OLG München, Beschluss vom 18.04.2011 - 29 W 376/11
Fundstelle
openJur 2012, 115272
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers werden die Ziffern 1. und 2. des Beschlusses des Landgerichts München I vom 13. Januar 2011 aufgehoben.

II. Gegen die Schuldnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer I. 1. und I. 3 der einstweiligen Verfügung des Landgerichts München I vom 8. Februar 2010 - 4 HK O 2138/10 ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld von 10.000,- €, ersatzweise 10 Tage Ordnungshaft, festgesetzt.

III. Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.

IV. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,- € festgesetzt.

Gründe

I. Der Gläubiger erwirkte gegen die Schuldnerin wegen Handlungen, die diese unter der Firma ... G. Vertriebs-Gesellschaft vorgenommen hatte, eine landgerichtliche einstweilige Verfügung, mit der der Schuldnerin unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,- , ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verboten wurde,

im geschäftlichen Verkehr für das Verfahren Ultraschall Cavitation, insbesondere für eine Ultraschall Cavitation mit dem Gerätesystem basic: UC 3000 und/oder dem Gerätesystem pro: GS Slim-Line 2.0 und/oder dem Gerätesystem highend: GS SlimPower 3.0 zu werben:

1. Fettreduktion mit Ultraschall,

[…]

3. Ein Umfangverlust von min. 2 cm schon nach der ersten Behandlung sind [sic!] garantiert,

[…]

Der Gläubiger ließ die einstweilige Verfügung der Schuldnerin am 18. Februar 2010 zustellen.

In der Folge warb eine B. GmbH, deren Geschäftsführerin die Schuldnerin ist und die ihren Sitz unter der Anschrift der Schuldnerin hat, in ihrem Internet-Auftritt unter der Domain www.b. .com für das Verfahren Ultraschall Cavitation unter anderem mit den Aussagen

Umfangreduzierung und Fettverlust mittels modernster Ultraschalltechnik

und

UMFANGREDUZIERUNG

[…]

Ergebnis: 1 - 2 cm nach 1. Behandlung

[…]

Die Umfangreduzierung führt das Team ausschließlich mit Erfolgsgarantie durch.

Der Gläubiger hat darin eine Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung gesehen und beantragt, gegen die Schuldnerin ein angemessenes Ordnungsmittel festzusetzen. Die Schuldnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie sei nicht passivlegitimiert, weil der Gläubiger sich gegen eine Werbung der B. GmbH wende, die mit ihr nicht personenidentisch sei. Außerdem lägen die beanstandeten Aussagen außerhalb des sachlichen Verbotsbereichs der einstweiligen Verfügung.

Das Landgericht hat den Ordnungsmittelantrag mit Beschluss vom 13. Januar 2011 zurückgewiesen.

Zwar lägen die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen vor, die angegriffenen Handlungen seien jedoch nicht von der Schuldnerin, sondern von der B. GmbH begangen worden.

Gegen diesen ihm am 18. Januar 2011 zugestellten Beschluss wendet der Gläubigerin mit seiner am 27. Januar 2011 eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er beantragt,

den landgerichtlichen Beschluss abzuändern und gegen die Schuldnerin ein angemessenes Ordnungsmittel festzusetzen.

Die Schuldnerin verteidigt den angegriffenen Beschluss und beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die gemäß § 793, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Die nunmehr beanstandeten Aussagen fallen in den sachlichen Verbotsbereich der einstweiligen Verfügung.

a) Grundlage für die Bestimmung des Verbotsbereichs ist, dass ein Verbotstenor nicht nur auf die konkret formulierte Verletzungsform beschränkt ist, sondern auch Abwandlungen umfasst, wenn in ihnen das Charakteristische, der "Kern", der titulierten Form zum Ausdruck kommt (vgl. BGH GRUR 2010, 855 - Folienrollos Tz. 17; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 12 UWG Rz. 6.4; jeweils m. w. N.). Dieser Grundsatz findet auch dann Anwendung, wenn sich der Verbotsausspruch auf die Wiedergabe der konkreten Verletzungsform beschränkt (vgl. BGH GRUR 2007, 607 - Telefonwerbung für "Individualverträge" Tz. 17). Dabei sind allerdings im Hinblick auf den Sanktionscharakter der Ordnungsmittel des § 890 ZPO einer erweiternden Auslegung der Urteilsformel enge Grenzen gezogen (vgl. BGH WRP 2010, 640 - Klassenlotterie Tz. 12). In den Verbotsbereich fallen nur solche Abwandlungen, die ihrerseits schon implizit Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren waren (vgl. Senat, a. a. O., - Jackpot-Werbung II; OLG Jena GRUR-RR 2010, 113 [116] - Anzeigen-Treuerabatt; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. 2007, Kap. 57 Rz. 12, 14 m.w.N.). Diese "Kerntheorie" zur Titelauslegung berührt die erforderliche Bestimmtheit von Unterlassungstiteln nicht (vgl. BVerfG GRUR 2007, 618 - Organisationsverschulden Tz. 20).

b) Die angegriffenen Aussagen unterfallen danach dem mit der einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Verbot.

