Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 14.04.2011 - Vf. 13-VII-08
Fundstelle
openJur 2012, 114819
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag wird abgewiesen.

2. Der Antragstellerin wird eine Gebühr von 1.500 € auferlegt.

Gründe

I.

Mit der Popularklage wendet sich die Antragstellerin zum einen gegen die mittlerweile außer Kraft getretenen Regelungen der Art. 2 Nr. 8 und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des vom Bayerischen Landtag beschlossenen Gesetzes zum Schutz der Gesundheit (Gesundheitsschutzgesetz – GSG) vom 20. Dezember 2007 (GVBl S. 919, BayRS 2126-3-UG, im Folgenden: GSG 2007) sowie der Art. 2 Nr. 8, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 5 Abs. 1 Nr. 5 GSG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2009 (GVBl S. 384, im Folgenden: GSG 2009). Zum anderen richtet sich die Popularklage gegen die derzeit geltenden Vorschriften der Art. 2 Nr. 8 und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des durch Volksentscheid vom 4. Juli 2010 beschlossenen Gesetzes zum Schutz der Gesundheit (Gesundheitsschutzgesetz – GSG) vom 23. Juli 2010 (GVBl S. 314, BayRS 2126-3-UG, im Folgenden: GSG 2010).

Die angegriffenen Bestimmungen lauteten in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2007:

Art. 2AnwendungsbereichDieses Gesetz findet Anwendung auf:…8. Gaststätten:Gaststätten im Sinn des Gaststättengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 1998 (BGBl I S. 3418), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 7. September 2007 (BGBl I S. 2246), soweit sie öffentlich zugänglich sind,…

Art. 3Rauchverbot(1) Das Rauchen ist in Innenräumen der in Art. 2 bezeichneten Gebäude, Einrichtungen, Heime, Sportstätten, Gaststätten und Verkehrsflughäfen verboten. …

Die im damaligen Gesetz vorgesehenen Ausnahmen vom Rauchverbot bezogen sich nicht auf gastronomische Betriebe (Art. 5 GSG 2007). Das Rauchen durfte auch in Nebenräumen von Gaststätten nicht zugelassen werden (Art. 6 Abs. 1 GSG 2007). Durch Änderungsgesetz vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 465) wurde Art. 11 GSG 2007 um einen zweiten Absatz erweitert, wonach u. a. in vorübergehend betriebenen Bier-, Wein- und Festzelten bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 das Rauchverbot nicht galt.

Durch Änderungsgesetz vom 27. Juli 2009 wurden in Art. 2 Nr. 8 GSG 2007 die Worte „soweit sie öffentlich zugänglich sind“ gestrichen. Zugleich wurden Bier-, Wein- und Festzelte sowie „getränkegeprägte Gaststätten“ unter bestimmten Voraussetzungen vom Rauchverbot ausgenommen (Art. 5 Nrn. 4 und 5 GSG 2009); darüber hinaus wurde es den Betreibern von Gaststätten freigestellt, das Rauchen in Nebenräumen zu gestatten (Art. 6 Abs. 1 GSG 2009).

Das durch Volksentscheid beschlossene Gesundheitsschutzgesetz vom 23. Juli 2010, mit dessen Inkrafttreten am 1. August 2010 das Gesundheitsschutzgesetz vom 20. Dezember 2007 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2009 außer Kraft getreten ist (Art. 10 Abs. 2 GSG 2010), entspricht in Art. 2 Nr. 8 und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 wörtlich den bis zum 31. Juli 2010 geltenden Bestimmungen. Es sieht für Bier-, Wein- und Festzelte sowie Gaststätten keine Ausnahmen vom Rauchverbot mehr vor (Art. 5 GSG 2010) und schließt die Möglichkeit, das Rauchen in Nebenräumen zu gestatten, für Gaststätten ausdrücklich aus (Art. 6 Abs. 1 GSG 2010).

II.

Die Antragstellerin ist laut eigenen Angaben Inhaberin einer „getränkeorientierten Raucherkneipe“. Sie rügt, die angegriffenen Bestimmungen verletzten Art. 101 BV (allgemeine Handlungsfreiheit einschließlich Berufsfreiheit), Art. 103 Abs. 1 BV (Eigentumsgarantie) und Art. 118 Abs. 1 BV (Gleichheitssatz).

1. Zu den angegriffenen Bestimmungen des Gesundheitsschutzgesetzes in der ursprünglichen Fassung vom 20. Dezember 2007 trägt die Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 13. und 27. August 2008 sowie vom 19. Januar 2009 im Wesentlichen vor:

Das Rauchverbot für Gaststätten greife nicht nur in die Freiheit der Berufsausübung, sondern auch in die Berufswahlfreiheit sowie in die Eigentumsfreiheit ein, da es die Führung einer Raucherkneipe von vornherein objektiv unmöglich mache. Dieser Eingriff sei aus einer Reihe von Gründen unverhältnismäßig.

Zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens sei ein Rauchverbot nur geeignet, wenn es sich um Lebensbereiche handle, welche die Bevölkerung aufsuchen müsse. Ein gesetzliches Rauchverbot für Lebensbereiche, in die sich die Bürger freiwillig hineinbegäben, widerspreche sich selbst und verkomme zum Zwangsschutz. Es sei zweifelhaft, ob das vom Bundesverfassungsgericht angenommene Recht der Nichtraucher, in Gaststätten rauchfreie Räume zu finden, den schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit rechtfertigen könne. Es liege kein belastbares Zahlenmaterial dazu vor, dass es für Nichtraucher keine ausreichenden Möglichkeiten gebe, in Gaststätten rauchfreie Räume zu finden.

Ein gesetzliches Rauchverbot sei jedenfalls nicht erforderlich. Als weniger einschneidendes und genauso effektives Mittel stehe eine Kennzeichnungspflicht für Kneipen, in denen geraucht werden dürfe, zur Verfügung. Wer sich bewusst und gezielt in die vom Passivrauchen ausgehende Gefahr begebe, müsse nicht geschützt werden; eine staatliche Bevormundung sei insoweit unzulässig. Nicht zu folgen sei der Annahme des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Gesetzgeber eine bloße Verpflichtung der Gastwirte, zwischen einem Betrieb ihres Lokals als Raucher- oder als Nichtrauchergaststätte verbindlich zu wählen, als nicht ebenso wirksam wie ein gesetzliches Rauchverbot habe einschätzen dürfen. Das Gericht habe dafür als Erkenntnisquelle die gescheiterte Zielvereinbarung des Bundesministeriums für Gesundheit mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) herangezogen, die aber nur für Speisegaststätten gegolten habe und für getränkeorientierte Gaststätten mit ihrem völlig anderen Kundenkreis keinerlei Aussagekraft besitze. Es sei daher äußerst zweifelhaft, wegen der gescheiterten Umsetzung der Zielvereinbarung im Bereich der Speisegastronomie ein generelles Rauchverbot auch in getränkeorientierten Kneipen einzuführen. Auf die Zielvereinbarung könne es zudem nicht ankommen, weil darin eine willkürliche Anzahl von rauchfreien Sitzplätzen festgelegt worden sei, ohne dass man untersucht habe, ob eine entsprechende Nachfrage bestehe. Neben einer Kennzeichnungspflicht für Raucherkneipen stelle auch die Ausweisung von Raucher- und Nichtraucherbereichen innerhalb eines Betriebs eine weniger einschneidende Maßnahme dar.

Wegen fehlender Ausnahmen für Raucherkneipen sei die gesetzliche Regelung in jedem Fall unangemessen. Die in dem Rauchverbot liegende objektive Beschränkung der Berufswahlfreiheit sei nur zur Abwehr nachweisbar oder höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zulässig. Es fehle aber bereits an einem sicheren Nachweis dafür, dass bestimmte Krankheiten durch Passivrauchen verursacht würden. Die Besucher einer Raucherkneipe begäben sich bewusst in die Gefahr des Passivrauchens, sodass sie nicht geschützt werden müssten. Eine Raucherkneipe sei von vornherein an den Bedürfnissen von Rauchern ausgerichtet; blieben diese Stammkunden aus, könne die Kneipe mangels Rentabilität nicht mehr betrieben werden. Demgegenüber gebe es genügend rauchfreie Gaststätten, die von Gästen besucht werden könnten, die sich vor den Gefahren des Passivrauchens schützen wollten. Dass der Gesetzgeber nicht von einem Grundbedürfnis auf Besuch einer Gaststätte ausgehe, zeige sich im Übrigen daran, dass dort für den Verkauf von Speisen und Getränken der volle Umsatzsteuersatz gelte.

Das Gesundheitsschutzgesetz verstoße auch gegen den Gleichheitsgrundsatz, da nicht zwischen Speisegaststätten und Raucherkneipen differenziert werde, obwohl die jeweiligen Gäste nicht in gleicher Weise schutzwürdig seien. Überdies sei nicht berücksichtigt worden, dass sich das Rauchverbot bei bestimmten örtlichen Gegebenheiten nur mit Schwierigkeiten verwirklichen lasse. So sei es etwa bei Kellerlokalen mit erheblichem Aufwand verbunden, wenn sich die Gäste zum Rauchen auf den Gehweg vor dem Lokal begeben müssten.

Die faktische Ausnahme vom Rauchverbot für sogenannte Raucherclubs und die bis Ende 2008 befristete nachträgliche Ausnahmeregelung für Festzelte seien ebenfalls verfassungswidrig.

2. Einen von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 24. Februar 2009 gestellten Antrag, die Anwendung des Art. 2 Nr. 8 GSG 2007 bis zur Entscheidung über die Popularklage auszusetzen, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof am 2. Juni 2009 unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entscheidungen vom 27. August und 9. Dezember 2008 abgelehnt.

