Bayerischer VGH, Urteil vom 12.07.2012 - 2 B 12.1211
Fundstelle
openJur 2012, 128293
  • Rkr:
Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. Oktober 2008 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldnerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines China-Restaurants in ein Freizeitcenter und Billardcafe.

1. Die Klägerin ist Sondereigentümerin zweier Wohnungen auf dem Grundstück FlNr. 639 der Gemarkung S. (S.straße ...). Das Grundstück ist mit einem Wohnhochhaus bebaut. Die von der Klägerin bewohnte Wohnung befindet sich in der Südwestecke des Gebäudes im 12. Stock. Die zweite Wohnung der Klägerin findet sich an der Nordostseite des Gebäudes und ist vermietet. Nördlich angrenzend liegen die Grundstücke FlNr. 635/1 der Gemarkung S. und FlNr. 375/1 der Gemarkung F. (Anwesen D.-Allee ...). Auf diesem Anwesen befinden sich im Erdgeschoß gewerbliche Nutzungen sowie in den 18 Obergeschoßen mit Terrassengeschoß ca. 530 Wohnappartements. Die Beigeladene ist Sondereigentümerin zweier gewerblicher Einheiten im Erdgeschoß des Gebäudes.

Sowohl das Grundstück der Klägerin als auch das Baugrundstück befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 71b F.-S. Teil II vom 31. März 1967. Im Bereich des Grundstücks der Klägerin ist ein reines Wohngebiet (WR 3), im Bereich des Baugrundstücks ein Kerngebiet (MK 1) festgesetzt.

Mit bestandskräftiger Baugenehmigung vom 21. Mai 2007 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen eine Nutzungsänderung von einer Gaststätte zu einem „Freizeitcenter und Internetcafe“. Neben Internet-Terminals im Untergeschoß sollen hier im Erdgeschoß fünf Multi-Games Spielgeräte sowie in einem abgetrennten Bereich 12 Geldspielgeräte aufgestellt werden.

Die Beigeladene beantragte zudem für die danebenliegende Gaststätte am 15. November 2007 eine Nutzungsänderung des China-Restaurants zu einem „Freizeitcenter und Billardcafe“. Nach den eingereichten Bauunterlagen hat diese Gewerbeeinheit eine Nutzfläche von insgesamt 231,02 m². Im Untergeschoß befinden sich im unverändert bleibenden Bestand ein Lagerraum, ein Kühlraum, eine Kegelbahn sowie Toiletten. Im Erdgeschoß bleibt im Bestand die Küche samt Büro und Nebenräumen erhalten. Im vormaligen Gastraum ist ein 176,68 m² großes Billardcafe mit zwei Billardtischen, vier Sportster-Spielterminals sowie hinter Sichtschutzwänden 12 Geldspielgeräten geplant. Dazu kommt ein Aufsichtsbereich mit 10,44 m² Fläche. Mit Baugenehmigung vom 21. Dezember 2007 genehmigte die Beklagte die beantragte Nutzungsänderung.

Das Verwaltungsgericht München gab der gegen diese Baugenehmigung mit Schreiben vom 25. Januar 2008 eingelegten Klage mit Urteil vom 27. Oktober 2008 statt und hob den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2007 auf. Der Bebauungsplan sei zumindest für das Baugrundstück entweder unter dem Gesichtspunkt des Trennungsgrundsatzes nichtig oder jedenfalls aber vor dem Hintergrund der tatsächlichen baulichen Entwicklung funktionslos geworden. Das Baugrundstück sei daher nach § 34 Abs. 2 BauGB planungsrechtlich zu beurteilen und stelle sich als faktisches allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO dar, in welchem kerngebietstypische Vergnügungsstätten auch nicht ausnahmsweise zulässig seien. Die Klägerin sei in ihrem Anspruch auf Gebietserhaltung durch diese unzulässige Nutzungsänderung verletzt. Der Bebauungsplan habe in diesem Bereich die Nutzung kleinteilig festgesetzt, so dass es kaum möglich sei, eine exakte Grenze zwischen dem funktionslos gewordenen Teilbereich und den angrenzenden Gebieten zu ziehen.

