OLG Bamberg, Urteil vom 11.05.2011 - 3 U 20/11
Fundstelle
openJur 2012, 115950
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 27.01.2011, Az. 1 HKO 133/10 abgeändert.

II. Die einstweilige Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte in Ziffer 1. des Beschlusses des Landgerichts Aschaffenburg vom 22.10.2010 wird bestätigt.

III. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist begründet.

Der Verfügungskläger, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der Interessen seiner Mitglieder gehört, verlangt von der Verfügungsbeklagten, einer Kosmetikerin, die in den Geschäftsräumen des Kosmetikstudios "M" xxxx, tätig ist, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine Ultraschall-und/oder Radiofrequenz-Behandlung zur Fettreduktion zu werben, weil die Wirkungsaussagen, mit denen Werbung getrieben wird, wissenschaftlich ungesichert seien und daher eine irreführende Heilmittelwerbung vorliege (§ 3 Nr. 1 HWG i.V.m. § 4 Nr. 11, § 5 UWG).

1. Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Frage, ob die Verfügungsbeklagte als Zuwiderhandelnde im Sinne des § 8 Abs. 1 UWG passivlegitimiert ist.

Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung auch die Haftung des administrativen Ansprechpartners (admin-C) unter bestimmten Voraussetzungen neben dem Inhaber der Domain bejaht (OLG Koblenz, Urteil vom 23.04.2009, Az. 6 U 730/08; OLG Stuttgart GRUR-RR 2010, 12 - noch nicht rechtskräftig), hat der Verfügungskläger die Verantwortlichkeit der Verfügungsbeklagten als Zuwiderhandelnde im Sinne des § 8 Abs. 1 UWG für die beanstandete Werbung in der Anzeige der Zeitung P. vom 26.09.2020 (Anlage 1; Bl. 20 d. A.) und der Internetwerbung unter der Internetadresse www.xxx.de vom 06.10.2010 (Anlage 2; Bl. 21 - 46 d. A.) ausreichend glaubhaft gemacht. Demgegenüber sind der Sachvortrag der Verfügungsbeklagten und die hierzu vorgelegten Unterlagen nicht geeignet, dies zu widerlegen.

a) Sowohl aus der Werbeanzeige vom 26.09.2010 als auch aus der "Über uns"-Seite der Internetwerbung vom 06.10.2010 geht als "Betreiberin" des Kosmetikstudios unzweifelhaft die Verfügungsbeklagte hervor. Ein Hinweis auf den - gewerberechtlich angemeldeten - Inhaber G. findet sich hierin jeweils nicht.

aa) Maßgeblich ist der Internetauftritt am 06.10.2010 und nicht der zu einem späteren Zeitpunkt. Der Verfügungskläger hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten, Frau S., vom 09.01.2011 (Anlage BB2, Bl. 262 d. A.) glaubhaft gemacht, dass sich im Internetauftritt am 06.10.2010 die Impressumseite nicht habe öffnen lassen und dass sich auch sonst kein Hinweis auf eine andere verantwortliche Person außer der Verfügungsbeklagten ergeben habe. Die von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Ausdrucke der Impressumseite mit dem Hinweis auf G. als Inhaber, die im Übrigen auch aus einer anderen Internetanschrift, nämlich www.yyyyyyyyyyyyy herrühren, datieren vom 04.11.2010 und 29.11.2010. Auch die historische Auskunft, in der als Inhaber "G" aufgeführt wird, betrifft einen deutlich früheren Zeitraum (14.12.2007 bis 19.10.2008) und nicht die streitgegenständliche Werbung vom 06.10.2010.

8bb) Hinzu kommt, dass die Verfügungsbeklagte für Dritte erkennbar als administrative Ansprechpartnerin bei der Z. eG, der verantwortlichen Institution für die Vergabe entsprechender Domains, registriert ist, wie sich aus dem als Anlage A 20 (Bl. 196 d. A.) vorgelegten Ausdruck der "whois"-Anfrage auf www.Z..de vom 06.10.2010 ergibt. Als Domaininhaber ist lediglich die Bezeichnung "M" ohne weitere Namensnennung angegeben, so dass ein Außenstehender sich zwangsläufig nur an die als administrative Ansprechpartnerin benannte Verfügungsbeklagte wenden kann, wenn er Rechte wegen des Inhalts der Webseite geltend machen will.