3. Nach einem Hinweis des Verfassungsgerichtshofs auf das Änderungsgesetz vom 27. Juli 2009 hat die Antragstellerin erklärt, die Popularklage richte sich sowohl gegen die ursprüngliche als auch gegen die ab 1. August 2009 geltende Gesetzesfassung. An der verfassungsgerichtlichen Kontrolle der früheren Fassung bestehe ein objektives Interesse, da wegen Verstößen gegen die damaligen Bestimmungen noch Bußgeldverfahren gegen den Geschäftsführer und eine Mitarbeiterin der Antragstellerin anhängig seien; zudem sei ein Verfahren zur Entziehung der Gaststättenerlaubnis eingeleitet worden. Die geänderte Fassung des Gesundheitsschutzgesetzes treffe innerhalb der getränkeorientierten Gastronomie willkürliche und nicht gerechtfertigte Unterscheidungen, da sie neben den Bier-, Wein- und Festzelten nur die getränkegeprägten Gaststätten mit weniger als 75 m² und ohne abgetrennten Nebenraum vom Rauchverbot ausnehme; die Popularklage werde auf diese einschränkende Regelung erweitert.

4. Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2010 hat die Antragstellerin erklärt, das Popularklageverfahren solle sich auch auf das ab 1. August 2010 geltende neue Gesundheitsschutzgesetz beziehen, für das die bereits vorgetragenen Argumente gleichermaßen gelten würden.

Mit weiterem Schriftsatz vom 21. Juli 2010 beantragt die Antragstellerin, bis zur Entscheidung über die Popularklage die Anwendung des Art. 2 Nr. 8 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GSG 2010 auszusetzen.

III.

1. Der Bayerische Landtag beantragt, die Popularklage abzuweisen.

2. Die Bayerische Staatsregierung verweist in ihrer die ursprüngliche Fassung des Gesundheitsschutzgesetzes betreffenden Stellungnahme vom 10. Dezember 2008 auf die zum damaligen Zeitpunkt bereits beabsichtigte Neuregelung. Im Übrigen nimmt sie auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofs Bezug, in denen die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt worden seien.

3. Der gemäß Art. 82 LWG am Verfahren beteiligte Beauftragte des dem Gesundheitsschutzgesetz vom 23. Juli 2010 zugrunde liegenden Volksbegehrens beantragt, die die Neufassung des Gesetzes betreffenden Anträge zurückzuweisen.

IV.

Die Popularklage ist jedenfalls teilweise unzulässig.

1. Soweit sich die Popularklage gegen Art. 2 Nr. 8, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 5 Abs. 1 Nr. 5 des Gesundheitsschutzgesetzes vom 20. Dezember 2007 in der vom 1. August 2009 bis zum 31. Juli 2010 geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2009 (GSG 2009) richtet, ist sie unter dem Gesichtspunkt der Wiederholung unzulässig.

Hat der Verfassungsgerichtshof in einem Popularklageverfahren die Verfassungsmäßigkeit einer landesrechtlichen Rechtsvorschrift festgestellt, so ist die Rechtslage geklärt und es soll dabei sein Bewenden haben. Ein erneuter Antrag nach Art. 98 Satz 4 BV gegen eine vom Verfassungsgerichtshof bereits für verfassungsmäßig befundene Rechtsvorschrift ist nur zulässig, wenn ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten ist oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte oder neue, in der früheren Entscheidung noch nicht gewürdigte Tatsachen geltend gemacht werden. Das gilt auch dann, wenn die angefochtene Vorschrift zwar nicht formell mit der vom Verfassungsgerichtshof bereits überprüften Regelung identisch ist, inhaltlich aber mit ihr übereinstimmt (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 22.7.1993 = VerfGH 46, 201/203; VerfGH vom 5.8.1999 = VerfGH 52, 91/94; VerfGH vom 26.10.2009 = BayVBl 2010, 140 m. w. N.; VerfGH vom 12.10.2010 = BayVBl 2011, 107/108; Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, RdNr. 38 zu Art. 98 m. w. N.; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, RdNrn. 52, 53 zu Art. 98 m. w. N.).

Die gegen das gesetzliche Rauchverbot in Gaststätten gerichtete Popularklage ist hiernach zumindest teilweise unzulässig. Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit der Verfassungsmäßigkeit des Gesundheitsschutzgesetzes vom 20. Dezember 2007 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2009 (GSG 2009) bereits in der Entscheidung vom 25. Juni 2010 (BayVBl 2010, 658) ausführlich befasst. Er ist dort aufgrund eingehender Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass mit dem in Art. 2 Nr. 8, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 5 Abs. 1 Nr. 5 GSG 2009 normierten grundsätzlichen Rauchverbot in Gaststätten weder die Eigentumsgarantie oder das Grundrecht der freien Berufsausübung der Gaststättenbetreiber noch die allgemeine Handlungsfreiheit der Raucher verletzt wurde und dass die damals geltende Ausnahme für kleine getränkegeprägte Einraumgaststätten nicht gegen den Gleichheitssatz verstieß (VerfGH BayVBl 2010, 658/665 f.). Neue rechtliche Gesichtspunkte oder Tatsachen, die in der Entscheidung vom 25. Juni 2010 noch nicht gewürdigt worden wären, wurden im vorliegenden Popularklageverfahren nicht geltend gemacht. Da seither auch kein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten ist, bedarf es keiner erneuten verfassungsrechtlichen Prüfung der angegriffenen Regelungen.