2. Mit der durch Beschluss vom 3. Juli 2009 zugelassenen Berufung beantragt die Beigeladene,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beigeladene aus, die Baugenehmigung sei rechtmäßig erteilt worden. Rund um die Kreuzung an der D.-Allee befänden sich in den dort festgesetzten drei Kerngebieten zahlreiche kerngebietstypische Nutzungen. Der Bebauungsplan sei daher nicht funktionslos geworden. Selbst wenn der Bebauungsplan funktionslos geworden sei, befände sich das Grundstück im unbeplanten Innenbereich, das Grundstück der Klägerin jedoch im benachbarten Plangebiet. Der Gebietserhaltungsanspruch gelte nur innerhalb eines Gebiets, nicht jedoch übergreifend auf benachbarte Plangebiete oder unbeplante Gebiete. Auch für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot gebe es keine Anhaltspunkte. Im Übrigen sei die Beigeladene der Auffassung, dass die Klage bereits unzulässig sei.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es sei von der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans im Bereich des MK 1 auszugehen, da dieses Gebiet von Anfang an zu Wohnzwecken genutzt worden sei und auch im Übrigen keinerlei kerngebietstypische Nutzungen vorhanden seien. Die negativen Auswirkungen, welche von der streitgegenständlichen Spielhalle in kerngebietstypischer Größe ausgingen, verletzten das Gebot der Rücksichtnahme zulasten der Klägerin und beeinträchtigten den wirtschaftlichen Wert ihres Wohneigentums. Es sei zudem zu befürchten, dass die Ansiedlung einer Spielhalle noch weitere nach sich ziehen würde. Die negativen Auswirkungen seien in dem Gutachten von Prof. Dr. Feltes umfangreich dargestellt. Es bestehe ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch, wenn der im Plangebiet liegende Grundstückseigentümer konkreten Beeinträchtigungen durch ein Vorhaben auf einem Grundstück außerhalb des Plangebiets ausgesetzt sei. Das Gebiet im Bereich des MK 1 sei als faktisches allgemeines Wohngebiet oder als Mischgebiet einzustufen, in welchem kerngebietstypische Vergnügungsstätten weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig seien. Die Ansiedlung einer Spielhalle sei auch mit einem trading-down-Effekt für das klägerische Grundstück verbunden.

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

Das Landgericht München I hat der Beigeladenen mit rechtskräftigem Urteil vom 4. April 2011 die Nutzung ihrer Teileigentumseinheiten Nr. 4 und Nr. 11 zum Zweck des Betriebs einer Spielhalle wegen Verstoß gegen das Wohnungseigentumsgesetz untersagt.

Mit Urteil vom 24. Mai 2012 hat der Senat einen Normenkontrollantrag der Wohnungseigentümergemeinschaft des Baugrundstücks betreffend die Festsetzung des Grundstücks als Kerngebiet im Bebauungsplan Nr. 71b als unzulässig abgelehnt (Az. 2 N 10.2781).

Für dieses Verfahren (vormaliges Az. 2 B 09.1613) wurde mit Beschluss vom 4. Februar 2011 wegen der Vorgreiflichkeit der Entscheidung im Normenkontrollverfahren (Az. 2 N 10.2781) das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2012 nahm die Klägerin das Verfahren wieder auf.

Auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Gerichtsakte im Normenkontrollverfahren Az. 2 N 10.2781, die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2012 wird Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) der Beigeladenen hat Erfolg.

Die Anfechtungsklage der Klägerin ist bereits unzulässig. Im Übrigen verletzt die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 21. Dezember 2007 die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1VwGO).

1. Die Klage erweist sich bereits als unzulässig, da der Klägerin als Sondereigentümerin von Wohneigentum die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehlt. Die Klägerin kann nicht hinreichend substanziiert geltend machen, durch die Baugenehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dies gilt nicht nur für das Gemeinschaftseigentum, sondern auch für ihr Sondereigentum.

a) Für das Geltendmachen von Rechten aus ihrem ideellen Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum fehlt der Klägerin die Befugnis (vgl. BayVGH vom 2. 10. 2003 Az. 1 CS 03.1785 BayVBl 2004, 664; vom 12. 9. 2005 Az. 1 ZB 05.42 BayVBl 2006, 374; vom 23. 2. 2007 Az. 1 CS 06.3219 – juris; vom 6. 11. 2008 Az. 14 ZB 08.2327 – juris; vom 21. 1. 2009 Az. 9 CS 08.1330-1336 – juris; OVG NW vom 28. 2. 1991 Az. 11 B 2967/90 NVwZ-RR 1992, 11). Bei der Geltendmachung von Nachbarrechten wegen einer Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums dienen, handelt es sich um eine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 20 Abs. 1 WEG). Diese steht gemäß § 21 Abs. 1 WEG grundsätzlich den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu. Der einzelne Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, § 21 Abs. 1 WEG ist nicht berechtigt, aufgrund seines ideellen Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum wegen Beeinträchtigung dieses Eigentums Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück geltend zu machen. Soweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das gemeinschaftliche Eigentum verwaltet und dabei am Rechtsverkehr teilnimmt, ist sie gemäß § 10 Abs. 6 WEG auch rechtsfähig (vgl. BGH vom 2. 6. 2005 Az. V ZB 32/05 NJW 2005, 2061) und damit im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig (§ 61 Nr. 2 VwGO). Lediglich in den engen Grenzen einer Notgeschäftsführung (§ 21 Abs. 2 WEG) und nur in Prozessstandschaft für die Eigentümergemeinschaft kann ein einzelner Sondereigentümer eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums abwehren. Die Voraussetzungen einer Notgeschäftsführung wurden im vorliegenden Fall jedoch weder geltend gemacht, noch liegen diese erkennbar vor. Es wäre außerdem der Hausverwaltung ohne Weiteres möglich gewesen, im Namen der Eigentümergemeinschaft Klage gegen die Baugenehmigung zu erheben und sei es nur zur Fristwahrung. Die Klageerhebung hätte im Nachhinein durch einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft genehmigt werden können.

