VG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.08.2012 - 9 K 4663/11.F
Fundstelle
openJur 2012, 130189
  • Rkr:

Die allgemeine Altersgrenze für Beamtinnen und Beamte für den automatischen Übertritt in den Ruhestand bewirkt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Es besteht in Hessen dafür weder im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG noch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG ein Rechtfertigungsgrund.-Die Ziele eines möglichen Rechtfertigungsgrundes müssen sich dem Gesetzgeber zuordnen lassen. Durch andere Stellen kann keine Zielbestimmung erfolgen. Das Gleiche gilt für eine spätere Änderung der mit einer fortbestehenden Regelung verfolgten Ziele.-Für die allgemeine Altersgrenze in § 50 HBG kann zur Zielbestimmung nur auf diejenigen Ziele zurückgegriffen werden, die 1989 für die seinerzeitige Änderung des § 25 BRRG angeführt wurden: unwiderlegliche Vermutung der Dienstunfähigkeit. Dieses Ziel erfüllt die Voraussetzungen der Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG nicht.-Vor 1989 vom Landesgesetzgeber formulierte Ziele für die allgemeine Altersgrenze sind durch die bundesrechtliche Zielbestimmung im Jahr 1989 hinfällig geworden.-Zu den Beweisanforderungen an eine systematische und kohärente Verfolgung des - unterstellten - Ziels einer Altersgrenzenregelung, Neueinstellungen zu fördern.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Kläger über den 30. September 2009 hinaus im Amt eines Oberstaatsanwalts im Beamtenverhältnis zum Beklagten verblieben und nicht entsprechend § 50 Abs. 1, 3 HBG in seiner bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung in den Ruhestand getreten ist.

Das beklagte Land hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.

Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der festgesetzten Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am … 1944 geborene Kläger wurde am 16. Dezember 1974zum Richter auf Probe und mit Wirkung zum 16. Dezember 1977 zum Staatsanwalt ernannt. Am 31. Oktober 1991 wurde er unter Übertragung einer Stelle als Abteilungsleiter bei der Staatsanwaltschaft bei einem Landgericht zum Oberstaatsanwalt ernannt. Seit dem 1. September 1994 bis zu seinem Ausscheiden am 30. September 2009 leitete er eine Abteilung bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht B-Stadt. Seit 1995 war er zuständig für Wirtschaftsstrafsachen.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2009 teilte das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa dem Kläger mit, er trete mit Ablauf des Monats August 2009 nach Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand. Das Schreiben wurde dem Kläger am 6. August 2009ausgehändigt. Mit Schreiben vom 12. August 2009 beantragte der Kläger unter Bezug auf § 50 Abs. 3 Hessisches Beamtengesetz (HBG),den Eintritt seines Ruhestandes um ein Jahr hinauszuschieben.

Der Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht B-Stadt äußerte sich in einem Vermerk vom 14. August 2009 dahin, er vermöge auch in diesem Fall den Antrag auf Hinausschieben des Ruhestandseintritts nicht zu unterstützen. Ein dienstliches Interesse am Hinausschieben des Ruhestandseintritts sei nicht erkennbar. Nach wie vor bestünden keine Probleme bei der Rekrutierung von Nachwuchskräften im staatsanwaltlichen Dienst.

Mit Bescheid vom 14. August 2009 (Bl. 24 ff. d. A.) lehnte das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa den Antrag des Klägers ab. Ein dienstliches Interesse i. S. d. § 50Abs. 3 HBG sei insbesondere dann anzunehmen, wenn sich die Pensionierung eines Beamten zum vorgesehenen Zeitpunkt negativ auf den Geschäftsablauf der Verwaltung auswirke. Das könne bei einem kurz bevorstehenden Abschluss einer Projektarbeit der Fall sein,ebenso beim Entfallen einer sachlichen Zuständigkeit, sodass die Einarbeitung eines Nachfolgers nicht mehr sinnvoll sei. Gleiches wäre der Fall bei einem Mangel an Bewerbern oder vorübergehenden organisatorischen Engpässen. Eine derartige Fallkonstellation liege hier nicht vor.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 21. August 2009Widerspruch ein und nahm zur Begründung einerseits auf seinen im Hinblick auf § 50 Abs. 3 HBG gestellten Antrag, andererseits auf den Beschluss der Kammer vom 6. August 2009 (9 L 1887/09ZBR 2009, 422 = AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 9)Bezug.

In dem vom Kläger anhängig gemachten Eilverfahren entsprach die Kammer seinem Begehren mit Beschluss vom 25. August 2009 (9 L2207/09) und verpflichtete das beklagte Land im Wege der einstweiligen Anordnung, den Kläger zumindest bis zum 31. August 2010 im Beamtenverhältnis zu belassen und ihm die Ausübung seines Amtes als Oberstaatsanwalt zu ermöglichen. Die Begründung dieses Beschlusses entspricht dem Kammerbeschluss vom 6. August 2009.

Das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa schob daraufhin den Eintritt des Ruhestandes des Klägers mit Bescheid vom 27. August 2009 unter Bezug auf § 50 Abs. 3 HBG um einen Monat bis zum Ablauf des 30. September 2009 hinaus.

Der HessVGH hob mit Beschluss vom 28. September 2009 (1 B2620/09, inhaltsgleich mit dem in ZBR 2010, 52 = AGG-ES E.III.11Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 10 abgedruckten Beschluss) die von der Kammer zugunsten des Klägers erlassene einstweilige Anordnung auf und lehnte den Eilantrag des Klägers ab.

Dem Kläger wurde daraufhin die Urkunde zum Übertritt in den Ruhestand mit Ablauf des 30. September 2009 ausgehändigt. Seit dem 1. Oktober 2009 kann er sein Amt als Oberstaatsanwalt nicht mehr ausüben und bezieht Ruhegehalt in Gestalt von Versorgungsbezügen anstelle der früheren – höheren – Besoldung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2009 (Bl. 27 f. d. A.)wies das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa den Widerspruch des Klägers vom Juli 2009 zurück.Hinsichtlich des Monats September sei der Widerspruch unzulässig,da insoweit bereits eine Entscheidung zum Hinausschieben der Altersgrenze zugunsten des Klägers ergangen sei. Im Übrigen sei der Widerspruch unbegründet. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf ein Hinausschieben des Ruhestands über den 30. September 2009 hinaus gemäß § 50 Abs. 3 HBG zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die Begründung des Beschlusses des HessVGH vom 28.September 2009 verwiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 2. November 2009 zugestellt.

Mit seiner am 2. Dezember 2009 erhobenen Klage verfolgt der Kläger das Ziel, den Fortbestand seines Beamtenverhältnisses über den 30. September 2009 hinaus feststellen zu lassen, da er andernfalls wegen seines Alters in einer mit der RL 2000/78/EGunvereinbaren Weise diskriminiert werde. Dem Beklagten obliege der Nachweis, dass die Regelung des § 50 HBG tatsächlich zum Ziel habe,eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, um die Einstellung und Beförderung von jüngeren Berufsangehörigen zu begünstigen und die Personalplanung zu optimieren. Das vom Beklagten vorgelegte Zahlenmaterial belege, dass die Personalplanung inklusive der Nachbesetzung frei werdender Stellen weder im Einzelfall noch generell von einer vorausschauenden Strategie getragen sei.Entscheidungen über Nachbesetzungen und die in diesem Zusammenhang zu treffenden Entscheidungen über das Hinausschieben von Ruhestandseintritten hingen ausschließlich von sich zufällig zum jeweiligen Zeitpunkt ergebenden Personalfragen ab, wie etwa Stellenbesetzung mit Rückkehrern aus der Elternzeit oder die Nutzung von Stellen zur Aufstockung von Teilzeitkräften auf die regelmäßige Arbeitszeit, wie das beklagte Land selbst vorgetragen habe.

Außerdem habe das beklagte Land selbst eingeräumt, dass die Altersgrenzenregelung in § 50 HBG überhaupt nicht geeignet sei, das Ziel einer ausgewogenen Altersstruktur zu erreichen oder die Personalplanung zu begünstigen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass er über den 30. September 2009 hinaus im Amt eines Oberstaatsanwalts im Beamtenverhältnis zum Beklagten verblieben und nicht entsprechend § 50 Abs. 1 HBG in den Ruhestand getreten ist.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält die Klage für unzulässig, da der Kläger die Urkunde über den Eintritt in den Ruhestand entgegengenommen habe. Im Übrigen ergänzt es die Ausführungen im Eilverfahren. Dort hatte das beklagte Land zunächst die Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom 15. Juli 2009 vertieft. Die Stelle des Antragstellers sei bereits im Justizministerialblatt vom 1. April 2009 ausgeschrieben worden. Es lägen 17 Bewerbungen von hoch qualifizierten Staatsanwältinnen und Staatsanwälten vor. Die Regelung in § 50 Abs.1 HBG sei mit dem AGG und der RL 2000/78/EG vereinbar. Sie diene dem Ziel, eine günstige Altersschichtung im öffentlichen Dienst zu schaffen, wie der Entwurfsbegründung der Landesregierung zum HBG im Jahr 1962 zu entnehmen sei. Damit trage die Regelung zu einer leistungsfähigen öffentlichen Verwaltung bei. Zudem werde Berufsinteressenten der Zugang zur Beamtenschaft eröffnet. Jüngere Beamte sollten durch das geplante und kontinuierliche Freiwerden von Beförderungsstellen zur Leistung motiviert werden. Eine solche Politik liege im wohlverstandenen Interesse der Allgemeinheit als auch der Staatsanwaltschaften. Die Altersgrenzenregelung stelle im Hinblick auf diese Ziele auch ein geeignetes und angemessenes Mittel dar. Die gebotene Verhältnismäßigkeit sei gewahrt.

Die Kammer hat vom Beklagten unter anderem eine Auskunft über das Verhältnis von Neueinstellungen und Ruhestandsübertritten seit dem Jahr 2006, die Zeiträume zwischen dem Freiwerden von Planstellen durch Ruhestandsübertitte und der nachfolgenden Besetzung, der Entwicklung der Planstellenzahlen, möglichen Einsparungen aufgrund des Freiwerdens von Planstellen durch Ruhestandsübertritte, die Zahl von Anträgen auf ein individuelles Hinausschieben der Altersgrenze und deren Bescheidung eingeholt.Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 25.November 2011 (Bl. 301 f.) Bezug genommen.

Das beklagte Land hat die angeforderten Auskünfte nur teilweise erteilt und insoweit geltend gemacht, die Datenerhebung erfordere einen unverhältnismäßigen Aufwand. Erkenntnisse zu den Verhältnissen außerhalb der unmittelbaren Landesverwaltung lägen nicht vor und könnten allenfalls mit erheblichem Aufwand beschafft werden.

Zur Entwicklung der Zahl der Planstellen für Beamtinnen und Beamte in der Landesverwaltung hat das beklagte Land folgende Angaben übermittel:

Jahr20062007200820092010Personen90.09890.20590.72891.60392.501Planstellen90.85990.013,590.28991.160,391.959,5Zur Entwicklung der Ruhestandseintritte wegen Erreichens der Altersgrenze und den Neueinstellungen trägt das beklagte Land vor,die entsprechenden Zahlen hätten sich weitgehend parallel entwickelt. Dass dennoch ein erhöhter Personalbestand zu verzeichnen sei, erkläre sich aus überlagernden Personalmaßnahmen wie z. B. der Rückkehr aus der Elternzeit, sonstigen Beurlaubungen,Aufstockung von Teilzeiten, Versetzungen etc., die bei der Nachbesetzung frei gewordener Planstellen vorrangig (Hervorhebung im Original) zu berücksichtigen seien. Die Personalentwicklung in der Landesverwaltung stellt sich danach für die Jahre 2006 bis 2010 wie folgt dar:

Jahr20062007200820092010Ruhestände wegen Erreichens der Altersgrenze15951935180621352115Neueinstellungen incl. Anwärter/innen8991005112112821127In der Summe ergibt sich damit, dass während der Jahre 2006 bis 2010 insgesamt 4.125 Personen weniger eingestellt wurden als Beamtinnen und Beamte wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand übergetreten waren. Die Quote der unterbliebenen Neueinstellungen bezogen auf die Gesamtzahl der Ruhestandsübertritte wegen Erreichens der Altersgrenze beträgt damit für die Jahre 2006 bis 2010 insgesamt 43,3 %.

Die Zahl der Beförderungen in der Landesverwaltung gibt das beklagte Land für das Jahr 2006 mit 4.345, für das Jahr 2007 mit 4.144, für das Jahr 2008 mit 3.948, für das Jahr 2009 mit 4.238 und für das Jahr 2010 mit 3.995 Personen an.

Die Art der in Bezug auf eine Altersgrenze erfolgten Ruhestandseintritte gibt das beklagte Land wie folgt an:

Jahr20062007200820092010Planstellen89.85990.013,590.28991.160,591.959,5Ruhestände wegen Erreichens der Altersgrenze insgesamt15951935180621352115bes. Altersgrenze Vollzug245315295300295Antragsaltersgrenze60. Lebensjahr165200260285340Antragsaltersgrenze63. Lebensjahr450555500425530Regelaltersgrenze65. Lebensjahr410495555355425Regelaltersgrenze nach dem 65. Lebensjahr325370430770525Von insgesamt 9.586 Ruhestandseintritten und –versetzungen in den Jahren 2006 bis 2010 mit Bezug auf die Regel- oder Antragsaltersgrenze sind 3.710 Beamtinnen und Beamte unter Bezug auf eine Antragsaltersgrenze, d. h. auf freiwilligen Antrag in den Ruhestand versetzt worden. Dies entspricht einem Anteil von 38,78 %an der Gesamtzahl derjenigen, die mit Bezug auf eine Altersgrenze in den Ruhestand gewechselt sind. Bezogen auf die Regelaltersgrenze in Gestalt der Vollendung des 65. Lebensjahres beträgt der Anteil der zuvor freiwillig in den Ruhestand gewechselten Beamtinnen und Beamten 45,62 %.

Nach einer Erhebung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport aus dem Jahr 2010 wurden 128 Anträge auf Hinausschieben des Ruhestands gestellt. Davon wurden 17 Anträge abgelehnt und 6Anträge noch nicht beschieden. 126 Anträge wurden positiv beschieden. Nach einer Erhebung des Statistischen Landesamtes ist die Zahl der Übertritte in den Ruhestand aufgrund der auf Antrag hinausgeschobenen Altersgrenze im Anwendungsbereich des HBG von 40Personen im Jahr 2006 auf 85 Personen im Jahr 2009 und 70 Personen im Jahr 2010 gestiegen. Dies ergibt bezogen auf die im Jahr ohne Berücksichtigung der Vollzugsdienste in Ruhestand übergetretenen oder mit Bezug auf eine Antragsaltersgrenze in Ruhestand versetzten Beamtinnen und Beamten einen Anteil von 4,8%. Für das Jahr 2009 lag der Anteil bei 4,6% und im Jahr 2006 bei 3%.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der vom Beklagten erteilen Auskünfte wird auf Bl. 344-353 d. A. Bezug genommen.

