FG des Saarlandes, Beschluss vom 17.03.2005 - 1 V 53/05
Fundstelle
openJur 2010, 999
  • Rkr:

Weigert sich der als Treuhänder einer Liechtensteiner Stiftung auftretenden Steuerpflichtige, die Treugeber zu benennen, so sind ihm das Stiftungsvermögen und die hieraus fließenden Einkünfte zuzurechnen. Steht fest, dass die Stiftung bereits aufgelöst worden ist, so setzt sich diese Einkünftezurechnung fort, soweit der (frühere) Treuhänder nicht den Nachweis erbringt, wohin das Stiftungsvermögen geflossen ist.

Tatbestand

I. Der Antragsteller erzielte in den Streitjahren 1993 bis 2003 als Bediensteter der Landeszentralbank in Rheinland-Pfalz und im Saarland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er streitet im anhängigen Verfahren mit dem Antragsgegner über die Zurechnung von Kapitalvermögen sowie der hieraus erzielten Einkünfte.

Der Staatsanwaltschaft Bochum wurde vor einigen Jahren eine CD-ROM übermittelt, die Angaben zu diversen Stiftungen im Fürstentum Liechtenstein enthielt, welche von dem dort ansässigen Treuhandbüro B gegründet worden waren. Ermittlungen der Steuerfahndung Bochum ergaben in der Folge, dass der Antragsteller Anfang der 80-er Jahre in Vaduz/Liechtenstein die C-Stiftung gegründet hatte. Im November 1988 war die Stiftung wieder aufgelöst worden. Der Antragsteller gab an, er sei insoweit als Treuhänder für dritte Personen tätig geworden. Er machte weder Angaben zur Person der Treugeber noch zur Höhe des Treuhandvermögens (Steufa, Bl. 6). Der Antragsgegner gelangte in Übereinstimmung und nach Anhörung des Zeugen X (Rbh, Bl. 27 f.) mit der Steuerfahndung zu der Auffassung, es seien dem Antragsteller zuzurechnendes Kapitalvermögen sowie hieraus fließende Zinseinkünfte zu schätzen.

Der Antragsgegner erließ dementsprechend am 20. Oktober 2004 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1993 bis 2003 sowie am 23. Dezember 2004erstmalige Vermögensteuerbescheide auf die Stichtage 1. Januar 1993 und 1995. Hinsichtlich der Einkommensteuer berücksichtigte der Antragsgegner weitere Feststellungen der Steuerfahndung im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Rbh, Bl. 30 f.), hinsichtlich derer jedoch nach wie vor Aussetzung der Vollziehung gewährt ist (Rbh, Bl. 83 f.).

Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller Einsprüche ein (Rbh, Bl. 1, 112), über die noch nicht entschieden ist. Die insgesamt für die Einkommensteuer gewährte Aussetzung der Vollziehung (Rbh, Bl. 12 f.) hat der Antragsgegner am 13. Januar 2005 auf die streitigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beschränkt (Rbh, Bl.83 f.). Einen auf die Vermögensteuerbescheide bezogenen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der Antragsgegner am 31. Januar 2005 zurückgewiesen (Rbh, Bl. 115).

Am 21. Februar 2005 wandte sich der Antragsteller an das Finanzgericht. Er beantragt sinngemäß (Bl. 2),

die Einkommensteuerbescheide 1993 bis 2003 vom 20. Oktober 2004 sowie die Vermögensteuerbescheide auf den1. Januar 1993 und 1995 vom 23. Dezember 2004 insoweit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung von der Vollziehung auszusetzen, als ihm darin aus der C-Stiftung Kapitalvermögen und dementsprechende Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet worden sind.

Der Antragsteller macht geltend (Bl. 2 ff.), der Antragsgegner verhalte sich widersprüchlich. Einerseits betrachte er das vom Antragsteller in die C-Stiftung eingebrachte Vermögen als Treuhandvermögen. Andererseits rechne er das Vermögen der zwischenzeitlich aufgelösten Stiftung dem Antragsteller als eigenes Vermögen zu. Es gäbe jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass nach Auflösung der Stiftung im November 1988 der Antragsteller weiterhin als Treuhänder oder in anderer Weise bezogen auf das ihm zugerechnete Vermögen tätig geworden sei. Im Übrigen bestreitet der Antragsteller die Höhe der Schätzungen unter Hinweis auf eine Bestätigung eines Y vom 4. Februar 2005 (Bl. 28), wonach das Stiftungskapital der C-Stiftung nicht 3 Mio. DM, wie von der Steuerfahndung angenommen (Bl. 22), sondern nur 30.000 Franken betragen habe.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurückzuweisen.

