Bayerischer VGH, Urteil vom 16.06.2008 - 11 B 07.30185
Fundstelle
openJur 2012, 92605
  • Rkr:
Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 2. September 2002 wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

IV. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger sind nach ihren Angaben beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) Staatsangehörige der Russischen Föderation und tschetschenische Volkszugehörige. Sie reisten am 14. Januar 2001 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten Asylanträge.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 18. Januar 2001 gab der Kläger zu 1 an, sein Inlandspass sei bei Verwandten in Moskau geblieben. Sein Vater und seine Mutter seien beide tschetschenische Volkszugehörige, sie seien heute in Grosny bei einer Tante wohnhaft, deren Haus sei zufällig unzerstört geblieben. Geschwister habe er nicht. Er gehöre zum Teip der Melchi. Diese lebten überwiegend in dem Dorf Bamut in Tschetschenien. Seit dem Abschluss seines Jurastudiums Anfang 1998 habe er als Rechtsanwaltshelfer in Moskau gearbeitet und gelebt. Im Rahmen seiner Tätigkeit habe er auch tschetschenischen Landsleuten geholfen. Am 8. März 1999 sei er beim Verlassen seines Büros auf der Straße von Leuten in Zivil festgenommen und auf das Polizeirevier gebracht worden. Sie hätten ihn verprügelt und ihm dann angeboten, für sie als Informant tätig zu sein. Zunächst gab der Kläger zu 1 an, er sei fünf oder sechs Stunden festgehalten worden, korrigierte sich dann aber, man habe ihn erst am nächsten Tag freigelassen. Er habe in Tschetschenien als Rechtsanwalt tätig sein und die Behörde mit Informationen versorgen sollen. Er habe dies abgelehnt und seitdem keine Ruhe mehr gehabt. Am 17. Dezember 2000 hätte er ihre Eigentumswohnung in Moskau in der M.-…-Str. Haus Nr. 15 verkauft und sich abgemeldet. Wegen der weiteren Angaben des Klägers zu 1 vor dem Bundesamt wird auf die Niederschrift über die Anhörung vom 18. Januar 2001 Bezug genommen.

Die Klägerin zu 2 gab beim Bundesamt an, ihr Inlandspass sei bei den Verwandten in Moskau geblieben. Ihr Ehemann, der Kläger zu 1, werde verfolgt. Er sei im Dezember 2000 festgenommen und für einen Tag festgehalten worden. Danach sei er verändert, nervös und gereizt gewesen. Dies sei der Grund für ihre Ausreise gewesen. Sie wisse nicht, was der Grund für seine Veränderung gewesen sei. Sie habe herausgehört, man habe ihm angeboten, irgendwo als Informant tätig zu sein. Seit Mitte Dezember 2000 seien sie dann nicht mehr in ihrer Wohnung gewesen. Wie so viele, sei ihr Ehemann erpresst worden und sie hätten die Wohnung verkauft, damit er den Leuten das Geld geben konnte und in Ruhe gelassen würde. Auch wegen der weiteren Angaben der Klägerin zu 2 wird auf die Niederschrift vom 18. Januar 2001 Bezug genommen. Für ihre Kinder, die Kläger zu 3 und 4 machten die Kläger zu 1 und 2 keine eigenen Asylgründe geltend.

Die Kläger haben beim Bundesamt eine Reihe von Urkunden abgegeben, darunter ein 1992 in Grosny abgeschlossener Kaufvertrag über ein Ziegelsteinhaus in Grosny vorgelegt, in dem der Kläger zu 1 als Käufer bezeichnet und sein Wohnort mit "Moskau" angegeben wird.

Mit Bescheid vom 22. August 2001, auf den Bezug genommen wird, lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Kläger ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG (Nr.2 des Bescheids) sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Die Abschiebung in die Russische Föderation wurde angedroht (Nr. 4 des Bescheids).