Zwei Bände Personalakten des Beklagten, betreffend den Kläger,ein Heftstreifen Widerspruchsvorgänge und die Verfahrensakte des Eilverfahrens 9 L 2207/09.F sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Zu Recht ist der Kläger zu einem Feststellungsantrag entsprechend § 43 Abs. 1 VwGO übergegangen, da er – die Anwendbarkeit des § 50 Abs. 1, 3 HBG in seiner bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung unterstellt – mit Ablauf des Monats September 2009 kraft Gesetzes in den dauernden Ruhestand getreten ist. Ein Hinausschieben des Ruhestandseintritts nach § 50 Abs. 3HBG kommt nur so lange in Betracht, wie der Betroffene noch im aktiven Beamtenverhältnis steht. Ist er bereits in den Ruhestand getreten, kann das Ruhestandsverhältnis nicht durch ein nachträgliches Hinausschieben des Ruhestandseintritts rückwirkend beendet werden. Vielmehr bedarf es einer neuerlichen Ernennung in ein Beamtenverhältnis, d. h. nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1BeamtStG der Aushändigung einer Ernennungsurkunde zur –erneuten - Berufung in ein Beamtenverhältnis (v. Roetteken in v.Roetteken/Rothländer, Hessisches Bedienstetenrecht – HBR IV -§ 50a HBG Rn. 32 m.w.N.).

Der Kläger konnte durch ein weiteres Hinausschieben seines Übertritts in den Ruhestand über den 30. September 2009 hinaus sein bereits im Widerspruchsverfahrens genanntes Ziel nicht – mehr - erreichen, die Unwirksamkeit der beamtenrechtlichen Ruhestandsaltersgrenze für sein Beamtenverhältnis geltend zu machen und so eine Behandlung zu erreichen, nach der er über den 30.September 2009 hinaus aktiver Beamter mit allen entsprechenden Rechten geblieben ist, insbesondere mit dem Recht auf eine die Versorgungsbezüge übersteigende Besoldung und dem Recht zur Amtsführung. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass § 50a Abs.3 HBG in seiner ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung das individuelle Hinausschieben des Ruhestandsübertritts für Staatsanwälte und damit auch für den Kläger ausschließt.

Das Ziel eines Verbleibs im aktiven Beamtenverhältnis als Oberstaatsanwalt kann der Kläger nur erreichen, indem er feststellen lässt, dass er ungeachtet der Altersgrenzenregelung in § 50 Abs. 1, 3 HBG in seiner bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung Beamter geblieben ist.

Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger das nach § 54Abs. 2 BeamtStG erforderliche Vorverfahren in Bezug auf sein Feststellungsbegehren durchgeführt hat. Das beklagte Land ist der Neufassung des Klageantrags in der mündlichen Verhandlung am 24.März 2010 nicht entgegengetreten, sondern hat sich rügelos auf dieses Klagebegehren eingelassen. Davon abgesehen hat der Kläger durch seine Bezugnahme auf den Beschluss der Kammer vom 6. August 2009 (9 L 1887/09ZBR 2009, 422) bereits im Widerspruchsverfahren zu erkennen gegeben, dass er sich uneingeschränkt auch gegen die aus Altersgründen erfolgende automatische Beendigung seines Beamtenverhältnisses wendet.

Für die Verfolgung des Feststellungsbegehrens bedarf es nicht der Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 14. August 2009 und seines Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2009. Gegenstand des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens war der Antrag des Klägers vom 12. August 2009, für ihn die allgemeine Altersgrenze individuell um ein Jahr hinauszuschieben. Dieses Begehren ist durch die genannten Bescheide abgelehnt worden. Eine Regelungsentscheidung zu dem jetzt streitigen Feststellungsbegehren hat das beklagte Land im Verwaltungsverfahren nicht getroffen. Auch der Widerspruchsbescheid beschränkt sich in seiner Aussage darauf,dem Kläger stehe kein Anspruch auf ein Hinausschieben des Ruhestands gemäß § 50 Abs. 3 HBG zu.

Für sein Feststellungsbegehren besitzt der Kläger aufgrund der vorstehenden Ausführungen ein berechtigtes Interesse, das auch auf eine baldige Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses gerichtet ist. Zudem kann er seine Rechte nicht durch eine –vorrangige – Leistungs- oder Gestaltungsklage verfolgen,sodass aus diesem Grund das Feststellungsinteresse nicht verneint werden kann (§ 43 Abs. 2 VwGO).

Der Übertritt in den Ruhestand nach dem Erreichen der gesetzlichen oder auch der individuell nach § 50 Abs. 3 HBGhinausgeschobenen Altersgrenze vollzieht sich unmittelbar kraft Gesetzes und bedarf keiner rechtsgestaltenden Entscheidung in Gestalt eines auf die Zurruhesetzung gerichteten Verwaltungsaktes.Es erfolgt in diesen Fällen gerade keine Versetzung in den Ruhestand (zur Unterscheidung zwischen den beiden Formen des Wechsels in den Ruhestand § 21 Nr. 4 BeamtStG).

Die Aushändigung der Urkunde zum Übertritt in den Ruhestand hat eine rein deklaratorische, jedoch keine konstitutive Wirkung, da der Kläger auch ohne die lediglich durch eine Verwaltungsvorschrift vorgeschriebene Aushändigung dieser Urkunde mit Ablauf des 30.September 2009 in den Ruhestand getreten wäre, es sei denn, dieser Vorgang wäre wegen unzulässiger Altersdiskriminierung als nicht eingetreten zu behandeln. Dieses Ziel kann der Kläger nur durch die gerichtliche Feststellung des Fortbestandes des aktiven Beamtenverhältnisses über diesen Zeitpunkt hinaus ungeachtet der in § 50 Abs. 1 HBG getroffenen Regelung erreichen.

Die dem Kläger anlässlich des Übertritts in den Ruhestand ausgehändigte Urkunde ist kein feststellender Verwaltungsakt (Summer in GKÖD § 51 BBG 2009 Rn. 11; Battis, 4. Aufl., § 51 BBGRn. 6; Lemhöfer in Plog/Wiedow § 41 BBG a. F. Rn. 3; v. Roetteken in v. Roetteken/Rothländer, Hessisches Bedienstetenrecht –HBR IV, § 50 HBG Rn. 62). Davon ist die Kammer bereits im Eilverfahren zwischen den Beteiligten ausgegangen. Insoweit ist die Auffassung der Kammer vom HessVGH nicht beanstandet worden.

Die Klage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger im August 2009 die ihm übermittelte Urkunde vom 3. Juli 2009 zum Ruhestandseintritt mit Ablauf des Monats August 2009 entgegen genommen hat. Da diese Urkunde lediglich die Rechtsauffassung des Beklagten wiedergibt und keinerlei rechtsgestaltende Wirkung hat,wäre die widerspruchslose Entgegennahme der Urkunde allenfalls dann prozessrechtlich beachtlich, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Entgegennahme und der Reaktion des Klägers ein längerer Zeitraum verstrichen wäre, und der Dienstherr sich auf die seiner Meinung nach eintretende, in der Urkunde dargelegte Beendigung des Dienstverhältnisses hätte verlassen dürfen. Ein derartiger Verwirkungstatbestand zulasten des Klägers ist nicht eingetreten,da dieser unverzüglich seinen Antrag nach § 50 Abs. 3 HBG gestellt hat und unter Bezug auf den bereits ergangenen Beschluss der Kammer vom 6. August 2009 zum Ausdruck gebracht hat, er wende sich gegen die durch § 50 HBG bewirkte und mit der RL 2000/78/EG unvereinbare Altersdiskriminierung.

Aus den gleichen Gründen steht auch die Entgegennahme der Urkunde zum Übertritt in den Ruhestand Ende September 2009 der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Der Kläger hat insoweit lediglich ein Verhalten an den Tag gelegt, das nach dem für ihn erfolglosen Abschluss des Eilverfahrens angebracht war. Die Entgegennahme der entsprechenden Urkunde konnte beim Beklagten nach den vorausgegangenen Ereignissen und der bereits erfolgten Einleitung des Widerspruchsverfahrens auf keinen Fall dessen Schluss rechtfertigen, der Kläger nehme von seinem Ziel Abstand,trotz Überschreitens der beamtenrechtlichen Altersgrenze im Beamtenverhältnis zu verbleiben. Folgrichtig hat das beklagte Land den vom Kläger erhobenen Widerspruch nicht schon als unzulässig zurückgewiesen, soweit es um ein Hinausschieben der Altersgrenze über den Monat September 2009 hinaus ging. Damit gibt der Widerspruchsbescheid zu erkennen, dass beim Beklagten aufgrund der Entgegennahme der Ruhestandsurkunde im September 2009 nicht die Erwartung entstanden ist, der Kläger habe auf die Verfolgung seiner Rechte hinsichtlich der Altersgrenze verzichtet oder ihre weitere Durchsetzung aufgegeben.

Im Übrigen sind die beiden dem Kläger ausgehändigten Urkunden zum Übertritt in den Ruhestand nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und konnten schon deshalb vor Klageerhebung nicht in Bestandskraft erwachsen, da der Kläger bereits im Dezember 2009 Klage erhoben hat.

Die Klage hat in der Sache Erfolg, da der Kläger die Anwendung des § 50 Abs. 1 HBG i. V. m. § 50 Abs. 3 HBG hinsichtlich der für ihn individuell um einen Monat auf Ende September 2009heraufgesetzten Altersgrenze aus unionsrechtlichen Gründen nicht hinnehmen muss. Der Kläger würde nämlich bei Anwendung dieser Altersgrenzenregelung und der dadurch eintretenden Folge einer Beendigung seines – aktiven – Beamtenverhältnisses in einer nicht gerechtfertigten Weise wegen seines Alters diskriminiert.

Die Altersgrenzenregelung in § 50 HBG in der bis zum 31.Dezember 2010 geltenden Fassung wie auch in der heute geltenden Fassung enthält Entlassungsbedingungen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit.c RL 2000/78/EG (EuGH U. v. 21.7.2011 – Rs. C-159/10NVwZ 2011, 1249 f. Rn. 34 = AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EGNr. 20 – „A. u. Köhler“, ergangen in diesem Verwaltungsstreitverfahren; st. Rspr. des EuGH). Allerdings stellt der damit einhergehende Statuswechsel in ein Ruhestandsbeamtenverhältnis zugleich eine Voraussetzung für den Erwerb des Ruhegehaltsanspruchs dar (§ 56 Abs. 3 HBG), ist also Leistungsvoraussetzung. Ungeachtet dessen führt die Altersgrenzenregelung im Beamtenrecht immer auch zur Beendigung des – aktiven – Beamtenverhältnisses und unterscheidet sich insoweit von den Altersgrenzenregelungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, da dort nur die Voraussetzungen für den Bezug einer abschlagsfreien Altersrente geregelt werden, ohne zugleich eine Bedingung für die Beendigung eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses aufzustellen (vgl. §§ 35, 235 SGB VI). Der Kläger wendet sich nicht gegen die altersbezogenen Leistungsvoraussetzungen für den Bezug des Ruhegehalts, sondern gegen die auf sein Lebensalter bezogene Beendigung des Beamtenverhältnisses, sodass nachfolgend nur auf die Bedeutung der Regelung als Entlassungsbedingung abzustellen ist.

Der Kläger wird als Person, die bei einer öffentlichen Stelle tätig war, entsprechend Art. 3 Abs. 1 RL 2000/78/EG vom personellen Geltungsbereich der RL 2000/78/EG erfasst. Lediglich für Angehörige der Streitkräfte darf nach Art. 3 Abs. 4 RL 2000/78/EG hinsichtlich des Merkmals Alter in den Mitgliedstaaten von der Beachtung des Verbotes jeder Altersdiskriminierung nach Maßgabe der Art. 1, 2 RL2000/78/EG abgesehen werden. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger als Beamter der Staatsanwaltschaft nicht. Davon ist der EuGHin dem während dieses Verfahrens ergangenen Urteil vom 21.7.2011(a.a.O.) erkennbar ausgegangen, weil er – wie die Kammer – nicht in Zweifel gezogen hat, dass der Kläger als Beamten einschränkungslos dem personellen Geltungsbereich der RL 2000/78/EGunterfällt. Von der Geltung der RL 2000/78/EG für Beamtenverhältnisse ist der EuGH im Übrigen auch in seinem den Zugang zum Beamtenverhältnis betreffenden Urteil vom 12.1.2010ausgegangen (Rs. C-229/08NVwZ 2010, 244, 245 Rn. 26 =AGG-ES E.III.11 Art. 4 RL 2000/78/EG Nr. 1 –„Wolf“). Desgleichen geht der EuGH für die insoweit vergleichbare – inzwischen aufgehobene - RL 76/207/EWG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich der personelle Geltungsbereich des Grundsatzes der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung auch auf öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse bezieht (EuGH U. v. 11.1.2000 – Rs.C-285/98NJW 2000, 497, 498 Rn. 18 m.w.N. = HGlG-ESE.III.3.2 Art. 2 RL 76/207/EWG Nr. 16 –„Kreil“).

Die Frist zur Umsetzung der RL 2000/78/EG war unter Berücksichtigung der durch Art. 18 RL 2000/78/EG eröffneten Möglichkeiten einer Fristverlängerung spätestens am 2. Dezember 2006 abgelaufen, sodass der Kläger als Beschäftigter einer öffentlichen Stelle die nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzten Bestimmungen dieser RL zur Gewährleistung der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung hinsichtlich des Alters unmittelbar gegenüber dieser Stelle und nachfolgend auch vor Gericht für sich in Anspruch nehmen kann. Das in Art. 1, 2 RL2000/78/EG enthaltene Verbot der Altersdiskriminierung konkretisiert einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts und begründet zugleich ein subjektives im Unionsrecht wurzelndes Grundrecht des Klägers, da die Bestimmungen der Art. 1, 2 RL2000/78/EG hinreichend genau und eines Vollzuges aus sich heraus zugänglich sind, ohne dass nationales Recht verbliebene Lücken oder Gestaltungsspielräume der RL erst auszufüllen hätte, um deren Bestimmungen vollziehbar zu machen (EuGH U. v. 22.11.2005 –Rs. C-144/04NZA 2005, 1345, 1348 Rn. 75 ff. –„Mangold“;19.1.2010 – Rs. C-555/07 – NZA2010, 85, 88 Rn. 50 ff. = AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EG Nr.13 – „Kücükdeveci“; vgl. zum Diskriminierungsverbot nach Maßgabe der früheren RL 76/207/EWG EuGHU. v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 - NJW 1986, 2178, 2180 f. Rn. 52ff. – „Marshall I“).

