Bayerischer VGH, Beschluss vom 16.12.2010 - 11 C 10.2719
Fundstelle
openJur 2012, 112428
  • Rkr:
Tenor

I. Die Verwaltungsstreitsachen 11 CS 10.2718 und 11 C 10.2719 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

III. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens 11 CS 10.2718 zu tragen.

IV. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren 11 CS 10.2718 auf 2.500,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

Am 5. Dezember 2009 wurde der Fahrer eines Personenkraftwagens, in dem sich der Antragsteller als Beifahrer aufhielt, um 1.40 Uhr einer polizeilichen Verkehrskontrolle unterzogen. In einer dem Fahrer an diesem Tag entnommenen Blutprobe wurden Amphetamin und Metamphetamin festgestellt. Im Fußraum der Beifahrerseite des Fahrzeugs und in dem an der Beifahrertüre befindlichen Ablagefach fand die Polizei je ein Verschlusstütchen, im Ablagefach außerdem ein Kunststoffröhrchen vor; diese Behältnisse enthielten Amphetamin bzw. Crystal-Amphetamin.

Der Fahrer des Kraftfahrzeugs äußerte sich am 5. Dezember 2009 nicht zur Sache. Der Antragsteller sagte am gleichen Tag bei seiner Einvernahme als Zeuge gegenüber der Polizei aus, er und der Fahrer hätten in dessen Auto Crystal in der Weise konsumiert, dass sie sich diese Droge "durch die Nase gezogen" hätten.

Bei einer am 22. Februar 2010 stattfindenden, erneuten polizeilichen Einvernahme des Fahrzeugführers als Beschuldigten, bei der ihm die Zeugenaussage des Antragstellers vom 5. Dezember 2009 vorgehalten wurde, erklärte der Fahrzeugführer, der Antragsteller habe das Amphetamin mitgebracht und ihm hiervon gegeben. Daraufhin wurde der Antragsteller durch die Polizei telefonisch als Beschuldigter einvernommen; er machte hierbei keine Angaben.

Nachdem das Landratsamt Forchheim den Antragsteller zu der Absicht angehört hatte, ihm wegen Konsums von Amphetamin die Fahrerlaubnis zu entziehen, wandte er durch seine anwaltlichen Bevollmächtigten ein, ein Konsum von Amphetamin durch ihn sei nicht nachgewiesen. Die gegenläufige Erklärung bei der Zeugeneinvernahme am 5. Dezember 2009 habe er nur abgegeben, weil er sich bereits zwei Stunden lang auf der Polizeiwache befunden habe und ihm daran gelegen gewesen sei, endlich Ruhe zu haben. Zwischenzeitlich habe er sich einmal Kaffee aus einem Automaten geholt, um nicht einzuschlafen. Hätte er tatsächlich die aufputschende Droge Crystal eingenommen, wäre diese Müdigkeit nicht nachvollziehbar. Er wisse nicht einmal, was "Crystal" bedeute und welchen Wirkstoff diese Substanz enthalte. Da er keine Erfahrungen mit Betäubungsmitteln besitze, könne es durchaus sein, dass er lediglich Mehl geschnupft habe; Drogenwirkungen habe er an sich jedenfalls nicht festgestellt. Sollte die Behörde gleichwohl davon ausgehen, dass er Betäubungsmittel eingenommen habe, liege ein Ausnahmefall im Sinn der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vor, da er Fahrer bei einem Paketdienst sei und ohne Fahrerlaubnis seinen Arbeitsplatz verlieren werde. Berücksichtigt werden müsse ferner, dass er seit Dezember 2009 Tausende von Kilometern im Straßenverkehr zurückgelegt habe, ohne auffällig geworden zu sein. Er sei bereit, sich regelmäßigen Drogentests zu unterziehen.