Die Klage gegen den am 24. August 2001 zugestellten Bescheid ging am 4. September 2001 bei dem Verwaltungsgericht Würzburg ein. Zu ihrer Begründung wurde unter anderem vorgebracht, der Kläger zu 1 habe glaubhaft vorgetragen, dass er von der russischen Polizei gequält und geschlagen worden sei. Er sei dahingehend erpresst worden, in Tschetschenien als Informant der russischen Behörden tätig zu werden. Seitdem er dies abgelehnt habe, sei er ständig verhört worden und ihm sei mit dem Tode gedroht worden. Bereits vor einiger Zeit sei ein Freund des Klägers zu 1 von russischen Sicherheitskräften erschlagen worden, nur weil er Tschetschene gewesen sei. Der Kläger sei als Rechtsanwaltshelfer tätig gewesen, weshalb sich andere Tschetschenen hilfesuchend an ihn gewandt hätten. Der Kläger zu 1 habe selbstverständlich versucht, seinen Landsleuten in verschiedenen Fragen zu helfen. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes bestehe aber für tschetschenische Volkszugehörige jedenfalls dann eine besondere Gefährdung, wenn sie sich in der Tschetschenienfrage engagiert hätten. Allein aufgrund seines Berufes seien die Behörden besonders am Kläger zu 1 und seiner Familie interessiert gewesen. Die Situation der Tschetschenen in Russland habe sich nicht verbessert.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Würzburg am 2. September 2002 wurde der Kläger zu 1 informatorisch zu seinen Asylgründen angehört. Zu den Angaben, die er hierbei gemacht hat, wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Mit Urteil vom 2. September 2002, auf das Bezug genommen wird, hob das Verwaltungsgericht Würzburg den Bescheid des Bundesamtes in seinen Nummern 2 und 4 auf, und verpflichtete die Beklagte, festzustellen, dass bei den Klägern die Voraussetzungen von § 51 Abs.1 AuslG vorliegen. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Verwaltungsgericht ließ hierbei offen, ob der Vortrag der Kläger zu 1 und 2 zutreffend sei, da ihnen nach dem Verkauf ihrer Wohnung in Moskau und der Abmeldung von dort eine Rückkehr nach Tschetschenien oder in die übrige Russische Föderation unzumutbar sei.

Zur Begründung der mit Beschluss des Gerichts vom 18. Juni 2003 zugelassenen Berufung nahm der Beteiligte in seinem Schriftsatz vom 16. Juli 2003 auf die Begründung seines Zulassungsantrags Bezug.

Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2004 legte die Beklagte ein Schreiben des Landratsamtes Hassberge vor. Hierin wird darauf hingewiesen, dass der Kläger zu 1 bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt angegeben habe, keine weiteren Geschwister zu haben, sondern ein Einzelkind zu sein. Im November 2002 habe jedoch eine deutsche Staatsangehörige jeweils eine Verpflichtungserklärung für die Mutter (…, geb. …1947) und die Schwester (…, geb. …1984) des Klägers zu 1 abgegeben. Aus den daraufhin angeforderten Unterlagen des Visumsverfahrens ergebe sich, dass sowohl Mutter wie auch Schwester des Klägers zu 1 in Moskau gemeldet seien. Zudem seien ihre Inlandspässe bereits 1999 in Moskau ausgestellt. Es sei deshalb wohl davon auszugehen, dass sich die gesamte Familie dauerhaft in Moskau und nicht, wie behauptet, in Grosny aufhalte. Die Kläger äußerten sich hierzu nicht.

Das unter dem Aktenzeichen 11 B 02.31749 statistisch erledigte Verfahren wurde aufgrund des Schriftsatzes der Klägerbevollmächtigten vom 22. März 2007 wieder aufgegriffen und nun unter dem Aktenzeichen 11 B 07.30185 weitergeführt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 16. Juni 2008 wurde der Kläger zu 1 informatorisch angehört. Wegen seiner Bekundungen wird auf die Niederschrift verwiesen.