Die Altersgrenzenregelung in § 50 HBG bewirkt eine unmittelbare Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters, wie der EuGH in seinem im Verlaufe dieses Verfahrens ergangenen Urteil vom 21.7.2011 (a.a.O. Rn. 34) in Auslegung von Art. 2 Abs. 1, 2 lit. a RL 2000/78/EG festgestellt hat.

Diese Altersdiskriminierung ist weder nach Art. 4 Abs. 1 RL2000/78/EG noch nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt und stellt damit gemäß Art. 2 Abs. 1 RL 2000/78/EG einen verbotenen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 1 RL2000/78/EG dar.

Nach Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 dieser RL vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Art. 1 dieser RL genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.Die Altersgrenzenregelung in § 50 HBG legt kein besonderes Merkmal fest, das im Zusammenhang mit dem in Art. 1 RL 2000/78/EG genannten Diskriminierungsgrund des Alters steht. § 50 HBG lässt weder unmittelbar noch mittelbar erkennen, welche spezifischen beruflichen Anforderungen mit Bezug zum Lebensalter hinsichtlich einer bestimmten Berufsgruppe oder bestimmter beruflicher Tätigkeiten durch die pauschal gefasste Altersgrenze erfasst werden sollen. § 50 HBG gilt für alle Beamtenverhältnisse auf Lebenszeit mit Ausnahme der von besonderen beruflichen Anforderungen gekennzeichneten Beschäftigten in den Vollzugsdiensten, für die in den §§ 194, 197 HBG eine niedrigere Altersgrenze festgesetzt ist,als sie sich allgemein aus § 50 HBG ergibt. Diese Bestimmung lässt sich daher dem Rechtfertigungsgrund des Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EGmangels einer konkreten Ausrichtung auf eine bestimmte,eingegrenzte berufliche Tätigkeit schon im Ansatz nicht zuordnen,die dafür vom EuGH entwickelten Auslegungskriterien zugrunde gelegt (EuGH U. v. 12.1.2010, a.a.O. S. 244 Rn .35 ff.). Folgerichtig hat der EuGH in dem durch die Kammer eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren eine Anwendung von Art. 4 Abs. 1 RL2000/78/EG nicht in Erwägung gezogen. Daraus folgt, dass er diesen Rechtfertigungsgrund offensichtlich für unbeachtlich gehalten hat,wie der Vergleich mit seinem gegenteiligen Vorgehen im Urteil vom 12.1.2010 (Rs. C-229/08NVwZ 2010, 244 = AGG-ES E.III.11Art. 4 RL 2000/78/EG Nr. 1 Rn. 32 ff. – „Wolf“)zeigt.

Die Auslegung des Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/78/EG durch die Kammer entspricht der Auslegung, die der EuGH zu der Art. 4 Abs. 1RL 2000/78/EG vergleichbaren Regelung im früheren Art. 2 Abs. 2 RL76/207/EWG, heute abgelöst durch Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG,vorgenommen hat. Danach kann die Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung hinsichtlich des Merkmals Geschlecht nur ganz spezifische Tätigkeiten betreffen (EuGH U. v.11.1.2000, a.a.O. Rn. 27; 30.6.1988 – Rs. 318/86EuGHE 1988, 3559, 3581 Rn. 25 = HGlG-ES E.III.3.2 Art. 2 RL76/207/EWG Nr. 4 – „Kommission/Frankreich“). Jede andere Regelung zur Ausweitung der Ausnahme wäre unverhältnismäßig (EuGH a.a.O.).

Allerdings ist der Bundesgesetzgeber im Zusammenhang mit der Neufassung des § 25 BRRG zum 1.1.1992, fortgeltend bis zum 19.6.2008, davon ausgegangen, die seinerzeitige und auch für den Kläger maßgebende Altersgrenze in Gestalt der Vollendung des 65.Lebensjahres orientiere sich an der gesetzlichen Vermutung, der Beamte werde dann zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben nicht mehr in der Lage und deshalb dienstunfähig sein. Das habe sich als Grundlage der für die Bestimmung der Altersgrenze notwendigen generellen Regelung bisher als zutreffend erwiesen, sodass daran im Prinzip auch künftig festgehalten werden solle. Dem Beamten solle aber, so die Entwurfsbegründung der Bundesregierung weiter, die Möglichkeit eingeräumt werden, nach Erreichen der Altersgrenze weiterzuarbeiten (BT-Drucks. 11/5372 S. 33). Der zeitgleich eingebrachte fraktionsübergreifende Gesetzentwurf mit identischer Regelungsabsicht enthielt eine gleichlautende Begründung zur seinerzeitigen Änderung des § 25 BRRG, durch die den Ländern im Unterschied zu der bis dahin geltenden Gesetzeslage die Altersgrenze für Beamtinnen und Beamte in Gestalt der Vollendung des 65. Lebensjahres verbindlich vorgegeben werden sollte (BT-Drucks. 11/6136 S. 33).

Die mit Bezug auf die unwiderleglich vermutete Dienstunfähigkeit erfolgte Begründung von beamtenrechtlichen Altersgrenzenregelungen entsprach dem Stand der Rechtsprechung sowohl des BVerfG wie auch des BVerwG bis zum Jahr 2008 (BVerfG U. v. 10.12.1985 – 2 BvL18/82 – E 71, 255, 268; 2. Kammer 2. Senat B. v. 23.5.2008– 2 BvR 1081/07NVwZ 2008, 1233 Rn. 25; BVerwG U. v.25.1.2007 – 2 C 28.05 - NVwZ 2007, 1192, 1193 Rn. 21). Es handelte sich auch in der Literatur um die allgemeine Standardrechtfertigung für die innere Berechtigung und die verfassungsrechtliche Zulässigkeit derartiger Altersgrenzenregelungen (vgl. statt vieler Lemhöfer in Plog/Wiedow,Bundesbeamtengesetz, § 41 BBG a. F. Rn. 1b, § 25 BeamtStG Rn. 3;Brockhaus in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 25 BeamtStG Rn. 11). Der Bundesgesetzgeber hat sich diese schon vor 1989 bestehende und auf das Jahr 1922 zurückgehende Auffassung im Verfahren zur Neufassung des § 25 BRRG durch Art. 6Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des BeamtVG und sonstiger dienst-und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 1989(BGBl. I S. 2218), in Kraft getreten zum 1. Januar 1992, noch einmal explizit zu eigen gemacht.

Mit dieser Zielsetzung können die Voraussetzungen von Art. 4Abs. 1 RL 2000/78/EG durch § 50 HBG bzw. § 25 BeamtStG nicht erfüllt werden. Dafür spricht auch, dass diese Regelung als Ausnahmebestimmung eng auszulegen ist (zum Gebot der engen Auslegung EuGH U. v. 15.5.1986 – Rs. 222/84 – EuGHE1986, 1651, 1686 Rn. 16 – „Johnston“; 26.10.1989– Rs. C-273/97 – EuZW 2000, 28, 28 Rn. 23 = HGlG-ESE.III.3.2 Art. 2 RL 76/207/EWG Nr. 15 – „Sirdar“;11.1.2000, a.a.O. Rn. 20; 13.9.2011 – Rs. C-447/09 - NJW2010, 3209, 3213 Rn. 72 – „Prigge u.a.“).Pauschal gehaltene, für eine Vielzahl von Beschäftigten ohne Differenzierung formulierte berufliche Anforderungen stellen eine unverhältnismäßige Beschränkung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung hinsichtlich des Alters dar.

Davon abgesehen kann sich die gesetzgeberische Vermutung einer unwiderleglich zu vermutenden Dienstfähigkeit für nahezu alle Beamtenverhältnisse auf Lebenszeit nicht auf die derzeitigen Erkenntnisse der Gerontologie stützen. Danach kann nicht generell davon ausgegangen werden, mit dem Erreichen der auf das 65.Lebensjahr festgesetzten Altersgrenze sei die Dienstfähigkeit entfallen (v. Roetteken in v. Roetteken/Rothländer HBR IV § 25BeamtStG Rn. 35 m.w.N.; zweifelnd auch schon die Bundesregierung in ihrer Entwurfsbegründung für das BBG 1953 – BT-Drucks. I/2846S. 41; darauf Bezug nehmend BT-Drucks. II/1549 S. 42 –Entwurf des BRRG). Dementsprechend hat das BVerwG jetzt zutreffend entschieden, dass die pauschal auf die Vollendung eines höheren Lebensalters festgelegte Altersgrenze, deren Erreichen zur Beendigung der Tätigkeit als vereidigter Sachverständiger zwingt,nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG bzw. § 8 Abs. 1 AGGnicht gerechtfertigt werden kann (BVerwG U. v. 1.2.2012 – 8 C24.11 – NJW 2012, 1018, 1019 Rn. 19 f.). die dort angestellten Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Verneinung der Frage, ob die Altersgrenze in § 50 HBG durch Art. 4 Abs. 1 RL2000/78/EG gerechtfertigt werden kann.

Die Altersdiskriminierung des Klägers kann auch nicht aufgrund des neben Art. 4 Abs. 1 RL 2000/788/EG anwendbaren Art. 6 Abs. 1 RL2000/78/EG gerechtfertigt werden. Danach stellt eine Ungleichbehandlung wegen des Alters ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 RL2000778/EG keine Diskriminierung dar, sofern die Ungleichbehandlung objektiv und angemessen ist, und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt ist, und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Diese Voraussetzungen liegen hier ebenfalls nicht vor.

§ 50 HBG bezeichnet seinem Wortlaut nach kein bestimmtes Ziel,das mit Hilfe der Altersgrenzen und der daran anknüpfenden automatischen Beendigung des Beamtenverhältnisses erreicht werden soll. Das gilt auch für die § 50 HBG seit dem 1. April 2009zugrunde liegende Regelung in § 25 BeamtStG i. V. m. § 21 Nr. 4BeamtStG.

Die mangelnde Angabe des Ziels im Text einer Norm führt nach der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung und Anwendung von Art. 6 Abs.1 RL 2000/78/EG nicht dazu, dass eine derartige nationale Regelung automatisch von einer Rechtfertigung nach dieser Bestimmung ausgeschlossen wäre. Fehlt es an einer solchen genauen Angabe des mit einer Regelung verfolgten Ziels im Gesetz selbst, ist es nach dieser Rechtsprechung allerdings wichtig, dass andere – aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete – Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können (EuGH U. v.5.7.2012 – Rs. C-141/11NZA 2012, 785, 786 Rn. 24;21.7.2011, a.a.O. Rn. 39; 18.11.2010 – Rs. C-250/09, C-268/09- NJW 2011, 42, 44 Rn. 40 = AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EGNr. 18 – “Georgiev”; 12.10.2010 – Rs.C-45/09NJW 2010, 3767, 3770 Rn. 56 = AGG-ES E.III.11 Art.6 RL 2000/78/EG Nr. 17 – „Rosenbladt“; 12.1.2010– Rs. C-341/08NJW 2010, 587, 589 Rn. 40 = AGG-ESE.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 12 –„Petersen“; 5.3.2009 – Rs. C-388/07 – NZA2009, 305, 308 Rn. 45 = AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 7– „Age Concern England“; 16.10.2007 – Rs.C-411/05NJW 2007, 3339, 3350 Rn. 56 f. = AGG-ES E.III.11Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 2 – „Palacios de la Villa“). Diese Feststellung ist Aufgabe des nationalen Gerichts (EuGH U. v. 18.11.2010, a.a.O. Rn. 48; 5.3.2009, a.a.O.Rn. 47). Sie ist positiv zu treffen, weil andernfalls die Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG ausgeschlossen ist (EuGH a.a.O.).

Zur Methode der Feststellung ergibt sich aus den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 16.10.2007 (a.a.O. Rn. 58 ff.), dass nach den üblichen juristischen Auslegungsmethoden zu ermitteln ist,welche Ziele eine gesetzliche Regelung verfolgt, die auf eine ausdrückliche Zielbestimmung verzichtet. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass eventuelle Unklarheiten zulasten des Mitgliedstaats bzw. seiner Gliedstaaten gehen und dazu führen, dass ein die Altersdiskriminierung rechtfertigendes Ziel nicht festgestellt werden kann. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art.6 Abs. 1 RL 2000/78/EG tragen nämlich die Mitgliedstaaten bzw.diejenigen Stellen, die sich auf den Eintritt eines Rechtfertigungsgrundes berufen, die materielle Beweislast für dessen Bestehen (EuGH U. v. 21.7.2011, a.a.O. S. 1252 f. Rn. 78;5.3.2009, a.a.O. S. 310 Rn. 65, 67; v. Roetteken AGG § 10 AGG Rn.24 m.w.N.).

Der systematische Zusammenhang der bundesrechtlichen Regelungen (§ 21 Nr. 4, §§ 25 f. BeamtStG) einerseits und der Vorschriften des HBG (§§ 50, 51 HBG) andererseits erlaubt einen Rückschluss auf die zugrunde liegende Zielbestimmung. § 21 Nr. 4 BeamtStG bezeichnet die Versetzung und den Übertritt innerhalb derselben Nummer als Gründe für die Beendigung des Beamtenverhältnisses, stellt sie also einander gleich. In ähnlicher Weise hatte § 38 Abs. 2 HBG in seiner bis zum 31.3.2009 geltenden Fassung über den Begriff „Eintritt in den Ruhestand“ als Grund für die Beendigung des Beamtenverhältnisses die Fälle des Übertritts in den Ruhestand (nach Erreichen der Altersgrenze) und die Fälle der Versetzung in den Ruhestand auf Antrag oder wegen Dienstunfähigkeit zusammengefasst, also ebenfalls einander gleichgestellt. Dem entspricht der Standort von § 25 BeamtStG zum Übertritt in den Ruhestand nach Erreichen der – landesrechtlich zu bestimmenden – Altersgrenze. Auf diese Regelung folgt § 26BeamtStG, der die Voraussetzungen der Pflicht zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit regelt. In gleicher Weise verhält es sich mit den Regelungen in § 50 HBG einerseits und § 51 HBGandererseits, wobei hier für die Auslegung auf die bis zum 31.Dezember 2010 geltende Fassung des § 51 HBG abzustellen ist.

