliegt, hinsichtlich der ersten Stufe für wirkam hält, so hat die Klägerin mit der Kündigungsschutzklage die Frist zur schriftlichen Geltendmachung der von der Wirksamkeit der Kündigung abhängigen Geldansprüche eingehalten (vgl. nur BAG v. 12.03.2008 - 10 AZR 152/07; BAG vom 19.05.2010 - 5 AZR 253/09, juris m. w. N.).

              Die Forderungen der Klägerin sind rechnerisch unstreitig.

III.              Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.              Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

              Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

Dr. Kalb                                                        Recki                                                                      Doerfner

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