Die beanstandete Aussage Umfangreduzierung und Fettverlust mittels modernster Ultraschalltechnik bringt ebenso wie die untersagte Aussage Fettreduktion mit Ultraschall zum Ausdruck, dass die Fettmenge durch den Einsatz von Ultraschall verringert werde. Abwegig ist die Einwendung der Schuldnerin, von Reduktion werde gesprochen, wenn Elektronen von einem Reduktionsmittel, das dabei oxidiert werde, übertragen würden, und das sei nicht Gegenstand der nunmehr beanstandeten Aussage. Die Werbeaussagen wenden sich an den allgemeinen Verkehr, der Reduktion im Sinne von Verringerung versteht; eine abweichende Bedeutung in der Fachsprache der Chemie ist für das Verständnis der Aussagen daher ohne Bedeutung.

Das Charakteristische der mit Ziffer I. 3. der einstweiligen Verfügung verbotenen Aussage Ein Umfangverlust von min. 2 cm schon nach der ersten Behandlung sind [sic!] garantiert ist die Garantie einer messbaren Verringerung der Körperumfangs schon bei der ersten Behandlung und nicht das exakte Ausmaß dieser Verringerung. Daher liegt auch die zweite angegriffene Aussage im Kernbereich des Verbots. Bereits der Zusage einer Garantie, die zum Verbot in der einstweiligen Verfügung führte, kommt die Bedeutung zu, dass im Falle des Nichterfolgs die Vergütung erstattet würde; dass die Schuldnerin der nunmehr beanstandeten Aussage die Bedeutung einer Geld-zurück-Garantie beigemessen sehen will, führt daher nicht aus dem Verbotsbereich heraus.

2. Die Schuldnerin haftet für die beanstandeten Aussagen der B. GmbH als Täterin.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Schuldnerin die nunmehr angegriffenen Werbeaussagen kannte, weil sie dieselbe Methode betreffen wie diejenigen, welche der Schuldnerin untersagt wurden, und die B. GmbH ihren Sitz unter der Anschrift der Schuldnerin hat. Dass die Schuldnerin die Aussagen gleichwohl zumindest nicht verhindert hat, begründet den Vorwurf des täterschaftlichen Handelns (vgl. BGH GRUR 2010, 616 - marions-kochbuch.de Tz. 34 zum Urheberrecht, BGH GRUR 2009, 845 - Internet-Videorecorder Tz. 47 zum Wettbewerbsrecht; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 8 UWG Rz. 2.20; jeweils m. w. N.).

Dass die Schuldnerin nicht unmittelbar, sondern über die von ihr geführte GmbH aufgetreten ist, ändert nichts an ihrer persönlichen Haftung.

3. Der Senat erachtet ein Ordnungsgeld von 10.000,- € als angemessene Ahndung.

Ordnungsmittel sind im Hinblick auf ihren Zweck bemessen. Zu berücksichtigen sind deshalb bei der Festsetzung von Ordnungsmitteln insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen; eine Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht lohnen (vgl. BGH GRUR 2004, 264 [268] - Euro-Einführungsrabatt m. w. N.).

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin vorsätzlich handelte und sich der Zwischenschaltung einer GmbH bediente, um ihre Verantwortlichkeit zu verschleiern. Zudem kommt einer Internet-Werbung wegen ihrer allgemeinen Abrufbarkeit eine nicht unerhebliche Reichweite zu. Das gebietet eine empfindliche Ahndung, die im Streitfall jedoch noch auf einen Betrag von 10.000,- € begrenzt bleiben kann.

III. Zu den Nebenentscheidungen:

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 891 Satz 3, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über den Streitwert des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Maßgebend für die Bemessung des Streitwerts im Verfahren der Vollstreckung eines Unterlassungstitels ist das Interesse des Gläubigers an der Erzwingung, das regelmäßig als Bruchteil des Streitwerts des Erkenntnisverfahrens bemessen wird (vgl. Heinrich in: Musielak, ZPO, 8. Aufl. 2011, § 3 Rz. 32 Stichwort Ordnungs-, Zwangsmittelverfahren; Köhler, a. a. O., § 12 UWG Rz. 5.16; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl. 2010, § 3 Rz. 115; Berneke in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. 2009, Kap. 40 Rz. 68, 70; jeweils m. w. N.).

3. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht (vgl. § 574 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 ZPO).