Der Antragsgegner trägt vor, es lasse sich nicht ausschließen, dass der Antragsteller auch nach Auflösung der C-Stiftung über die angelegten Gelder in anderer Form weiter verfügt habe und ihm deshalb entsprechende Einkünfte aus Kapitalvermögen zugeflossen seien. Der Antragsteller sei gehalten, einen anderen Sachverhalt glaubhaft zu machen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

Gründe

II. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ist nach §§ 69 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 FGO zulässig; er ist jedoch nicht begründet.

1. Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 FGO).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat bisher immer angeschlossen hat, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheides dann, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen, d.h. ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg (BFH - Beschlüsse vom 30. Juni 1967 III B 21/66, BStBl. III 1967, 533;vom 28. November 1974 V B 52/73, BStBl. II 1975, 239).

Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn durch die sofortige Vollziehung dem Steuerpflichtigen Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zumachen sind, oder wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre. Der Steuerpflichtige muss substantiiert darlegen, dass diese Voraussetzungen in seinem Fall erfüllt sind. Derartiges ist im Streitfall nicht geschehen.

2. Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Bescheide.

2.1. Rechtsgrundlagen

Nach § 88 AO ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen. Der Steuerpflichtige ist zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung verpflichtet (§ 90 AO). Im Normalfall kann die Finanzbehörde von einem Sachverhalt erst dann als gegeben ausgehen, wenn sie von dessen Existenz überzeugt ist. Verletzt jedoch der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht und legt er dem Finanzamt Tatsachen, die ausschließlich oder überwiegend seiner Wissens- und Einflusssphäre zugehören, nicht offen, so reduziert sich in entsprechendem Maße die Ermittlungspflicht der Behörde. Sie kann dann von der Existenz bestimmter Tatsachen auch unter Zugrundelegung eines geringeren als des sonst üblichen Grades an Überzeugung ausgehen (BFH, Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl. II 1989, 462). Soweit die Finanzbehörde aufgrund des auf diese Weise festgestellten Sachverhalts die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu schätzen (§ 162 Abs. 1 AO). Eine Schätzung ist insbesondere dann vorzunehmen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 AO). Nach § 90 Abs. 2 AO haben die Beteiligten den Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen, wenn es sich um Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der Abgabenordnung handelt. Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Pflichten gemäß § 90 Abs. 2 AO, so kann das Finanzamt zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Das gilt insbesondere, wenn er die Erhebung vorhandener Beweise nicht ermöglicht bzw. verhindert, vorhandene Beweismittel einer Verwertung entzieht oder es pflichtwidrig unterlässt, eine Beweismöglichkeit zu schaffen.

Schätzungen müssen in sich schlüssig sein, ihre Ergebnisse müssen wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH, Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BStBl. II 1986, 226).

Nach § 159 Abs. 1 AO muss derjenige, der behauptet, Rechte, die auf seinen Namen lauten, nur als Treuhänder inne zu haben, nachweisen, wem die Rechte oder Sachen gehören. Andernfalls sind sie ihm regelmäßig zuzurechnen. Zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten und der sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen für den Fiskus ist die Lösung des Gesetzes angemessen, von dem das Treuhandverhältnis behauptenden Steuerpflichtigen, der die Möglichkeit eines leichteren Nachweises der in seiner Sphärewurzelnden Vorgänge hat, den Nachweis derTreuhandschaft zu fordern (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 5. April 2001, 6 K 475/98, juris; zur Schätzung von Kapitaleinkünften s. auch Finanzgericht Köln, Urteil vom 21. Juni 1996, 3 K 1001/91, EFG 1997, 537; Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 27. Mai 2003, 1 K 252/01, EFG 2003; Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 4. November 2004, 11 K 2702/02 E, EFG 2005, 246).

2.2. Anwendung im Streitfall

Der Senat geht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Betrachtung davon aus, dass der Antragsgegner aufgrund der Mitwirkungsverweigerung bei der Sachverhaltsaufklärung berechtigt war, die Besteuerungsgrundlagen in dieser Höhe zu schätzen.