2. Soweit sich die Popularklage gegen Art. 2 Nr. 8 und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GSG in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2007 (GSG 2007) und in der Fassung des durch Volksentscheid beschlossenen Gesetzes vom 23. Juli 2010 (GSG 2010) richtet, bestehen in Anbetracht der genannten Grundsatzentscheidung vom 25. Juni 2010 ebenfalls Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags, nachdem die angegriffenen Vorschriften mit den vom Verfassungsgerichtshof bereits überprüften Bestimmungen wörtlich übereinstimmen (GSG 2010) bzw. sich davon nur durch den Zusatz „soweit sie öffentlich zugänglich sind“ unterscheiden (GSG 2007). Wegen des Fehlens gaststättenbezogener Ausnahmeregelungen, wie sie nach dem Änderungsgesetz vom 27. Juli 2009 zeitweise galten (Art. 5 Nr. 5, Art. 6 Abs. 1 GSG 2009), haben die Art. 2 Nr. 8 und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GSG 2007 sowie die derzeit geltenden Regelungen jedoch ein umfassenderes Rauchverbot zur Folge, sodass die für den Zeitraum August 2009 bis Juli 2010 ergangene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 25. Juni 2010 nicht unbesehen auf die vorher und nachher geltende Rechtslage übertragen werden kann. Insoweit kann daher die Popularklage trotz des im Wesentlichen identischen Wortlauts der zu überprüfenden Bestimmungen als zulässig angesehen werden.

3. Die Vorschriften des Gesundheitsschutzgesetzes 2007 sind allerdings außer Kraft getreten, sodass eine verfassungsgerichtliche Kontrolle nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommt. Außer Kraft getretene Rechtsvorschriften können mit der Popularklage nur angegriffen werden, wenn noch ein objektives (nicht nur theoretisches) Interesse an der Feststellung besteht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren (VerfGH vom 15.11.1996 = VerfGH 49, 153/157; VerfGH vom 28.11.2007 = VerfGH 60, 184/211). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nicht auszuschließen ist, dass sie noch rechtliche Wirkungen entfalten, etwa weil sie für künftige Entscheidungen relevant sind (VerfGH vom 15.11.2006 = VerfGH 59, 219/223; VerfGH vom 16.12.2010; Meder, RdNr. 11 zu Art. 98; Wolff, a. a. O., RdNr. 23 zu Art. 98 m. w. N.). Eine solche fortbestehende Rechtswirkung wäre hier zu bejahen, wenn in einem der Bußgeldverfahren, die auf Verstößen gegen die ursprüngliche Fassung des Gesundheitsschutzgesetzes beruhen, oder in dem wegen solcher Verstöße eingeleiteten Verfahren auf Widerruf der Gaststättenerlaubnis bisher keine bestandskräftige Entscheidung vorläge. Da dies nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden kann, ist auch insoweit von der Zulässigkeit der Popularklage auszugehen.

V.

Soweit die Popularklage zulässig ist, ist sie unbegründet. Die angegriffenen Vorschriften des derzeit geltenden (GSG 2010) und des ursprünglichen Gesundheitsschutzgesetzes (GSG 2007), aus denen sich ein striktes Rauchverbot in Gaststätten ergibt, sind auf der Grundlage der bisherigen Verfassungsrechtsprechung mit Art. 101, 103 Abs. 1 und Art. 118 Abs. 1 BV vereinbar und begegnen auch im Übrigen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

1. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 6. August 2008 (NJW 2008, 2701) – unter Bezugnahme auf sein zu den Nichtraucherschutzgesetzen der Länder Baden-Württemberg und Berlin ergangenes Urteil vom 30. Juli 2008 (BVerfGE 121, 317) – ausgeführt, dass die Regelungen des bayerischen Gesundheitsschutzgesetzes vom 20. Dezember 2007 (GSG 2007) über das Rauchverbot in Gaststätten weder Gaststättenbetreiber noch Raucher in den Grundrechten des Grundgesetzes verletzen. Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nicht gehindert, dem Gesundheitsschutz gegenüber den damit beeinträchtigten Freiheitsrechten, insbesondere der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Raucher, den Vorrang einzuräumen und ein striktes Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen (vgl. auch BVerfG vom 10.9.2009 = NVwZ 2010, 38 zum GSG 2009). Ein solches striktes Rauchverbot folge für die Innenräume öffentlich zugänglicher Gaststätten aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 2 Nr. 8 GSG 2007; Ausnahmen seien dabei nicht vorgesehen. Die aufgrund des Änderungsgesetzes vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 465) in Art. 11 Abs. 2 GSG vorgesehene Aufhebung des Rauchverbots u. a. für Bier-, Wein- und Festzelte stelle lediglich eine bis Ende 2008 befristete Übergangsregelung dar, die das dem Gesetz zugrunde liegende Regelungskonzept nicht infrage stelle. Soweit nach Art. 2 Nr. 8 GSG 2007 das

Rauchverbot nur in „öffentlich zugänglichen“ Gaststätten gelte und daraus in der Anwendungspraxis gefolgert werde, dass unter bestimmten Voraussetzungen „Raucherclubs“ nicht von dem Verbot erfasst würden, verletze dies weder die Freiheit der Berufsausübung noch liege darin eine Ungleichbehandlung oder unzumutbare Belastung bestimmter Gruppen von Gaststätten; den für die Anerkennung eines solchen Clubs geltenden Anforderungen könne auch in speziell ausgerichteten Gaststätten oder in Betrieben der getränkegeprägten Kleingastronomie nachgekommen werden.

