FG München, Urteil vom 26.10.2010 - 2 K 655/10
Fundstelle
openJur 2012, 111550
  • Rkr:
Tatbestand

I. Streitig ist, ob ein Investitionsabzugsbetrag zu berücksichtigen ist.

Die Kläger sind Ehegatten, die im Streitjahr 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2007 machten sie einen Investitionsabzugsbetrag  in Höhe von 23.440 €, nämlich 40% aus den Anschaffungskosten in Höhe von 58.600 € für eine im Folgejahr 2008 angeschaffte Photovoltaikanlage Gewinn mindernd bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb geltend.

Mangels Vorlage eines Nachweises über eine verbindliche Bestellung berücksichtigte der Beklagte (Finanzamt –FA-) den Investitionsabzugsbetrag im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 21. Januar 2009 nicht.

Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA -nach Erlass des Steueränderungsbescheids vom 16. November 2009- mit Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2010 als unbegründet zurück (festgesetzte Einkommensteuer: 28.504 €). Das erst im Einspruchsverfahren zum Nachweis der verbindlichen Bestellung in 2007 vorgelegte „Angebot“ einer Firma X vom 17. Dezember 2007 sei nicht anzuerkennen, da es im Nachhinein erstellt worden sei.

Die Klage wird damit begründet, dass sich die Kläger während des gesamten Jahres 2007 intensiv mit der Installation einer Photovoltaikanlage auf ihrem Anwesen in der ……Straße beschäftigt hätten. Hierüber hätten sie auch mit ihrem steuerlichen Vertreter mehrmals gesprochen. Die Installation sei wegen der höheren Einspeisevergütung bereits für das Jahr 2007 vorgesehen gewesen. Die Einspeisevergütung sei auch Kalkulationsgrundlage für den Anschaffungspreis gewesen, der Modulpreis von ….. €/kWp sei bereits fest vereinbart worden. Nach der Dachbesichtigung seien jedoch -zunächst zu behebende- Mängel am Dach festgestellt worden, die erst Anfang 2008 hätten beseitigt werden können. In diesem Zuge sei sofort die Photovoltaikanlage installiert und bereits am 28. April 2008 nach Inbetriebnahme in Rechnung gestellt worden. Eine Prognoseentscheidung sei im Streitfall nicht erforderlich gewesen, da eine 20-jährige Einnahmesicherheit nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bestehe. Eine verbindliche Bestellung sei vom Gesetz nicht gefordert. Die lt. BMF-Schreiben vom 8. Mai 2009, BStBl I 2009, 633, uneingeschränkte Übernahme des Erfordernisses der verbindlichen Bestellung, das für die ehemalige Ansparrücklage gegolten habe, sei nicht nachvollziehbar. Denn der Investitionsabzugsbetrag sei bei Nichtinvestition vollumfänglich rückwirkend aufzulösen. Ein Missbrauch sei daher ausgeschlossen.

Neben einem in Kopie nachgereichten, als „Angebot“  bezeichneten Beleg der Firma X vom 6. Dezember 2007 legten die Kläger eine schriftliche Bestätigung des Inhabers der Fa. X vom 13. September 2010 vor, in der dieser bestätigte, dass der Kläger am 6. Dezember 2010 eine Photovoltaikanlage zum Preis von 58.600 € zuzüglich Umsatzsteuer verbindlich bestellt habe. Zudem habe die Ehefrau des Inhabers der mit der Dachsanierung beauftragten Dachdeckerfirma telefonisch bestätigt, dass die Dachsanierung nach dem Willen der Kläger noch in 2007 hätte stattfinden sollen, aber von der mit Aufträgen ausgebuchten Dachdeckerfirma erst in 2008 habe ausgeführt werden können.

Die Kläger beantragen,unter Änderung des Steueränderungsbescheids vom 16. November 2009 und der Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2010 die Einkommensteuer 2007 unter Ansatz eines Investitionsabzugsbetrags in Höhe von 23.440 € festzusetzen.

Das FA beantragt,die Klage abzuweisen.

