Bayerischer VGH, Beschluss vom 25.03.2010 - 11 CS 09.2580
Fundstelle
openJur 2012, 106789
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 11.250,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller hatte zuletzt eine Fahrerlaubnis der Klassen A, CE und DE (samt der darin eingeschlossenen Klassen) inne.

Am 2. Juni 2008 um 10.00 Uhr wurde er als Führer eines Kraftfahrzeugs einer Verkehrskontrolle unterzogen. Er gab hierbei nach Aktenlage an, am Vortag zwischen 17.00 und 18.00 Uhr einen Joint geraucht zu haben. In dem ihm am 2. Juni 2008 um 11.47 Uhr entnommenen Blut wurden 4,7 µg/L THC und 55 µg/L THC-Carbonsäure vorgefunden.

In Beantwortung einer Anfrage der Antragsgegnerin, ob über den Antragsteller kriminalpolizeiliche Erkenntnisse vorlägen, teilte ihr die Landespolizei in einem Schreiben vom 27. Februar 2009 mit, am 14. September 2007 sei eine Trunkenheitsfahrt des Antragstellers verhütet worden. Auf Befragen habe er eingeräumt, am Vortag einen Joint konsumiert zu haben; außerdem sei er "Gewohnheitskiffer" und rauche regelmäßig.

Nach Anhörung des Antragstellers entzog ihm die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 24. Juli 2009 die Erlaubnis zum Führen von Fahrzeugen aller Klassen und gab ihm auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche ab der Zustellung des Bescheids, bei näher bezeichneten Dienststellen abzugeben. Diese Anordnungen wurden für sofort vollziehbar erklärt. Falls der Antragsteller die Pflicht zur Abgabe des Führerscheins nicht fristgemäß erfülle, wurde ihm ein Zwangsgeld angedroht.

Am 25. August 2009 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München, die aufschiebende Wirkung des von ihm behauptetermaßen mit gleicher Post gegen den Bescheid vom 24. Juli 2009 eingelegten Widerspruchs und einer nachfolgenden Klage anzuordnen.

Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 28. September 2009 als unbegründet ab. Dass der Antragsteller zumindest gelegentlicher Konsument von Cannabis sei, ergebe sich zum einen daraus, dass er bereits im Jahr 2007 gegenüber Polizeibeamten eingeräumt habe, einen Joint konsumiert zu haben und ein "Gewohnheitskiffer" zu sein. Zum anderen hätten er und sein Bevollmächtigter ausdrücklich bestätigt, dass der Antragsteller am 1. Juni 2008 gegen 17.00 Uhr einen Joint konsumiert habe. Da die THC- und die THC-Carbonsäurewerte, die bei der Untersuchung der am 2. Juni 2008 entnommenen Blutprobe ermittelt worden seien, nicht von diesem Cannabisgebrauch herrühren könnten, müsse der Antragsteller auch in engerem zeitlichen Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr und der Blutentnahme noch Cannabiszubereitungen zu sich genommen haben. Er habe dieses Betäubungsmittel deshalb mindestens zweimal - und damit "gelegentlich" - konsumiert. Nicht gänzlich ausgeschlossen sei es allerdings, dass der Antragsteller die aus diesem Grund verlorene Fahreignung inzwischen wiedererlangt haben könnte, da er - wenngleich erstmals in der Antragsschrift vom 21. August 2009 - behauptet habe, seit Juni 2008 drogenabstinent zu leben. Da das Ergebnis des Fahreignungsgutachtens, zu dessen Beibringung ihn die Widerspruchsbehörde deshalb auffordern müsse, nicht vorhersehbar sei, ließen sich die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens nicht beurteilen. Die vor diesem Hintergrund erforderliche Interessenabwägung falle zu Lasten des Antragstellers aus.

Mit der gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerde beantragt der Antragsteller, den Beschluss vom 28. September 2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 21. August 2009 sowie einer nachfolgenden Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Juli 2009 anzuordnen. Zur Begründung macht er geltend, er habe am 2. Juni 2008 eingeräumt, am Vortag einen Joint konsumiert zu haben. Nur eine dahingehende Erklärung enthalte auch die Antragsschrift vom 21. August 2009. Bereits damals habe er jedoch vorgetragen, dass er bei der Anhörung als Betroffener keine Angaben gemacht und dass ihm ein Polizeibeamter ohne Belehrung ein Blatt Papier zur Unterschrift vorgelegt habe, das Aussagen zu seinem angeblichen Cannabiskonsum am 1. Juni 2008 enthalte. Die in diesem Schriftstück enthaltenen Eintragungen stammten weder von seiner Hand noch sonst von ihm. Es entziehe sich seiner Kenntnis, wie diese Angaben in das Schreiben gekommen seien. Den Unterlagen, die seinen Bevollmächtigten im Weg der Akteneinsicht zur Verfügung gestellt worden seien, lasse sich nicht entnehmen, dass er im Jahr 2007 gegenüber Polizeibeamten eingeräumt habe, einen Joint konsumiert zu haben. Die Behauptung, er habe geäußert, ein "Gewohnheitskiffer" zu sein, wies der Antragsteller in der Beschwerdebegründung zurück.

