OLG München, Beschluss vom 06.04.2010 - 31 Wx 170/09
Fundstelle
openJur 2012, 107757
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München - Registergericht vom 13. November 2009 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Frage der Eintragungsfähigkeit der Amtsniederlegung sämtlicher Vorsitzenden des Vereins.

Mit Schreiben vom 24.08.2009, eingegangen beim Registergericht am 07.09.2009, wurde zur Eintragung ins Vereinsregister angemeldet:

„L. A., E. J. und G. R. haben gegenüber den anderen Vorstandsmitgliedern jeweils ihr Amt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Eintragung ihres Ausscheidens aus dem Vorstand ins Vereinsregister niedergelegt.“

Im beigefügten Auszug des Protokolls über die außerordentliche Vorstandssitzung am 24.8.2009 finden sich unter anderem folgende Tagesordnungspunkte:

„Top 4: Vollmachtserteilungen Um den Verein handlungsfähig zu erhalten, beschließt der Vorstand einstimmig, den Kollegen A. L. und H. S. jeweils einzeln umfassende Vollmacht für den Verein zu erteilen. Die Vollmacht umfasst insbesondere die Befugnis, Mitgliederversammlungen einzuberufen. Grundstücksgeschäfte dürfen nicht getätigt werden. Bezüglich Vereinbarungen mit dem Verein G.B. (…) e.V. wird Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens erteilt. Eine Mitgliederversammlung soll möglichst bald einberufen werden.

Top 5: Amtsniederlegungen Jedes der anwesenden Vorstandsmitglieder erklärt für sich gegenüber den anderen Vorständen, dass es sein Amt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Eintragung seines Ausscheidens aus dem Vorstand ins Vereinregister niederlegt. Die jeweils anderen Vorstandsmitglieder nehmen der Rücktritt an.“

Die Satzung des Vereins enthält u.a. folgende Bestimmungen:

„§ 6 Mitgliederversammlung … (2) Die Mitgliederversammlung ist vom Vorstand durch einfachen Brief einzuberufen. ... (4) Die Mitgliederversammlung ist ferner zuständig für: Beschlüsse über Satzungsänderung und Vereinsauflösung; … (d) Wahl des Vorstandes; … (5) Der Vorstand hat unverzüglich eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, wenn das Vereinsinteresse es erfordert oder 10 % der Mitglieder die Einberufung schriftlich und unter Nennung der Gründe fordern. …

§ 7 Vorstand (1) Der Vorstand besteht aus dem/der Vorsitzenden, den beiden Stellvertretenden (sic!) Vorsitzenden und ein bis vier BeisitzerInnen. (2) Je zwei Vorsitzende vertreten gemeinsam, die BeisitzerInnen vertreten nicht. (3) Der Vorstand wird auf zwei Jahre gewählt und bleibt bis zur nächsten Wahl im Amt. Scheidet eineR der Vorsitzenden vorzeitig aus, ist unverzüglich eine außerordentliche Mitgliederversammlung zur Nachwahl einzuberufen. Findet die nächste ordentliche Jahreshauptversammlung innerhalb von sechs Monaten ab dem vorzeitigen Ausscheiden aus (sic!), kann die Nachwahl auch in deren Rahmen stattfinden. Scheidet ein anderes Vorstandsmitglied vorzeitig aus, kann der Vorstand durch einstimmigen Beschluss einE NachfolgerIn kooptieren. Sofern er dies nicht tut und vor Ablauf der regulären Amtszeit noch eine Mitgliederversammlung stattfindet, hat bei dieser eine Nachwahl zu erfolgen. Die Amtszeit der nachträglich bestellten Vorstandsmitglieder endet zugleich mit der der regulär bestellten Vorstandsmitglieder. Wiederwahl ist zulässig.“

Mit Beschluss vom 13.11.2009 wies das Registergericht die beantragte Eintragung der Amtsniederlegung der Vorstandsmitglieder des Vereins zurück. Der Eintragung stehe entgegen, dass die Niederlegungserklärungen rechtsmissbräuchlich und unwirksam seien. Der gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde vom 06.12.2008 (richtig: 2009) half das Beschwerdegericht nicht ab.

II.