Durch Bescheid vom 24. August 2010 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S und gab ihm auf, seinen Führerschein unverzüglich bei der Behörde abzuliefern. Diese Anordnungen wurden für sofort vollziehbar erklärt. Falls der Antragsteller der Pflicht zur Abgabe des Führerscheins nicht innerhalb einer Woche nach der Zustellung des Bescheids nachkomme, werde ein Zwangsgeld zur Zahlung fällig.

Über die am 24. September 2010 zum Verwaltungsgericht Bayreuth erhobene Klage, mit der der Antragsteller u. a. die Aufhebung des Bescheids vom 24. August 2010 erstrebt, wurde nach Aktenlage noch nicht entschieden.

Den gleichzeitig gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich des Bescheids vom 24. August 2010 wiederherzustellen, lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 18. Oktober 2010 ab (Nummer 2 des Beschlusstenors). Unter der Nummer 1 des Tenors lehnte das Verwaltungsgericht das Begehren des Antragstellers ab, ihm für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm einen näher bezeichneten Rechtsanwalt beizuordnen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, soweit sich der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf die im Bescheid vom 24. August 2010 enthaltene Zwangsgeldandrohung beziehe, sei er wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da der Antragsteller bereits vor der Anrufung des Gerichts seinen Führerschein abgegeben habe, so dass die Anwendung von Verwaltungszwang nach Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG nicht mehr in Betracht komme. Im Übrigen bleibe der Antrag deswegen erfolglos, weil bei summarischer Prüfung davon auszugehen sei, dass der Antragsteller am 5. Dezember 2009 Metamphetamin konsumiert und er deswegen nach der Nummer 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung die Fahreignung verloren habe. Auch habe das Landratsamt die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet.

Mit der von ihm gegen die Nummern 1 und 2 des Beschlusses vom 18. Oktober 2010 eingelegten Beschwerde beantragt der Antragsteller, unter Abänderung dieser Entscheidung die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 24. August 2010 gerichteten Klage vom 24. September 2010 anzuordnen sowie "den Antrag auf Prozesskostenhilfe zu bewilligen". Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei formelhaft; sie erfülle die ihr vom Gesetzgeber zugedachte Warnfunktion nicht. Das Landratsamt habe sich namentlich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Antragsteller seit Dezember 2009 weder drogenauffällig geworden sei noch er einen Verkehrsverstoß begangen habe. In der Sache macht der Antragsteller geltend, er habe nie etwas mit Drogen zu tun gehabt und sich nur am fraglichen Tag einmal "etwas durch die Nase gezogen". Ob das bereits eine "Einnahme" von Amphetamin darstelle, sei höchst problematisch. Von einer Einnahme könne nur gesprochen werden, wenn der Betäubungsmittelkonsum im Blut nachgewiesen werde. Andernfalls erscheine es vorstellbar, dass die Droge, weil sie nicht "richtig geschnupft" worden sei, nie "im Blut angekommen" sei. Bei einer Vernehmung durch Polizeibeamte bestehe stets eine Drucksituation. Die Einvernahme des Antragstellers habe stundenlang gedauert; ihm sei nahe gelegt worden, er solle den Konsum von Amphetamin einräumen. Man habe ihm mitgeteilt, dass ein Konsum nicht strafbar sei und sich hieraus für ihn keine Auswirkungen ergäben. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei unverhältnismäßig, da er deswegen seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer nicht mehr nachgehen könne. Das gelte umso mehr, als er seine Drogenabstinenz nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht einmal durch eine Haaranalyse nachweisen könne.

Der Antragsgegner beantragt unter Verweis auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss, die Beschwerde gegen die Versagung von vorläufigem Rechtsschutz (Az. des Verwaltungsgerichtshofs: 11 CS 10.2718) und die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Az. des Verwaltungsgerichtshofs: 11 C 10.2719) zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und den vom Verwaltungsgericht beigezogenen Vorgang des Landratsamts verwiesen.

II.

