Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 25.02.2010 - Vf. 57-VI-08
Fundstelle
openJur 2012, 106179
  • Rkr:
Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.

2. Den Beschwerdeführern wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14. August 2007 Az. B 2 K 05.415.

Mit Bescheid vom 25. Mai 2004 lehnte das Landratsamt Kulmbach einen Bauantrag der Beschwerdeführer für den Ausbau einer Feldscheune zum Wirtschaftsgebäude mit Stallung und Aufenthaltsraum auf einem im Außenbereich gelegenen Grundstück ab.

Nachdem über einen hiergegen eingelegten Widerspruch nicht entschieden worden war, erhoben die Beschwerdeführer am 27. April 2005 Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 14. August 2007 ab. Das Bauvorhaben sei nach § 35 BauGB im Außenbereich nicht zulässig. Die Beschwerdeführer bewirtschafteten keinen landwirtschaftlichen Betrieb in Form der Pensionspferdehaltung (§ 201 BauGB) und könnten auch keine hinreichend konkrete Betriebsplanung für einen in Aufbau befindlichen Betrieb vorlegen. Das vorgesehene Gebäude diene zudem aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung keinem derartigen Betrieb, da ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs ein Gebäude nicht mit einem dreigeschossigen turmartigen Bauteil verbinden würde.

Der Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2008 abgelehnt. Für die Frage, ob ein Außenbereichsvorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB diene, komme es darauf an, ob es nach seiner Beschaffenheit, Gestaltung und Ausstattung durch den landwirtschaftlichen Betriebszweck erschöpfend geprägt werde und ob ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Davon könne bei einem Betriebsgebäude, das der Pensionspferdehaltung dienen solle und eine Stallfläche von lediglich ca. 58 m² aufweise, ersichtlich nicht gesprochen werden.

Gegen den ihrer Bevollmächtigten am 4. Februar 2008 zugestellten Beschluss erhoben die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26. Februar 2008 eine Anhörungsrüge. Mit Beschluss vom 20. März 2008, den Beschwerdeführern jeweils zugestellt am 29. März 2008, verwarf der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Anhörungsrüge als unzulässig. Der gesetzliche Vertretungszwang und die vorgeschriebene Frist von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von der geltend gemachten Gehörsverletzung seien nicht eingehalten worden.

II.

1. Mit der am 26. Mai 2008 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 91, 103, 104 und 118 BV sowie von Art. 151 und 166 Abs. 2 und 3 BV.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhe auf einer Stellungnahme des Landwirtschaftsamts Kulmbach vom 5. Juli 2007 zur künftigen Ertragskraft ihres Betriebs, derzufolge bei 6 ha Betriebsfläche kein „nennenswertes Einkommen“ erwirtschaftet werden könne. Dabei handle es sich um eine völlig unverbindliche Bestandsaufnahme vor Ausführung der beantragten Maßnahmen, die den messbaren Tatsachen widerspreche. Eine Stellungnahme des Staatlichen Veterinäramts Kulmbach, wonach die vorhandenen Futterflächen und die Gebäudekapazität für 20 Pferdeeinstellplätze ausreichten, habe das Gericht ebenso ignoriert wie einen bereits in der Klageschrift gestellten Beweisantrag. Auch das Landwirtschaftsamt Kulmbach habe in einer früheren gutachterlichen Stellungnahme vom Mai 2002 einen hinreichenden Ertrag und ein landwirtschaftliches Baurecht nach § 35 Abs. 1 BauGB ausdrücklich bestätigt. Dass der Vertreter des Landratsamts den Beschwerdeführern in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine Duldungszusage erteilt habe, sei weder im Verhandlungsprotokoll noch im Urteil vermerkt worden, sodass sich das Landratsamt ermächtigt gesehen habe, zur Sicherung unberechtigter Zwangsgeldandrohungen eine Zwangshypothek über 20.000 € im Grundbuch eintragen zu lassen. Ergänzend werde eine Überprüfung des in § 67 VwGO enthaltenen Anwaltsmonopols beantragt, das im Widerspruch zu Art. 91 Abs. 1 BV stehe.

In einem weiteren Schreiben vom 5. Dezember 2008 führen die Beschwerdeführer u. a. aus, das geplante Bauvorhaben weise keinen dreistöckigen Turm auf, da ein Kellerraum kein Turm sei. Das Argument, sie seien keine vernünftigen Landwirte, könne durch Beweiserhebung widerlegt werden. Nach der Verfassung stehe es jedem Landwirt frei, seinen Bauernhof den jeweiligen Ertragsnischen anzupassen. Dass die Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht mehrfach einen mündlichen Beweisantrag gestellt hätten, der vom Vorsitzenden nicht protokolliert worden sei, könnten neutrale Zeugen bestätigen. Die Verhinderungsstrategie der Kreisverwaltung beruhe auf der Befangenheit des derzeitigen Bauamtsleiters.