Sowohl der Bundes- wie der Landesgesetzgeber stellen einen klaren Zusammenhang zwischen den Fällen des Übertritts in den Ruhestand nach Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze und der zeitlich davor erfolgenden Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit her. Dies bestätigt die historisch orientierte Auslegung des Ziels der Altersgrenzenregelungen in den Beamtengesetzen, die schon während der Weimarer Republik dazu dienen sollten, die Dienstunfähigkeit der Beamten unwiderleglich zu vermuten (RG U. v. 14.3.1922 – III 629/21 – RGZ 104,58, 62). Insoweit ist auch zu beachten, dass die den §§ 50, 51 HBGvergleichbaren Regelungen der §§ 60a, 61 RBG ebenfalls unmittelbar aufeinander folgten, also dem gleichen Kontext angehörten wie die heutigen Regelungen. Gleiches galt für § 73 Abs. 1 HBG i. d. F. v.25. Juni 1948 (GVBl. S. 101).

Aus der Gesetzessystematik kann daher hergeleitet werden, dass die Altersgrenzenregelung eine generalisierte Form der Dienstunfähigkeitsfeststellung darstellt. Dies entspricht der 1989im Gesetzgebungsverfahren abgegebenen Begründung für die Neufassung des § 25 BRRG zum 1. Januar 1992 (BT-Drucks. 11/5372 S. 33; 11/6136S. 33; s. o.). Die systematische Auslegung führt daher zum gleichen Ergebnis wie die aufgrund der oben wiedergegebenen Gesetzgebungsmaterialien vorgenommene historische Auslegung. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hatte dies, wie oben dargestellt,ebenso gesehen, weil sie ebenfalls annahm, mit dem Erreichen der Altersgrenze werde die Dienstunfähigkeit unwiderleglich vermutet.Diese Auffassung lag offenbar auch dem Entwurf des BBG des Jahres 1953 zugrunde. Aus dem Anstieg der allgemeinen Lebenserwartung wurde nämlich der Schluss gezogen, dies rechtfertige eigentlich die Heraufsetzung der allgemeinen Altersgrenze (BT-Drucks. I/2846 S.41). Gemeint war offenbar, dass die Beamten angesichts einer höheren Lebenserwartung länger dienstfähig seien. In der Kommentierung zu § 68 DBG wurde ebenfalls die Auffassung vertreten,in der Altersgrenze werde eine generalisierte Form der Dienstunfähigkeitsfeststellung getroffen (Nadler/Wittland/Ruppert,Deutsches Beamtengesetz, 1938, § 68 DBG Rn. 1).

Eine Aufgabe oder Änderung dieser 1989 bestätigten Zielsetzung ist seitdem zu keinem Zeitpunkt in einer dem Gesetzgeber im Bund oder im Land Hessen zurechenbaren Weise erfolgt. Maßgebend ist dabei allein, welche Zielvorstellungen der jeweils tätige und zuständige Gesetzgeber selbst entwickelt hat (EuGH U. v.18.11.2010, a.a.O. Rn. 47). Auf die eigenständig daneben verfolgten Ziele Dritter, namentlich der Exekutive kann es nicht ankommen (vgl. EuGH a.a.O.). Da es sich um eine gesetzliche Regelung handelt und folglich die Verantwortung für die mit der Regelung verfolgten Ziele maßgeblich beim Gesetzgeber liegt, kann einer unverändert fortbestehenden Norm ohne einen Rückgriff auf seine Äußerungen in Gestalt neuer Gesetze oder von Äußerungen in neuen Gesetzesbegründungen keine neue oder abweichende Zielbestimmung unterstellt werden. Folgerichtig hat der EuGH in seinem Urteil vom 16.10.2007 (a.a.O. Rn. 58 ff.) bei der Prüfung einer gesetzlichen Regelung in Spanien maßgeblich auf den Gesetzgebungsprozess und die Gesetzgebungsmaterialien abgestellt.

Die gegenteilige Verfahrensweise würde den unionsrechtlichen Rahmen verlassen, wie er vom EuGH (U. 18.11.2010, a.a.O. Rn. 47)vorgezeichnet worden ist. Er setzt voraus, dass sich bei mangelnder Bezeichnung der Zielsetzung in der wegen des Alters benachteiligenden Regelung andere zuverlässige Anhaltspunkte bieten, die einen Rückschluss auf das mit der Regelung tatsächlich verfolgte Ziel zulassen. Nur dann ist die in der Rechtsprechung des EuGH zwingend vorausgesetzte gerichtliche Kontrolle einer solchen Zielsetzung möglich. Schon deshalb können die Gerichte nicht ihrerseits einer ohne nähere Zielbestimmung erlassenen und wegen des Alters benachteiligenden Regelung Ziele unterstellen, ohne sie dem Normgeber selbst in nachvollziehbarer Weise zurechnen zu können. Das gegenteilige Verfahren würde auf eine Verkehrung der Rollen und Verantwortlichkeiten hinauslaufen. Die Gerichte würde sich die Ziele gleichsam selbst nach Gutdünken aussuchen und nachfolgend eine Rechtmäßigkeitskontrolle vornehmen, bei der sie allenfalls die Qualität der von ihnen, d. h. den Gerichten, selbst erdachten Ziele rechtfertigen oder verwerfen könnten. Art. 6 Abs. 1RL 2000/78/EG setzt dagegen voraus, dass Dritte die maßgebende Zielbestimmung vorgenommen haben, um auf diese Weise den Kontrollumfang für die Gerichte entsprechend zu beschränken, also darauf zu beziehen, ob das außerhalb des gerichtlichen Verfahrens bereits festgelegte konkrete Ziel rechtmäßig ist, ob die für dieses Ziel eingesetzten Mittel geeignet, erforderlich und angemessen sind (EuGH U. v. 21.7.2011, a.a.O. S. 1251 Rn. 77 f.).

Allerdings haben das beklagte Land und die Bundesregierung im Vorabentscheidungsverfahren gegenüber dem EuGH geltend gemacht, die Zielsetzung einer unwiderleglich vermuteten Dienstunfähigkeit als Grund der Ruhestandsaltersgrenzenregelung sie zwischenzeitlich aufgegeben worden (vgl. EuGH U. v. 21.7.2010, a.a.O. Rn. 40).Insoweit wurde die Behauptung aufgestellt, die Abkehr von der unwiderleglichen Vermutung der Dienstunfähigkeit mit Erreichen der Altersgrenze liege auch oder schon darin, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Weiterarbeit über die Altersgrenze hinaus ausdrücklich anerkannt habe. Dieser behauptete Zusammenhang ist nicht nachweisbar, sodass aus dem behaupteten Grund keine Aufgabe der im Jahr 1989 bestätigten Zielsetzung hergeleitet werden kann.Wie oben ausgeführt, eröffneten ausweislich der eindeutigen Gesetzesbegründungen bereits die Entwürfe für die Neufassung des §25 BRRG zum 1. Januar 1992 ungeachtet der bundesrechtlich verbindlich für die Länder auf das 65. Lebensjahr festgelegten Altersgrenze gleichzeitig und zusätzlich die Möglichkeit,durch Landesrecht die Weiterarbeit im Beamtenverhältnis über die allgemeine Altersgrenze hinaus zu gestatten.

Der Bundesgesetzgeber hatte mit der Neufassung des § 25 BRRG zum 1. Januar 1992 entgegen dem beim EuGH erfolgten Vortrag also beide Zielsetzungen nebeneinander in seinen Willen aufgenommen,einerseits die unwiderlegliche Vermutung der Dienstunfähigkeit,deren Richtigkeit sich auch heute noch (1989) erwiesen habe,andererseits die Eröffnung von Weiterarbeitsmöglichkeiten über diesen Zeitpunkt hinaus. Wenn daher im Bereich des Landes Hessen auf der Grundlage dieser sich durchaus als widersprüchlich darstellenden Zielbestimmungen Regelungen erlassen wurden, die in Gestalt von § 50 Abs. 3 HBG in seiner bis zum 31. Dezember 2010geltenden Fassung, heute § 50a HBG, oder in Gestalt von § 194 Abs.2 HBG in seiner bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung, heute § 194 Abs. 6 HBG, das Hinausschieben des Ruhestandeintritts ermöglichen, liegt allein im Erlass dieser schon durch § 25 Abs. 2BRRG in seiner ab dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung zugelassenen Bestimmungen keine Abkehr von den seinerzeit (1989) angegebenen Gründen zur Rechtfertigung der beamtenrechtlichen allgemeinen Altersgrenzen. Die Regelungen zum Hinausschieben der Altersgrenze waren vielmehr Bestandteil desselben Regelungskonzepts, sodass der nach 1992 erfolgte Erlass von landesrechtlichen Bestimmungen zum Hinausschieben der Altersgrenze allein nichts darüber aussagen kann, welche Zielsetzung die allgemeine Altersgrenzenregelung nach Meinung des Gesetzgebers verfolgt.

Der gegenteilige Vortrag des Beklagten und der Bundesregierung vor dem EuGH war unrichtig, da keine weitere Aktivität des Bundes-oder Landesgesetzgebers bezeichnet wurde, aus der sich die Aufgabe der 1989 verfolgten Ziele ergeben soll. Derartige Aktivitäten hat auch die Kammer nicht feststellen können. Folglich besteht keine tragfähige Grundlage für den von der Bundesregierung und dem Beklagten vor dem EuGH gezogenen Schluss, dass die zur Grundlage des § 25 Abs. 1 BRRG in seiner bis zum 19. Juni 2008 geltenden Fassung gemachten Gründe für den Erlass von Altersgrenzenregelungen im Beamtenrecht oder im Richterrecht vom Bundesgesetzgeber selbst aufgegeben oder durch eine andere Zielbestimmung ersetzt wurden.Gleiches für die Zeit nach der Aufhebung des § 25 BRRG mit Ablauf des 19. Juni 2009 für den Bereich der Landesgesetzgebung.

Den Gesetzgebungsmaterialien zu § 25 BeamtStG und zu § 51 BBG in seiner ab dem 12. Februar 2009 geltenden Fassung lässt sich zur Zielsetzung der dienstrechtlichen Altersgrenzen nichts entnehmen.In der Entwurfsbegründung der Bundesregierung zu § 51 BBG finden sich lediglich Ausführungen zur Begründung der schrittweisen Heraufsetzung der dienstrechtlichen Altersgrenzen, um damit einen Gleichklang zur Heraufsetzung der Altersgrenzen zu schaffen, die nach Maßgabe des SGB VI Voraussetzung für den Bezug einer abschlagsfreien Altersrente sind. Weitergehende Aussagen enthalten diese Gesetzesbegründungen nicht.

Das Gleiche gilt die Gesetzgebungsaktivitäten des Beklagten, da weder mit der Anfügung von § 194 Abs. 2 HBG im Jahr 2002 noch mit der Anfügung von § 50 Abs. 3 HBG in seiner bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung Gründe genannt wurden, die einer Zielbestimmung der dienstrechtlichen Altersgrenzen zugeordnet werden können (LT-Drucks. 15/3351 S. 5; 16/994 S. 3, 5; 16/1182).Auch die Materialien des Gesetzes zur Anpassung des Beamtenrechts in Hessen an das BeamtStG v. 5. März 2009 (GVBl. I S. 95;LT-Drucks. 18/26 u. 18/65) geben in keiner Weise Aufschluss, welche neuen oder anderen Ziele die Altersgrenzenregelungen im HBG heute anstelle der bundesrechtlichen Zielbestimmung aus dem Jahr 1989verfolgen.

Auf die Ziele des nach dem Erreichen der für den Kläger maßgebenden Altersgrenze erlassenen Ersten Gesetzes zur Modernisierung des Dienstrechts in Hessen v. 25. November 2010(GVBl. I S. 410, ber. S. 606) kann es nicht mehr ankommen, da in diesem Fall die Zielbestimmung rückwirkend zu gelten hätte, was mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes unvereinbar wäre. Davon abgesehen geben die Materialien zu diesem Gesetz (LT-Drucks. 18/2329) keinen Aufschluss, welche neuen oder anderen Ziele die durch Art. 1 Nr. 3 des 1. DRModG veränderten Altersgrenzenregelungen im HBG heute anstelle der bundesrechtlichen Zielbestimmung aus dem Jahr 1989 verfolgen Die Neufassung des § 50HBG mit dem Ziel einer schrittweisen Heraufsetzung der allgemeinen Altersgrenze auf die Vollendung des 67. Lebensjahres richtet sich nach der Entwurfsbegründung lediglich daran aus, eine wirkungsgleiche Übertragung der Maßnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung vorzunehmen (LT-Drucks. 18/2379 S. 1, 21). Die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften betreffen jedoch allein den Bezug von Altersrenten und enthalten im Unterschied zum Beamtenrecht keine Entlassungsbedingungen. Es geht lediglich um die Voraussetzungen eines abschlagsfreien Bezugs der Regelaltersrente.Damit geben die rentenrechtlichen Bestimmungen keine Auskunft darüber, welches Ziel mit daran anknüpfenden, aber außerhalb des Sozialrechts stehenden Entlassungsbedingungen verfolgt wird.Gleiches gilt für die Neufassung des § 50 HBG und die Einfügung von § 50a HBG durch Art. 1 Nr. 4 des 1. DRModG (LT-Drucks. 18/2379 S.23). Keine der Neuregelungen bot offenbar Anlass, eine klare Zielbestimmung für die dienstrechtlichen Ruhestandsaltersgrenzen in ihrer Eigenschaft als Entlassungsbedingungen vorzunehmen, neue oder andere Ziele für die entsprechenden Regelungen geltend zu machen.

Die schrittweise Heraufsetzung der Ruhestandsaltersgrenzen wird lediglich im Hinblick auf den hier nicht einschlägigen Art. 6 Abs.2 RL 2000/78/EG bzw. § 10 S. 3 Nr. 4 AGG begründet, um entsprechend den Überlegungen zur vorausgegangenen Änderung im Rentenversicherungsrecht den Aufwand für Versorgungsleistungen im Ruhestand zu begrenzen. Für die Rechtfertigung einer Entlassungsbedingung kommen diese Ziele nicht in Betracht.