Ein THC-Carbonsäurewert von 55 µg/L sei nicht geeignet, den Nachweis eines wiederholten Cannabiskonsums zu erbringen.

Seit dem 2. Juni 2008 lebe er abstinent. Als Beleg für diese Behauptung bezieht sich der Antragsteller auf einen der Beschwerdebegründung beigefügten Laborbericht, in dem das Ergebnis der Untersuchung von am 14. Oktober 2009 bei dem bescheinigenden Labor eingegangenem Urin referiert wird. Da er durch dieses Drogenscreening den Abstinenznachweis geführt habe, überwiege sein Interesse, am Straßenverkehr teilzunehmen, die gegenläufigen öffentlichen Belange, zumal er als Berufskraftfahrer dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei. Die Antragsgegnerin habe bisher weder über den Widerspruch entschieden noch ihn zur Vorlage eines Gutachtens oder sonstiger Nachweise aufgefordert. Die "Fiktion" seiner Nichteignung könne aufgrund der Untätigkeit der Verwaltungsbehörde keinen Bestand haben.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie habe am 20. November 2009 angeordnet, dass sich der Antragsteller einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen habe, in deren Rahmen er anhand von Drogenscreenings seine Abstinenz und durch ein psychologisches Explorationsgespräch seinen Einstellungswandel nachweisen könne.

Hinsichtlich des Vorbringens der Antragsgegnerin im Übrigen wird auf die Beschwerdeerwiderung vom 3. Dezember 2009, wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die von der Antragsgegnerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten Unterlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Der Zulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO steht es nicht entgegen, dass sich das Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 21. August 2009, mit dem diese behauptetermaßen Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Juli 2009 eingelegt haben, weder in den Gerichts- noch in den von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakten befindet. Denn aus den Ausführungen eingangs des drittletzten Absatzes der Beschwerdeerwiderung geht hervor, dass der Antragsgegnerin offenbar tatsächlich eine vom 21. August 2009 datierende Widerspruchserklärung vorliegt. Da der angefochtene Bescheid dem Antragsteller am 28. Juli 2009 zugestellt wurde, die Widerspruchsfrist mithin erst am 28. August 2009 endete, kann ferner mit einem für ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausreichenden Grad an Gewissheit davon ausgegangen werden, dass das Schreiben vom 21. August 2009 die Antragsgegnerin rechtzeitig erreicht hat.

Die Beschwerde bleibt in der Sache deshalb ohne Erfolg, weil sich aus dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung, auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht ergibt, dass der Beschluss vom 28. September 2009 der Aufhebung oder Abänderung bedarf.

1. Der Antragsteller wendet sich im Abschnitt 2 des Schriftsatzes seiner Bevollmächtigten vom 2. November 2009 gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, er sei im Sinn der Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung "gelegentlicher" Konsument von Cannabis.

Das Verwaltungsgericht hat seine diesbezügliche Überzeugung u. a. aus dem Umstand hergeleitet, dass der Antragsteller ausweislich der Mitteilung des Kriminalfachdezernats 10 des Polizeipräsidiums München vom 27. Februar 2009, die sich als Blatt 67 f. in der Akte der Antragsgegnerin befindet, bereits am 14. September 2007 eingeräumt habe, am Vortag einen Joint konsumiert zu haben und "Gewohnheitskiffer" zu sein. Ob das unsubstantiierte Bestreiten der Richtigkeit dieser Darstellung durch den Antragsteller in Verbindung mit der ihrerseits sehr knappen Schilderung in der Mitteilung vom 27. Februar 2009 dazu führt, dass diese polizeiliche Auskunft als Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung ausscheiden muss, kann dahinstehen. Denn das Verwaltungsgericht hat die Aussage, der Antragsteller habe Cannabis in Gestalt mindestens zweier selbständiger Konsumvorgänge - und damit "gelegentlich" - eingenommen, zusätzlich auf den Umstand gestützt, dass er im Anschluss an das von ihm eingeräumte Rauchen eines Joints am späten Nachmittag des 1. Juni 2008 dieses Betäubungsmittel seinem Körper noch einmal zugeführt haben muss. Diese Gewissheit hat das Verwaltungsgericht zum einen aus den wiederholten Bekundungen des Antragstellers, er habe am 1. Juni 2008 zwischen 17.00 und 18.00 Uhr einen Joint geraucht, zum anderen aus der Tatsache hergeleitet, dass angesichts der Abbaugeschwindigkeit von THC die bei ihm am 2. Juni 2008 um 11.47 Uhr vorhandene THC-Konzentration nicht allein auf den eingeräumten Konsumvorgang zurückgeführt werden könne.