Die zulässige Beschwerde (§§ 374 Nr. 4, 382 Abs. 3 FamFG i.V.m §§ 58 ff. FamFG) ist nicht begründet. Zutreffend hat das Registergericht die Amtsniederlegungen der einzelnen Vorstandsmitglieder als rechtsmissbräuchlich und daher als nicht eintragungsfähig angesehen.

1. Der ehrenamtlich tätige Vorstand kann grundsätzlich sein Amt jederzeit niederlegen (OLG Frankfurt Rechtspfleger 1978, 134/135). Die Niederlegung darf jedoch nicht zur „Unzeit“ erfolgen, sondern sie muss dem Verein angemessene Zeit lassen, das freiwerdende Vorstandsamt anderweit zu besetzen. Eine solche „Unzeit“ wird in der Regel dann angenommen, wenn durch die Amtsniederlegung die zur Vertretung des Vereins erforderlichen Vorstandsmitglieder nicht mehr vorhanden sind oder – sofern der Vorstand nur aus einer Person besteht – wenn der Verein zeitweilig handlungsunfähig wird (Sauter/Schweyer/Waldner Der eingetragene Verein 18. Auflage Rn. 274). Eine zur Unzeit erklärte Amtsniederlegung wird jedoch dennoch, unter Verpflichtung von Ersatz des dadurch dem Verein entstandenen Schadens, als wirksam erachtet, es sei denn, dass feststeht, dass die Niederlegung aus unredlichen oder gegen Treu und Glauben verstoßenden Gründen (§ 242 BGB) erklärt wurde (BGH NJW-RR 2007, 185 für den Fall der Niederlegung des Amtes durch den einzigen Vorstand eines eingetragenen Vereins ohne Bestellung eines neuen gesetzlichen Vertreters nach der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung).

132. Ausgehend von diesen Grundsätzen erweisen sich die erklärten Amtsniederlegungen der einzelnen Vorstandsmitglieder als nicht eintragungsfähig, da diese rechtsmissbräuchlich und treuwidrig sind. Die Erklärungen der einzelnen Amtsniederlegungen stellen eine Umgehung der gesetzlichen und satzungsrechtlichen Anforderungen an eine Niederlegung des Amtes des Vorstandes dar und führen zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte der Mitglieder.

a) Die Amtsniederlegung eines Vorstandsmitglieds ist nach allgemeiner Meinung eine einseitige, empfangsbedürftige organschaftliche Erklärung, die gegenüber dem Bestellungs- und Abberufungsorgan (regelmäßig die Mitgliederversammlung) oder – soweit die Niederlegung außerhalb einer Mitgliederversammlung erklärt wird – an eines der übrigen Vorstandsmitglieder (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 BGB) zu richten ist (Soergel/Hadding BGB 13. Auflage § 27 Rn. 16; MünchKommBGB/Reuter 5. Auflage § 27 Rn 34; Bamberger/Roth/Schwarz/Schöpflin BGB 2. Auflage § 27 Rn 10; Reichert Vereins- und Verbandsrecht 12. Auflage Rn. 2316; Sauter/Schweyer/Waldner Der eingetragene Verein 18. Auflage Rn. 275; Stöber Handbuch zum Vereinsrecht 9. Auflage Rn. 267). Ist dies nicht möglich, so z.B. bei Erklärung der Amtsniederlegung außerhalb einer Mitgliederversammlung durch einen Einzelvorstand (vgl. § 181 BGB) oder durch das letzte Vorstandsmitglied, ist nach überwiegender Meinung ein Notvorstand gemäß § 29 BGB zu bestellen, gegenüber dem die Amtsniederlegung dann erklärt werden kann (Soegel/Hadding aaO; MünchKommBGB/Reuter aaO; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht aaO). In der Regel ist jedoch in diesen Fällen die Einberufung der Mitgliederversammlung geboten, weil das Interesse des Vereins die schnellstmögliche Bestellung eines neuen Vorstandes erfordert (MünchKommBGB/Reuter aaO). Durch die vorrangige Pflicht zur Einberufung der Mitgliederversammlung wird damit zugleich das Recht der Mitglieder zur Wahl und Bestellung des Vorstandes gewährleistet. Soweit eine Einberufung nicht möglich ist, sichert die Bestellung eines Notvorstandes die Handlungsfähigkeit des Vereins nach innen und außen.

b) Diesen Grundsätzen widerspricht die Vorgehensweise der Vorstandsmitglieder in erheblicher Weise.

