FG München, Urteil vom 21.07.2009 - 6 K 2907/08
Fundstelle
openJur 2012, 102174
  • Rkr:
Tatbestand

I.

Bei den Klägern handelt es sich um zusammenveranlagte Ehegatten.

Der Kläger war im Streitjahr 2007 zunächst als Leiter der Außenstelle A des Finanzamtes B und dann als Leiter der Außenstelle C des Finanzamtes D nichtselbständig beschäftigt.

Mit der Einkommensteuererklärung für 2007 vom 26. März 2008 machte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. folgende Bewirtungskosten geltend:

- Abschiedsfeier anlässlich des Wechsels an die Außenstelle C- Catering-Service Metzgerei300 EUR- Getränke vom Personalrat bezogen  52 EUR- Zuschuss zum Herbstfest Außenstelle A200 EUR- Zuschuss zur Weihnachtsfeier Außenstelle C200 EURInsgesamt:752 EURIm Einkommensteuerbescheid vom 25. April 2008 berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) diese - in der Höhe unstrittigen - Aufwendungen nicht. Bei diesen Kosten handle es sich um Kosten der allgemeinen Lebensführung.

Der Einspruch vom 27. April 2008 wurde mit der Einspruchsentscheidung vom 19. August 2008 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage vom 26. August 2008 begehren die Kläger weiterhin die Anerkennung der geltend gemachten Bewirtungskosten:

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könnten Aufwendungen für die Ausrichtung von Veranstaltungen bei Arbeitnehmern, die keine erfolgsabhängigen Bezüge erhielten, als Werbungskosten abgezogen werden, wenn diese Aufwendungen beruflich veranlasst seien.

Unerheblich sei, dass keine offizielle Feier stattgefunden habe.

Für die Abgrenzung zu den Aufwendungen für die Lebensführung komme es darauf an, ob die Aufwendungen durch den Beruf oder aus der durch die gesellschaftliche oder wirtschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen folgenden Verpflichtung zur Repräsentation veranlasst seien.

Die Aufwendungen des Klägers für das Herbstfest in A, den Wechsel von A nach C und die Weihnachtsfeier in C seien als beruflich veranlasst zu betrachten. Der Kläger habe die Leistungen der Mitarbeiter würdigen, sie zur weiteren Leistungsbereitschaft motivieren und seine eigene Amtsstellung fördern wollen.

Dass sich der Dienstherr nicht an den Kosten der Veranstaltungen beteiligt habe und auch nicht die Notwendigkeit der Feiern bescheinigt habe, könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen.

Ein privater Bezug des Klägers liege eindeutig nicht vor. Bei den Feiern seien ausschließlich Angehörige der Finanzverwaltung zugegen gewesen. Auch sei die Versetzung nicht aus privaten sondern aus beruflichen Gründen auf Veranlassung des Dienstherrn erfolgt.

Die getätigten Aufwendungen seien weder üblich gewesen noch seien sie von der Öffentlichkeit oder der Belegschaft erwartet worden.

Die - auch analoge - Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG scheide aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 26. August 2008 und 11. November 2008 Bezug genommen.

Am 3. Februar 2009 erging ein Änderungsbescheid, der gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens wurde. Die Änderung erfolgte zur Berücksichtigung der Entfernungspauschale für die ersten 20 Kilometer.

Die Kläger beantragen,

bei den nichtselbständigen Einkünften des Klägers im Veranlagungszeitraum 2007 weitere Werbungskosten in Höhe von 752 EUR zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

- Eine berufliche Veranlassung könne nicht angenommen werden, die Bezüge des Klägers seien nicht erfolgsabhängig. Es habe sich auch um amtsinterne Feiern gehandelt.

- Der Ausstandsfeier in A und der Weihnachtsfeier in C - die auch die Einstandsfeier des Klägers gewesen sei - lägen persönliche Ereignisse zugrunde. Die getätigten Aufwendungen seien nicht von der Stellung des Klägers abhängig gewesen.

- Es habe sich um Kosten der privaten Lebensführung gehandelt, zumindest um gemischte Aufwendungen. Die Aufwendungen seien nach § 12 Nr. 1 EStG nichtabziehbar.

- Das Herbstfest in A sei - unabhängig von der Rechtspersönlichkeit des Personalrats - eine Feier gewesen, bei der sich die Kollegen der Außenstelle einmal im Jahr gemeinsam zu Essen und Trinken träfen, das nicht von einer Person ausgerichtet werde, sondern von allen zusammen (durch den Personalrat) und an der sich alle Beteiligten finanziell beteiligten.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung und den Schriftsatz vom 15. Oktober 2008 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

II.

1. Die Klage ist begründet.

a) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Hierzu können nach § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG auch Bewirtungsaufwendungen eines Arbeitnehmers zählen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und subjektiv zu dessen Förderung erbracht werden (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 1. Februar 2007 VI R 25/03, BStBl II 2007, 459, m.w.N.). Ob der Steuerpflichtige Aufwendungen aus beruflichem Anlass tätigt oder ob es sich um Aufwendungen für die Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG handelt, muss anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden (ständige Rechtsprechung; vgl. Urteile des BFH in BStBl II 2007, 459; vom 12. April 2007 VI R 77/04, BFH/NV 2007, 1643; vom 24. Mai 2007 VI R 78/04, BStBl II 2007, 721 und vom 22. Juni 2006 VI R 61/02, BStBl II 2006, 782).