Im Zusammenhang mit dem Erlass des AGG im Jahr 2006 ist ebenfalls keine neue oder andere Zielbestimmung für die die beamtenrechtlichen Altersgrenzen erfolgt. Allerdings erlaubt § 10S. 3 Nr. 5 AGG Vereinbarungen, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsehen, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann, wobei § 41 SGB VI unberührt bleibt. Diese arbeitsrechtliche Bestimmung gilt nach § 24 Nr. 1 AGG entsprechend für Beamtinnen und Beamte, also auch für den Kläger, da der Bund die Regelung in § 24 im August 2006 noch aufgrund der ihm bis zum 31. August 2006 aus Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG a. F. zustehenden Rahmenkompetenz erlassen konnte. Die Materialien zum AGG wie auch zu dem ihm vorausgegangenen Entwurf eines ADG geben jedoch keinen Aufschluss darüber, welche sozial- oder arbeitsmarktpolitischen Ziele mit § 10 S. 3 Nr. 5 AGG seitens des Gesetzgebers im Einzelnen verfolgt wurden. Der Entwurfsbegründung der Bundesregierung für das AGG lässt sich insoweit lediglich entnehmen, diese Regelung solle gewährleisten, dass auch künftig das Alter bei der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses berücksichtigt werden könne (BT-Drucks.16/1760 S. 36; ebenso bereits der Bundestagsausschuss für Familie,Senioren, Frauen und Jugend in der Begründung seines Vorschlags zur Ergänzung von § 10 ADG – BT-Drucks. 15/5717 S. 36). Den allgemeinen Begründungsteilen des AGG lässt sich insoweit keine darüber hinaus gehende Darstellung einer konkreten Zielbestimmung für § 10 S. 3 Nr. 5 AGG entnehmen. Im allgemeinen Begründungsteil des Entwurfs der Bundesregierung zum AGG wird – durchaus im Gegensatz zu § 10 S. 3 Nr. 5 AGG – hervorgehoben, die demografische Entwicklung habe in den Industriestaaten zu einer Benachteiligung älterer Arbeitnehmer/innen geführt (BT-Drucks.16/1750 S. 20). In dem nicht zu Ende geführten Gesetzgebungsverfahren zum ADG hatte der Ausschuss für Familie,Senioren, Frauen und Jugend – ebenfalls gegenläufig zur Einfügung von § 10 S. 3 Nr. 5 ADG – ausgeführt, das Diskriminierungsmerkmal Alter sei von großer Relevanz insbesondere im Hinblick auf die Ausgrenzung älterer Arbeitnehmer/innen (BT-Drucks. 15/5717 S. 34).

§ 10 S. 3 Nr. 5 AGG geht daher in seinem Regelungsgehalt mangels näherer eigener Zielbestimmung nicht über das hinaus, was sich ohnehin aus Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG ergibt. § 10 S. 3 Nr. 5 AGGschafft lediglich einen nationalen Rechtsrahmen, der im Arbeitsrecht durch tarifvertragliche oder im Dienstrecht durch landesrechtliche Vorschriften ausgefüllt werden kann, um bestimmte Altersdiskriminierungen zu rechtfertigen. In diesen Fällen sind die jeweiligen tariflichen Regelungen bzw. die entsprechenden Landesgesetze auch auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 1 RL2000/78/EG zu prüfen, ohne dass der Umfang der gerichtlichen Kontrolle über das Maß hinaus beschränkt ist, wie er ohnehin im Hinblick auf die durch Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG nach Auffassung des EuGH eröffneten Gestaltungsspielräume beschränkt ist (EuGH U.v. 12.10.2010, a.a.O. Rn. 52 ff.). Dementsprechend hat der EuGH in dem in diesem Verfahren ergangenen Urteil vom 21.7.2011 eine eigenständige Prüfung der § 50 HBG zugrunde liegenden Ziele verlangt, ohne dabei auf eventuelle Einschränkungen durch § 10 S. 3Nr. 5 AGG zu verweisen. Diese Regelung stellt mit Ausnahme des Bezugs auf § 41 SGB VI und das Erreichen der Voraussetzungen für eine Altersrente eine reine Blankettnorm dar, sodass erst die Ausfüllung durch eine konkrete Vereinbarung oder Regelung darüber entscheidet, welches Ziel damit ggf. verfolgt wird, und ob ein ggf.benanntes oder durch Auslegung ermitteltes Ziel den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG tatsächlich genügt, was von den Gerichten der Mitgliedstaaten in vollem Umfang nach Maßgabe der unionsrechtlichen Kriterien zu prüfen ist (vgl. EuGH a.a.O.).

§ 50 HBG kann als vom Gesetzgeber selbst verantwortete Zielvorstellung daher nur die unwiderlegliche Vermutung der Dienstunfähigkeit zugeordnet werden. Dieses Ziel stellt kein sozialpolitisches Ziel dar, das im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 RL2000/78/EG verfolgt werden kann. Davon ist der EuGH in seinem im Rahmen dieses Verfahrens ergangenen Urteil vom 21.7.2011ausgegangen, zumal ihn der Vortrag des Beklagten und der Bundesregierung im Vorabentscheidungsverfahren veranlasst hat,diese Zielsetzung nicht näher hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG zu prüfen, weil sie vorgeblich aufgegeben worden sei.

Damit scheidet auch aus prozessrechtlichen Gründen eine Rechtfertigung der durch § 50 HBG bewirkten Altersdiskriminierung auf dieser Grundlage aus. Seitens des Beklagten könnte unmöglich in verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Zielsetzung geltend gemacht werden, deren gegenwärtige Existenz in dem von der Kammer eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren ausdrücklich abgestritten worden ist, obwohl insbesondere die Gesetzgebungsmaterialien zur Neufassung des § 25 BRRG mit Wirkung zum 1. Januar 1992 genau das Gegenteil besagen und die höchstrichterliche Rechtsprechung noch 2008 auf diese Zielsetzung maßgeblich abgestellt hatte.

Der Verantwortlichkeit des Gesetzgebers kommt in Hessen ein eigener auch landesverfassungsrechtlich bedeutsamer Stellenwert zu,weil jede Altersgrenzenregelung, die als Entlassungsbedingung ausgestaltet ist, dazu beiträgt, die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit (Art. 28 Abs. 2 HV) zu vereiteln. Dieses Grundrecht steht nicht unter Gesetzesvorbehalt, noch unterliegt es einem Vorbehalt zur näheren Ausgestaltung durch Gesetz, wie dies z. B. in Art. 28Abs. 3 S. 2, Art. 30 Abs. 2, Art. 31 S. 3, Art. 34 S. 2, Art. 35Abs. 1 S. 5, Abs. 3 S. 2, Art. 37 Abs. 3 HV geschehen ist. Das Recht auf freien Gebrauch der Arbeitskraft (Art. 157 Abs. 1 lit. c HV) unterliegt zwar der immanenten Schranke einer näheren Ausgestaltung durch das nach Art. 29 Abs. 1, Art. 135 HV zu schaffende einheitliche Arbeitsrecht. Auch dann darf jedoch schon im Hinblick auf Art. 63 Abs. 1 HV der Wesensgehalt dieses Grundrechts nicht beeinträchtigt werden. Das wäre hier der Fall,weil der Kläger aufgrund des gesetzlich vorgesehen Übertritts in den Ruhestand den Beruf eines Staatsanwalts nicht mehr ausüben und insoweit auch von seinem Recht auf Arbeit keinen Gebrauch mehr machen könnte, ohne dass dies mit seiner Eignung oder Leistung (Art. 134 HV), seiner Qualifikation (Art. 33 Abs. 2 GG) zu tun hätte. Für den Fall des Wegfalls seiner Dienstfähigkeit bestimmen sich die Rechtsfolgen in diskriminierungsfreier Weise nach § 26BeamtStG, durch den zugleich Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG bzw. § 8Abs. 1 AGG i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG in zulässiger Weise konkretisiert wird (vgl. EuGH U. v. 11.7.2006 – Rs. C-13/05– NZA 2006, 839, 840 f. Rn. 48 f. = AGG-ES E.III.11 Art. 1 RL2000/78/EG Nr. 1 – „Chacón Navas“).

Die mangelnde Präzisierung der akutellen Ziele, denen § 50 HBGdienen soll, unterscheidet die hessische Situation zum Beispiel von derjenigen, über das OVG RhlPf in seinem Urteil v. 25.2.2011 (2 A11201/10 – DÖD 2011, 183) zu entscheiden hatte. Dort ergab sich aus den Gesetzgebungsmaterialien eine deutlich präzisere Bestimmung derjenigen Ziele, die den landesrechtlichen Altersgrenzenregelungen des dortigen Beamtenrechts zugrunde gelegt wurden.

Ein Rückgriff auf die vor dem Jahr 1989 erfolgten –landesrechtlichen - Zielbestimmungen ist dem Gericht aufgrund der im Jahr 1989 vorgenommenen und jedenfalls zum 1. Januar 1992wirksam gewordenen Zielbestimmung für die Altersgrenzenregelung in § 25 BRRG damaliger Fassung versperrt. Der Bund hatte insoweit von seiner Rahmenkompetenz des vormaligen Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GGGebrauch gemacht und dadurch einen eigenständigen landesrechtlichen Zugriff auf die entsprechende Materie versperrt. Gleichzeitig hatte der Bund durch die über das bis dahin geltende Recht hinaus gehende Regelungsdichte in § 25 BRRG eine weitgehend abschließend Regelung getroffen, für deren Rechtfertigung die vom Bundesgesetzgeber geltend gemachten Ziele allein maßgebend waren. Das gilt jedenfalls ab dem 1. Januar 1992 auch für solche landesrechtlichen Vorschriften, die zwar wie § 50 Abs. 1 HBG äußerlich unverändert blieben, nunmehr aber dem strikten Regelungsgebot des § 25 Abs. 1BRRG folgten und insoweit bundesrechtlich determiniert waren, ohne noch einen eigenen landesbezogenen Regelungswillen zum Ausdruck bringen zu können.

Dies schließt einen Rückgriff auf die Motive des HBG in seiner Fassung von 1962 aus, da diese frühere Zielbestimmung durch die neue Zielbestimmung des Bundes überholt und abgelöst worden ist.Ziele einer formal unveränderten Regelung können sich ändern (vgl.EuGH U. v. 21.7.2011, a.a.O. S. 1250 Rn. 42 ff.). Dies ist hier geschehen, weil der Bund anstelle des Landes in kompetenzrechtlich zulässiger Weise die Zielbestimmung übernommen hatte, und insoweit für die Länder seit 1989 grundsätzlich kein eigener Gestaltungsspielraum mehr bestand; er konnte sich nur noch im Bereich der Altersgrenzen für besondere Gruppen von Beamtinnen und Beamten, d. h. im Bereich der Ruhestandsaltersgrenzen für die Vollzugsdienste entfalten (vgl. §§ 194, 197 HBG). Um diesen Personenkreis geht es hier jedoch nicht.

Für die vom Beklagten in diesem Verfahren angegebenen mit § 50HBG vorgeblich verfolgten Ziele einer günstigen Altersschichtung im öffentlichen Dienst, einer leistungsfähigen öffentlichen Verwaltung, der Eröffnung von Zugangsmöglichkeiten für Berufsinteressenten zur Beamtenschaft und der Förderung der Motivation jüngerer Beamter durch das geplante und kontinuierliche Freiwerden von Beförderungsstellen lässt sich kein Anhaltspunkt in den Gesetzgebungsaktivitäten des Bundes oder des Landes seit dem Jahr 1989 finden. Das Bestehen dieser Ziele im September 2009, dem Zeitpunkt der Anwendung des § 50 HBG auf den Kläger, kann daher nicht festgestellt werden, sodass eine Rechtfertigung der durch §50 HBG bewirkten unmittelbaren Altersdiskriminierung schon deshalb ausscheidet.

Folgt man dem Ausschluss eines Rückgriffs auf landesgesetzliche Zielsetzungen aus der Zeit von 1989 nicht, würde auch dies nicht zum Eintritt eines Rechtfertigungsgrundes entsprechend den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG führen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Entwurfsbegründung der Landesregierung zum HBG in seiner Fassung von 1962 keine den unionsrechtlichen Anforderungen genügende Zielbestimmung enthält, hilfsweise daraus,dass die seinerzeit genannte Zielbestimmung bei Annahme ihrer Legitimität i. S. d. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG weder hinreichend systematisch und kohärent noch auf angemessene Weise verfolgt wird.

Grundlage des § 50 HBG in seiner 1962 verabschiedeten Fassung war § 25 BRRG in seiner Fassung vom 1. Juli 1957 (BGBl. I S. 667).Er hatte es – ähnlich der heutigen Regelung in § 25 BeamtStG- den Ländern überlassen, die Altersgrenze für den Übertritt in den Ruhestand eigenständig festzulegen, aber gleichzeitig den Ländern einen entsprechenden Regelungsauftrag für den Erlass von Ruhestandsaltersgrenzen erteilt (§ 25 S. 1 BRRG 1957). Vorgegeben war darüber hinaus bundesrechtlich nur, dass der Beamte bzw. die Beamtin nach Erreichen der – landesrechtlich zu bestimmenden - Altersgrenze kraft Gesetzes in den Ruhestand trat (§ 25 S. 2 BRRG1957). Die Entwurfsbegründung der Bundesregierung zu § 25 BRRGhatte auf die Regelungen im seinerzeitigen BBG (§§ 41 ff. a. F.)Bezug genommen (BT-Drucks. II/1549 S. 42), auf eine weitergehende Begründung und damit auch auf eine eigenständige Zielbestimmung aber verzichtet.

Die Entwurfsbegründung der Landesregierung zu § 50 HBGverzichtete weitgehend auf eine Begründung dafür, warum die allgemeine Altersgrenze auf die Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegt wurde (LT-Drucks. IV Abt. I Nr. 940 S. 2636). Es wurde insoweit lediglich ausgeführt, diese Altersgrenze entspreche der bisherigen Rechtslage in Gestalt von § 76 Abs. 2 S. 1 HBG i. d. F.v. 11. November 1954 (GVBl. S. 239). § 73 Abs. 1 S. 2 HBG i. d. F.v. 25. Juni 1948 (GVBl. S. 101) hatte dagegen noch vorgesehen, dass ein Beamter nach Erreichen des 65. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt werden konnte, ohne eine entsprechende Rechtspflicht zu begründen. Zur Begründung der Regelung in § 76 Abs. 2 S. 1 HBG1954, verbunden mit der Möglichkeit, noch dienstfähige Beamte bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres mit ihrer Zustimmung im Amt zu belassen (§ 76 Abs. 2 S. 2 HBG 1954), hatte die Landesregierung in ihrer Entwurfsbegründung für die entsprechende Änderung des HBG1948 durch das 1. Angleichungsgesetz v. 18.3.1952 (GVBl. S. 80)ausgeführt, die Notwendigkeit, im Versorgungsetat des Landes Einsparungen vorzunehmen, lasse es empfehlenswert erscheinen, für geeignete Fälle die Möglichkeit vorzusehen, die Altersgrenze für die Versetzung in den Ruhestand vom 65. Lebensjahr auf das 68.Lebensjahr heraufzusetzen. Grundsätzlich bedeute die Versetzung „voll“ leistungsfähiger Beamter in den Ruhestand nur,weil sie ein bestimmtes Lebensalter vollendet hätten, eine Erhöhung der Pensionslast, die sich bei der gegenwärtigen Finanzlage (1952)kaum mehr rechtfertigen lasse. Die Befürchtung, dass die Heraufsetzung der Altersgrenze in jedem Fall eine Benachteiligung der Nachwuchsbeamten mit sich bringen würde, sei unbegründet, da nur in den Fällen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werde, in denen erhebliche dienstliche Interessen dies erforderten und die betroffenen Beamten dieser Maßnahme zustimmten (LT-Drucks. II Abt.I Nr. 278 S. 506).

