OLG München, Beschluss vom 24.09.2008 - 33 Wx 179/08
Fundstelle
openJur 2012, 94984
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 7. Juli 2008 und des Amtsgerichts München vom 20. Dezember 2007 werden aufgehoben.

II. Die Vergütung der früheren Betreuerin aus der Staatskasse wird für den Zeitraum vom 9. Dezember 2006 bis 31. Januar 2008 auf 1.210,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit am 8.12.2006 vom Vormundschaftsrichter unterzeichnetem und am 11.12.2006 der Geschäftsstelle übergebenem Beschluss entließ das Vormundschaftsgericht auf dessen Antrag den Bruder des Betroffenen als Betreuer und bestellte die Beschwerdeführerin als neue berufsmäßige Betreuerin, wobei der Aufgabenkreis und die Überprüfungsfrist unverändert blieben. Zugleich ordnete das Vormundschaftsgericht die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses an. Bereits am 8.12.2006 hatte der Vormundschaftsrichter bei der Beschwerdeführerin, die in dem Betreuungsverfahren schon mehrfach als Verfahrenspflegerin für den Betroffenen tätig gewesen war, telefonisch angefragt, ob sie bereit sei, die Betreuung zu übernehmen. Auf die Zustimmung der Beschwerdeführerin hin stellte der Vormundschaftsrichter ihr gegenüber telefonisch fest, dass der Betreuerwechsel wie besprochen stattfinden werde. Mit Beschluss vom 6.12.2007 fand auf Anregung der Beschwerdeführerin ein erneuter Betreuerwechsel statt, durch den sie als Betreuerin entlassen wurde und erneut der Bruder des Betroffenen als ehrenamtlicher Betreuer eingesetzt wurde.

Mit Schreiben vom 18.12.2007 beantragte die Beschwerdeführerin für den Betreuungszeitraum 9.12.2006 bis 17.1.2008 eine Vergütung aus der Staatskasse in Höhe von 1.170,40 €.

Mit Beschluss vom 20.12.2007 setzte das Amtsgericht die Betreuervergütung für den Zeitraum „12.12.2006 bis 17.8.2008“ auf 1.161,60 € fest, wies den Antrag im Übrigen zurück und ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung die sofortige Beschwerde zu. Das Amtsgericht korrigierte mit Beschluss vom 29.4.2008 den Endzeitpunkt des Vergütungszeitraumes wegen offensichtlichen Schreibfehlers von Amts wegen auf den 17.1.2008. Von diesem Beschluss hat die Beschwerdeführerin trotz entsprechender Verfügung der Rechtspflegerin beim Amtsgericht offenbar keine Abschrift erhalten.

Die sofortige Beschwerde der früheren Betreuerin wies das Landgericht mit Beschluss vom 7.7.2008 zurück und ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage die sofortige weitere Beschwerde zu. Mit ihrem am 5.8.2008 eingelegten Rechtsmittel beantragte die Beschwerdeführerin erneut, den Vergütungsbeginn auf den 9.12.2006 und das Vergütungsende - wie bereits im Beschwerdewege geltend gemacht - im Hinblick auf § 5 Abs. 5 VBVG auf den 31.1.2008 festzulegen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist in der Sache erfolgreich.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

Nach § 69a Abs. 3 Satz 1 FGG werden Entscheidungen mit der Bekanntmachung an den Betreuer wirksam. Ordnet das Gericht gemäß § 69a Abs. 3 Satz 2 FGG die sofortige Wirksamkeit an, so werde die Entscheidung gemäß Satz 3 dieser Bestimmung in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie und die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit dem Betroffenen oder dem Pfleger für das Verfahren bekannt gemacht oder der Geschäftsstelle des Gerichts zur Bekanntmachung übergeben werden. Hier habe das Amtsgericht in Ziff. 5 des Beschlusses vom 8.12.2006 die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses angeordnet und sei der Beschluss am 11.12.2006 der Geschäftsstelle übergeben worden. Damit habe das Amtsgericht den Beginn des Vergütungszeitraums gemäß § 187 Abs. 1 BGB zutreffend auf den 12.12.2006 festgelegt.