Der Beteiligte beantragte im Schriftsatz vom 16. Juli 2003,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage im Umfang der Berufungszulassung abzuweisen.

Die Beklagte schloss sich diesem Antrag an.

Die Klägerbevollmächtigte beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Behördenakten des Bundesamtes Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der ordnungsgemäß und rechtzeitig geladene Beteiligte und Berufungsführer zum Termin vom 16. Juni 2008 nicht erschienen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 2. September 2002 ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylVfG kommt es auf die im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung bestehende tatsächliche und rechtliche Lage an. Das Vorliegen der Voraussetzungen des mit Wirkung vom 1. Januar 2005 an die Stelle von § 51 Abs. 1 AuslG getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG in der Fassung, die er durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) mit Wirkung vom 28. August 2007 erhalten hat, ist bei den Klägern zu verneinen.

1. § 60 Abs. 1 AufenthG:

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der insoweit inhaltlich der Regelung des früheren § 51 Abs. 1 AuslG entspricht (vgl. Begründung des Entwurfs der Bundesregierung für das Zuwanderungsgesetz, BT-Drs. 15/420 S. 91), darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen eines asylrelevanten Merkmals durch eine der in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannten Kräfte bedroht ist. Einer Gefährdung des Lebens und der persönlichen Freiheit stehen allgemeiner Auffassung zufolge (vgl. z.B. BVerfG vom 4.2.1959 BVerfGE 9, 174/181; BVerfG vom 2.7.1980 BVerfGE 54, 341/357; BVerfG vom 10.7.1989 BVerfGE 80, 315/333) Bedrohungen der körperlichen Unversehrtheit gleich; in § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG hat dies nunmehr auch positiv-rechtlichen Niederschlag gefunden. Beeinträchtigungen anderer Rechtsgüter als Leib, Leben oder persönliche Freiheit begründen einen Anspruch auf Schutz vor politischer Verfolgung dann, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG vom 2.7.1980, ebenda). Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304/12; nachfolgend "Qualifikationsrichtlinie" - QRL - genannt) ergänzend anzuwenden.

a) Wahrscheinlichkeitsmaßstab:

Die Beantwortung der Frage, welche Wahrscheinlichkeit die in § 60 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefahr aufweisen muss, hängt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Qualifikationsrichtlinie davon ab, ob der Schutz suchende Ausländer seinen Herkunftsstaat bereits auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist (BVerfG vom 10.7.1989 a.a.O.; BVerwG vom 26.3.1985 BVerwGE 71, 175 ff.). War er noch keiner asylrechtlich beachtlichen Bedrohung ausgesetzt, kommt es hiernach bei der anzustellenden Prognose darauf an, ob ihm bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit "beachtlicher" Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG vom 29.11.1977 Buchholz 402.23 § 28 AuslG Nr. 11). Wurde ein Ausländer demgegenüber bereits im Herkunftsland politisch verfolgt, so greift nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung zu seinen Gunsten ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab ein: Er muss vor erneuter Verfolgung "hinreichend sicher" sein (BVerfG vom 2.7.1980, a.a.O., S. 360). Das setzt eine mehr als nur überwiegende Wahrscheinlichkeit voraus, dass es im Heimatstaat zu keinen Verfolgungsmaßnahmen kommen wird (BVerwG vom 31.3.1981 Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27). Dieser herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist auch bei solchen Ausländern anzuwenden, die persönlich unverfolgt ausgereist sind, jedoch einer Gruppe angehören, deren Mitglieder im Herkunftsstaat zumindest regional kollektiv verfolgt wurden (BVerwG vom 9.9.1997 BVerwGE 105, 204/208). Das gilt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dann, wenn diese (regionale) Gefahr als objektiver Nachfluchttatbestand erst nach der Ausreise des Schutzsuchenden auftritt; denn für den Angehörigen einer solchen Gruppe hat sich das fragliche Land nachträglich als Verfolgerstaat erwiesen (BVerwG vom 9.9.1997, ebenda). Beschränkt sich die Gruppenverfolgung auf einen Teil des Herkunftslandes, so kommt für die gruppenzugehörigen Personen nur ein Gebiet in diesem Staat als inländische Fluchtalternative in Betracht, in dem sie vor Verfolgung "hinreichend sicher" sind (BVerwG vom 9.9.1997, ebenda). Die Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs setzt außer einer Vorverfolgung voraus, dass der Betroffene auch in anderen Teilen seines Herkunftsstaates vor der Ausreise nicht hinreichend sicher war. Eine hinreichende Sicherheit in anderen Landesteilen ist nicht gegeben, wenn eine Verfolgungsgefahr dort nicht auszuschließen ist. Verfolgungssicherheit ist zu bejahen, wenn mehr als wahrscheinlich ist, dass im gesamten Staatsgebiet keine weitere Verfolgung droht (BVerfG vom 10.7.1989 a.a.O.).