b) Es ist ferner auszuschließen, dass die Klägerin durch die Baugenehmigung in öffentlich-rechtlich nachbarschützenden Rechten hinsichtlich ihres Sondereigentums verletzt wird. Grundsätzlich kann der einzelne Wohnungseigentümer (§ 1 Abs. 2 WEG) baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht nach § 13 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums im Raum steht (vgl. BVerwG vom 20. 8. 1992 Az. 4 B 92/92 – juris; BayVGH vom 2. 10. 2003 Az. 1 CS 03.1785 BayVBl 2004, 664; vom 11. 2. 2004 Az. 2 CS 04.18 – juris; vom 10. 6. 2008 Az. 2 CS 08.1298 – juris; vom 21. 1. 2009 Az. 9 CS 08.1330-1336 – juris; vom 22. 3. 2010 Az. 15 CS 10.352 – juris; offen gelassen in BayVGH vom 12. 9. 2005 Az. 1 ZB 05.42 BayVBl 2006, 374; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 66 BayBO RdNr. 12).

Die Klägerin macht hier lediglich eine Verletzung von Bauplanungsrecht geltend. Insoweit ist bereits fraglich, ob die Verletzung von Bauplanungsrecht überhaupt eine Beeinträchtigung des Sondereigentums darstellen kann oder ob dies ausschließlich das gesamte Grundstück und damit die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche betrifft (vgl. dazu BayVGH vom 12. 9. 2005 a.a.O., dort aber offen gelassen; vom 2. 10. 2003 a.a.O., dort aber nicht entscheidungserheblich, da die Verletzung von Bauplanungsrecht offensichtlich nicht vorlag). Das Bundesverwaltungsgericht (vom 20. 8. 1992 a.a.O.) bejaht eine Klagebefugnis des Sondereigentümers, sofern der Behörde bei ihrer Entscheidung über die Baugenehmigung auch der Schutz der nachbarlichen Interessen des Sondereigentums aufgetragen ist. Dies ist möglicherweise dann der Fall, wenn das Sondereigentum beispielsweise im Bereich der Abstandsflächen liegt oder aber das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot unmittelbar das Sondereigentum betrifft. Dies ist hier jedoch gerade nicht der Fall. Die von der Klägerin bewohnte Wohnung befindet sich an der Südwestecke des Anwesens im 12. Obergeschoß. Die vermietete Wohnung befindet sich hingegen an der Nordostseite des Gebäudes. Die Eingänge der beiden Gebäude sind ca. 120 m Luftlinie voneinander entfernt. Der Eingang zum Bauvorhaben befindet sich zudem auf der dem klägerischen Anwesen abgewandten Seite. Die von der Klägerin bewohnte Wohnung ist sowohl durch das eigene Gebäude als auch das Gebäude, in welchem das Bauvorhaben realisiert werden soll, abgeschirmt. In diesem Fall drängt sich die Prüfung einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme für die Beklagte schon allein aufgrund der Entfernung der Gebäude zueinander nicht auf. Sowohl der geltend gemachte (gebietsübergreifende) Gebietserhaltungsanspruch als auch die mögliche Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme würde das Sondereigentum der Klägerin allenfalls im gleichen Maß wie alle anderen Sondereigentümer sowie das Anwesen insgesamt und damit das Gemeinschaftseigentum betreffen. Eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs ist hier im Übrigen bereits deswegen ausgeschlossen, weil die Wohnung der Klägerin und das Bauvorhaben sich in unterschiedlichen Gebieten befinden, unabhängig davon, ob der Bebauungsplan hinsichtlich des Baugrundstücks funktionslos geworden ist oder nicht. Ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch wird jedoch von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt (s. dazu unten Ziffer 2. a)). Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO scheidet hier schon deshalb aus, weil die vorgetragenen „Beeinträchtigungen“ offensichtlich nicht das Stadium der unzumutbaren Rücksichtslosigkeit erreichen, sondern sich im Bereich der hinzunehmenden bloßen Lästigkeiten bewegen (s. dazu unten Ziffer 2. b)).

