LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.08.2012 - 2-03 O 556/09
Fundstelle
openJur 2012, 123944
  • Rkr:
Tenor

1. Gegen die Schuldnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1.2. im Urteil der Kammer vom 17.06.2010 enthaltene Unterlassungsverpflichtung, nämlich

gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Verträgen über die entgeltliche Nutzung einer Datenbank zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen:

"Die geschuldete Vergütung ist dem Nutzer für die Dauer von zwölf Monaten im Voraus zu berechnen."

ein Ordnungsgeld in Höhe von 14.000,00 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 2.000,00 EUR ein Tag Ordnungshaft, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer, verhängt.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.

3. Der Streitwert des Ordnungsmittelverfahrens wird auf 16.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Das verhängte Ordnungsgeld ist nach § 890 Abs. 1 ZPO gerechtfertigt.

Die Schuldnerin hat gegen die im Tenor genannte Unterlassungsverpflichtung aus Ziffer 1.2. des Urteils der Kammer vom 17.06.2010 verstoßen.

Nach Ziffer 1.2. dieses Urteils durfte die AGB-Klausel "Die geschuldete Vergütung ist dem Nutzer für die Dauer von zwölf Monaten im Voraus zu berechnen." nicht mehr verwendet werden. Die Berufung gegen dieses Urteil wurde durch Versäumnisurteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18.08.2011 verworfen. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde durch Zweites Versäumnisurteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10.11.2011 verworfen.

Auch noch am 28.06.2011 verwendete die Schuldnerin die streitgegenständliche AGB-Klausel auf ihrer Internetseite www....de. Zudem versandte die Schuldnerin noch unter dem 16.11.2011, dem 30.11.2011, dem 26.01.2012, 25.01.2012, 16.02.2012 sowie dem 21.02.2012 Schreiben an verschiedene Vertragspartner, in denen sie auf die zuvor genannte AGB-Klausel verwies und die Zahlung eines Jahresbeitrages im Voraus forderte. Damit stehen 7 Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung fest.

Die Kammer hat das Ordnungsgeld nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf insgesamt 14.000,00 € festgesetzt. Sie hat dabei unter anderem berücksichtigt, dass der Schuldnerin durch Verwendung der streitgegenständlichen AGB-Klausel auch noch mehr als 7 Monate nach Rechtskraft des Urteils ein erheblicher Wettbewerbsvorteil gewährt wurde, Dieser wirtschaftliche Vorteil musste sich deutlich in der Höhe des Ordnungsgeldes wiederfinden. Die Schuldnerin versandte zudem mindestens 6 Schreiben, in denen sie verschiedene Vertragspartner zur Zahlung des Jahresbeitrages im Voraus aufforderte, obwohl sie hierauf keinen Anspruch hatte. Dies begründet ebenfalls unberechtigte, finanzielle Vorteile.

Zudem hat die Kammer den Grad des Verschuldens berücksichtigt. Dabei ist die Kammer zugunsten der Schuldnerin nicht von vorsätzlichem Handeln ausgegangen, da hierfür noch keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgelegen haben. Allerdings hat die Schuldnerin grob fahrlässig gehandelt. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und selbst einfachste, nahe liegende Überlegungen nicht anstellt (Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Auflage, § 277 Rn. 5).

Wie der Geschäftsführer der Schuldnerin in der eidesstattlichen Versicherung vom 08.08.2012 erklärt, sei er bis Juni 2012 bei einer Reihe von weiteren Unternehmen als Geschäftsführer tätig gewesen. Er habe die Geschäftsführerrolle bei der Schuldnerin etwa im Juli 2011 übernommen. Seit Februar 2011 habe er sich als Angeklagter vor einer großen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück verantworten müssen. Allein die Anklage habe einen Umfang von 200 Seiten gehabt. Zudem sei bereits seit dem Jahr 2008 ein Strafverfahren gegen ihn vor einer großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main anhängig gewesen. Diese Verfahren hätten ihn - so der Geschäftsführer der Schuldnerin - enorm in Anspruch genommen.

Allein dieser Vortrag zeigt, dass sich der Geschäftsführer der Schuldnerin in vorwerfbarer Weise der Erkenntnis verschlossen hat, dass er sich nicht mit der gehörigen Sorgfalt der Geschäftsführerrolle widmen kann. Er hat mehrere Geschäftsführerrollen innegehabt und war zwei großen Strafverfahren ausgesetzt. Es war damit leicht vorhersehbar, dass er die Sorgfaltspflichten nicht einhalten kann.

So stützen auch die Ausführungen des Geschäftsführers zum Erhalt des Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in vorliegender Sache die Annahme von grober Fahrlässigkeit. Er habe - so die Ausführungen des Geschäftsführers in der eidesstattlichen Versicherung vom 08.08.2012 - das Urteil zwar erhalten, aber keinen Handlungsbedarf gesehen und daher nichts unternommen. Wer als Geschäftsführer eines Unternehmens eine gerichtliche Entscheidung erhält, hat sich über den Inhalt des Urteils und die sich daraus ergebenden Pflichten umfassend zu informieren. Es ist nichts naheliegender, als dass sich ein Geschäftsführer den Inhalt des Urteils ordentlich durchliest und überlegt, welche Handlungen zu unternehmen sind. Der Tenor der ergangenen Urteile war auch eindeutig und es wäre sehr leicht gewesen zu erkennen, dass die Internetseite zu ändern und eine Berufung auf die AGB-Klausel unzulässig ist. Wer nach der Lektüre der Urteile keinen Handlungsbedarf sieht, der verschließt sich einem sich aufdrängenden Sachverhalt und handelt mithin grob fahrlässig. Auch eine Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt wäre sehr naheliegend gewesen. Jedenfalls diese Rücksprache hätte dem Geschäftsführer die Erkenntnis gebracht, dass die AGB-Klausel von der Internetseite zu entfernen ist. Eine Rücksprache hat der Geschäftsführer jedoch nicht gehalten, sondern sich auf seine eigene fehlerhafte Einschätzung, dass kein Handlungsbedarf bestehe, verlassen. Auch dies stellt eine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders hohem Maße dar.

Soweit die Gläubigerin meint, bei der Höhe des Ordnungsgeldes sei zudem zu berücksichtigen, dass aufgrund der Rechnungsnummern von insgesamt 60930 Rechnungen auszugehen sei, so kann dem nicht gefolgt werden, da sich die übrigen Rechnungen auch auf andere Vertragsgegenstände bezogen haben können.

Zugunsten der Schuldnerin hat die Kammer unter anderem berücksichtigt, dass sie ihren Internetauftritt mittlerwelle abgeändert hat und der Geschäftsführer seine Fehler einsieht.

Aufgrund des hohen wirtschaftlichen Vorteils und des hohen Maßes an Verschulden war ein empfindliches Ordnungsgeld festzusetzen. Dieses ist mit 14.000 € angemessen, wobei 5.000 € auf den Verstoß auf der Internetseite und jeweils 1.500 € auf die jeweiligen Schreiben entfallen.

Die Ersatzfreiheitsstrafe hat ihre Rechtsgrundlage in § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 91 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.