Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.03.2012 - 11 CS 12.307
Fundstelle
openJur 2012, 121641
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 14. April 1991 geborenen Antragstellerin wurde am 3. September 2009 die Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt.

Am 7. Juni 2011 erklärte die Antragstellerin in einer polizeilichen Vernehmung, sie konsumiere überwiegend an den Wochenenden sowohl Amphetamin als auch Cannabis. Sie schätze, seit ca. Oktober 2010 in mindestens 50 Fällen Amphetamin und in ca. 100 Fällen Haschisch konsumiert zu haben. Sie habe jedoch niemals unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug geführt.

Nach Anhörung entzog das Landratsamt Ansbach mit Bescheid vom 12. Dezember 2011 der Antragstellerin unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis.

Gegen diesen Bescheid ließ die Antragstellerin Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erheben und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Januar 2012 ablehnte.

Mit der eingelegten Beschwerde beantragt die Antragstellerin, den Beschluss vom 18. Januar 2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2011 wieder herzustellen sowie dem Antragsgegner aufzugeben, den Führerschein der Antragstellerin unverzüglich an diese herauszugeben.

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen.

II.

Die Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg.

Die Antragstellerin macht neben der Wiederholung des Vorbringens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Auseinandersetzung mit den Gründen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung allein geltend, dass hier entgegen der Regelvermutung der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung eine Ausnahme anzuerkennen sei. Das sei dann der Fall, wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestünden, die darauf schließen ließen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt seien. Die Antragstellerin habe - unwiderlegbar - niemals unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt. Die Antragstellerin sei während der Zeit ihres Drogenkonsums, also im Zeitraum Oktober 2010 bis Juni 2011, straßenverkehrsrechtlich nicht auffällig geworden. Bis zum Zeitpunkt des Führerscheinentzugs durch den Antragsgegner sei die Antragstellerin täglich die Strecke von ihrem Wohnort zu ihrem Ausbildungsplatz und zurück (einfach 13,5 km) selbst gefahren. Dies lasse nur den Schluss zu, dass sie auch in der Zeit ihres Drogenkonsums dazu in der Lage gewesen sei, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin seit Juni 2011 keinerlei Drogen mehr konsumiert habe. Sie habe beim Gesundheitsamt Ansbach ein Drogenscreeningprogramm begonnen.

Das sind keine Umstände des Einzelfalles, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass sie - was nach Aktenlage zutrifft - nie beim Führen eines Kraftfahrzeugs unter Drogeneinfluss angetroffen wurde, stellt das kein ausreichendes Indiz dafür da, dass sie über eine besondere Veranlagung, eine besondere Einstellung oder eine besondere Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung im Sinnes des Satzes 2 der Vorbemerkung 3 zur Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung verfügt und sie deshalb in der Lage ist, den Konsum von Betäubungsmitteln und das Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr zu trennen. Die Regelvermutung von Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV verlangt grundsätzlich keinen Bezug zur Straßenverkehrsteilnahme bei Betäubungsmittelkonsum. Nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass bereits der einmalige Konsum von Betäubungsmitteln (ausgenommen Cannabis) das sichere Trennungsvermögen regelmäßig beeinträchtigt. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sind Drogenkonsumenten wesentlich weniger bereit, Konsum und Fahren zu trennen, als Alkoholkonsumenten, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass Gefährlichkeit und Verwerflichkeit einer Fahrt unter Drogen sowie die Kontrolleffizienz der Polizei subjektiv gering eingeschätzt werden (vgl. Gutachten von Prof. Dr. Hans-Peter Krüger vom 15.8.2001, Interdisziplinäres Zentrum für Verkehrswissenschaften an der Universität Würzburg, zitiert in der Entscheidung des BVerfG vom 20.6.2002 Az. 1 BvR 2062/96 NJW 2002, 2378). Aufgrund der geringen Kontrolldichte durch die Polizei vor allem im Berufsverkehr reicht allein der Umstand, dass die Antragstellerin bislang noch nicht bei der Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung von Amphetamin angetroffen wurde, nicht, um ein besonderes Trennungsvermögen der Antragstellerin anzunehmen. Wie der etwaige Beigebrauch von Cannabis zu Amphetaminen sich auf Fahreignung und Trennungsvermögen auswirkt, kann insoweit offen bleiben.

Angesichts des von der Antragstellerin eingeräumten Drogenkonsums und des Beschwerdevorbringens, im Rahmen ihres Ausbildungsverhältnisses täglich am Straßenverkehr teilgenommen zu haben, ist der Vortrag, sie habe nie unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug geführt, zweifelhaft.

Die Antragstellerin hat die Fahreignung auch nicht wiedererlangt. Hierzu wäre es erforderlich, dass sie nach Entgiftung und Entwöhnung zunächst ein Jahr drogenfrei bleibt und dies regelmäßig nachweist, Ziffer 9.5 der Anlage 4 zur FeV.

Der weiter gestellte Antrag auf Herausgabe des Führerscheins an die Antragstellerin kann daher keinen Erfolg haben. Dieses Begehren stellt keinen eigenen Streitgegenstand dar, weil es bereits Folge eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist.

Die Antragstellerin wurde nach Aktenlage mit Schreiben vom 9. Januar 2012 vom Landratsamt über die Voraussetzungen für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung aufgeklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V. mit den Empfehlungen in Abschnitt II. Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).