Die Verbindung der Beschwerdeverfahren 11 CS 10.2718 und 11 C 10.2719 zur gemeinsamen Entscheidung beruht auf § 93 Satz 1 VwGO.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg, da sich aus dem Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht ergibt, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts der Aufhebung oder Abänderung bedarf.

Berücksichtigungsfähig sind hierbei nur die Ausführungen in der Beschwerdebegründungsschrift vom 15. November 2010 selbst. Soweit dort auf das Vorbringen im ersten Rechtszug verwiesen wird, hat das nicht zur Folge, dass diese Ausführungen damit wirksam zum Bestandteil der Beschwerdebegründung gemacht wurden. Aus dem in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ausdrücklich statuierten Gebot, dass sich die Beschwerdebegründung mit dem angefochtenen Beschluss auseinanderzusetzen hat, folgt, dass der Beschwerdeführer konkret aufzeigen muss, in welchen Punkten und weshalb die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus seiner Sicht nicht tragfähig ist. Das setzt voraus, dass er den Streitstoff prüft, sichtet und rechtlich durchdringt und sich mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses befasst (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, RdNr. 76 zu § 146). An der nötigen inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts fehlt es, soweit der Beschwerdeführer sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug wiederholt oder sogar nur hierauf verweist (vgl. OVG SH vom 31.7.2002 NJW 2003, 158; Guckelberger, a.a.O., RdNr. 77 zu § 146; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, RdNr. 41 zu § 146).

1. Zu Unrecht macht der Antragsteller geltend, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 24. August 2010 sei nicht in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet worden. Es trifft zwar zu, dass die insoweit einschlägigen Ausführungen, die sich im viertletzten bis vorletzten Absatz in Abschnitt B der Gründe dieses Bescheids finden, allgemein gehalten sind und sie auch in anderen Fällen in gleicher Weise zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehbarkeit einer Fahrerlaubnisentziehung herangezogen werden könnten. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde aber nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sie sich nach der gefestigten Spruchpraxis des beschließenden Senats zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch die Fälle des Fahrerlaubnisentzugs wegen fehlender Fahreignung gehören. Denn da die Teilnahme eines für ungeeignet erachteten Kraftfahrers am Straßenverkehr in aller Regel mit erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer einhergeht, gebietet es die Schutzpflicht, die der öffentlichen Gewalt von Verfassungs wegen für die Rechtsgüter "menschliches Leben" und "körperliche Unversehrtheit" obliegt (vgl. z.B. BVerfG vom 16.10.1977 BVerfGE 46, 160/164; vom 14.1.1981 BVerfGE 56, 54/73), dass die Behörde darauf Bedacht nimmt, einer als fahrungeeignet erkannten Person ehestmöglich die motorisierte Teilnahme am Straßenverkehr zu verwehren. Aus der Begründung der Sofortvollzugsanordnung im Bescheid vom 24. August 2010 ergibt sich, dass sich das Landratsamt von diesen Erwägungen hat leiten lassen, und dass es den Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr gegen das Aufschubinteresse des Antragstellers abgewogen hat.

2. Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung reicht nicht aus, um die Feststellung des Verwaltungsgerichts zu erschüttern, dass der Antragsteller nach der Nummer 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung wegen der Einnahme eines anderen Betäubungsmittels als Cannabis die Fahreignung verloren hat.