Hierzu werde auf die Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2010 verwiesen. Insbesondere läge nicht der im Streitfall laut BMF-Schreiben vom 8. Mai 2009, BStBl I 2009, 633, erforderliche Nachweis einer verbindlichen Bestellung vor. Weder der nachgereichte Beleg der Firma X (= “Angebot“ vom 6. Dezember 2007), der wegen identischer (Rechtschreib-) Fehler offensichtlich im Nachhinein anhand der Rechnungsdaten aus der Rechnung vom 28. April 2010 gefertigt worden sei, noch die nachträgliche Bestätigung des Inhabers der Firma X vom 13. September 2010 erfüllten diese Nachweisvoraussetzung. Es sei nicht einmal eine Auftragsbestätigung vorgelegt worden. Auch die Zeugenvernehmung habe keine verbindliche Bestellung oder eine auf andere Weise ausreichend konkretisierte Investitionsabsicht ergeben.

Der Inhaber der Firma X wurde aufgrund Beweisbeschlusses vom 24. September 2010 in der mündlichen Verhandlung als Zeuge vernommen

Ergänzend wird auf die Aufklärungsanordnung vom 7. Juni 2010 und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom  26.Oktober 2010 verwiesen.

Gründe

II. Die Klage ist begründet.

1. Das FA hat den beantragten Investitionsabzugsbetrag zu Unrecht nicht berücksichtigt, da die Kläger die hierfür erforderliche und allein streitige Investitionsabsicht in ausreichender Weise nachgewiesen haben.

Gemäß § 7g Abs. 1 S. 1 des Einkommensteuergesetzes  in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 (EStG) können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40% der voraussichtlichen Anschaffungskosten gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag). Voraussetzung ist dafür nach § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG unter anderem, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich in den dem Abzugsjahr folgenden drei Wirtschaftsjahren anzuschaffen.

16Die neu eingefügte Tatbestandsvoraussetzung der Investitionsabsicht stellt zwar gegenüber der alten Fassung des § 7g EStG a.F., die lediglich eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen erforderte, eine strengere Anforderung dar (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 18. März 2010 X B 124/09, BFH/NV 2010, 1278; Kulosa in Schmidt, Kommentar zum EStG, 29. Aufl., § 7g, Rz. 13). Das heißt jedoch nicht, dass das für die Altfassung des § 7g Abs. 3 EStG a.F. entwickelte Nachweiserfordernis für die Bildung einer Ansparrücklage im Falle einer noch nicht abgeschlossenen Betriebseröffnung, also der Nachweis einer verbindlichen Bestellung von wesentlichen Betriebsgrundlagen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. April 2002 IV R 30/00, BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182), Eins-zu-eins für das Tatbestandsmerkmal der Investitionsabsicht nach § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG in gleich gelagerten Fällen zu übernehmen wäre. Denn das von der Rechtsprechung gebildete  -außertatbestandliche- Nachweiserfordernis der verbindlichen Bestellung beruht auf den Besonderheiten der Altfassung des § 7g EStG a.F., die für § 7 g EStG gerade nicht zutreffen. So sollte vor allem die nach § 7g EStG a.F. mögliche ungerechtfertigte Inanspruchnahme einer steuerlichen Förderung (Rücklagenbildung ins Blaue hinein) verhindert werden und zudem das unscharfe Tatbestandsmerkmal der „künftigen“ Investition des  § 7g Abs. 3 EStG a.F.  konkretisiert werden. In der Neufassung des § 7g EStG hat der Gesetzgeber die Missbrauchsgefahr schon dadurch erheblich gemindert, dass nach § 7g Abs. 3 und 4 EStG der Investitionsabzugsbetrag rückgängig zu machen ist, wenn die Voraussetzungen des § 7g Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b EStG vom Steuerpflichtigen in den dem Investitionsjahr folgenden Jahren nicht erfüllt werden. Auch ein nicht beabsichtigter Stundungseffekt (so Kulosa, a.a.O., § 7g, Tz. 5 am Ende) dürfte wegen der damit verbundenen Verzinsung der Steuernachforderung kaum eintreten.