Der Antragsgegner konnte aufgrund der unstreitigen Gegebenheiten in den 80-er Jahren, nämlich der Gründung der C-Stiftung, von dem Antragsteller Angaben zur Verwendung der angelegten Gelder nach der Auflösung der Stiftung verlangen. Insoweit konnte der Antragsgegner aufgrund der Regelung in § 159 AO und der Weigerung des Antragstellers, die Treugeber zu benennen, das Stiftungsvermögen und die hieraus fließenden Einkünfte dem Antragsteller zurechnen. Die zwischenzeitlich für diese Jahre eingetretene Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) verhindert einen solche Zurechnungsvorgang nicht. Sie steht lediglich der Festsetzung der entsprechenden Steuern entgegen.

Die Zurechnung des (vormaligen) Stiftungsvermögens hat Auswirkungen in den streitigen Zeitraum insoweit, als der Antragsgegner vom Antragsteller einen Nachweis darüber verlangen konnte, wie dieser über das Stiftungsvermögen nach November 1988 verfügt hat. Da der Antragsteller die diesbezüglich erforderliche Mitwirkung verweigert hat und dem Antragsgegner infolge der Auslandsbelegenheit weitere Nachforschungen zumindest erschwert sind, war dies der einzige Weg, eine Grundlage für eine zutreffende Besteuerung in den Streitjahren zu erlangen. Es war dem Antragsteller ohne Weiteres -auch ohne Einschaltung des Treuhandbüros in Liechtenstein- möglich, die Entwicklung des Stiftungsvermögens nach Auflösung der C-Stiftung im Jahre 1988 darzustellen. So kann es zwar sein, dass das Geld an die Treugeber zurück geflossen ist. Gleichermaßen möglich ist jedoch die weitere Anlage in einer neuen Stiftung oder aber die sonstige Anlage im Ausland, um so das Vermögen bzw. die Erträge des Vermögens dem inländischen Fiskus vorzuenthalten.

Die Mitwirkungsverweigerung des Antragstellers berechtigte den Antragsgegner zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen.

Der Antragsteller verweist dem gegenüber auf die "Bestätigung" des Y, dem ehemaligen Stiftungsrat, der C-Stiftung, der angibt, die Stiftung sei mit lediglich 30.000 CHF gegründet worden (Bl. 28).

Der Senat hält bei summarischer Betrachtung die letzterwähnte Bestätigung jedoch für ein Gefälligkeitstestat. Hierfür spricht die Aussage des Zeugen X bei der Steuerfahndung Bochum (Rbh, Bl. 27). Der Zeuge hat angegeben, er habe für seine nicht allzu umfangreiche Mitwirkung einen Betrag von 10.000 DM erhalten. Auch der Antragsteller dürfte seine Dienste nicht unentgeltlich geleistet haben. Nimmt man dann noch die Gründungs- und Verwaltungsgebühren hinzu (lt. Steuerfahndung 3.000 bis 4.000 CHF im Jahr, Rbh, Bl. 32), die in Liechtenstein angefallen sind, so erscheint ein Stiftungskapital von nur 30.000 CHF nicht glaubhaft, zumal der Zeuge X davon gesprochen hat, der Antragsteller habe ihm erklärt, er wolle Geld für "einen oder mehrere Kunden" anlegen. Die Anlage eines Betrages von nur 30.000 CHF für gleich mehrere Kunden würde bedeuten, dass sich der Antragsteller für mehrere "Kleinkunden" der Gefahr der steuerlichen und vor allem strafrechtlichen Entdeckung ausgesetzt hätte.

Diese Annahme wird noch bestätigt durch die Erfahrungen aus den bisher durchgeführten Prüfungen der Steuerfahndung Bochum und dem durchschnittlich aufgedeckten Vermögen (Bl. 22). Danach betrug das Mindestkapital für eine Stiftung mindestens 3 Mio. DM bei Gründungskosten von 30.000 CHF. Die seitens der Steuerfahndung Bochum aufgedeckten Stiftungsvermögen bewegen sich in der Größenordnung zwischen 4,4 und 30 Mio. DM (Bl. 35 f.).

3. Der Senat hält damit bei summarischer Betrachtung die Zurechnung eines geschätzten Kapitalvermögens von 3 Mio. DM und hieraus zufließender Zinseinkünfte für zutreffend.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung ergeht unanfechtbar (§ 128 Abs. 3 FGO). Zur Zulassung der Beschwerde in entsprechender Anwendung von § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine Veranlassung.