Soweit im Schriftsatz vom 15. November 2010 ausgeführt wird, bei Vernehmungen durch Polizeibeamte bestehe "immer eine Drucksituation", folgt aus dieser knappen, durch keine näheren Angaben substantiierten Behauptung nicht, dass der Antragsteller bei seiner Zeugeneinvernahme am 5. Dezember 2009 unzulässigen Vernehmungsmethoden im Sinn von § 136 a i.V.m. § 163 a Abs. 4 Satz 2 StPO ausgesetzt war (unter dieser Voraussetzung müsste er sich sein damals abgegebenes Geständnis einer Einnahme von "Crystal" nicht entgegenhalten lassen). Aus dem Hinweis auf eine angeblich "stundenlange" Vernehmung ergibt sich schon deshalb nicht in überzeugender Weise, dass der Antragsteller in dem Zeitpunkt, in dem er einen Konsum dieser Substanz eingeräumt hat, übermüdet und deswegen im Sinn von § 136 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 163 a Abs. 4 Satz 2 StPO in der Freiheit seiner Willensentschließung oder -betätigung beeinträchtigt war, weil seine polizeiliche Zeugeneinvernahme ausweislich der hierüber gefertigten Niederschrift um 3.53 Uhr begann und bereits um 4.12 Uhr endete. Dass diese Angaben unzutreffend seien, macht die Beschwerdebegründung ebenso wenig geltend wie sie behauptet, der Antragsteller sei bereits angesichts des Vernehmungszeitpunkts übermüdet gewesen.

Sollte die in ihr enthaltene Einlassung zutreffen, dem Antragsteller sei bei der Zeugenvernehmung erklärt worden, der Konsum von Betäubungsmitteln sei nicht strafbar, träfe dieser Hinweis angesichts der in den §§ 29 bis 30 b BtMG aufgezählten Straftatbestände zu. Sollte die ebenfalls in der Beschwerdebegründung aufgestellte Behauptung der Wahrheit entsprechen, wonach ihm die Polizei außerdem mitgeteilt habe, ein Betäubungsmittelkonsum werde für ihn "keine Auswirkungen" haben, so würde dieses Vorbringen gleichfalls nicht ausreichen, um daraus ein aus § 136 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 163 a Abs. 4 Satz 2 StPO resultierendes Verwertungsverbot herleiten zu können. Das würde voraussetzen, dass die Polizeibeamten den Antragsteller vorsätzlich falsch dahingehend unterrichtet haben, dass die Einnahme von "Crystal" für ihn auch in fahrerlaubnisrechtlicher Hinsicht keine Nachteile zeitigen könne. Denn eine "Täuschung" im Sinn von § 136 a Abs. 1 Satz 1 StPO setzt eine bewusste Irreführung voraus; fahrlässige Verstöße genügen hierfür nicht (BGH vom 7.6.1983 BGHSt 31, 395/400; vom 24.8.1988 BGHSt 35, 328/329). Der im strafprozessualen Schrifttum vertretenen Auffassung, unzutreffende Ausführungen rechtlicher Art von Vernehmungsbeamten stünden Täuschungen stets gleich (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, RdNr. 13 zu § 136 a), ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt (vgl. BGH vom 16.3.1989 Az. 1 StR 608/88 <juris>). Vielmehr verlangt er, damit eine "Täuschung" im Sinn von § 136 a Abs. 1 Satz 1 StPO angenommen werden kann, auch insoweit den gezielten Einsatz unzulässiger Mittel bzw. eine "bewusste Irreführung" (BGH vom 16.3.1989, ebenda). Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass den Polizeibeamten, die dem Antragsteller gegenüber angeblich geäußert haben, das Eingeständnis eines Betäubungsmittelkonsums werde für ihn keine Auswirkungen haben, hierbei auch die fahrerlaubnisrechtlichen Konsequenzen eines solches Verhaltens vor Augen gestanden haben, sie dem Antragsteller jedoch gleichwohl vorgespiegelt haben, auch insoweit könne ihm nichts "passieren". Da sich der Antragsteller bereits im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 20. August 2010 sowie in der Klageschrift zu den Umständen geäußert hat, unter denen es zu dem von ihm abgegebenen Geständnis gekommen sei, in jenen Schreiben aber von einer solchen Erklärung der Polizeibeamten noch keine Rede war, liegt zudem ein sich im Verfahrensverlauf steigerndes Vorbringen vor; diese Gegebenheit begründet Zweifel an der Richtigkeit der erstmals in der Beschwerdeinstanz aufgestellten Behauptung.