Des Weiteren ist aus dem Umstand, dass das Nachweiserfordernis der verbindlichen Bestellung mangels eines gesetzlichen Anknüpfungspunktes schon nach der alten Rechtslage umstritten war (vgl. hierzu anhängiges Revisionsverfahren X R 16/08 sowie Kulosa, a.a.O., § 7g, Rz. 14) und dass der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Situation gleichwohl das Merkmal der Investitionsabsicht (§ 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG) eingefügt und -abgesehen von den geringen Dokumentationspflichten des § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EStG- keine Nachweiserfordernisse vorgesehen hat, zu schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Investitionsabsicht nach § 7g EStG vom Steuerpflichtigen auf jede Weise nachgewiesen werden können soll. Dies steht auch in Einklang mit dem Gesetzeszweck der Investitionsförderung, die nicht durch erhöhte Nachweisanforderungen konterkariert werden soll.

Hiervon ausgehend haben die Kläger den Nachweis für eine im Streitjahr vorliegende Investitionsabsicht erbracht.

Eine solche ergibt sich zwar nicht aus den -wie die Kläger selbst einräumen- im Nachhinein erstellten Belegen, zumal deren Inhalt in Widerspruch zur Aussage des Zeugen steht. Jedoch ist nach Auffassung des Gerichts aus der Einvernahme des Zeugen zweifelsfrei zu schließen, dass sich die Investitionsabsicht der Kläger bereits in 2007 auf andere Weise ausreichend konkretisiert hat.

Der Zeuge einigte sich nämlich bereits anlässlich einer im Oktober 2007 vorgenommenen Dachbesichtigung und -prüfung mit dem Kläger über den Umfang und den Preis der zu erstellenden Photovoltaikanlage. Bei der Dachbesichtigung stellte der Zeuge allerdings fest, dass das Dach mit einer Asbesthaut (bestehend aus Asbestplatten) versehen war. Er wies deshalb den Kläger darauf hin, dass die Entfernung der Asbesthaut zwingende Voraussetzung für die Installation der geplanten Aufdachphotovoltaikanlage ist, da andernfalls die Befestigung der Photovoltaikmodule zu einer -verbotenen- Verletzung der Asbestplatten führen würde. Daraufhin bemühten sich die Kläger in der Folgezeit um die Beauftragung einer Dachdeckerfirma. Die Dacharbeiten konnten aber letztlich erst im Frühjahr 2008 -mit einer vom Zeugen noch im Oktober 2007 genannten Firma- durchgeführt werden, da diese bereits für das Jahr 2007 mit Aufträgen vollständig ausgebucht war. Dieser Sachverhalt wurde vom Zeugen insoweit widerspruchsfrei, glaubwürdig und zur Überzeugung des Gerichts dargestellt.

Daraus ergibt sich entgegen der Ansicht des FA, dass die Kläger noch in 2007 einen konkreten Investitionsentschluss gefasst und nicht wieder aufgegeben haben. Denn die Dachsanierung, um die sich die Kläger noch im letzten Vierteljahr 2007 bemüht haben, war ausschließlich für die beabsichtigte Investition, nämlich die Installation der Photovoltaikanlage, erforderlich und bedeutete zudem einen erheblichen finanziellen Aufwand (ca. 24.000 €). Für sich gesehen und solange es unverletzt ist, erfordert ein Asbestdach nämlich keine Sanierung, da es als solches -wie von dem Zeugen auch insoweit glaubwürdig und nachvollziehbar dargelegt- nach damaligen Marktverhältnissen nicht einmal im Falle einer Veräußerung des Objekts mit einem wirtschaftlichen Nachteil verbunden war.

Für eine bereits in 2007 entstandene Investitionsabsicht spricht auch der Vortrag der Kläger, dass sie bestrebt gewesen seien, die höhere Einspeisevergütung des Jahres 2007 zu erzielen und daher die Installation möglichst noch in 2007 durchzuführen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 Finanzgerichtsordnung (FGO).