Nach Art. 4 Abs. 4 QRL, der gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ergänzend anzuwenden ist, stellt der Umstand, dass der Schutz suchende Ausländer bereits verfolgt wurde oder er einen sonstigen ernsthaften Schaden (vgl. Art. 15 QRL) erlitten hat bzw. er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, einen ernsthaften Hinweis darauf dar, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, es sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Bislang hat der Senat die Auffassung vertreten, dass die in Deutschland richterrechtlich entwickelten Grundsätze über den anzuwendenden Prognosemaßstab dem im Wesentlichen entsprechen (vgl. zuletzt BayVGH vom 17.4.2008 Az. 11 B 08.30038 unter Verweis auf Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, RdNr. 286 zu § 1; und BVerwG vom 20.3.2007 BayVBl 2007, 632 ff, wo darauf hingewiesen wird, dass die in Art. 4 Abs. 4 QRL vorgesehene Beweiserleichterung auf tatsächlicher Ebene nur im Falle einer Vorverfolgung eingreift). Mit seiner Entscheidung vom 7. Februar 2008 (Az. 10 C 33/07, ZAR 2008, 192 ff.) hat nunmehr das Bundesverwaltungsgericht im Fall eines einen irakischen Flüchtling betreffenden Asylwiderrufs ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gerichtet, in dem u.a. auch die Frage etwaiger Auswirkungen der Neuregelung in Art. 4 Abs. 4 QRL auf den Prognosemaßstab aufgeworfen wird. In den Gründen dieses Vorabentscheidungsersuchens führt das Bundesverwaltungsgericht u.a. aus, nach Art. 11 Abs. 2 QRL sei bei der Prüfung der Erlöschenstatbestände der Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f QRL zu untersuchen, ob die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden könne. Es werde damit unmittelbar an den Begriff der "begründeten Furcht" vor Verfolgung angeknüpft, der nach Art. 1 A Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention und Art 2 Buchst. c QRL zentraler Bestandteil des Flüchtlingsbegriffs sei. Eine nähere Konkretisierung, wann eine Furcht vor Verfolgung begründet sei, lasse sich weder der Genfer Flüchtlingskonvention noch der Qualifikationsrichtlinie entnehmen. Auch ein Maßstab dafür, wie wahrscheinlich die Verfolgungsgefahr sein müsse, um von einer begründeten Verfolgungsfurcht auszugehen, werde in den genannten Regelwerken nicht angegeben. In Art. 4 Abs. 4 QRL finde sich lediglich eine Beweiserleichterung für Antragsteller, die bereits verfolgt worden oder von Verfolgung unmittelbar bedroht gewesen seien. Ob und in wie weit sich die Antwort auf dieses Vorabentscheidungsersuchen auf die Frage des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes in Fällen auswirkt, in denen es wie hier um die Zuerkennung (nicht den Widerruf) der Flüchtlingseigenschaft geht, kann dahingestellt bleiben. In dem Beschluss vom 7. Februar 2008 führt das Bundesverwaltungsgericht aus, beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung sei anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden "zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts" die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend sei damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit.Die Zumutbarkeit bilde das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen sei, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr "beachtlich" sei. Entscheidend sei, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheine. Dies könne auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben sei. In einem solchen Fall reiche zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch werde sie außer Betracht lassen. Ergäben jedoch die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" (real risk) einer Verfolgung, werde auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Der erkennende Senat sieht in Übereinstimmung mit den zitierten Ausführungen im Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts inhaltlich keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem in der bundesdeutschen Rechtsprechung bislang gebräuchlichen Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und dem "real risk", also der begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 1 A Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention und Art. 2 Buchst. c QRL (ähnlich auch VGH Kassel vom 21.2.2008 Az. 3 UE 191/07.A Ls. 5 und RdNr. 36 zit. nach Juris). Bei diesem Verständnis ist die Verfolgungsfurcht der Kläger im vorliegenden Fall nicht begründet, denn sie konnten nicht glaubhaft machen, beim Verlassen der Russische Föderation im Januar 2001 individuell politisch verfolgt worden oder unmittelbar von individueller politischer Verfolgung bedroht gewesen zu sein (aa). Auch wegen ihrer bloßen Zugehörigkeit zu der Gruppe der tschetschenischen Volkszugehörigen bzw. wegen ihrer kaukasischen Herkunft waren die Kläger nicht von kollektiver politischer Verfolgung in der Russischen Föderation betroffen oder unmittelbar bedroht. Die Frage einer regionalen Gruppenverfolgung in Tschetschenien stellt sich nicht, da die Kläger sich bereits spätestens seit Beginn des Jahres 1998 in Moskau und somit innerhalb der Russischen Föderation an einem Ort legal niedergelassen hatten, an dem Tschetschenen in Anknüpfung an ihre Volkszugehörigkeit keiner Gruppenverfolgung unterlagen (bb). Inwieweit die zum nationalen Asylrecht entwickelten Grundsätze zum Prognosemaßstab auch nach Inkrafttreten und Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie in deutsches Recht fortgelten, muss daher vorliegend nicht diskutiert werden.