3. Der vorliegende Fall erfordert keine Entscheidung der Frage, ob der Tatbestand der Nummer 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung auch dann erfüllt ist, wenn eine geplante Drogeneinnahme gleichsam im Versuchsstadium steckengeblieben ist. Wenn in der Beschwerdebegründung geltend gemacht wird, angesichts des fehlenden Nachweises von Amphetamin in Körpersubstanzen des Antragstellers lasse sich seine Erklärung, er habe sich Crystal "durch die Nase gezogen", auch so verstehen, dass dieses Betäubungsmittel wegen eines Einnahmefehlers keine berauschende Wirkung habe entfalten können, handelt es sich hierbei nämlich um eine bloße Spekulation der Bevollmächtigten des Antragstellers, die in dessen Bekundungen keine Stütze findet. Wenn der Antragsteller am 5. Dezember 2009 gegenüber der Polizei kurz und bündig angab, er habe zusammen mit einem Dritten in dessen Auto "Crystal konsumiert", indem beide sich diese Droge "durch die Nase gezogen" hätten, so fehlt es angesichts dieser klaren Bekundungen an Anhaltspunkten jedweder Art dafür, dass eine Betäubungsmittelaufnahme nur beabsichtigt war, tatsächlich jedoch infolge eines Missgeschicks nicht stattfand. Das gilt umso mehr, als das "Schnupfen" von Drogen, die in Pulverform oder in Gestalt von Kristallinen zur Verfügung stehen, einen vergleichsweise einfachen Handlungsablauf darstellt, bei dem nicht mit signifikanter Wahrscheinlichkeit mit einem Fehlschlagen des Aufnahmevorgangs gerechnet werden muss.

4. Die Behauptung des Antragstellers, er enthalte sich seit dem Dezember 2009 des Betäubungsmittelkonsums, ist in der konkreten Verfahrensgestaltung ungeeignet, der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 24. August 2010 durchgreifend entgegengehalten zu werden. Hat eine Person einen Sachverhalt verwirklicht, der zum Verlust der Fahreignung führt, so hat die Behörde ihr nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV zwingend die Fahrerlaubnis zu entziehen. Am Erlass eines solchen Verwaltungsakts ohne vorherige zusätzliche Sachverhaltsaufklärung ist sie nur dann gehindert, wenn der Betroffene einwendet, er habe zwischenzeitlich die Fahreignung wiedererlangt, und sich nicht ausschließen lässt, dass diese Behauptung zutreffen könnte, oder unabhängig vom Vorbringen des Betroffenen hinreichend gewichtige Gesichtspunkte eine Wiedererlangung der Fahreignung als möglich erscheinen lassen. Da die öffentliche Verwaltung nach Art. 24 Abs. 2 BayVwVfG auch dem Betroffenen günstige Umstände von Amts wegen aufzuklären hat, ist es in solchen Fällen geboten, der Frage der etwaigen Wiedererlangung der Fahreignung bereits im Entziehungsverfahren nachzugehen (vgl. grundlegend BayVGH vom 9.5.2005 BayVBl 2006, 18).

Der Antragsteller kann bis zu dem Zeitpunkt, auf den bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 24. August 2010 abzustellen ist, die Fahreignung jedoch noch nicht wiedererlangt haben. Die Wiedergewinnung der Fahreignung, die wegen des Konsums anderer Betäubungsmittel als Cannabis verloren gegangen ist, setzt nach der Nummer 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung im Regelfall voraus, dass sich der Betroffene nachweislich ein Jahr lang des Konsums von Drogen enthalten hat und gewährleistet ist, dass dieser Verhaltenswandel von Dauer ist, d.h. er auf einem tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandel beruht. Ist die im Regelfall zurückzulegende einjährige Abstinenzfrist seit dem letzten nachweisbaren Konsumakt bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt noch nicht verstrichen, kann es schon deshalb - vorbehaltlich eines Ausnahmefalls im Sinn der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung - noch nicht zu einer Wiedererlangung der Fahreignung gekommen sein.