Mittlerweile hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden, dass auch die durch Volksentscheid beschlossenen Regelungen des Gesundheitsschutzgesetzes vom 23. Juli 2010 (GSG 2010) zum Rauchverbot in Gaststätten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (BVerfG vom 2.8.2010 = BayVBl 2010, 723; BVerfG vom 2.8.2010 = GewArch 2010, 495). Entscheide sich der Gesetzgeber wegen des hohen Rangs der zu schützenden Rechtsgüter für ein striktes Rauchverbot in allen Gaststätten im Sinn von § 1 GastG, so dürfe er dieses Konzept konsequent verfolgen und müsse sich auch nicht auf Ausnahmeregelungen für reine Rauchergaststätten einlassen, zu denen Nichtraucher keinen Zutritt erhielten. Die Voraussetzungen einer solchen Ausnahme wären praktisch nicht zu kontrollieren und würden geradezu zur Umgehung des Verbots einladen. Eine stärkere Belastung von Inhabern bestimmter Gaststätten – bis hin zur Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz – sei angesichts der für alle Gaststätten geltenden Regelung durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Ein striktes Rauchverbot sei auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn es in Bayern inzwischen eine große Zahl rauchfreier Gaststätten geben sollte. Nach wie vor werde den Nichtrauchern unter den Gaststättenbesuchern dieser Schutz nicht aufgedrängt. Es sei dem Gesetzgeber unbenommen, ihnen eine umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Gaststätten zu ermöglichen, ohne dass sie sich dabei dem Tabakrauch aussetzen müssten. Gerade im Bereich der getränkegeprägten Kleingastronomie sei eine solche Teilhabe bislang allenfalls eingeschränkt möglich gewesen. Dass der Landesgesetzgeber zugleich einen konsequenten Schutz sämtlicher Beschäftigter in der Gastronomie anstrebe, sei von Verfassungs wegen ebenfalls nicht zu beanstanden.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner bereits genannten Entscheidung vom 25. Juni 2010 (BayVBl 2010, 658/659, 665) im Hinblick auf die ursprüngliche Fassung des Gesundheitsschutzgesetzes vom 20. Dezember 2007 (GSG 2007) festgestellt, dass die das Rauchverbot in Gaststätten betreffenden Fragen im Wesentlichen bereits durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt seien. Das Bundesverfassungsgericht habe im Beschluss vom 6. August 2008 ausgeführt, dass die damaligen Regelungen nicht gegen Grundrechte des Grundgesetzes verstießen. Dass die Rechtslage für die insoweit inhaltsgleichen Grundrechte der Bayerischen Verfassung anders zu beurteilen wäre, sei nicht ersichtlich. Der bayerische Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nicht gehindert gewesen, so wie zunächst geschehen, zum Schutz der Gesundheit vor Passivrauchen ein striktes Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen.

In weiteren Entscheidungen vom 24. September 2010 (BayVBl 2011, 43) und 4. November 2010 (BayVBl 2011, 141) hat der Verfassungsgerichtshof Anträge von Betreibern sogenannter Shisha-Cafés sowie der Betreiberin einer „Zigarren-Lounge“ auf einstweilige Außervollzugsetzung der derzeit für Gaststätten geltenden Rauchverbotsvorschriften abgelehnt, da die betreffenden Popularklagen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hätten. Es seien keine verfassungsrechtlich relevanten Umstände erkennbar, die es gebieten würden, derartige Lokale hinsichtlich des Rauchverbots anders zu behandeln als sonstige Gaststätten. Die auf Einraumgaststätten („Eckkneipen“) bezogene Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, das verfassungsgemäße Konzept eines strikten Rauchverbots für alle Gaststätten rechtfertige eine stärkere Belastung einzelner Gaststättenbetriebe bis hin zur Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz, gelte auch für die genannten Gaststättenbetriebe. Es bestehe keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, diese Lokale hinsichtlich des Rauchverbots anders zu behandeln als sonstige Gaststätten.

3. Die vorliegende Popularklage gibt zu einer anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung der angegriffenen Rauchverbotsregelungen keinen Anlass.

a) Das strikte Rauchverbot in Gaststätten verletzt weder die Betreiber noch die Besucher der Gaststätten in ihrem Grundrecht aus Art. 101 BV.