aa) Individuelle Vorverfolgung:

Konkrete Asylgründe werden nur für den Kläger zu 1 geltend gemacht. Die Kläger zu 2 bis 4 berufen sich lediglich darauf, hiervon als seine Familie mitbetroffen zu sein. Den Klägern zu 1 und 2 kann geglaubt werden, soweit sie zur Begründung ihres Asylbegehrens die allgemeinen Nachstellungen und Belästigungen schildern, denen Tschetschenen und andere kaukasisch aussehende Personen zur Zeit des zweiten Tschetschenienkriegs in Moskau ausgesetzt waren. Nach Schwere und Ausmaß überschreiten diese Übergriffe jedoch nicht die Schwelle asylrechtlicher Relevanz. Im Übrigen ist das Asylvorbringen der Kläger zu 1 und 2, welches auch für die Kläger zu 3 und 4 gilt, unglaubhaft. Die Angaben, die der Kläger zu 1 in den verschiedenen Verfahrensstadien gemacht hat, weichen in wesentlichen Bereichen stark voneinander sowie von den Bekundungen der Klägerin zu 2 ab; teilweise wurde das Vorbringen auch gesteigert. Insgesamt ist der Senat nicht zuletzt aufgrund des Eindrucks, den er sich bei der informatorischen Anhörung des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2008 machen konnte, zu der Überzeugung gelangt, dass dem Vorbringen der Kläger keine konsistente individuelle Verfolgungsgeschichte zugrunde liegt, welche eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigen könnte.