Für die Beurteilung, ob die Aufwendungen für eine Feier beruflich oder privat veranlasst sind, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH in erster Linie auf den Anlass der Feier abzustellen (vgl. Urteil des BFH in BStBl II 2007, 459, m.w.N.). Indes ist der Anlass einer Feier nur ein erhebliches Indiz, nicht aber das allein entscheidende Kriterium für die Beurteilung der beruflichen oder privaten Veranlassung der Bewirtungsaufwendungen. Für die Zuordnung der Aufwendungen zum beruflichen oder privaten Bereich ist daher auch von Bedeutung, wer als Gastgeber auftritt, wer die Gästeliste bestimmt, ob es sich bei den Gästen um Kollegen, Geschäftsfreunde oder Mitarbeiter (des Steuerpflichtigen oder des Arbeitgebers), um Angehörige des öffentlichen Lebens, der Presse, um Verbandsvertreter oder um private Bekannte oder Angehörige des Steuerpflichtigen handelt. Zu berücksichtigen ist außerdem, an welchem Ort die Veranstaltung stattfindet, ob sich die finanziellen Aufwendungen im Rahmen vergleichbarer betrieblicher Veranstaltungen bewegen und ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweist oder ob das nicht der Fall ist (Urteile des BFH vom 11. Januar 2007 VI R 52/03, BStBl II 2007, 317; vom 1. Februar 2007 VI R 25/03, BStBl II 2007, 459 und vom 6. März 2008 VI R 68/06, BFH/NV 2008, 1316).

33b) Im Streitfall liegt nach Überzeugung des Senats eine berufliche Veranlassung der geltend gemachten Bewirtungsaufwendungen vor. Objektiv ist ein Zusammenhang mit dem Beruf des Klägers, bzw. mit seiner beruflichen Stellung gegeben. Auch subjektiv wurden die Aufwendungen im beruflichen Kontext erbracht.

Entgegen der Rechtsansicht des FA sind die Bewirtungsanlässe "Ausstand" und "Einstand" dem beruflichen Bereich zuzuordnen, denn eine Versetzung ist maßgeblich durch die berufliche Tätigkeit veranlasst. Beim Herbstfest führt selbst das FA aus, dass ein direkter privater Grund nicht ersichtlich ist. Der Senat hält es daher für glaubhaft, dass der Kläger nur seine eigene Amtsstellung durch finanzielle Unterstützung des allgemeinen Festes fördern wollte.

Die Feiern (Abschiedsfeier, Herbstfest, Weihnachtsfeier) waren zudem auf die jeweiligen Finanzamtsaußenstellen beschränkt, ausschließlich Behördenangehörige haben daran teilgenommen. Keines der Feste hatte den Charakter einer privaten Feier.

Auch wenn der Grund für die Abschiedsfeier des Klägers direkt mit seiner Person zusammenhing, folgt daraus keine private Veranlassung.

c) Für die beruflich veranlassten Aufwendungen des Klägers für das Betriebsfest kommt die Abzugsbeschränkung gemäß § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG nicht zur Anwendung, da ausschließlich Arbeitnehmer der Finanzamtsaußenstellen bewirtet worden sind.

Nach der für Betriebsausgaben maßgeblichen Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) dürfen Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass den Gewinn nicht mindern, soweit sie 70 v.H. der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen ist. Diese Regelung gilt nach der Verweisungsnorm des § 9 Abs. 5 EStG für Werbungskosten sinngemäß.

Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 18. September 2007 I R 75/06, BStBl II 2008, 116, und vom 19. August 1999 IV R 20/99, BStBl II 2000, 203) ist der Begriff des "geschäftlichen Anlasses" nicht identisch mit demjenigen der "Veranlassung durch den Betrieb" (§ 4 Abs. 4 EStG) bzw. der "betrieblichen Veranlassung", sondern ein spezifizierter Unterfall. Nur die rein betriebsinterne Arbeitnehmerbewirtung unterliegt keiner Abzugsbeschränkung; die Möglichkeit des unbeschränkten Abzugs über den Bereich der Arbeitnehmerbewirtung hinaus besteht bei der jetzigen Rechtslage nicht.

40Für die Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG auf Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geht der BFH in sinngemäßer Weise davon aus, dass der Begriff des "geschäftlichen Anlasses" auch nicht mit dem in ständiger Rechtsprechung des BFH zur Definition der Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) verwendeten Begriff der "beruflichen Veranlassung" identisch ist. Dies hat für Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zur Folge, dass die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (auch) nicht greift, wenn ein Arbeitnehmer aus beruflichem Anlass Aufwendungen für die Bewirtung von Arbeitskollegen trägt (Urteil des BFH vom 10. Juli 2008, VI R 26/07, BFH/NV 2008, 1831).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V.m. § 708 und § 711 Zivilprozessordnung. Die Übertragung der Steuerberechnung auf das FA ergibt sich aus § 100 Abs. 2 FGO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 FGO nicht vorliegen.