Das Grundrecht der Handlungsfreiheit, das den beruflichen und wirtschaftlichen Bereich mit umfasst und auf das sich auch private Wirtschaftsunternehmen berufen können (VerfGH vom 15.4.1994 = VerfGH 47, 77/86; VerfGH vom 23.12.2004 = VerfGH 57, 175/178), steht unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Die das Grundrecht einschränkenden Rechtsvorschriften müssen allerdings ihrerseits bestimmte Grenzen wahren, damit der Grundrechtsschutz nicht gegenstandslos wird. Art. 101 BV verbürgt nicht nur die Freiheit von ungesetzlichem Zwang, sondern setzt auch dem Normgeber selbst Schranken beim Erlass von Rechtsvorschriften, die in die Freiheits- oder Berufssphäre des Einzelnen eingreifen; insbesondere gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (VerfGH vom 14.11.2003 = VerfGH 56, 148/167 f.; VerfGH vom 29.5.2006 = VerfGH 59, 80/94).

aa) Nach den zu Art. 12 Abs. 1 GG entwickelten Maßstäben, die im berufsrechtlichen Anwendungsbereich des Art. 101 BV entsprechend gelten (VerfGH 57, 175/ 179), stellt das Rauchverbot in Gaststätten, für dessen Einhaltung die Betreiberin oder der Betreiber verantwortlich ist (Art. 7 Satz 1 Nr. 3 GSG), keine Berufswahlsperre, sondern nur eine Berufsausübungsregelung dar. Das Vorbringen der Antragstellerin, die angegriffenen Vorschriften verhinderten das Betreiben bestimmter Arten von Gaststätten („Raucherkneipen“), führt zu keiner anderen Bewertung, da es sich insoweit lediglich um auf ein spezielles Publikum ausgerichtete Schankwirtschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GastG) handelt, die kein eigenständiges Berufsbild des „Raucherkneipenwirts“ prägen.

Eine Regelung der Berufsausübung ist zulässig, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und wenn die durch sie bewirkte Beschränkung der Berufsausübung den Betroffenen zumutbar ist (VerfGH 57, 175/179). Die angegriffenen Regelungen der Art. 2 Nr. 8 und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GSG 2007 und GSG 2010 erfüllen diese Anforderungen.

(1) Der Schutz vor den Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen stellt ein auf vernünftigen Erwägungen beruhendes Gemeinwohlziel dar und kann daher grundsätzlich auch Beschränkungen der Berufsfreiheit von Gastwirten legitimieren. Dass sich die nicht rauchenden Besucher von Rauchergaststätten aufgrund eigenverantwortlicher Entscheidung der Belastung durch Tabakrauch aussetzen, stellt das gesetzgeberische Anliegen des Gesundheitsschutzes nicht infrage. Denn auch der freiwillige Besuch solcher Lokale bedeutet typischerweise kein Einverständnis mit einer Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen, sondern nur die faktisch unvermeidbare Inkaufnahme dieses Risikos, um uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben durch den Besuch einer ausgewählten Örtlichkeit teilnehmen zu können (VerfGH BayVBl 2010, 658/660, 665; BVerfGE 121, 317/ 349 f.). Von einer staatlichen Bevormundung oder einem aufgedrängten „Zwangsschutz“ kann demnach keine Rede sein. Da das strikte Rauchverbot auf einen umfassenden Schutz abzielt, hängt seine Verfassungsmäßigkeit entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht von dem empirischen Nachweis ab, dass es für Nichtraucher bisher an ausreichenden Möglichkeiten fehle, in Gaststätten rauchfreie Räume zu finden.

Die Annahme des bayerischen Gesetzgebers, dass Passivrauchen eine erhebliche Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung darstellt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Prognose und Einschätzung einer in den Blick genommenen Gefährdung kommt dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. In diesem Rahmen konnte er im Passivrauchen einen Anlass für gesetzliche Regelungen sehen (VerfGH BayVBl 2010, 658/ 660; BVerfGE 121, 317/350). Der von der Antragstellerin geforderte „sichere Nachweis“ der Verursachung bestimmter Krankheiten musste dafür nicht erbracht werden. Die Schwere der drohenden gesundheitlichen Schädigungen und das hohe Gewicht, das dem Schutz der menschlichen Gesundheit in der verfassungsrechtlichen Werteordnung zukommt, sprechen vielmehr dafür, selbst bei nicht völlig übereinstimmenden Positionen innerhalb der Wissenschaft eine ausreichende tatsächliche Grundlage für den Schutz vor Gesundheitsgefährdungen durch Passivrauchen als Gemeinwohlbelang anzuerkennen (BVerfGE 121, 317/353).

Fachbezogene Erwägungen des Gesetzgebers kann der Verfassungsgerichtshof nur daraufhin überprüfen, ob sie offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind; er kann nicht seine eigenen Wertungen und Einschätzungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen (vgl. VerfGH vom 5.11.1987 = VerfGH 40, 123/129; VerfGH vom 28.1.1988 = VerfGH 41, 4/9 m. w. N.; VerfGH 47, 77/83; VerfGH vom 12.10.1994 = VerfGH 47, 207/219). Eine offensichtlich fehlerhafte oder eindeutig widerlegbare Einschätzung des bayerischen Gesetzgebers bei der Bewertung der Gesundheitsgefahren liegt nicht vor. Der Gesetzgeber konnte sich auf zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen stützen, nach denen mit dem Passivrauchen schwerwiegende gesundheitliche Risiken verbunden sind (vgl. im Einzelnen LT-Drs. 15/8603 S. 7 sowie BVerfGE 121, 317/350 ff.). So hat etwa das Deutsche Krebsforschungszentrum in Zusammenarbeit mit dem Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Münster und dem Hygiene-Institut des Universitätsklinikums Heidelberg im Jahr 2005 erstmals Zahlen für die durch Passivrauchen erhöhte Sterblichkeit der nicht rauchenden Bevölkerung in Deutschland aufgrund von Lungenkrebs, chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und plötzlichem Kindstod veröffentlicht. Danach sterben in Deutschland jährlich über 3.300 Nichtraucher an den Folgen des Passivrauchens (Deutsches Krebsforschungszentrum, Passivrauchen – ein unterschätztes Gesundheitsrisiko, 2. Aufl. 2006, S. 33, http://www.tabakkontrolle.de). Ursächlich für die schädigende Wirkung des Passivrauchens ist der Tabakrauch, der aus der Raumluft eingeatmet wird. Dieser Rauch enthält sowohl den vom Raucher eingezogenen und wieder ausgeatmeten Hauptstromrauch als auch den Nebenstromrauch, der beim Verglimmen der Zigaretten zwischen den Zügen entsteht (VerfGH BayVBl 2010, 658/660).