In der Entwurfsbegründung zum HBG 1962 führte die Landesregierung aus, eine Anhebung der herkömmlichen Altersgrenze empfehle sich nicht. Den Einsparungen an Versorgungsleistungen stehe eine ungünstige Schichtung des Altersaufbaus gegenüber. Nach den Erfahrungen mit den entsprechenden Regelungen im zuvor geltenden Recht (§ 76 Abs. 2 HBG 1954) erscheine es daher zweckmäßig, von einer allgemeinen Änderung der Altersgrenze abzusehen, ebenso aber auch von der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf bestimmte Zeit. Sollte in Ausnahmefällen ein Beamter nach Eintritt in den Ruhestand nicht entbehrlich sein,bestehe die Möglichkeit, ihn im Angestelltenverhältnis weiterzubeschäftigen (LT-Drucks. IV Abt. I Nr. 940 S. 2636).

Diese lediglich auf die Beibehaltung der bisherigen Altersgrenzen bezogenen Ausführungen können nicht dahin verstanden werden, der Landesgesetzgeber habe mit der im Jahr 1962 erfolgten Festsetzung der allgemeinen Altersgrenze auf das 65. Lebensjahr ein bestimmtes Ziel arbeitsmarkt- oder sozialpolitischer Art im Interesse des Wohl der Allgemeinheit verfolgt (zum Allgemeinwohlbezug der im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EGverfolgbaren Ziele EuGH U. v. 21.7.2011, a.a.O. S. 1251 Rn. 52 f.;5.3.2009, a.a.O. S. 308 Rn. 46). Zu den mit der Altersgrenzenregelung verfolgten Zielen äußert sich die die Entwurfsbegründung der Landesregierung lediglich dahin, es solle an der herkömmlichen Altersgrenze festgehalten werden. Was damit erreicht werden soll, wird nicht ausgeführt. Allenfalls kann der Entwurfsbegründung von 1962 in Verbindung mit der Begründung für das 1. Angleichungsgesetz von 1952 mittelbar entnommen werden, dass eine niedrigere Altersgrenze zu Belastungen des Pensionshaushalts führen werde, die vermieden werden sollten.

Dagegen kann der Entwurfsbegründung die Auffassung entnommen werden, einer Altersgrenze, die auf ein höheres Lebensalter als die Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegt werde, stehe die ungünstige Schichtung des Altersaufbaus der Beamten entgegen. Die damit einhergehenden Einsparungen im Bereich der Versorgungslasten waren nach der Entwurfsbegründung nicht so gewichtig, dass deshalb angesichts der bisherigen Erfahrungen mit einer Weiterbeschäftigung über das 65. Lebensjahr hinaus die Beibehaltung der entsprechenden Regelung oder die Heraufsetzung der allgemeinen Altersgrenze gerechtfertigt sei. Die insoweit geltend gemachten Erfahrungen teilt die Entwurfsbegründung nicht mit. Ebenso wenig erschließt sich aus der Entwurfsbegründung, nach welchen Kriterien die Ungünstigkeit einer Altersschichtung beurteilt und als nicht unvernünftig erscheinen soll. Unmittelbar gerechtfertigt ist daher insoweit nur die Schlussfolgerung, die Landesregierung habe 1962die Beschäftigung von Personen, die älter als 65. Jahre sind,generell für unpassend gehalten, da die erforderlichen Aufgaben auch durch andere, d. h. jüngere Beschäftigte erledigt werden könnten. Es ging also bei genauer Betrachtung nur um das Ziel, eine Überalterung der Beamtenschaft zu vermeiden. Ein hinreichender Bezug zur gezielten Förderung von Neueinstellungen oder anderer Ziele lässt sich der Entwurfsbegründung zum HBG von 1962 jedenfalls nicht entnehmen.

Die mangelnde Ausrichtung des § 50 HBG im Jahr 1962 auf das vom Beklagten in Anspruch genommene Ziel einer Förderung von Neueinstellungen findet seine Bestätigung in der seinerzeitigen Arbeitsmarktlage. Im Jahr 1962 war auf dem westdeutschen Arbeitsmarkt im Unterschied zum Jahr 1952 Vollbeschäftigung erreicht. Jüngere Menschen hatten - vorbehaltlich ihrer charakterlichen, fachlichen und gesundheitlichen Eignung - keine Schwierigkeiten, eine Arbeit aufzunehmen und ihr Recht auf Arbeit (Art. 28 Abs. 2 HV) zu verwirklichen oder Zugang zu einem öffentlichen Amt zu erhalten (Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 134 HV),soweit dafür entsprechende Stellen haushaltsrechtlich verfügbar waren. Betrug die Arbeitslosenquote im Jahr 1952 bundesweit noch 9,5%, so lag sie Jahr 1962 bundesweit bei 0,7%.(Bundesagentur für Arbeit, Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf, Nürnberg, Juni 2012), war also extrem niedrig. Daher ist es nur selbstverständlich, wenn die Frage einer möglichen Behinderung von Neueinstellungen jüngerer Menschen in das Beamtenverhältnis für den Erlass der Altersgrenzenregelung bzw. die Festlegung der Altersgrenze auf die Vollendung des 65. Lebensjahres im Gegensatz zu den Gesetzesberatungen im Jahr 1952 keinerlei Erwähnung mehr gefunden hat. Eine diesbezügliche Frage stellte sich im Jahr 1962 einfach nicht.

Sonstige Zielsetzungen lassen sich der Entwurfsbegründung der Landesregierung von 1962 nicht entnehmen noch in den späteren Jahren auf eine Weise feststellen, dass sie dem Landesgesetzgeber selbst zugeordnet werden könnten. Dies gilt für die vom Beklagten neben der Vermeidung einer ungünstigen Altersschichtung angegebenen weiteren Ziele einer leistungsfähigen öffentlichen Verwaltung, der Eröffnung von Zugangsmöglichkeiten für Berufsinteressenten zur Beamtenschaft und der Förderung der Motivation jüngerer Beamter durch das geplante und kontinuierliche Freiwerden von Beförderungsstellen.

Die 1962 lediglich angestrebte Vermeidung einer Überalterung der Beamtenschaft stellt für sich genommen kein – rechtmäßiges -arbeitsmarkt- oder sozialpolitisches Ziel i. S. d. Art. 6 Abs. 1 RL2000/78/EG dar. Dies folgt schon daraus, dass auf die Teilnahme älterer Arbeitnehmer/innen am Berufsleben und damit am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben besonderes Augenmerk zu richten ist. Ihr Verbleiben im Berufsleben fördert die Vielfalt im Bereich der Beschäftigung, die ein im 25.Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78/EG anerkanntes Ziel ist. Es trägt außerdem entsprechend dem in den Erwägungsgründen 9 und 11der RL 2000/78/EG zum Ausdruck gebrachten Anliegen des Unionsgesetzgebers zu ihrer persönlichen Entfaltung und Lebensqualität bei (EuGH 21.7.2011, a.a.O. Rn. 63). Ließe man den bloßen Wunsch, ältere Menschen nicht mehr gleichberechtigt arbeiten zu lassen, als Rechtfertigungsgrund zu, liefe dies auf eine Suspendierung des Verbots der Altersdiskriminierung hinaus. Dieses Verbot darf jedoch durch allgemeine Behauptungen, eine Maßnahme sei zur Erreichung eines bestimmten Ziels geeignet, nicht ausgehöhlt werden (EuGH 21.7.2011, a.a.O. S. 1252 Rn. 77; 18.11.2010, a.a.O.Rn. 47 f.; 5.3.2009, a.a.O. S. 308 Rn. 51; 9.2.1999 – Rs.C-167/97 - EuGHE 1999-I, 623, 686 Rn. 75 f. = HGlG-ES E.III.1 Art.119 EGV Nr. 60 – „Seymour Perez u. Smith“).

Geht man hilfsweise und ungeachtet der zuvor dargestellten Einwände mit dem Beklagten davon aus, die Ruhestandsaltersgrenzenregelung diene mit dem Ziel einer günstigen Altersschichtung auch dem Ziel, Neueinstellungen zu fördern, würde es sich nach den Ausführungen des EuGH in dem im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteil vom 21.7.2011insoweit um ein rechtmäßiges Ziel der nationalen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik handeln, dessen Erfüllung zugleich dem Allgemeinwohl dienen würde (EuGH a.a.O. S. 1250 f. Rn. 50; 5.7.2012, a.a.O. Rn.29; vgl. zum Ziel der Solidarität der Generationen Art. 3 Abs. 3Unterabs. 2 EUV). In diesem Fall müsste sich die Regelung des § 50HBG aber auch als geeignet, erforderlich und angemessen erweisen,um dieses Ziel der Begünstigung von Neueinstellungen, d. h. der Vermeidung der andernfalls zu befürchtenden höheren Arbeitslosigkeit jüngerer Menschen im Sinne eines Generationenausgleichs tatsächlich in systematischer und kohärenter Weise zu erreichen (EuGH U. v. 18.11.2010, a.a.O. S. 45 Rn. 53, 55f.). Obwohl den Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des EuGHaufgrund von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG ein nicht unerhebliches Maß an Flexibilität hinsichtlich der Zielbestimmung und der dafür eingesetzten Mittel zusteht, dürfen sich die Maßnahmen der Mitgliedstaaten ungeachtet dessen insbesondere nicht in allgemeinen Behauptungen zur Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit erschöpfen. Andernfalls würde das Gleichbehandlungsgebot in unzulässiger Weise ausgehöhlt (EuGH U. v. 21.7.2011, a.a.O. S. 1252Rn. 77; 5.3.2009, a.a.O. S. 308 Rn. 51; 9.2.1999, a.a.O. Rn. 75f.). Die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit den Mitgliedstaat und nicht den Kläger, da er nicht gehalten ist, das Nichtvorliegen eines Rechtfertigungsgrundes nachzuweisen, und der mangelnde Nachweis des Nichtvorliegens eines solchen Grundes nicht zu seinen Lasten geht (EuGH U. v. 21.7.2011, a.a.O. S. 1252 f. Rn.78).

Zur Beantwortung der Frage, ob die Praxis im Geltungsbereich des HBG tatsächlich auf eine hinreichend kohärente und systematische Verfolgung des Ziels einer Förderung von Neueinstellungen angelegt ist und der Erreichung dieses Ziels hinreichend dient, hat die Kammer dem Beklagten durch einen Auflagenbeschluss zur Angabe von Daten für die Jahre 2006 bis 2010 unter anderem zu Neueinstellungen, Zahl und Art der Ruhestandsübertritte,Beförderungen und Anträgen auf Weiterbeschäftigung aufgefordert,und zwar bezogen auf den gesamten Geltungsbereich des HBG. Diesen Auflagen und der damit vorgenommenen Konkretisierung der Mitwirkung des Beklagten an der Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 S. 1 VwGO)hat das beklagte Land nur sehr eingeschränkt entsprochen.

Das beklagte Land hat die verlangten Daten für die Jahr 2006 bis 2010 nicht für den gesamten Geltungsbereich des HBG zur Verfügung gestellt. Es hat lediglich Zahlen für die unmittelbare Landesverwaltung mitgeteilt. Maßgebend für das Eingreifen eines auf eine Norm bezogenen Rechtfertigungsgrundes, hier der Eignung,Erforderlichkeiten und Angemessenheit der Altersgrenzenregelung als Mittel zur Förderung von Neueinstellungen bei angespannter Arbeitsmarktlage sind jedoch die Verhältnisse im gesamten Anwendungsbereich der Norm (EuGH U. v. 6.12.2007 – Rs.C-300/06 - NVwZ 2008, 175, 176 Rn. 40 = AGG-ES E.I.2 Art. 141 EGNr. 4 - „Voß“). Die mangelnde Mitwirkung des Beklagten an der Aufklärung des seiner Sphäre zuzurechnenden Sachverhalts geht zu seinen Lasten, sodass weitere Sachverhaltsermittlungen schon deshalb entbehrlich sind. Dies gilt in gleicher Weise für die weiteren vom Beklagten in diesem Verfahren für § 50 HBG geltend gemachten Ziele, da auch insoweit kein Datenmaterial vorgelegt wurde, das die hinreichend systematische und kohärente Verfolgung der in Anspruch genommenen Ziele im gesamten Geltungsbereichs des HBG unter Beachtung des den Dienstherren zustehenden Maßes an Flexibilität bei der Umsetzung der Ziele nachvollziehbar machen würde.

Dem Beklagten ist seit dem Erlass des Urteils des EuGH vom 16.10.2007 (a.a.O.) bekannt, dass Altersgrenzenregelungen nur bei qualifizierter Angabe von entsprechenden Zielen und der Eignung der dafür eingesetzten Mittel eine an sich unzulässige Altersdiskriminierung ausnahmsweise rechtfertigen können. Erst recht gilt dies mit Blick auf das in diesem Verfahren im Vorabentscheidungsverfahren ergangene Urteil vom 21.7.2011, in dem ausdrücklich auf die Beweislast des Beklagten hingewiesen wird.Zudem führt der EuGH in diesem Urteil auch aus, das Unionsrecht stelle an den Beweis der Rechtmäßigkeit des konkret verfolgten Ziels und seine Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit hohe Anforderungen (EuGH U. v. 21.7.2011, a.a.O. S. 1252 f. Rn. 78;ebenso bereits EuGH U. v. 5.3.2009, a.a.O. S. 310 Rn. 65, 67). Dem genügt das Vorbringen des Beklagten auch in Reaktion auf den Auflagenbeschluss der Kammer nicht, da dem Geltungsbereich des HBGnicht nur die unmittelbare Landesverwaltung, sondern auch alle anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts unterfallen, die unter der Aufsicht des Landes dienstherrnfähig sind (§§ 1, 3 HBG). Dies gilt insbesondere für die im Bereich der kommunalen Verwaltungen oder beim Landeswohlfahrtsverband tätigen Beamtinnen und Beamten. Diese Gruppen erfasst die Zahlenübersicht des Beklagten nicht.