(1) Der Kläger zu 1 hat bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, dem heutigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - BAMF - am 18. Januar 2001 zu seinen Asylgründen u.a. angegeben, im Zusammenhang mit den terroristischen Anschlägen habe es Kontrollen auf der Straße gegeben. Auch andere Tschetschenen seien festgenommen und ihre Büros durchsucht worden. Etwas Konkretes sei ihm nicht vorgeworfen worden; es habe genügt wenn man Tschetschene gewesen sei. Ausschlaggebend für die Ausreise im Januar 2001 sei der wachsende Druck der Behörden auf die Tschetschenen gewesen. Bei seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Würzburg ergänzte der Kläger zu 1, nach Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs sei die Situation für sie immer schlimmer geworden. So seien in der Metro ständige Personenkontrollen durchgeführt worden. Nach den Anschlägen hätten sie sich nicht getraut, auf die Straße zu gehen. Einmal pro Woche sei die Miliz gekommen und habe ihre Wohnung danach kontrolliert, ob sich weitere Personen dort aufhielten.

Diese Durchsuchungen, Kontrollen und behördlichen Schikanen entsprechen in etwa dem, was aus den in das Verfahren einbezogenen Erkenntnismitteln über die allgemeine Lage tschetschenischer Binnenflüchtlinge in der Russischen Föderation, insbesondere in Moskau zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges bekannt ist. Dem Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 24. April 2001 ist zu entnehmen, dass zu dieser Zeit mehr als zwei Drittel aller Tschetschenen nicht in Tschetschenien sondern in anderen russischen Regionen bzw. in GUS-Staaten lebten. Besonders in Moskau und anderen Großstädten seien Tschetschenen, wie andere Personen kaukasischer Herkunft bzw. mit vermeintlich südländisch/kaukasischem Aussehen, diskriminierenden Kontrollmaßnahmen und ungesetzlichen Übergriffen der Behörden, und teilweise einem Misstrauen der Bevölkerung ausgesetzt. Ferner berichtet das Auswärtige Amt, in der Folge der Bombenattentate auf Wohnhäuser in russischen Großstädten ab September 1999 (über 300 Opfer) sei es unter anderem in und um Moskau zu willkürlichen Verhaftungen von südländisch/kaukasisch aussehenden Personen gekommen. Dabei seien verschiedene Zivilisten kaukasischer Herkunft mehrere Tage lang von der Polizei ohne Angabe von Gründen inhaftiert worden, wobei es auch zu Gewaltanwendungen durch russische Polizeikräfte (Schläge, Überstülpen von Plastiktüten über den Kopf) gekommen sein soll. Insoweit nimmt das Auswärtige Amt Bezug auf den Bericht von amnesty international vom 22. Dezember 1999. Hierin heißt es u.a., von amnesty international zusammengestellte Berichte zeigten, dass die ethnischen Tschetschenen in Moskau und in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens diskriminiert worden seien und dass die gesamte Gruppe von den russischen Behörden wegen ihrer ethnischen Identität verfolgt worden sei. Im September 1999 hätten russische Strafverfolgungsbehörden und Lokalbehörden in Moskau und anderen großen Städten eine massive Einschüchterungskampagne gegen Tschetschenen und andere aus dem Kaukasus stammende Personen begonnen. Eigenen Angaben zufolge hätten russische Behörden seit dem 15. September 1999 in Moskau die Anti-Terror-Aktion "Wirbelwind" durchgeführt, an der 22.000 Beamte der Strafverfolgungsbehörden teilgenommen hätten. Die Überprüfung des Besitzes von Erlaubnissen und der Registrierung diene den Behörden als Vorwand, um jede Person, die aus dem Kaukasus zu stammen scheine, für eine Identitätsprüfung auf der Straße anzuhalten und anschließend festzunehmen. Berichten zufolge seien bis zu 20.000 Nicht-Moskowiter durch die Moskauer Polizei vorläufig festgenommen worden, mehr als der Hälfte sei die offizielle Registrierung und eine Wohnerlaubnis verweigert worden. Amnesty international habe in den vergangenen Monaten Berichte erhalten und Beweise gesammelt, die bei den russischen Strafverfolgungsbehörden und lokalen Behörden in Moskau und in anderen großen Städten der Russischen Föderation ein Muster willkürlicher Verhaftung von Tschetschenen und anderen aus dem Kaukasus stammenden Personen und deren Misshandlung im Polizeigewahrsam aufzeigten. Weiter berichtet amnesty international über eine Verfügung Nr.1007-PM des Moskauer Bürgermeisters Luzhkov, wonach sich lediglich vorübergehend in Moskau wohnende Staatsangehörige innerhalb von drei Tagen erneut registrieren lassen müssten.