2. Das Bayerische Staatsministerium des Innern hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und darüber hinaus auch für unbegründet.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Soweit die Beschwerdeführer eine verfassungsgerichtliche Überprüfung des § 67 VwGO beantragen, ist die Verfassungsbeschwerde schon deshalb unzulässig, weil Rechtsetzungsakte nicht zu den behördlichen Maßnahmen im Sinn des Art. 120 BV gehören, die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können (vgl. Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, RdNr. 29 zu Art. 120 m. w. N.). Auch eine Umdeutung in eine Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV kommt hier von vornherein nicht in Betracht, da bundesrechtliche Normen, zu denen die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung gehören, nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung geprüft werden können und daher nicht Gegenstand einer Popularklage sein können (vgl. Wolff, a .a. O., RdNr. 18 zu Art. 98).

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14. August 2007 richtet, ist sie ebenfalls unzulässig.

a) Die Unzulässigkeit ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführer die Frist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG nicht eingehalten haben. Danach sind Verfassungsbeschwerden spätestens zwei Monate nach der schriftlichen Bekanntgabe der vollständigen letztgerichtlichen Entscheidung beim Verfassungsgerichtshof einzureichen; die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die im fachgerichtlichen Verfahren nicht mehr anfechtbare Entscheidung dem Beschwerdeführer oder seinem befugten Vertreter in schriftlicher Form bekannt gegeben worden ist (VerfGH vom 13.3.1981 = VerfGH 34, 47/49).

Nachdem die Verfassungsbeschwerde im vorliegenden Fall erst am 26. Mai 2008 erhoben wurde, wäre die Verfassungsbeschwerdefrist nur eingehalten, wenn als maßgebliche letztgerichtliche Entscheidung nicht der am 4. Februar 2008 zugestellte Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs im Berufungszulassungsverfahren, sondern der am 29. März 2008 zugestellte Beschluss im nachfolgenden Anhörungsrügeverfahren anzusehen wäre. Dieser Beschluss kann hier aber nicht zugunsten der Beschwerdeführer berücksichtigt werden, da die Anhörungsrüge offensichtlich unzulässig war. Durch die Einlegung eines offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfs wird nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs keine neue Beschwerdefrist in Lauf gesetzt (vgl. VerfGH vom 14.4.1989 = VerfGH 42, 50/52; Wolff, a. a. O., RdNr. 77 zu Art. 120 m. w. N.). Die Unzulässigkeit der – grundsätzlich statthaften – Anhörungsrüge war offenkundig, nachdem die Beschwerdeführer diesen Rechtsbehelf weder innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen nach Kenntnis von der behaupteten Gehörsverletzung (§ 152 a Abs. 2 Satz 1 VwGO) noch in der vorgeschriebenen Form durch einen zugelassenen Bevollmächtigten (§ 152 a Abs. 2 Satz 5 i. V. m. § 67 Abs. 4 VwGO) eingelegt hatten.

b) Die als verletzt bezeichneten Bestimmungen der Art. 151 und Art. 166 Abs. 2 und 3 BV enthalten lediglich Programmsätze und gewährleisten keine subjektiven verfassungsmäßigen Rechte im Sinn des Art. 120 BV, deren Verletzung mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden könnte (VerfGH vom 17.12.1984 = VerfGH 37, 177/183; VerfGH vom 22.10.1993 = VerfGH 46, 273/277). Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 104 BV rügen, fehlt es schon deshalb an der – nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde erforderlichen – substantiierten Darlegung einer möglichen Grundrechtsverletzung, weil der Schutzbereich dieser Grundrechtsnorm offensichtlich nicht berührt ist (vgl. VerfGH vom 4.4.2006). Ob die übrigen Grundrechtsrügen der Beschwerdeführer den Substantiierungsanforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG genügen, kann aus den unter a) dargelegten Gründen dahingestellt bleiben.

3. Der Verfassungsbeschwerde kann nicht entnommen werden, dass die Beschwerdeführer, die sich allein gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wenden, eine unmittelbare Verletzung des Art. 91 Abs. 1 BV durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2008 im Berufungszulassungsverfahren geltend machen wollen. Auch insoweit wäre die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Rechtswegerschöpfung unzulässig. Eine Verfassungsbeschwerde kann nach Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG erst erhoben werden, wenn zuvor der durch die ordentlichen Rechtmittel vorgegebene Rechtsweg erschöpft ist. Die Verfassungsbeschwerde ist als ein letzter außerordentlicher Rechtsbehelf nur zulässig, wenn alle prozessualen und faktischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, um dem als verfassungswidrig beanstandeten Verhalten des Gerichts entgegenzutreten (VerfGH vom 19.12.2005 = VerfGH 58, 289/291; VerfGH vom 16.1.2009). Hierzu gehört auch die in § 152 a VwGO vorgesehene Anhörungsrüge (vgl. VerfGH vom 1.4.2009 Az. Vf. 93-VI-06).

Die Beschwerdeführer haben von diesem Rechtsbehelf zwar Gebrauch gemacht. Der Verwaltungsgerichtshof hat ihre Anhörungsrüge aber aufgrund der bereits genannten Frist- und Formverstöße als unzulässig verworfen. Dem Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs ist nicht genügt, wenn der mit der Verfassungsbeschwerde behauptete Mangel vom zuständigen Fachgericht deshalb nicht nachgeprüft werden konnte, weil er nicht ordnungsgemäß gerügt wurde (vgl. VerfGH vom 1.10.1982 = VerfGH 35, 123/125; BVerfG vom 13.1.1987 = BVerfGE 74, 102/114).

IV.

Es ist angemessen, den Beschwerdeführern eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).

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