cc) Soweit die Verfügungsbeklagte im Berufungsverfahren nunmehr bestreitet, keine Kenntnis von ihrer Benennung als administrativer Ansprechpartnerin und keinen Einfluss auf den Inhalt der Webseite, insbesondere die Werbung, gehabt zu haben, ist dies zum einen neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO, zum anderen aber auch nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Aus der im Termin vom 11.05.2011 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des L. vom 09.05.2011 ergibt sich lediglich, dass dieser die Verfügungsbeklagte im Auftrag des G. hat registrieren lassen und dass sie von ihm darüber nicht in Kenntnis gesetzt worden sei. Dies besagt jedoch nicht, dass die Verfügungsbeklagte nicht im Innenverhältnis zu G. von diesem davon Kenntnis hatte und dass dieser sie ohne ihr Wissen und Wollen als admin-C benannt hat.

Somit erscheint die Verfügungsbeklagte in beiden beanstandeten Werbungen als Betreiberin des Kosmetikstudios und damit als Zuwiderhandelnde im Sinne des § 8 Abs. 1 UWG.

11b) Dass sie lediglich nur im Angestelltenverhältnis auf der Basis einer geringfügigen Beschäftigung tätig ist und ihr Bruder als Inhaber des Kosmetikstudios gewerberechtlich gemeldet ist _ was im Übrigen nicht gleichbedeutend ist mit der Eintragung im Handelsregister (§§ 5, 17, 19 Abs. 1 Nr. 1 HGB) -, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung.

12aa) Zuwiderhandelnder kann auch ein Mitarbeiter oder ein Arbeitnehmer sein. § 8 Abs. 1 UWG stellt nicht auf den Geschäftsinhaber eines werbenden Unternehmens ab, sondern auf denjenigen der eine - unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt - (vgl. auch Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 8 Rn. 2.5).

13bb) Selbst wenn die Verfügungsbeklagte nicht selbst Geschäftsinhaberin ist, ist insoweit ein täterschaftlicher Verstoß gegen die Generalklausel des § 3 UWG glaubhaft gemacht. Derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr in einer ihm zurechenbaren Weise die Gefahr eröffnet, dass Dritte (in diesem Falle der Geschäftsinhaber G.) Interessen von Marktteilnehmern verletzen, die durch das Wettbewerbsrecht geschützt sind, kann eine unlautere Wettbewerbshandlung begehen, wenn er diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt (BGH GRUR 2007, 890 Tz. 22). Im vorliegenden Fall ist es angesichts der namentlichen und bildlichen Darstellung der Verfügungsbeklagten als (alleinige) Betreiberin des Kosmetikstudios in den streitgegenständlichen Werbungen höchst unwahrscheinlich, dass diese ohne ihre Beteiligung oder gar ohne ihr Wissen in der beanstandeten Art und Weise gestaltet worden sind. Es ist der Verfügungsbeklagten jedenfalls nicht gelungen, die Glaubhaftmachung ihrer maßgeblichen Beteiligung an der wettbewerbswidrigen Werbung zu widerlegen. Allein der Umstand, dass sie lediglich abhängige Beschäftigte ist, und nur dieses belegen die vorgelegten Unterlagen, reicht hierzu nicht aus.

cc) Soweit die Verfügungsbeklagte im Termin vor dem Landgericht Aschaffenburg vom 11.01.2011 eine Rechnung vorgelegt hat, aus der sich ergeben soll, dass der Geschäftsinhaber G. Werbemaßnahmen in Auftrag gegeben habe, handelt es sich offensichtlich um eine ganz andere als die hier streitgegenständliche Werbeanzeige in P.. Eine solche Rechnung wäre allerdings auch nicht zur Entkräftung der glaubhaft gemachten Tatsachen geeignet, da aus ihr lediglich hervorgeht, von wem die Kosten der Werbemaßnahme verlangt werden.

2. Es besteht auch weiterhin ein Verfügungsgrund. Die von G. abgegebene Unterlassungserklärung lässt die gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutete Wiederholungsgefahr bezüglich des Wettbewerbsverstoßes durch die Verfügungsbeklagte nicht entfallen.

3. Auf die Berufung ist daher das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 27.01.2011 abzuändern und die einstweilige Verfügung - wie in Ziffer I. des Beschlusses vom 22.10.2010 - zu bestätigen.

III.

Die Kostenentscheidung für beide Instanzen beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Zulassung der Revision war im Hinblick auf § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht veranlasst.