In dem Telefonat des Vormundschaftsrichters mit der Beschwerdeführerin sei dieser die Entscheidung über den Betreuerwechsel nicht im Sinne des § 69a Abs. 3 Satz 1 FGG bekanntgegeben worden. Ziel des Telefonats sei es gewesen, die Übernahmebereitschaft der Beschwerdeführerin zu klären. Es habe daher zum Zeitpunkt des Telefonats noch kein schriftlicher Beschluss über den Betreuerwechsel vorgelegen. Die Bekanntmachung eines Beschlusses gemäß § 69a Abs. 3 Satz 1 FGG sei jedoch erst möglich, wenn dieser Beschluss abgefasst und unterschrieben sei. Vor der richterlichen Unterschrift unter einen fertigen Beschluss könne keine Bekanntmachung einer bereits getroffenen, sondern lediglich die Ankündigung einer künftigen Entscheidung erfolgen. Ein Beschluss könne nicht wirksam sein, bevor er ergangen sei. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass die Bestellung eines Betreuers im Hinblick auf die zahlreichen denkbaren Aufgabenkreise aus Gründen der Klarheit schriftlich abgefasst sein müsse. Entsprechendes gelte für einen Betreuerwechsel. Auch hier sei denkbar, dass Aufgabenkreise beim bisherigen Betreuer verbleiben oder aufgehoben würden. Im Übrigen sei bei einem Betreuerwechsel bis zum Wirksamwerden der Entscheidung der bisherige Betreuer rechtlicher Vertreter des Betroffenen. Auch dies spreche dafür, dass die Bekanntmachung gemäß § 69a Abs. 3 Satz 1 FGG an diesen erfolgen müsse. Da die Beschwerdeführerin eine Vergütung nur bis 17.1.2008 beantragt habe, könne das Landgericht keine Vergütung bis 31.1.2008 festsetzen. Insoweit bedürfe es eines Antrags, über den das Amtsgericht zu befinden habe.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

a) Für die Wirksamkeit von Entscheidungen im Betreuungsverfahren enthält § 69a Abs. 3 FGG eine von § 16 Abs. 1 FGG abweichende Sonderregelung. Zwar sind gemäß § 69a Abs. 1 Satz 1 FGG Entscheidungen stets dem Betroffenen selbst bekannt zu machen. Wirksam werden sie jedoch gemäß § 69a Abs. 3 Satz 1 FGG grundsätzlich nur mit der Bekanntmachung an den (bereits vorhandenen oder neu zu bestellenden) Betreuer.

11Lediglich für den Fall, dass die Bekanntmachung an den Betreuer nicht möglich oder Gefahr im Verzug ist, kann das Gericht die Wirksamkeit einer Entscheidung u.a. auch dadurch herbeiführen, dass es deren sofortige Wirksamkeit anordnet und die Entscheidung der Geschäftsstelle zur Bekanntmachung übergeben wird. Ist eine Entscheidung dem Betreuer bekannt gemacht und damit wirksam geworden, vermag die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit in dem schriftlich niedergelegten Beschluss und dessen erst später vorgenommene Übergabe an die Geschäftsstelle die bereits eingetretene Wirksamkeit nicht mehr hinauszuschieben.

b) Die Bestellung der Beschwerdeführerin als neue Betreuerin des Betroffenen ist bei dem Telefonat am 8.12.2006 durch entsprechende mündliche Bekanntmachung ihr gegenüber wirksam geworden (§ 69a Abs. 3 Satz 1 FGG). Der Vormundschaftsrichter hat bestätigt, dass er zunächst die Übernahmebereitschaft der Beschwerdeführerin geklärt und nach deren Zustimmung dieser gegenüber festgestellt habe, dass der Betreuerwechsel wie besprochen stattfinde. Hierin liegt - in Übereinstimmung mit der Auffassung des Vormundschaftsrichters - die Bekanntgabe der Bestellung der Beschwerdeführerin als Betreuerin.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Beschwerdeführerin als neue Betreuerin auch die richtige Adressatin dieser Bekanntmachung. Der Beschluss über einen Betreuerwechsel enthält zwei vormundschaftsgerichtliche Entscheidungen: Die Entlassung des bisherigen Betreuers, die zu ihrer Wirksamkeit - von der Ausnahme des § 69a Abs. 3 Satz 2, 3 FGG abgesehen - der Bekanntmachung an diesen bedarf. Außerdem die Bestellung des neuen Betreuers, die mit der Bekanntmachung an diesen wirksam wird.