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die den Abbau von THC im menschlichen Körper zum Gegenstand haben, hat der Antragsteller in der Beschwerdebegründung nicht angegriffen. Er wendet sich vielmehr allein gegen die Richtigkeit bzw. die Verwertbarkeit der Erklärungen, die den Betäubungsmittelgebrauch am 1. Juni 2008 betreffen.

Auch insoweit stellt er nicht in Abrede, dass er einen an diesem Tag stattgefundenen Cannabiskonsum gestanden hat. Denn auf Seite 2 der Beschwerdebegründungsschrift vom 2. November 2009 heißt es: "Der Antragsteller hat eingeräumt, dass er am Vortag einen Joint konsumiert hatte …". Eine damit wortgleich übereinstimmende Aussage findet sich eingangs des zweiten Absatzes im Abschnitt I.2 der Antragsschrift vom 21. August 2009. Die weiteren Ausführungen im Abschnitt 2 der Beschwerdebegründung können deshalb nur so verstanden werden, dass der Antragsteller entweder die Richtigkeit der Angabe bestreitet, der am 1. Juni 2008 erfolgte Konsum habe zwischen 17.00 und 18.00 Uhr stattgefunden, oder dass er die rechtliche Verwertbarkeit der polizeilichen Darstellungen verneint, in denen dieser Einnahmezeitraum genannt wird. Unter keinem dieser beiden Gesichtspunkte kann dem Beschwerdevorbringen indes gefolgt werden.

Die Angabe, der Antragsteller habe am 1. Juni 2008 zwischen 17.00 und 18.00 Uhr einen Joint geraucht, findet sich zum einen in dem als Blatt 63 in der Akte der Antragsgegnerin enthaltenen, mit "Protokoll und Antrag zur Feststellung von Medikamente[n]/Drogen im Blut" bezeichneten Schriftstück. Dieses Protokoll wurde außer von der aufnehmenden Polizeibeamtin auch vom Antragsteller unterzeichnet. Es enthält u. a. folgenden vorgedruckten Text:

"Mir wurde eröffnet, welche Tat mir zur Last gelegt wird. Ich wurde darauf hingewiesen, dass es mir nach dem Gesetz freisteht, mich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor dieser Vernehmung, einen von mir zu wählenden Verteidiger zu befragen, und dass ich zu meiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen kann …".

Selbst wenn der Antragsteller nicht mündlich gemäß § 136 Abs. 1 StPO belehrt worden sein sollte, konnte er sich jedenfalls anhand dieses Textes zutreffend darüber unterrichten, welche Rechte ihm als Beschuldigtem in einem Straf- bzw. als Betroffenem in einem bußgeldrechtlichen Verfahren zustehen. Nur ergänzend ist deshalb festzuhalten, dass er das am 1. Juni 2008 erfolgte Rauchen eines Joints ausweislich des als Blatt 61 f. in der Akte der Antragsgegnerin enthaltenen, über den Vorfall am 2. Juni 2008 erstellten Polizeiberichts erst "nach Belehrung" eingeräumt hat. Ebenfalls nur ergänzend ist vor diesem Hintergrund anzumerken, dass selbst ein etwaiger Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 StPO nicht die Unverwertbarkeit der von einem Beschuldigten oder Betroffenen gemachten Angaben in einem fahrerlaubnisrechtlichen Verwaltungsverfahren nach sich zöge (vgl. VGH BW vom 16.5.2007 NJW 2007, 2571; BayVGH vom 5.3.2009 Az. 11 CS 08.3046, RdNrn. 17 - 18 AU; vom 17.6.2009 Az. 11 CS 09.833, RdNrn. 11 f. AU).