Im Ergebnis ist keine konkrete Beeinträchtigung ausschließlich des Sondereigentums der Klägerin durch Bauplanungsrecht erkennbar, welche über das hinausginge, was die Eigentümergemeinschaft als solche für das Gemeinschaftseigentum geltend machen kann (vgl. BayVGH vom 26. 3. 2003 Az. 8 ZB 02.2918 BayVBl 2004, 50 = NVwZ 2004, 629). Insbesondere ist nicht zu sehen, dass insoweit der Beklagten als Genehmigungsbehörde der Schutz der nachbarlichen Interessen hinsichtlich des Sondereigentums speziell aufgetragen gewesen wäre.

2. Die Klage ist zudem unbegründet. Weder kann sich die Klägerin mit Erfolg auf eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs berufen, noch ist das Gebot der Rücksichtnahme zulasten der Klägerin verletzt.

a) Die Klägerin kann sich nicht erfolgreich auf die Verletzung des sogenannten allgemeinen Gebietserhaltungsanspruchs berufen.

Der Gebietsbewahrungs- bzw. Gebietserhaltungsanspruch wurde in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als neues Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes begründet (vgl. BVerwG vom 16. 9. 1993 Az. 4 C 28/91 BVerwGE 94, 151) und zunächst aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB hergeleitet, später dann direkt aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerwG vom 23. 8. 1996 Az. 4 C 13/94 BVerwGE 101, 364; BayVGH vom 26. 5. 2008 Az. 1 CS 08.881/882 BauR 2008, 1556; Stühler, BauR 2011, 1576/1577). Der Gebietserhaltungsanspruch gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung des Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht (vgl. Stühler, BauR 2011, 1576/1577; Decker, JA 2007, 55/56). Denn die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (vgl. BVerwG vom 16. 9. 1993 a.a.O.; vom 23. 8. 1996 a.a.O.; vom 18. 12. 2007 Az. 4 B 55/07 BayVBl 2008, 583). Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbar durchsetzen (vgl. BVerwG vom 11. 5. 1989 Az. 4 C 1.88 BVerwGE 82, 61; vom 18. 12. 2007 a.a.O.). Der Hauptanwendungsfall im Bauplanungsrecht für diesen Grundsatz sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Durch sie werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundstückseigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind (vgl. BVerwG vom 16. 9. 1993 a.a.O.; vom 18. 12. 2007 a.a.O.). Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können.

Aus der Gleichstellung geplanter und faktischer Baugebiete entsprechend der Baunutzungsverordnung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung durch § 34 Abs. 2 BauGB ergibt sich, dass ein identischer Nachbarschutz schon vom Bundesgesetzgeber festgelegt worden ist (vgl. BVerwG vom 22. 12. 2011 Az. 4 B 32.11 ZfBR 2012, 378). Das bedeutet, dass innerhalb von faktischen Baugebieten über § 34 Abs. 2 BauGB eine nachbarschützende Wirkung entsteht. Der Grundsatz, dass sich ein Nachbar im Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden kann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird, lässt sich daher auf den Nachbarschutz im faktischen Baugebiet übertragen (vgl. BVerwG vom 16. 9. 1993 a.a.O.; vom 22. 12. 2011 a.a.O.; BayVGH vom 26. 5. 2008 a.a.O.). In einem faktischen Baugebiet ist der Anspruch in räumlicher Hinsicht jedoch auf die Grundstücke begrenzt, die zur näheren Umgebung des Baugrundstücks im Sinn von § 34 Abs. 2 Satz 1 BauGB zählen. Nur soweit reichen die rechtliche Schicksalsgemeinschaft und das sich daraus ergebende wechselseitige Austauschverhältnis.

Nach ganz überwiegender Meinung (vgl. BVerwG vom 18. 12 2007 a.a.O.; vom 22. 12. 2011; VGH BW vom 1. 7. 2011 Az. 8 S 2581/10 BauR 2011, 1800; BayVGH vom 28. 6. 2012 Az. 2 B 10.788; Stühler, BauR 2011, 1576/1577) hat jedoch ein Nachbar, dessen Grundstück nicht im Plangebiet oder im faktischen Baugebiet liegt, grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Plangebiet oder faktischen Baugebiet. Der Nachbarschutz für außerhalb der Grenzen des Plangebiets belegene Grundstücke bestimmt sich bundesrechtlich vielmehr nur nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme. Denn in dem Fall, in welchem das Grundstück des Nachbarn nicht im Plangebiet oder im faktischen Baugebiet liegt, fehlt es gerade an dem für ein Plangebiet oder ein faktisches Baugebiet typischen wechselseitigen Austauschverhältnis, das die in einem Plangebiet oder faktischen Baugebiet zusammengefassten Grundstücke zu einer bau- und bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft zusammenschließt.