(2) Das strikte Rauchverbot in Gaststätten ist zum Schutz vor Gefährdungen der Gesundheit durch Passivrauchen geeignet, weil es zur Verminderung der Tabakrauchexposition beiträgt und damit die für nicht rauchende Besucher bestehenden Gesundheitsrisiken reduziert. Das gesetzliche Verbot ist auch erforderlich, weil ein anderes, gleich wirksames, aber die Handlungsfreiheit der Betroffenen weniger einschränkendes Mittel nicht zur Verfügung steht (VerfGH BayVBl 2010, 658/660; BVerfGE 121, 317/354). Mit einer bloßen Kennzeichnungspflicht für Rauchergaststätten oder einer verbindlichen Ausweisung abgetrennter Nichtraucherbereiche hätte sich das gesetzgeberische Ziel, die Gefahren durch Passivrauchen in Gaststätten generell auszuschließen und damit auch Nichtrauchern die uneingeschränkte Teilnahme am dort stattfindenden gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, nicht erreichen lassen; zudem hätte sich die Einhaltung solcher Regelungen kaum kontrollieren lassen (BVerfG BayVBl 2010, 723/724). Nachdem die auf Speisegaststätten beschränkte Zielvereinbarung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) mit dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 1. März 2005 bis Anfang 2007 nicht einmal annähernd umgesetzt worden war, durfte der bayerische Gesetzgeber überdies zu der Einschätzung gelangen, dass sich der – auch für Schankgaststätten angestrebte – Nichtraucherschutz im Wege einer freiwilligen Selbstverpflichtung nicht ausreichend verwirklichen ließ (BVerfGE 121, 317/353 f.). Ebenso durfte der Gesetzgeber im Rahmen seines Einschätzungs- und Prognosespielraums aufgrund bisheriger Erkenntnisse davon ausgehen, dass durch den Einbau von Lüftungsanlagen in Gaststätten nicht dasselbe Schutzniveau erreicht werden kann (vgl. LT-Drs. 15/8603 S. 7; VerfGH BayVBl 2010, 658/660 f. m. w. N.).

(3) Die angegriffene Regelung ist für die betroffenen Gastwirte auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Die von dem Verbot ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen stehen in einem angemessenen und vernünftigen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz.

Das strikte Rauchverbot in Gaststätten stellt zwar für die Gastwirte einen schwerwiegenden Eingriff in die freie Berufsausübung dar, da die daraus möglicherweise resultierenden Umsatzrückgänge zu Einschränkungen oder sogar zur Schließung des Geschäftsbetriebs zwingen können. Dem steht aber gegenüber, dass der Gesetzgeber mit dem Rauchverbot in Gaststätten den grundrechtlichen Schutzauftrag aus Art. 100 und 101 BV erfüllt und damit überragend wichtige Gemeinwohlbelange verfolgt. Es liegt hierbei grundsätzlich in seinem Verantwortungsbereich zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise er Situationen entgegenwirkt, die nach seiner Einschätzung zu Schäden führen können. Dementsprechend kann er zum Schutz der Gesundheit vor Passivrauchen auch ein striktes Rauchverbot verhängen (VerfGH BayVBl 2010, 658/661; BVerfGE 121, 317/355 ff.).

Entscheidet sich der Gesetzgeber, wie in den angegriffenen Regelungen des ursprünglichen und des derzeitigen Gesundheitsschutzgesetzes geschehen, wegen des hohen Rangs der zu schützenden Verfassungsrechtsgüter für ein alle Gaststätten umfassendes Rauchverbot, so darf er dieses Regelungskonzept konsequent verfolgen und muss sich nicht auf Sonderregelungen etwa für getränkegeprägte Einraumgaststätten („Eckkneipen“) oder für solche Gaststätten einlassen, bei denen das Rauchen Teil des gastronomischen Konzepts ist (BVerfGE 121, 317/357 f.; BVerfG GewArch 2010, 495). Eine stärkere Belastung von Inhabern bestimmter Arten von Gaststätten – bis hin zur Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz – ist angesichts der für alle Gaststätten geltenden Regelung durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt, weshalb für solche Fälle weder Ausnahme- noch Härteregelungen erforderlich sind. Anderenfalls müsste entgegen der – von der Werteordnung der Verfassung gedeckten – Regelungskonzeption des Gesetzgebers in einem nicht unwesentlichen Teil des Gaststättengewerbes auf den Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren des Passivrauchens gänzlich und auf Dauer verzichtet werden. Die besonderen beruflichen und wirtschaftlichen Interessen bestimmter Gaststättenbetreiber können den Gesetzgeber jedoch nicht zwingen, seinen Entschluss zur strikten Verfolgung überragend wichtiger Gemeinwohlbelange in einem nicht unerheblichen Gefährdungsbereich völlig aufzugeben. Die vergleichsweise stärkere Belastung einzelner Betroffener ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt (BVerfGE 121, 317/358 f.).