Auch an der inhaltlichen Richtigkeit der Einlassung des Antragstellers, der am 1. Juni 2008 erfolgte Cannabiskonsum habe zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr stattgefunden, bestehen keine Zweifel. Neben der Tatsache, dass der Antragsteller das vorerwähnte, am 2. Juni 2008 erstellte Protokoll unterschrieben hat, spricht für die Verlässlichkeit der Angabe über den Zeitpunkt des Rauchvorgangs am 1. Juni 2008, dass er sich nach Aktenlage in gleicher Weise gegenüber dem die Blutentnahme durchführenden Arzt geäußert hat. Denn die im ärztlichen Bericht über die Blutentnahme (vgl. Blatt 64 der Akte der Antragsgegnerin) insoweit festgehaltenen Angaben beruhen nach der Überschrift des einschlägigen Abschnitts auf einer "Befragung" des Antragstellers; auch die in diesem Abschnitt ansonsten enthaltenen Informationen (z.B. über durchgemachte Krankheiten oder über eine stattgefundene Bluttransfusion) können ihrer Natur nach nur von ihm selbst stammen.

2. Soweit der Antragsteller im Abschnitt 3 der Beschwerdebegründung die unsubstantiierte Behauptung aufstellt, eine THC-Carbonsäure-Konzentration von 55 ng/ml sei nicht geeignet, den Nachweis des wiederholten Konsums von Cannabis und des Verlusts des Trennvermögens zu führen, geht dieses Vorbringen ins Leere. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung, der Antragsteller habe dieses Betäubungsmittel mehr als einmal gebraucht, (abgesehen von dem im Jahr 2007 eingeräumten Cannabiskonsum) nur aus der Abbaugeschwindigkeit des Wirkstoffs THC hergeleitet, ohne in diesem Zusammenhang zusätzlich auf den beim Antragsteller gemessenen THC-Carbonsäurewert abzustellen. Die Aussage, dass der Antragsteller gegen das Gebot verstoßen hat, zwischen der Einnahme von Cannabis und dem Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr zu trennen, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls ausschließlich auf die am 2. Juni 2008 im Blut des Antragstellers vorhandene THC-Konzentration gestützt (vgl. S. 10 unten/11 oben des angefochtenen Beschlusses).

3. Die Ausführungen in den Abschnitten 4 und 5 der Beschwerdebegründung stellen die Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Interessenabwägung nicht in Frage.

Das Verwaltungsgericht ging zutreffend davon aus, dass einem Betäubungsmittelkonsumenten auch dann, wenn er einen der Tatbestände verwirklicht hat, die nach der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung zum Verlust der Fahreignung führen, nicht mehr nach § 11 Abs. 7 FeV ohne weiteres die Fahrerlaubnis entzogen werden darf, wenn er entweder in nicht widerlegbarer Weise behauptet, zu einem Verhalten übergegangen zu sein, das - wenn diese Einlassung zutrifft - zur Wiedererlangung der Fahreignung führt, oder wenn unabhängig von einem solchen Vorbringen hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen (vgl. BayVGH vom 9.5.2005 BayVBl 2006, 18/19). Da die Fahreignung auch nach Verwirklichung eines der in der Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung genannten Sachverhalte in entsprechender Anwendung der Nummer 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in der Regel nur nach dem Ablauf eines Jahres seit dem Beginn des Verhaltenswandels wiedererlangt werden kann, hindert ein solches Vorbringen die Behörde - vorbehaltlich atypischer Fallgestaltungen - erst dann an einem Vorgehen nach § 11 Abs. 7 FeV, wenn seit dem behaupteten Beginn des Verhaltenswandels ein Jahr verstrichen ist. Liegt zwischen diesem Tag und dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt eine solche Zeitspanne, hängt der Ausgang eines Rechtsstreits, in dem über die sofortige Vollziehbarkeit einer Fahrerlaubnisentziehung zu befinden ist, vom Ergebnis einer Interessenabwägung ab, da nach dem Ablauf der "verfahrensrechtlichen Einjahresfrist" bei einer in Betracht zu ziehenden Verhaltensänderung nicht mehr zweifelsfrei feststeht, dass der Betroffene nach wie vor fahrungeeignet ist (vgl. BayVGH vom 9.5.2005, a.a.O., S. 22).