Im vorliegenden Fall liegt das Grundstück, auf welchem sich die Wohnungen der Klägerin befinden, in einem durch Bebauungsplan (Nr. 71b F.-S. Teil II) festgesetzten reinen Wohngebiet (WR 3) gemäß § 3 BauNVO 1962. Das Baugrundstück liegt zwar ebenfalls im Geltungsbereich des Bebauungsplans jedoch in einem Kerngebiet (MK 1) gemäß § 7 BauNVO 1962. Ausgehend von der Wirksamkeit des Bebauungsplans wäre das Bauvorhaben als kerngebietstypische Vergnügungsstätte nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1962 allgemein zulässig. Unabhängig davon, dass es sich um zwei unterschiedliche, festgesetzte Baugebiete handeln würde, fehlte es mithin daran, dass die geplante Nutzung im Kerngebiet gebietsfremd wäre. Bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans würde daher ein Gebietserhaltungsanspruch auch aus diesem Grund scheitern.

Unterstellt man die Funktionslosigkeit des Bebauungsplans das Kerngebiet MK 1 betreffend, so wäre anhand der vorhandenen Nutzung auf dem Baugrundstück, in welchem sich die Ausweisung des Kerngebiets erschöpfte, entweder von einem faktischen Mischgebiet oder einem faktischen allgemeinen Wohngebiet, wenn nicht von einer Gemengelage auszugehen. In dem fraglichen Gebäude findet sich im Erdgeschoß überwiegend gewerbliche Nutzung (Läden, ein früherer Imbiss und in der fraglichen Nutzungseinheit vormals ein China-Restaurant). In den 18 Obergeschossen mit Terrassengeschoß befinden sich hingegen ca. 530 wohngenutzte Appartements. Aufgrund der vorhandenen Nutzung könnte jedenfalls nicht mehr von einem faktischen reinen Wohngebiet ausgegangen werden. Dort können Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, lediglich ausnahmsweise zugelassen werden (§ 3 Abs. 30 Nr. 1 BauNVO 1990). Es ist bereits fraglich, ob die bestehenden Läden nur solche sind, die zur Deckung des täglichen Bedarfs des Gebiets dienen würden, da hier beispielsweise zwei Friseurgeschäfte, eine Änderungsschneiderei und ein Umzugsbüro vorhanden sind. Die bisher betriebene Gaststätte und der Imbiss wären im reinen Wohngebiet auch nicht ausnahmsweise zulässig gewesen. Selbst wenn zugunsten der Klägerin von einem faktischen allgemeinen Wohngebiet im Sinn von § 4 BauNVO 1990 ausgegangen würde, so läge hier das Bauvorhaben in einem anderen Gebietstyp mit einer anderen Schutzwürdigkeit, so dass die klägerische Nutzung und die Nutzung auf dem Baugrundstück gerade keine rechtliche Schicksalsgemeinschaft bilden würden, die einem wechselseitigen Austauschverhältnis unterläge. Gerade die Tatsache, dass jedenfalls das klägerische Anwesen und das Baugrundstück unterschiedlichen Baugebietstypen angehören, erlaubt auch nicht die vom Verwaltungsgericht angenommene Einbeziehung des Baugrundstücks in die bau- und bodenrechtliche Schicksalsgemeinschaft, welcher das klägerische Anwesen angehört.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass sich die Klägerin sowohl bei Wirksamkeit des Bebauungsplans als auch bei Funktionslosigkeit desselben – jeweils betreffend das Kerngebiet MK 1 – nicht erfolgreich auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen kann, weil dieser in beiden Fällen gebietsübergreifend geltend gemacht würde. Eine Ausnahme dahingehend, dass sich aus der Begründung des Bebauungsplans oder anderen Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens ergeben würde, dass die Beklagte mit der Gebietsfestsetzung – hier des MK 1 – auch die angrenzenden Grundstücke hätte schützen wollen, lässt sich nicht erkennen und wurde auch nicht substanziiert vorgetragen (vgl. BayVGH vom 2. 10. 2003 a.a.O.; vom 28. 6. 2012 a.a.O.).

b) Auch eine Verletzung des in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerten Gebots der Rücksichtnahme vermag der Senat nicht festzustellen.

Greift der Gebietserhaltungsanspruch nicht durch – insbesondere, weil die (behauptete) gebietsfremde Nutzung im benachbarten faktischen oder beplanten Gebiet stattfindet -, kommen im Bereich des Bauplanungsrechts nachbarliche Abwehransprüche nur noch auf der Grundlage des sogenannten Gebots der Rücksichtnahme in Betracht (vgl. BVerwG vom 18. 12. 2007 a.a.O.; VGH BW vom 1. 7. 2011 a.a.O.; VGH BW vom 5. 3. 2012 Az. 5 S 3239/11 NVwZ-RR 2012, 431 (Leitsatz).; Decker, JA 2007, 55/56; Stühler, BauR 2011, 1576/1578; Hoffmann, BauR 2010, 1859/1860).