bb) Die allgemeine Handlungsfreiheit der Raucher ist durch das strikte Rauchverbot in Gaststätten ebenfalls nicht verletzt. Es ist hinsichtlich der Auswirkungen auf Raucher nicht unverhältnismäßig. Da die angegriffenen Vorschriften das Rauchen nicht generell untersagen, sondern nur in den Innenräumen von Gaststätten und damit an öffentlich zugänglichen Orten, an denen andere Personen dem Passivrauchen ausgesetzt sind, werden die Raucher damit weder unzulässig bevormundet noch wird ihnen ein ungewollter Schutz vor Selbstgefährdung aufgedrängt (VerfGH BayVBl 2010, 658/660; BVerfGE 121, 317/359). Rauchwillige Personen werden auch nicht von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, zumal sie die Möglichkeit haben, die vom Rauchverbot erfassten Innenräume zum Rauchen vorübergehend zu verlassen. Der damit verbundene Aufwand ist ihnen angesichts der andernfalls drohenden Gesundheitsgefährdung unbeteiligter Dritter in jedem Fall zumutbar.

b) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 BV liegt schon deshalb nicht vor, weil das Rauchverbot nicht in den Schutzbereich des Eigentumsrechts der Gaststättenbetreiber eingreift. Zwar berührt das Verbot, in den Innenräumen von Gaststätten zu rauchen, auch das eigentumsrechtlich geschützte Hausrecht. Der Eingriffsschwerpunkt liegt hier aber nicht in der Begrenzung der Innehabung und Verwendung dieser Vermögensposition, sondern in der Beschränkung der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit von Gastwirten (VerfGH BayVBl 2010, 658/665; BVerfGE 121, 317/344 f.).

c) Das strikte Rauchverbot verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 118 Abs. 1 BV).

Dass die Betreiber bestimmter Gaststätten von dem unterschiedslos geltenden Verbot wirtschaftlich deutlich stärker betroffen sind als andere Gastwirte, zwingt aus den bereits genannten Gründen zu keiner differenzierenden Regelung. Traditionelle Bier- bzw. Raucherkneipen, in denen von jeher mehr geraucht wurde als etwa in Speisegaststätten, müssen auch nicht deshalb vom gesetzlichen Rauchverbot ausgenommen werden, weil die Besucher solcher Kneipen als weniger schutzwürdig anzusehen wären. Die aus Art. 100 und 101 BV abzuleitende Schutzpflicht, nach der die zuständigen staatlichen Organe sich schützend und fördernd vor das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit der Bürger zu stellen haben (VerfGH vom 30.4.1987 = VerfGH 40, 58/64; BVerfG vom 9.2.1998 = NJW 1998, 2961/2962), hängt nicht von der persönlichen Schutzwürdigkeit der Grundrechtsträger, sondern von ihrer objektiven Schutzbedürftigkeit ab. Insoweit besteht aber im Hinblick auf die gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens kein prinzipieller Unterschied zwischen den verschiedenen Gaststättenarten. Im Rahmen seines legislativen Gestaltungsspielraums darf der Gesetzgeber zwar bestimmte gastronomische Bereiche aus sachlichen Gründen von dem Rauchverbot ausnehmen (VerfGH BayVBl 2010, 658/665 f.); verfassungsrechtlich verpflichtet ist er dazu aber nicht.

Aus diesem Grund bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen den im ursprünglichen Gesundheitsschutzgesetz enthaltenen Zusatz, wonach das Rauchverbot in Gaststätten nur gilt, „soweit sie öffentlich zugänglich sind“ (Art. 2 Nr. 8 GSG 2007). Das Gesetz verweist damit auf ein bereits in der Legaldefinition des § 1 GastG enthaltenes Begriffsmerkmal und schließt geschlossene Gesellschaften von dem gesetzlichen Rauchverbot aus. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung kann darin ebenso wenig gesehen werden wie in der durch das Änderungsgesetz vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 465) zeitweilig erfolgten Aufhebung des Rauchverbots für bestimmte Bier-, Wein- und Festzelte (Art. 11 Abs. 2 GSG a. F.). Insoweit kann ergänzend auf die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 6. August 2008 (NJW 2008, 2701) verwiesen werden.

VI.

Durch die Entscheidung über die Popularklage hat sich der Antrag, die Anwendung der Art. 2 Nr. 8, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GSG 2010 durch einstweilige Anordnung auszusetzen, erledigt.

VII.

Es ist angemessen, der Antragstellerin eine Gebühr von 1.500 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).

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