Würde man - wie das Landgericht - die Bekanntmachung an den bisherigen Betreuer als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Bestellung des neuen Betreuers ansehen, bliebe für den neuen Betreuer häufig unklar, wann seine Bestellung wirksam geworden ist, da er nicht wissen kann, wann die Bekanntgabe der Entscheidung gegenüber dem bisherigen Betreuer vorgenommen wurde.

Unerheblich ist nach Auffassung des Senats für die Beurteilung der Wirksamkeit der Bestellung eines neuen oder auch eines weiteren Betreuers, dass der bisherige (alleinige) Betreuer rechtlicher Vertreter des Betroffenen ist. Das ist der neue (zusätzliche) Betreuer ebenfalls. Für den bisherigen Betreuer ist die Kenntnis von der Bestellung eines neuen Betreuers nur insofern von Bedeutung, als dadurch seine Rechtsstellung - sei es durch Entlassung, sei es durch Einschränkung seines Aufgabenkreises oder seiner alleinigen Vertretungsbefugnis - betroffen ist.

c) Der Wirksamkeit der Bekanntmachung an die Beschwerdeführerin steht nicht entgegen, wenn - wovon das Landgericht wohl zutreffend ausgeht - zum Zeitpunkt des Telefonats am 8.12.2006 ihre Betreuerbestellung und die Entlassung des bisherigen Betreuers noch nicht schriftlich niedergelegt waren.

Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kennt für erstinstanzliche Verfahren kein allgemeines Schriftformerfordernis. Schriftlichkeit der Verfügung ist dann Wirksamkeitsvoraussetzung, wenn durch die Bekanntmachung eine Frist in Lauf gesetzt wird. Die dann nach § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG erforderliche förmliche Zustellung kann nur anhand eines Schriftstücks vorgenommen werden.

Im Betreuungsrecht schreibt zwar § 69 FGG den Inhalt einer Verfügung, durch die ein Betreuer bestellt oder ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wird, detailliert vor mit der Folge, dass ein entsprechender Beschluss schriftlich zu dokumentieren ist. Damit werden Umfang und Reichweite der Entscheidung zweifelsfrei festgelegt und für die Rechtsmittelgerichte nachprüfbar gemacht. § 69 FGG lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Schriftform Wirksamkeitsvoraussetzung der entsprechenden Entscheidung ist. Unwirksam ist die Betreuerbestellung, wenn der Betroffene oder der Aufgabenkreis des Betreuers nicht eindeutig benannt sind. Hingegen führt das Fehlen oder die Unzulänglichkeit einer Begründung lediglich zur Aufhebung (vgl. § 27 Abs. 1 FGG, § 547 Nr. 6 ZPO). Auch das Fehlen oder die Unrichtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung lassen die Wirksamkeit der Entscheidung selbst unberührt, sie haben lediglich Auswirkungen auf den Lauf einer Rechtsmittelfrist. Soweit sich das Schriftformerfordernis nicht aus § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG ergibt, bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz (vgl. Keidel/Schmidt FGG 15. Aufl. § 16 Rn. 4, 30; Keidel/Meyer-Holz aaO Vorbem. §§ 8-18 Rn. 16), wonach im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Entscheidungen auch mündlich erlassen und bekannt gegeben werden können.

d) Der Senat kann die Vergütung der Beschwerdeführerin selbst neu festsetzen, da die Entscheidungsvoraussetzungen gegeben sind.

Für den Zeitraum 9.12. bis 31.12.2006 beträgt die Vergütung 44 x 1,5 = 66,-- €; für das Jahr 2007 44 x 2 x 12 = 1.056,-- €. Aufgrund von § 5 Abs. 5 Satz 1 VBVG, der von Amts wegen zu beachten ist, stehen der Beschwerdeführerin für Januar 2008 88,-- € zu, so dass sich die Vergütung für den gesamten Betreuungszeitraum auf 1.210,-- € beläuft.

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