Das Gebot der Rücksichtnahme ist dabei keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts wie § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Danach sind bauliche und sonstige Anlagen auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Das in dieser Vorschrift verankerte Gebot der Rücksichtnahme bedeutet nicht, jede Beeinträchtigung eines Nachbarn zu vermeiden. Vielmehr soll das Rücksichtnahmegebot einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Die dabei vorzunehmende Abwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht der Rücksichtnahmeverpflichtete Rücksicht zu nehmen. Berechtigte Belange muss er dabei nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange zu schonen. Ein Nachbar kann in diesem Zusammenhang lediglich solche Nutzungsstörungen abwehren, die als rücksichtslos zu werten sind. Dies ist erst dann der Fall, wenn die mit dem Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen der Nutzung des eigenen Grundstücks bei der zu treffenden Abwägung für den Nachbarn billigerweise unzumutbar erscheinen. Das Maß der gebotenen Rücksichtnahme hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Es sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, gegeneinander abzuwägen. Feste Regeln lassen sich dabei nicht aufstellen. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen (vgl. BVerwG vom 25. 1. 2007 Az. 4 C 1/06 BVerwGE 128, 118). Es muss somit – im Gegensatz zum von einer konkreten Beeinträchtigung unabhängigen Gebietserhaltungsanspruch - eine konkrete Beeinträchtigung des Nachbarn durch das Bauvorhaben vorliegen, um einen nachbarrechtlichen Abwehranspruch aus dem Gebot der Rücksichtnahme annehmen zu können. Bloße Lästigkeiten muss der Nachbar hinnehmen.

Unzumutbare Beeinträchtigungen sind hier nicht zu erkennen. Die Klägerin macht insbesondere keine Beeinträchtigungen durch von der baulichen Anlage ausgehende Immissionen (z.B. Besucherlärm) oder der baulichen Anlage zuzurechnende Immissionen (z.B. Lärm durch An- und Abfahrtsverkehr) substanziiert geltend. Dies ist bereits aufgrund der Entfernung der beiden Gebäude voneinander ausgeschlossen. Der Eingang zum Wohngebäude, in welchem die Klägerin Sondereigentum an zwei Wohnungen innehat, und der Eingang zum konkreten Bauvorhaben liegen 120 m Luftlinie voneinander entfernt. Zudem befindet sich der Eingang zum konkreten Bauvorhaben auf der dem Wohngebäude der Klägerin abgewandten Seite und wird somit durch das Gebäude auf dem Baugrundstück zur Klägerin hin abgeschirmt.

Die Klägerin beruft sich auf Auswirkungen von Spielhallen, wie sie im Gutachten Prof. Dr. Feltes vom Oktober 2010 im Auftrag des Landgerichts München I in einem Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz dargestellt wurden. Das Gutachten erging aufgrund eines Beweisbeschlusses des Landgerichts München I vom 12. April 2010 im Verfahren der Wohnungseigentümergemeinschaft D.-Allee ... gegen die Sondereigentümerin zweier gewerblicher Einheiten, die im vorliegenden Fall die beigeladenen Bauherrin ist. Die Beweisfrage lautete insoweit, „die Bewohner der WEG D.-Allee ... würden bei Betrieb einer Spielhalle durch erhöhte Kriminalität gefährdet, da eine Spielhalle gegenüber einer Imbissbude vermehrt ein Publikum von Kleinkriminellen anziehe und alle Art von Folge- und Beschaffungskriminalität nach sich ziehe“. Das Gutachten trifft zusammenfassend (ab S. 66) die Feststellung, dass man vor dem Hintergrund der Ergebnisse der vorliegenden Studien davon ausgehen müsse, dass süchtiges Spielverhalten einen bedeutsamen kriminogenen Faktor darstelle und es nachgewiesene Zusammenhänge zwischen Spielsucht und Kriminalität gebe. Es müssten mindestens 50 Spieler pro Tag regelmäßig die Spielhalle aufsuchen, damit sie sich für den Betreiber rechne. Es müsse angesichts dieser Zahlen damit gerechnet werden, dass die Spieler möglicherweise ihre Spielverluste durch Straftaten im näheren und weiteren Umfeld der Spielhalle auszugleichen versuchen würden. Als weitere Feststellung führt das Gutachten an, es sei unstrittig, dass es Begleitkriminalität in Verbindung mit Spielhallen gebe und eine Häufung (im Gutachten „Häufig“, Zeile 1772) von Spielhallen zu einer Steigerung und Verdichtung von Kriminalität führe. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass sich Kriminalität sowie Störungen der Sicherheit und Ordnung dort häuften, wo Spielhallen angesiedelt seien. Als weitere Feststellung führt das Gutachten an, dass die Ansiedlung einer Spielhalle, abgesehen von den objektivierbaren Folgen, negative Einflüsse auf das Sicherheitsempfinden und die Lebensqualität der im Umkreis wohnenden Bevölkerung habe. Zudem werde hier die Kombination von Internet-Terminals und Geldspielautomaten in einem Objekt als problematisch angesehen. Durch diese Kombination ergäben sich besondere Probleme durch Jugendliche und junge Erwachsene in und um die geplante Spielhalle. Abschließend wird festgestellt, dass die beschriebenen Auswirkungen entweder typisch für Spielhallen seien und daher bei Gaststätten und Restaurants nicht vorlägen, oder aber deutlich negativer ausfallen würden als bei einem Betrieb der Räumlichkeiten als Gaststätte.