Indem die einzelnen Niederlegungserklärungen auf den Zeitpunkt ihrer Eintragung bezogen werden, wird zwar sichergestellt, dass die Erklärungen gegenüber (noch) wirksam bestellten Vorstandsmitgliedern abgegeben werden können. Bei deren Eintragung führt dies aber zur Amtsniederlegung aller Vorstandsmitglieder, so dass der Verein keinen gesetzlichen Vertreter mehr hat. Die Frage, ob der Umstand, dass der Verein wegen der Amtsniederlegung zeitweise keinen gesetzlichen Vertreter hat, allein einen Rechtsmissbrauch begründen kann (verneinend Reichert aaO Rn. 2318), kann dahinstehen, da vorliegend weitere Anhaltspunkte vorliegen, die eine rechtsmissbräuchliche Niederlegung der Ämter der Vorstandsmitglieder belegen.

17(aa) Das Fehlen eines gesetzlichen Vertreters ist allein auf die gewählte Art und Weise der Amtsniederlegung durch die Vorstandsmitglieder zurückzuführen, die im erheblichen Widerspruch zu den Satzungsbestimmungen des Vereins und den gesetzlichen Vorschriften für die Amtsniederlegung steht.

18Die Vorstandsmitglieder erklärten außerhalb einer Mitgliederversammlung kollektiv ihre Amtsniederlegung, ohne eine Mitgliederversammlung einzuberufen, obwohl § 7 Abs. 3 Satz 1 der Vereinssatzung selbst bei einem Ausscheiden nur eines der Vorsitzenden die unverzügliche Einberufung einer außerordentlichen Jahreshauptversammlung gebietet. Durch die von den Vorstandsmitgliedern gewählte Gestaltung der Amtsniederlegung wird die in § 7 Abs. 3 Satz 1 zum Ausdruck gebrachte Intention – umgehende Neubestellung des ausscheidenden Vorstandsmitgliedes durch die Mitgliederversammlung – übergangen und werden die Rechte der Mitgliederversammlung als Bestellungsorgan der Vorstandsmitglieder in schwerwiegender Weise beeinträchtigt.

19Die Amtsniederlegung tritt aufgrund der von den Vorstandsmitgliedern bewusst gewählten Formulierung zeitgleich mit deren Eintragung in das Vereinsregister ein. Durch die Formulierung wird zwar zum einen gewährleistet, dass die Vorstandsmitglieder, da noch wirksam bestellt, selbst noch ihre Amtsniederlegung zur Eintragung anmelden können. Andererseits wird durch diese Gestaltung der Niederlegung die Bestellung eines Notvorstandes verhindert. Eine solche Bestellung wäre nämlich bei einer „Ringniederlegung“, bei der die Vorstandsmitglieder einer nach dem anderen die Niederlegung ihres Amtes erklären, für den Empfang der Erklärung des Letzterklärenden erforderlich. Durch die Gestaltung der Amtsniederlegung mit gleichzeitiger Vollmachterteilung soll diese gesetzlich vorgesehene Verfahrensweise umgangen werden und - wie ausdrücklich erklärt - das Erfordernis der Bestellung eines Notvorstandes von vornherein vermieden werden. Die Bestellung eines Notvorstandes dient aber nicht nur der Gewährleistung des Empfangs der Niederlegungserklärung, sondern bezweckt zudem die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit des Vereins. Eine solche ist aber durch die kollektive Amtsniederlegung nicht mehr gegeben.

(bb) Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers wird die Handlungsfähigkeit des Vereins nicht durch die vorab erteilte Handlungsvollmacht zugunsten der beiden Bevollmächtigten sichergestellt. Diese Bevollmächtigung ist ihrerseits rechtsmissbräuchlich und treuwidrig.

(1) Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann sowohl das Registergericht als auch der Senat die Vorab-Bestellung von gewillkürten Vertretern durch den Vorstand in die Prüfung der Frage einer Rechtsmissbräuchlichkeit der Amtsniederlegung mit einbeziehen, da diese in unmittelbarem Zusammenhang mit der Amtsniederlegung steht und im Zuge der Eintragung der Amtsniederlegung vorgetragen wurde. Das Registergericht ist nämlich nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Eintragung zu prüfen, was auch die rechtliche Prüfung beinhaltet, ob die ihm mitgeteilten Tatsachen die begehrte Eintragung rechtfertigen (zum Prüfungsumfang für das Handelsregister vgl. Baumbach/Hopt HGB 34. Auflage § 8 Rn. 8).