Stellt man ungeachtet dessen und unter Zurückstellung auch dieses Einwandes nur auf die Verhältnisse der Landesverwaltung ab,kann es allerdings keinesfalls ausreichen, für die Beurteilung der Rechtfertigung der durch § 50 HBG bewirkten Altersdiskriminierung nur auf die Verhältnisse der Justizverwaltung im engeren Sinne abzustellen, d. h. auf die bei den Staatsanwaltschaften oder den Gerichten tätigen Beamtinnen und Beamten. Die Richter/innen müssten hier ohnehin außer Betracht bleiben, weil für sie eine eigene Ruhestandsregelung in Gestalt des § 7 HRiG bestand und besteht,hinsichtlich derer die Rechtfertigungsgründe daher eigenständig zu beurteilen wären. Das auf die Verhältnisse der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen bezogene Vorbringen des Beklagten ist daher schon aus diesem Grund ungeeignet für eine ordnungsgemäße Prüfung der Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes nach Maßgabe von Art.6 Abs. 1 RL 2000/78/EG. Maßgebend könnten insoweit allenfalls die Verhältnisse sein, wie sie sich in Anwendung des § 50 HBG auf alle Beamtinnen und Beamten der gesamten unmittelbaren Landesverwaltung darstellen.

Legt man hilfsweise diesen Ansatz zugrunde, kann unter Beachtung der strengen Beweisanforderungen des Unionsrechts das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes gleichwohl nicht festgestellt werden.

Nach der Darstellung des Beklagten sind in der Landesverwaltung in den Jahren 2006 bis 2010 insgesamt 9.586 Personen wegen Erreichens der beamtenrechtlichen Altersgrenze in den Ruhestand getreten. Dem steht für den gleichen Zeitraum eine Zahl von 5.434neu eingestellten Personen gegenüber. Diese Zahl ist allerdings nur eingeschränkt aussagekräftig, weil sie die in den Anwärterdienst eingestellten Personen einschließt. Dieser Personenkreis nimmt jedoch keine Planstellen in Anspruch, die durch den Übertritt in den Ruhestand frei gemacht werden. Aussagekräftig wäre nur die Zahl derjenigen Neueinstellungen gewesen, die in ein Beamtenverhältnis durch Neueinstellung unter Einweisung in eine Planstelle oder auf Probe berufen wurden. Diese Zahl wurde nicht mitgeteilt.

Stellt man dieses Bedenken jedoch zurück, wurden in den Jahren 2006 bis 2010 insgesamt mindestens 4.152 in den Ruhestand übergetretene Personen nicht durch eine Neueinstellung ersetzt. Die Quote der unterbliebenen Neueinstellungen bezogen auf die Gesamtzahl der Ruhestandsübertritte wegen Erreichens der Altersgrenze beträgt damit für den genannten Zeitraum 43,3 %.Lediglich im Umfang von 56,7% ist es zu Neueinstellungen gekommen,wobei die Zahl der eingestellten Anwärter/innen noch abzuziehen wäre, sodass die Einstellungsquote bezogen auf die Ruhestandsübertritte noch deutlich niedriger ausfällt.

Zur Erklärung dieses Effekts gibt das Land nur eine rudimentäre und äußerst allgemein gehaltene Auskunft. Danach werden die durch Ruhestandsübertritte frei gewordenen Planstellen vorrangig für andere Personalmaßnahmen wie die Unterbringung von Beschäftigten,die aus einer Beurlaubung, einer Elternzeit zurückkehren, zur Aufstockung der Arbeitszeiten Teilzeitbeschäftigter und für Versetzungen in Anspruch genommen. Die Durchführung derartiger Maßnahmen sieht das beklagte Land ausdrücklich als vorrangig an,lässt also insoweit das vorgeblich mit § 50 HBG angestrebte Ziel einer Begünstigung von Neueinstellungen, d. h. der Gewährung von Arbeitsmöglichkeiten meist jüngerer Bewerber/innen für den Beamtendienst hinter die Förderung der Interessen vorhandener Beschäftigter zurücktreten. Bezogen auf das vorgeblich verfolgte Ziel einer günstigen Altersschichtung, das im Zusammenhang mit dem Ausscheiden älterer Menschen aus der Beschäftigung hier nur als Förderung von Neueinstellungen jüngerer Menschen Sinn machen kann,belegen die vom Beklagten für vorrangig erachteten Personalmaßnahmen, dass ihm an einer durchgängigen oder auch nur ansatzweise stringenten Verfolgung des Ziels einer günstigen Altersschichtung wenig liegt, da die Zahl der Neueinstellungen die Zahl der Ruhestandsübertritte allenfalls etwa zur Hälfte erreicht.

Die Altersgrenzenregelung verfolgt daher das vorgebliche Ziel einer günstigen Altersschichtung nicht auf hinreichend systematische und kohärente Weise, sondern in sehr erheblichem Umfang andere Zielen, ist also hinsichtlich der Eignung und Erforderlichkeit hinsichtlich der Zielerreichung unstimmig und kann damit die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG nicht erfüllen (vgl. EuGH U. v. 18.11.2010, a.a.O. S. 45 f. Rn. 55 f.,67).

Eine genauere Aufschlüsselung der vorstehend geschilderten Effekte, der als vorrangig im Verhältnis zu Neueinstellungen eingestuften „überlagernden“ Personalmaßnahmen und der im Übrigen verbleibenden Personaleinsparungen ist das beklagte Land schuldig geblieben. Sein Vorbringen erschöpft sich daher bei näherer Prüfung in einer allgemeinen Behauptung, wie sie nach der Rechtsprechung des EuGH für die Ernsthaftigkeit einer Zielbestimmung und –verfolgung nicht ausreicht, um auf diese Weise den Eintritt eines Rechtfertigungsgrundes nach Art. 6 Abs. 1RL 2000/78/EG zu belegen. Es wäre Sache des Beklagten gewesen,insoweit entsprechend seiner Darlegungs- und Beweislast die nötigen Angaben zu machen, um z. B. eventuell angestrebte strukturelle Ziele wie Organisationsveränderungen, Veränderung von Aufgabenschwerpunkten oder auch die Einsparung von Personalmitteln,ggf. für andere Zwecke, nachvollziehbar zu machen. Dies ist unterblieben.

Insoweit kann es nicht genügen, dass sich nach dem Vortrag des Beklagten die Zahl der Planstellen in der Landesverwaltung seit dem Jahr 2006 kontinuierlich erhöht hat. Die vorgelegten Zahlen und ihre Begründung lassen in keiner Weise erkennen, wie dieser Effekt zustande kommt, obwohl von den wegen Alters ausscheidenden Beamtinnen und Beamten in den Jahren 2006 bis 2010 mindestens 43,3%nicht durch Neueinstellungen ersetzt wurden. Die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit das beklagte Land, nachdem die Kammer ihren Aufklärungsbedarf entsprechend konkretisiert hat. Der Eintritt des Rechtfertigungsgrundes unterliegt ungeachtet der Flexibilität der Ziele und Mittel hohen Anforderungen, sodass ein hinreichend nachvollziehbarer Vortrag des Beklagten unverzichtbar ist. Nur so kann das Gericht vermeiden, sich letztlich mit einer allgemeinen Behauptung zu begnügen, die Altersgrenzenregelung sei für eine günstige Altersschichtung zur Förderung von Neueinstellungen geeignet. Der Vortrag des Beklagten zu den die Einstellungen überlagernden und ihnen vorgehenden Personalmaßnahmen wie z. B. der Unterbringung von Rückkehrern und Rückkehrerinnen aus der Elternzeit, sonstigen Beurlaubungen, Aufstockung von Teilzeiten, Versetzungen ist völlig allgemein gehalten und entbehrt jeder zahlenmäßigen Aufschlüsselung, kann also in seinen tatsächlichen Effekten nicht einmal näherungsweise nachvollzogen werden.

Dabei ist zulasten des Beklagten zu berücksichtigen, dass für Teilzeitbeschäftigungen und Beurlaubungen aus den in § 13 Abs. 2HGlG und § 85 Abs. 4 HBG genannten familiären Gründen einschließlich der Freistellungen wegen einer Elternzeit nach § 13Abs. 3 HGlG ein personeller Ausgleich vorzunehmen ist. Die Haushalts- und Stellenplanung hat daher schon vorab in entsprechendem Umfang entsprechende Mittel bereit zu stellen,sodass die Beendigung einer familienbedingten Beurlaubung, einer Elternzeit oder die Aufstockung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten rechnerisch ein Nullsummenspiel darstellen müsste, würde entsprechend der gesetzlichen Vorgabe verfahren.Daher kann von Gesetzes wegen der insoweit geltend gemachte Umfang an sog. überlagernden Personalmaßnahmen nicht nachvollzogen werden,es sei denn, er würde einer gesetzeswidrigen Praxis entspringen,die von der Kammer nicht unterstellt werden kann.

Anders verhält es sich lediglich in Bezug auf § 10 Abs. 6 S. 2HGlG, wenn vorzeitig eine Beurlaubung beendet oder die Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten bei verfügbaren Personalmitteln heraufgesetzt werden soll. Hier kann eine Konkurrenz zu Einstellungsbewerbern oder –bewerberinnen bestehen, die jedoch vorrangig nach Maßgabe des Bestenausleseprinzips und nicht nach sozialen Kriterien zu lösen ist, da der durch § 10 Abs. 6 S. 2HGlG bewirkte Vorrang der familienbedingt beurlaubten oder teilzeitbeschäftigten Beamtinnen und Beamten nur bei einer in etwa gleicher Qualifikation den Ausschlag eintreten kann, also gerade nicht generell besteht. Welcher Personenkreis in Anwendung dieser Regelung Einstellungsbewerbern und –bewerberinnen vorgezogen wurde, teilt das beklagte Land nicht mit, da es sich mit der Behauptung eines generellen Vorrangs für die sog. überlagernden Personalmaßnahmen begnügt.

Auf dieser Grundlage dürfte sich die Zahl der auf diese Weise nach § 10 Abs. 6 S. 2 HGlG bevorzugt ausgewählten Personen nach den Erfahrungen der Kammer als gering darstellen. In den seit 1994 bei der Kammer eingegangenen beamtenrechtlichen Konkurrenzschutzverfahren stand bisher noch nie die Anwendung von §10 Abs. 6 S. 2 HGlG in Rede. Nach diesen Erfahrungen ist auch die Zahl von Auswahlentscheidungen sehr gering, in denen eine Bewerberin in vergleichbarer Weise mit Rücksicht auf die Zielvorgaben eines Frauenförderplans bei im Wesentlichen gleicher Qualifikation den Vorzug erhalten hat. Dies zugrunde gelegt, können die vom Beklagten im Hinblick auf Beurlaubungen, Elternzeit oder Teilzeitbeschäftigung geschilderten Effekte tatsächlich nur sehr geringes Ausmaß erreicht haben, was ihre genaue Aufschlüsselung nicht entbehrlich macht. Der insoweit unvollständige Vortrag des Beklagten geht daher zu seinen Lasten.

Auf der Grundlage des vom Beklagten zur Verfügung gestellten Zahlenmaterials kann die Kammer nicht erkennen, dass seitens des Beklagten (oder im gesamten Geltungsbereich des HBG) das Ziel einer Generationengerechtigkeit - als Element einer günstigen Altersschichtung hier unterstellt - durch § 50 HBG tatsächlich in hinreichend systematischer und kohärenter Weise verfolgt wird.Vielmehr wird in erheblichem Umfang Personal insgesamt eingespart,weil entsprechende Neueinstellungen unterbleiben und so mutmaßlich der Personalbestand entsprechend reduziert wird. Nachvollziehbare sachliche Gründe dafür werden nicht mitgeteilt. Diese Gründe dürften zudem mit dem Ziel eines Generationenausgleichs auf dem Arbeitsmarkt nichts zu tun haben. Dies zwingt zu dem Schluss, dass die Ruhestandsaltersgrenzenregelung in erheblichem Umfang, nämlich nahezu im Ausmaß von 50% der Ruhestandsübertritte für die Einsparung von Personalausgaben im Landeshaushalt eingesetzt wird.Dieses fiskalische Ziel stellt sich nach Lage der Dinge als eigenständig dar, weil es nicht in einem inneren Zusammenhang mit anderen Zielen steht, die ihrerseits vom Gesetzgeber zu benennen wären. Im Urteil vom 21.7.2011 hat der EuGH jedoch festgestellt,dass Haushaltserwägungen zwar sozialpolitischen Zielen zugrunde liegen können, für sich allein jedoch ungeeignet sind, eine Altersdiskriminierung zu rechtfertigen (EuGH U. v. 21.7.2011 a.a.O.S. 1252 Rn. 74). So verhält es sich auch hier, weil die der Einsparung von Personalmitteln womöglich zugrunde liegenden anderweitigen Ziele vom Beklagten nicht benannt worden sind. Sie könnten im Übrigen nur beachtlich sein, wenn sie dem Gesetzgeber selbst zugeordnet werden könnten.

Damit erweist sich die Regelung des § 50 HBG auch bei Anerkennung des Ziels einer Förderung von Neueinstellungen als Element der Vermeidung einer ungünstigen Altersschichtung jedenfalls als ungeeignet, aber auch als unangemessen, weil die Zahl der Neueinstellungen allenfalls etwa die Hälfte der Ruhestandsübertritte ausmacht und daneben in etwa gleichgewichtig unzulässige fiskalische Ziele verfolgt werden. Das sozialpolitische Ziel der Förderung von Neueinstellungen wird damit tatsächlich, d.h. unter Berücksichtigung der Praxis im Bereich der unmittelbaren Landesverwaltung nicht hinreichend systematisch und kohärent verfolgt.

Das Gleiche gilt, wenn man unterstellt, die Ruhestandsübertritte sollten die Eröffnung von Beförderungsmöglichkeiten die Motivation jüngerer Beschäftigter fördern, und es handele sich insoweit um ein der Vermeidung einer ungünstigen Altersschichtung zuzuordnendes Ziel. Die hohe Zahl der wegfallenden Stellen spricht bereits gegen die hinreichend systematische und kohärente Verfolgung dieses Ziels. Zudem hat das beklagte Land für den Bereich der Landesverwaltung, die als ausreichend unterstellt, keine nachvollziehbaren Angaben dazu gemacht, wie rasch die durch Ruhestandsübertritte eröffneten Stellenbesetzungsmöglichkeiten tatsächlich in entsprechender Weise genutzt werden, um Stellenvakanzen und damit verbundene Minderausgaben zu vermeiden.Dazu gehört auch die Angabe, in welchem Umfang ggf.Beförderungsstellen tatsächlich durch eine Beförderung und nicht wie im Fall des Klägers durch eine amtsgleiche Versetzung besetzt werden, was die Beförderung jüngerer Beschäftigter um so länger hinauszögert, den Fortbestand der Beförderungsmöglichkeit anstelle einer späteren Stellenstreichung an anderem Ort unterstellt.