Da das Gutachten auch die nähere Umgebung ausdrücklich einbezieht und das Wohngrundstück der Klägerin unmittelbar an das Baugrundstück angrenzt, geht der Senat davon aus, dass die vom Gutachter getroffenen Feststellungen auch auf das Grundstück der Klägerin übertragbar sind. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens dahingehend, dass die Feststellungen des Gutachtens sich auch auf das Wohneigentum der Klägerin übertragen lassen, war damit nicht erforderlich, weil dies insoweit als wahr unterstellt werden kann.

Allerdings ist auch angesichts der Feststellungen im Gutachten nicht erkennbar, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen für das Grundstück der Klägerin bzw. ihr Wohneigentum zu schlechthin unzumutbaren Beeinträchtigungen führen wird, welche die gebotene Rücksichtnahme im bauplanungsrechtlichen Sinn verletzen. Die abschließenden Feststellungen im Gutachten sind allgemeiner Natur und betreffen lediglich die Frage, ob die darin beschriebenen Auswirkungen entweder für Spielhallen typisch sind und daher bei Gaststätten oder Restaurants nicht vorliegen oder jedenfalls negativer ausfallen als bei der Nutzung der Räumlichkeiten für einen Gaststätten- oder Imbissbetrieb. Nur dies implizierte die Fragestellung des Gutachtens. Es ist unstreitig, dass Spieler an Geldspielgeräten süchtig sein können und dies in erheblichen Maß auch sind. Zudem ist es eine allgemeine Erfahrung, dass es im Zusammenhang mit einer Sucht auch zu einer Beschaffungskriminalität kommen kann. Dies gilt für Spielsucht ebenso wie für Drogensucht, aber auch im Bereich von anderen Suchterkrankungen. Welche konkreten Beeinträchtigungen im bauplanungsrechtlichen Sinn sich hieraus für das Baugrundstück oder die Nachbarschaft ergeben, war jedoch nicht Gegenstand bzw. Fragestellung des Gutachtens und wurde auch von der Klägerseite nicht substanziiert vorgetragen. Den möglichen negativen Auswirkungen auf das subjektive Sicherheitsempfinden der Anwohner fehlt es bereits an einem objektivierbaren Gehalt. Insoweit handelt es sich lediglich um befürchtete Lästigkeiten, welche jedoch nicht den Grad einer unzumutbaren Beeinträchtigung im Sinn des Gebots der Rücksichtnahme erreichen. Die im Gutachten geschilderten negativen Auswirkungen der geplanten Spielhalle lassen sich für jede Spielhalle feststellen und zwar unabhängig davon, ob eine Spielhalle im konkreten Baugebiet bauplanungsrechtlich allgemein – wie beispielsweise im Kerngebiet - oder nur ausnahmsweise – wie im Gewerbegebiet - oder gar nicht zulässig ist. Auf die im Bauplanungsrecht entwickelten Grundsätze zur kerngebietstypischen und nicht kerngebietstypischen Spielhalle wird im Gutachten ebenso wenig eingegangen, weil dies auch nicht Gutachtensauftrag war. Zudem ist im Kerngebiet Wohnen grundsätzlich ebenso allgemein zulässig (§ 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO 1990) wie eine Spielhalle als Vergnügungsstätte (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1990). Selbst im Mischgebiet werden nach der Rechtsprechung kleinere Spielhallen als zulässig angesehen (sog. nicht kerngebietstypische Spielhallen). Nach der Wertung des Gesetzgebers sind also Spielhallen trotz ihrer sicherlich vorliegenden, im Gutachten beschriebenen allgemeinen negativen Auswirkungen in bestimmten Plangebieten sogar allgemein zulässig, die auch dem Wohnen dienen können, wie eben in einem Kerngebiet. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die im Gutachten allgemein beschriebenen negativen Auswirkungen einer Spielhalle im bauplanungsrechtlichen Sinn relevant sind. Der Gesetzgeber nimmt solche allgemeinen negativen Auswirkungen gerade hin. Vielmehr ist eine konkrete Beeinträchtigung erforderlich, die den Grad der Unzumutbarkeit erreicht haben muss. Dafür ist hier jedoch weder etwas ersichtlich noch substanziiert vorgetragen.