(2) Grundsätzlich können auch bei einem Verein einem gewillkürten Vertreter durch den Vorstand satzungsmäßige Rechte im Wege einer Bevollmächtigung übertragen werden. Die Erteilung einer Vollmacht ist jedoch dann unwirksam, wenn dem Bevollmächtigten ohne entsprechenden Beschluss des satzungsmäßigen Bestellungsorgans Rechte in der Weise übertragen werden, dass die Bevollmächtigung im Ergebnis auf eine Einräumung unmittelbarer Vertretungsmacht hinausläuft (vgl. dazu auch BGH WM 1978, 1047 zur Umwandlung der bisherigen Gesamtgeschäftsführungs- in eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis ohne Vorliegen eines satzungsgerechten Beschlusses). Dies ist hier der Fall.

Den beiden Bevollmächtigten wird durch die ihr Amt niederlegenden Vorstandsmitglieder vorab, mit Ausnahme von Grundstücksgeschäften, umfassende Vollmacht für den Verein erteilt, die insbesondere auch die Befugnis zur Einberufung von Mitgliederversammlungen mit einschließt. Das Recht zur Einberufung einer Mitgliederversammlung ist aber gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 der Vereinssatzung dem Vorstand vorbehalten. Die Bevollmächtigung läuft daher im Ergebnis darauf hinaus, dass die Bevollmächtigten an die Stelle der ihr Amt niederlegenden Vorstandsmitglieder treten, und ihnen Rechte des Vorstandes übertragen werden, ohne hierfür von dem dazu an sich satzungsmäßigen Bestellungsorgan (vgl. § 6 Abs. 4 d) der Vereinssatzung) berufen worden zu sein. Hinzu kommt, dass den Bevollmächtigten durch die Vorstandsmitglieder ein Mehr an Vertretungsmacht erteilt wird, als diesen selbst in der Satzung eingeräumt wird. Während die satzungsmäßige Vertretungsregelung eine Vertretung des Vereins durch zwei Vorsitzende vorsieht, erhalten die Bevollmächtigten Einzelvertretungsbefugnis unter Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens bezüglich Vereinbarungen mit dem Verein G.B. (…) e.V.. Inwiefern eine solche Vollmachtserteilung, wie vorgetragen, geeignet sein soll, Schaden von dem Verein abzuwenden, erschließt sich dem Senat nicht. Vielmehr verletzt die Ausgestaltung der Vollmacht organschaftliche Rechte der Mitgliederversammlung (§ 32 Abs. 1 Satz 1 BGB) in schwerwiegender Weise.

c) Sofern die Vorstandsmitglieder weiterhin beabsichtigen ihr Amt kollektiv niederzulegen, so sind sie daher gehalten, eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, in dessen Rahmen sie die Niederlegung ihres Amtes erklären können. Eine kollektive Niederlegung aller vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder betrifft das Vereinsinteresse in erheblichem Maße und erfordert gemäß § 6 Abs. 5 der Vereinssatzung zwingend die Einberufung der Mitgliederversammlung. In dieser einberufenen Mitgliederversammlung kann auch schnellstmöglichst die Bestellung eines neuen Vorstandes, die gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BGB) und nicht durch eine Bevollmächtigung Dritter ersetzt werden kann, beschlossen werden. Ob sich die Befürchtung des Beschwerdevorbringens bewahrheitet, dass sich keine bereitwilligen Kandidaten für das Amt des Vorstandes finden lassen, wird sich dann zeigen. Eine solche Befürchtung ist jedenfalls kein hinreichender Grund für ein Absehen der Einberufung der Mitgliederversammlung.

3. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs. 2 KostO i.V.m. § 131 Abs. 4 KostO. Der Senat hält einen solchen i.H.v. 3000 € für angemessen. Dieser entspricht dem Regelgeschäftswert im Sinne des § 30 Abs. 2 S. 1 KostO. Eine höhere oder - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beschwerdeführer – niedrigere Bewertung des Geschäftswerts ist nach Auffassung des Senats nicht angezeigt. Eine Abänderung des von dem Registergericht festgesetzten Gegenstandswertes war daher nicht veranlasst.

4. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 70 FamFG).