Die vom Beklagten vorgelegten Zahlen belegen darüber hinaus auch unter Berücksichtigung der erheblichen Flexibilität bei der Umsetzung von arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Zielen, dass sich die Altersgrenzenregelung nicht als wirklich erforderlich erweist,das Ziel von Neueinstellungen insbesondere jüngerer Menschen tatsächlich zu erreichen oder zu fördern. Die durch die Altersgrenzenregelung erzwungene Beendigung der Beamtenverhältnisse erweist sich angesichts der den vom Beklagten vorgelegten Zahlen zu entnehmenden Einstellungen von Beamtinnen und Beamten als unangemessen, als unverhältnismäßiger Eingriff in das unionsrechtliche Grundrecht auf Arbeit (Art. 15 GRCh), auf das die Rn. 63 des Urteils des EuGH vom 21.7.2011 Bezug nimmt (ebenso EuGHU. v. 5.7.2012, a.a.O. S. 787 Rn. 37). Auch insoweit ist allerdings festzustellen, dass eine auf den gesamten Geltungsbereich des HBGbezogene Beurteilung nicht möglich ist, weil auch hier nur Zahlen für die unmittelbare Landesverwaltung vorgelegt worden sind, die zudem nicht alle Jahre zwischen 2006 bis 2010 vollständig erfassen.

Die Zahl derer, die in den Jahren 2006, 2009 und 2010 in der Landesverwaltung aufgrund einer hinausgeschobenen Altersgrenze in den Ruhestand übertraten, betrug im Jahr 2006 lediglich 3%, im Jahr 2009 4.6% und im Jahr 2010 4,8%, bezogen auf die Gesamtzahl derer,die wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze oder einer Antragsaltersgrenze in den Ruhestand übergetreten bzw. versetzt wurden. Das ist ein sehr geringer Anteil. Bestätigt wird dieser Eindruck durch die Angaben zu den im Jahr 2010 gestellten Anträgen auf ein Hinausschieben der Altersgrenze. Danach wurden insgesamt 126 Anträge gestellt, von denen 17 abgelehnt wurden und 8 noch nicht beschieden sind. Damit wurde in 103 Fällen ein individuelles Hinausschieben der Altersgrenze bewilligt. Dem steht die Zahl von 1.820 Übertritten bzw. Versetzungen in den Ruhestand mit Bezug auf eine Altersgrenze oder Antragsaltersgrenze gegenüber. Daraus errechnet sich eine Quote von aufgerundet 5,7%. Auch dieser Anteil ist angesichts der tatsächlichen Zahl der Ruhestandsübertritte bzw.Versetzungen von insgesamt 2.115 im Jahr 2110 und der Zahl von lediglich 1.127 Neueinstellungen außerordentlich gering. Daraus folgt, dass in der weit überwiegenden Zahl von Fällen, nämlich im Umfang von mindestens 94% die älteren Beamtinnen und Beamten entweder unter Bezug auf eine Antragsaltersgrenze in den Ruhestand wechseln oder nach Erreichen der allgemeinen Altersgrenze in den Ruhestand treten und kein Interesse an einer Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus haben. Sie würden ihr Beamtenverhältnis auch dann beenden, wenn ihnen der Bezug des Ruhegehalts in abschlagsfreier Form nach Erreichen der entsprechenden Altersgrenze auf freiwilliger Grundlage ermöglicht würde. Dieser Eindruck erfahrt seine Bestätigung durch die hohe Zahl derer, die im Verhältnis zu den erst nach Erreichen der Altersgrenze i. S. d. § 50 HBG ausscheidenden Beamtinnen und Beamten vorzeitig und mit finanziell dauerhaft wirkenden Abschlägen die freiwillige Versetzung in den Ruhestand vor dem Erreichen ihrer Altersgrenze tatsächlich in Anspruch nehmen. Ihr Anteil an den mit Bezug auf eine Antragsaltersgrenze oder die allgemeine Altersgrenze in den Ruhestand wechselnden Beamtinnen und Beamten während der Jahre 2006 bis 2010 beträgt 45,62%.

Angesichts dieser Sachlage erweist sich das Instrument des in grundsätzlich jedem Fall erzwungenen Übertritts in den Ruhestand nach Erreichen der Altersgrenze als unverhältnismäßig, weil nicht hinreichend erforderlich. Die ohnehin nur sehr zurückhaltend angestrebten Effekte zur Entlastung des Arbeitsmarktes durch eine Neueinstellung vor allem jüngerer Menschen lassen sich in hinreichendem Umfang ohne das Instrument der beamtenrechtlichen Altersgrenze erreichen. Insoweit ist für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit auch zu berücksichtigen, dass die Zielsetzung einer günstigen Altersschichtung ohnehin nur sehr eingeschränkt,wenn überhaupt, verfolgt wird, da nur wenig mehr als die Hälfte der im Hinblick auf die Altersgrenze ausscheidenden Beamten und Beamtinnen durch Neueinstellungen kompensiert wird.

Entsprechendes gilt für das Ziel der Förderung der Motivation jüngerer Beschäftigter durch die Eröffnung von Beförderungsmöglichkeiten, da die Zahl der durch eine Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze nur zunächst, aber nicht auf Dauer verloren gehenden Beförderungsmöglichkeiten im Verhältnis zur Gesamtzahl der wiederbesetzbaren Stellen so gering ist, dass sich die Ruhestandsaltersgrenzenregelung auch in Bezug auf dieses Ziel als unverhältnismäßig erweist.

Die Kammer berücksichtigt bei ihrer Beurteilung, dass die Betroffenen bei einer Aufweichung der heutigen Altersgrenzenregelung nach wie vor einen Anspruch darauf haben könnten, entsprechend der Gesetzeslage von 2009 wie auch der heute bestehenden Gesetzeslage im voraus wissen zu können, wann sich bei ihnen der Übertritt in den Ruhestand vollziehen wird. Es wären aber Regelungen denkbar, die zur Gewährleistung einer ausreichenden Planungssicherheit der Dienstherren die betroffenen Beamtinnen und Beamten in einem gewissen zeitlichen Abstand vor dem Erreichen der Altersgrenze ggf. verpflichten, dem Dienstherrn die Absicht einer Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus mitzuteilen. Würde eine solche Mitteilung innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist unterbleiben, würde es beim gesetzlichen Übertritt in den Ruhestand nach Erreichen der Altersgrenze verbleiben, wenn nicht ohnehin aufgrund einer Antragsaltersgrenze ein früherer Ruhestand gewünscht wird. Anderseits könnte der Fortbestand eines über die Altersgrenze hinaus andauernden Beamtenverhältnisses in regelmäßigen Abständen erneut an entsprechende Absichtserklärungen des Beamten bzw. der Beamtin gekoppelt werden, um auf diese Weise dem Dienstherrn eine hinreichende Planungssicherheit zu gewährleisten. Diese Planungssicherheit erfordert es jedoch nicht, die Überschreitung der Altersgrenze vom wohlwollenden Ermessen des Dienstherrn abhängig zu machen, wie dies früher in § 50 Abs. 3 HBG und heute in § 50a HBG vorgesehen ist.

Die hier von der Kammer erwogene und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eher genügende Gestaltungsmöglichkeit ist bereits Bestandteil des § 76 Abs. 2 DRiG geworden. Diese Regelung ist durch das BeamtStG neu gefasst worden. Der zuständige Bundestagsinnenausschuss hatte dazu folgende Begründung gegeben (BT-Drucks. 16/75/08 S. 19):

„Allerdings muss nicht an der bestehenden Regelung in § 76Abs. 2 DRiG festgehalten werden, die ein Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand verbietet; denn auch eine flexiblere Handhabung ist dann verfassungsgemäß, wenn der Eintritt in den Ruhestand nicht als Ermessensentscheidung der Exekutive ausgestaltet ist, sondern auf Antrag des Richters zwingend auszusprechen ist. Daher kann es dem Landesgesetzgeber überlassen bleiben, besondere Altersgrenzen festzusetzen, soweit die individuelle Festlegung des Eintritts in den Ruhestand letztlich allein von dem Antrag des Richters abhängt. Besondere Altersgrenzen können zu einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand, aber auch zu einem Hinausschieben des Eintritts des Ruhestandes führen, so wie es von den Ländern gewollt ist.“

Im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG und die beamtenrechtlichen Altersgrenzen stellt sich die Rechtslage nicht anders dar.

Die durch § 50 HBG in seiner bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung – wie im Übrigen auch in seiner heutigen Fassung -bewirkte Altersdiskriminierung ist damit nicht gerechtfertigt. Dies gilt sowohl im Hinblick auf Art. Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 RL2000/78/EG wie auch im Hinblick auf § 8 Abs. 1, § 10 AGG. Aufgrund des Diskriminierungsverbots in Art. 2 Abs. 1 RL 2000/78/EG darf §50 Abs. 1 HBG auch in Verbindung mit § 25 BeamtStG im Hinblick auf den Vorrang des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung nicht angewandt werden (EuGH U. v. 18.11.2010,a.a.O. S. 46 Rn. 73). Der Kläger ist so zu stellen, als ob es die ihn diskriminierende Regelung nicht gäbe (EuGH U. v. 19.1.2010,a.a.O. Rn. 51; 22.11.2005, a.a.O. Rn. 77). Das gilt vor allem gegenüber dem Beklagten als Träger öffentlicher Gewalt (EuGH U. v.18.11.2010, a.a.O.; 26.2.1986, a.a.O. Rn. 56). Besteht damit für den Kläger im Hinblick auf sein Alter keine unionsrechtskonforme Entlassungsbedingung, ist das Beamtenverhältnis nach dem Erreichen der beamtenrechtlichen Altersgrenze nicht durch den Übertritt in den Ruhestand beendet worden. Es besteht vielmehr fort, da kein sonstiger Grund für seine Beendigung (§ 21 BeamtStG) eingetreten ist.

Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich, dass § 50 HBG auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG oder Art.1 HV verstößt. Das BVerfG hat zwar in seiner bis zum Jahr 2008ergangenen Rechtsprechung Benachteiligungen wegen des Alters grundsätzlich zugelassen und insoweit keine besonderen Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 12 Abs. 1 GG gestellt.In seinem Beschluss zur grundsätzlichen Gleichbehandlung von Angehörigen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit den Angehörigen einer Ehe hat es jedoch ausgeführt, dass ein von Art. 3Abs. 3 GG nicht erfasstes Unterscheidungsmerkmal trotz seiner Zuordnung zu Art. 3 Abs. 1 GG dann nach dem durch Art. 3 Abs. 3 GGgekennzeichneten verschärften Maßstab für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung oder zumindest in Annäherung an diesen Maßstab zu prüfen sei, wenn ein solches Merkmal den Persönlichkeitsmerkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG gleicht oder zumindest nahekommt (BVerfG B. v. 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07– E 124, 199, 220; 19.6.2012 – 2 BvR 1397/09 –Rn. 58). Zu diesen Merkmalen gehört nach Auffassung der Kammer nicht nur die sexuelle Orientierung, die Art. 1 RL 2000/78/EG als unzulässiges Diskriminierungsmerkmal neben anderen benennt, sondern auch das Alter, da es wie die meisten anderen in Art. 3 Abs. 3 GGgenannten Merkmale den Einzelnen objektiv vorgegeben ist,individuell nicht beeinflusst werden kann, d. h. unverfügbar ist und zudem einen unmittelbaren Bezug zum Kern der Persönlichkeit hat. Davon ausgehend dürfen Unterscheidungen aufgrund des Alters nur – noch - erfolgen, wenn sie zur Lösung eines davon grundsätzlich unabhängigen Problems entsprechend dem Maßstab für Differenzierung entgegen dem Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs.3 GG zwingend erforderlich sind (BVerfG B. v. 24.1.1995 – 1BvL 18/93 u. 5, 6, 7/94, 1 BvR 403, 569/94 – E 92, 91, 109).Diesem Maßstab genügt die hier zu beurteilende Altersgrenzenregelung in § 50 HBG i. V. m. § 25 BeamtStG ebenso wenig wie die heutige Fassung von § 50 HBG, da – wie dargelegt – weniger stark eingreifende Regelungsalternativen zur Verfügung stehen, ohne die hier geprüften Zielsetzungen in ihrer Erreichbarkeit zu gefährden.

Eine Vorlage an das BVerfG bzw. den HessStGH gemäß Art. 100 Abs.1 GG kann jedoch unterbleiben, da die Kammer zu einem für den Kläger gleichwertigen Ergebnis durch die Nichtanwendung des dem Unionsrecht zuwiderlaufenden Landes- und Bundesrechts gelangt.Damit scheidet die Vorlage mangels Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage aus.

Da das beklagte Land unterliegt, hat es gemäß § 154 Abs. 1 VwGOdie Verfahrenskosten zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 709 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§124a Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO). Die grundsätzlichen Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78EG sind vom EuGHmit dem in diesem Verfahren ergangenen Urteil vom 21.7.2011(a.a.O.) und den in diesem Urteil zusätzlich angeführten zu Art. 6Rl 2000/78/EG ergangenen Urteilen entschieden worden (BVerwG B. v.6.12.2011 – 2 B 85.11 – juris Rn. 7 ff.).

Welche Ziele des Gesetzgebers konkret § 50 HBG zugrunde liegen,ist anhand der Gesetzgebungsmaterialien und der systematischen Stellung der Norm unter Beachtung der vom EuGH vorgegebenen methodischen Grundsätze und seiner Aussagen zur Beweislast zu klären. Grundsätzliche Bedeutung kommt diesen Fragen nicht zu. Im Übrigen beantwortet sich die Frage nach den Zielen von Altersgrenzenregelungen nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG, die ihrerseits klare Angaben zu den Zielen beamtenrechtlicher Altersgrenzenregelungen gemacht haben. Eine Änderung der Gesetzeslage ist seitdem nicht in relevanter Weise eingetreten.

Die Kammer weicht zwar von der Einschätzung des HessVGH ab, die dieser im Eilverfahren zu den maßgebenden Zielen des § 50 HBGvorgenommen hat. Das Urteil beruht darauf jedoch nicht, weil die nachfolgende Prüfung der hinreichend systematischen und kohärenten Zielverfolgung aufgrund der lückenhaften Zahlen und die Verhältnismäßigkeitsprüfung für das beklagte Land negativ ausfallen. Es handelt sich insoweit lediglich um die Folgen der das beklagte Land treffenden hohen Beweisanforderungen, die kein Gegenstand der Entscheidung des HessVGH im Eilverfahren waren.

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