c) Des Weiteren beruft sich die Klägerin auf eine nicht näher bezifferte Wertminderung ihres Wohneigentums, welche bei der Ansiedlung einer Spielhalle in der unmittelbaren Umgebung eintrete. Einen allgemeinen Schutz dagegen, dass durch Vorgänge, die auf einem anderen Grundstück stattfinden, der Wert des eigenen Grundstücks sinkt, kennt die Rechtsordnung allerdings nicht (vgl. BVerfG vom 24. 1. 2007 Az. 1 BvR 382/05 NVwZ 2007, 805; BVerwG vom 17. 2. 1981 Az. 4 B 13.81 BRS 38 Nr. 183). Die Wertminderung hat nur indizielle Bedeutung für die Intensität eines (mittelbaren) Eingriffs in die Grundstückssituation des Nachbarn. Ein Abwehranspruch kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn die Wertminderung gerade die Folge einer dem Betroffenen nach Maßgabe des Gebots der Rücksichtnahme unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks ist (vgl. BVerwG vom 17. 2. 1981 a.a.O.; vom 24. 4. 1992 Az. 4 B 60.92 Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 109; vom 13. 11. 1997 Az. 4 B 195.97 NVwZ-RR 1998, 540). Auch eine legale Bebauung auf einem Nachbargrundstück kann - so z.B. dadurch, dass die bisherige Aussicht in die freie Landschaft durch einen Neubau beseitigt wird - zu hohen Wertminderungen führen. Im vorliegenden Fall fehlt es aber ebenso bereits an der erforderlichen Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Insoweit kam es daher auch nicht auf die Einholung eines Gutachtens über eine mögliche Wertminderung an.

d) Die Klägerin kann sich zudem nicht auf einen sogenannten trading-down-Effekt berufen.

Ein trading-down-Effekt liegt vor, wenn es auf Grund der Verdrängung des traditionellen Einzelhandels und eines Rückgangs der gewachsenen Angebots- und Nutzungsvielfalt durch Spielhallen zu einem Qualitätsverlust von Einkaufsstraßen und Einkaufszonen kommen (vgl. BayVGH vom 15. 10. 2010 Az. 2 B 09.2419 BauR 2011, 1143; vom 24. 3. 2011 Az. 2 B 11.59 BauR 2011, 1785; Brandenburg/Brunner, BauR 2011, 1851/1857; Stühler, BauR 2009, 54/58; Kaldewei BauR 2009, 1227/1228). Die Frage des trading-down-Effekts stellt sich erst bei einer Überschreitung des vorgegebenen Rahmens nach § 34 Abs. 1 BauGB (vgl. BVerwG vom 15. 12. 1994 Az. 4 C 13/93 NVwZ-RR 1995, 698), bei Vorhaben in Plangebieten nach § 1 Abs. 2 BauNVO oder nach § 34 Abs. 2 BauGB sowie bei der Bauleitplanung (vgl. BVerwG vom 4. 9. 2008 Az. 4 BN 9/08 BauR 2009, 76).

Die Klägerin beruft sich auf einen trading-down-Effekt hinsichtlich des reinen Wohngebiets, in welchem sich ihr Wohneigentum befindet. Der trading-down-Effekt ist jedoch nach der obigen Definition auf den Qualitätsverlust von Einkaufsstraßen und Einkaufszonen beispielsweise in Gewerbegebieten, Kerngebieten oder Mischgebieten beschränkt, so dass bereits aus diesem Grund eine Rechtsverletzung der Klägerin ausscheidet. Denn in einem reinen Wohngebiet sind derartige Einkaufsstraßen oder Einkaufszonen, welche einen Qualitätsverlust erleiden könnten, nicht vorhanden. Im Übrigen liegt das Wohnungseigentum der Klägerin nicht im selben Baugebiet wie das Bauvorhaben. Der trading-down-Effekt ist jedoch nur innerhalb eines Baugebiets relevant. Denn für das Bejahen eines trading-down-Effekts müsste sich eine Vergnügungsstätte so negativ auswirken, dass sie der Eigenart des Baugebiets widerspräche, in dem sie sich befindet.

3. Der Berufung ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil sie die dieser erteilte Baugenehmigung angegriffen hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 7.500,-- Euro festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).