Da sich der Antragsteller dafür entschieden hat, den Bescheid vom 24. August 2010 unmittelbar mit der Klage anzugreifen, statt - wie das nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 6 AGVwGO stattdessen ebenfalls zulässig gewesen wäre - hiergegen zunächst Widerspruch einzulegen, bildet der Tag der Bekanntgabe derjenigen Verwaltungsentscheidung, die der Anrufung des Verwaltungsgerichts als letzte vorausging, den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt. Da zwischen dem 5. Dezember 2009 und der am 26. August 2010 erfolgten Zustellung des Entziehungsbescheids vom 24. August 2010 weniger als ein Jahr lag, konnte der Antragsteller die Fahreignung bis dahin selbst dann nicht wiedererlangt haben, wenn es zutreffen sollte, dass er sich während dieser rund neun Monate des Betäubungsmittelkonsums vollständig enthalten hat. Dass bei ihm ein Ausnahmefall im Sinn der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegt, hat er in der Beschwerdebegründung nicht substantiiert behauptet.

Wenn es nach alledem bei der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vom 24. August 2010 sein Bewenden hat, so liegt darin weder ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch gegen das Grundrecht des Antragstellers auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Sollte es zutreffen, dass er Berufskraftfahrer ist, vermag er dieser Tätigkeit während der Zeit, in der er über keine Fahrerlaubnis verfügt, zwar nicht nachzugehen. Dieser Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist jedoch durch gewichtige Belange des Gemeinwohls - nämlich durch das Erfordernis, das Leben und die Gesundheit Dritter vor Beeinträchtigungen zu schützen, die sich aus der motorisierten Verkehrsteilnahme eines Rauschgiftkonsumenten ergeben können - gerechtfertigt. Da diesen Belangen nach der Wertordnung des Grundgesetzes der Vorrang vor dem Erwerbsinteresse des Antragstellers zukommt, ist der Eingriff in die Berufsfreiheit auch verhältnismäßig.

Hat es das Verwaltungsgericht nach alledem aber zu Recht abgelehnt, der anhängigen Klage aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, so kann der Antragsteller mangels hinreichender Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung auch nicht beanspruchen, dass ihm für das erstinstanzliche Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts bewilligt wird. Zwar kennt das Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe keine dem § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vergleichbare Beschränkung des Prüfungsumfangs des Rechtsmittelgerichts. Dem Verwaltungsgerichtshof sind jedoch keine Gesichtspunkte ersichtlich, die unabhängig vom Vorbringen des Antragstellers im Verfahren 11 CS 10.2718 dafür sprechen, dass dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hätte stattgegeben werden müssen. Zutreffend - und seitens des Antragstellers unwiderlegt - hat das Verwaltungsgericht im letzten Absatz des Beschlusses vom 18. Oktober 2010 im übrigen darauf hingewiesen, dass der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 115 Abs. 4 ZPO bereits der Umstand entgegensteht, dass die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vier Monatsraten zu je 115,00 €, wie sie dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zumutbar sind, nicht übersteigen. Die gegen die Nummer 1 des Beschlusses vom 18. Oktober 2010 gerichtete Beschwerde war deshalb ebenfalls zurückzuweisen.

Die in der Sache 11 CS 10.2718 getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung für dieses Verfahren auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG und den Empfehlungen in den Abschnitten II.1.5 Satz 1 und II.46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327). In der Sache 11 C 10.2719 bedarf es eines Kostenausspruchs und einer Streitwertfestsetzung nicht, da sich bereits aus § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG ergibt, dass der Antragsteller die in diesem Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten zu tragen hat, außergerichtliche Kosten der Beteiligten insoweit gemäß § 127 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 166 VwGO nicht erstattet werden, und bei der Zurückweisung einer Beschwerde, die sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe richtet, nach der Nummer 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz nur eine Festbetragsgebühr fällig wird.