Diese Interessenabwägung hat sich an den Vorgaben zu orientieren, die das Bundesverfassungsgericht in Abschnitt D.I.2 seines Beschlusses vom 20. Juni 2002 (NJW 2002, 2378/2379 f.) aufgestellt hat. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben (vgl. BVerfG vom 16.10.1977 BVerfGE 46, 160/164) gebieten es danach, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen (BVerfG vom 20.6.2002, a.a.O., S. 2380). Ein Fahrerlaubnisinhaber muss den Entzug dieser Berechtigung dann hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen Sicherheit resultiert; dieses Risiko muss deutlich über demjenigen liegen, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist (BVerfG vom 20.6.2002, a.a.O., S. 2380). Eine Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug einer Fahrerlaubnis wird deshalb in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass der Betroffene nicht mehr fahrungeeignet ist oder sich abschätzen lässt, dass das von ihm ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt. Eine dem Betroffenen günstige Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kann namentlich dann verantwortet werden, wenn er von sich aus Nachweise beigebracht hat, die seine Behauptung stützen, er habe die Fahreignung wiedererlangt. Zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen kann es ferner, wenn es die Verwaltung trotz eines nach dem Vorgesagten beachtlichen Vorbringens unterlassen hat, dem Betroffenen die Beibringung eines Gutachtens aufzugeben, durch das die Richtigkeit seiner Behauptung überprüft wird, er habe von dem Verhalten Abstand genommen, das zum Verlust der Fahreignung geführt hat (vgl. zu alledem BayVGH vom 9.5.2005, a.a.O., S. 22).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, dazu, es bei der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vom 24. Juli 2009 zu belassen. Die Behauptung, er lebe seit dem Vorfall vom 2. Juni 2008 betäubungsmittelabstinent, hat der Antragsteller - folgt man zu seinen Gunsten der Darstellung der Antragsgegnerin im drittletzten Absatz der Beschwerdeerwiderung - erstmals im Widerspruchsschreiben vom 21. August 2009 aufgestellt. Auf dieses Vorbringen hat die Antragsgegnerin innerhalb - gerade noch - angemessener Frist dadurch reagiert, dass sie ihm nach unwidersprochen gebliebener Darstellung in der Beschwerdeerwiderung am 20. November 2009 aufgegeben hat, Nachweise über die geltend gemachte Drogenabstinenz beizubringen und die Stabilität und den tiefgreifenden Charakter des behaupteten Einstellungswandels durch den psychologischen Teil eines Fahreignungsgutachtens zu belegen.

Der im Beschwerdeverfahren vorgelegte Laborbericht kann bei der anzustellenden Interessenabwägung nicht zugunsten des Antragstellers berücksichtigt werden. Denn er lässt nicht einmal erkennen, ob der untersuchte Urin tatsächlich vom Antragsteller stammt, und ob der Harn unter Umständen gewonnen wurde, die eine Manipulation der Probe ausschließen. Ebenfalls unbekannt ist, ob die Urinabgabe an einem für den Antragsteller unvorhersehbaren Zeitpunkt erfolgte, oder ob er die Möglichkeit besaß, durch eine nur vorübergehende Betäubungsmittelabstinenz eine rückstandsfreie Harnprobe abzuliefern.

Veranlassung, dem eingelegten Widerspruch schon vor dem Ablauf von zwölf nachweislich drogenfrei zurückgelegten Monaten ("materiellrechtliche Einjahresfrist") und vor der Beibringung eines dem Antragsteller günstigen psychologischen Gutachtens aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, besteht auch deshalb nicht, weil sich der Antragsteller zu einer Abstinenzbehauptung erst nach dem Ergehen des Bescheids vom 24. Juli 2009 entschlossen hat. Das spricht umso mehr gegen einen auf innerer Überzeugung beruhenden und vom Wissen um die Rechtswidrigkeit und Gefährlichkeit seiner bisherigen Handlungsweise getragenen Entschluss, als die Antragsgegnerin den Antragsteller schon im Anhörungsschreiben vom 10. März 2009 in großer Ausführlichkeit auf die Möglichkeit hingewiesen hatte, bereits parallel zum Entziehungsverfahren Anstrengungen zu unternehmen, die auf eine Wiedererlangung der Fahreignung abzielen. Trotz der detailgenauen, rechtskonformen Darstellung der zu diesem Zweck erforderlichen Erklärungen (vgl. Seite 4 des Schreibens vom 10.3.2009) ist der Antragsteller - abgesehen von einer Bitte seiner Bevollmächtigten um Gewährung von Akteneinsicht - jedoch bis zum 21. August 2009 vollständig untätig geblieben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG und den Empfehlungen in den Abschnitten II.1.5 Satz 1, II.46.1, II.46.4, II.46.6 und II.46.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).