In Reaktion auf den Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 24. April 2001 berichtete amnesty international am 8. Oktober 2001 ergänzend, die so genannte Anti-Terrorismus-Operation der Moskauer Polizei, die im September 1999 infolge der Bombenattentate initiiert worden sei, dauere an. Ähnliche so genannte Anti-Terrorismus-Operationen würden auch aus anderen russischen Großstädten berichtet. Tschetschenen und andere Personen aus dem Kaukasus würden durch diese Polizeioperationen Opfer willkürlicher Festnahmen und Misshandlungen. Belastendes Beweismaterial wie Drogen und Waffen werde den Festgenommenen untergeschoben. Es werde von Fällen berichtet, in denen Folter angewendet worden sei, um Geständnisse zu erpressen. Ende August 2000 habe die Zeitung Nowije Iswestija berichtet, dass Polizeibeamte angehalten würden, darüber Bericht zu erstatten, wie viele Tschetschenen, Georgier oder Azeris von ihnen festgenommen worden seien und welchen mutmaßlichen Zweck das Geld habe das von den Festgenommenen konfisziert worden sei. Diese Praxis sei durch einen Moskauer Polizeisprecher Anfang September 2000 bestätigt worden. Auch im Jahr 2001 erhalte amnesty international wiederholt Kenntnis von Berichten über Übergriffe auf in verschiedenen Gebieten Russlands lebende Tschetschenen. Konkret angesprochen wird nur der Fall eines Mannes aus dem Nordkaukasus, der seit 1983 im Gebiet Twer lebe und überfallen worden sei. Auch der Organisation amnesty international lägen keine gesicherten Erkenntnisse beziehungsweise Dokumentationen über Einzelfälle vor, in denen es nach der Abschiebung zu Repressionen bzw. Menschenrechtsverletzungen durch russische Behörden gekommen sei. Vor diesem Hintergrund vertrete amnesty international anders als das Auswärtige Amt die Ansicht, dass nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit außer in Tschetschenien auch in anderen Teilen der Russischen Föderation Opfer von polizeilicher Willkür, Folter und Misshandlung sowie Erpressung würden. Dieses erhöhte Risiko einer besonderen Gefährdung gelte auch für Personen kaukasischer Abstammung, die sich nicht kämpferisch oder politisch in der Tschetschenien-Frage engagiert hätten oder engagierten.

Wie bereits im Urteil vom 31. Januar 2005 (Az. 11 B 02.31597) ausgeführt, vertritt der erkennende Senat die Auffassung, dass durch Kontrollen und Durchsuchungen für sich genommen weder die asylrechtlich ausdrücklich geschützten Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und persönliche Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigt werden noch durch solche Maßnahmen die Menschenwürde verletzt wird, so lange sie nicht mit weitergehenden Übergriffen einhergehen. Der Umstand, dass bei der Auswahl der zu überprüfenden Personen an ethnische Merkmale angeknüpft wird (vgl. Abschnitt II.8 des Ad-hoc-Berichts vom 13.12.2004 sowie das Schreiben von amnesty international vom 16.4.2004), ändert nach Auffassung des Senats an der asylrechtlichen Irrelevanz dieser Vorgehensweise so lange nichts, als der Bereich sog. polizeilicher "Standardmaßnahmen" nicht überschritten wird. Denn auch nach rechtsstaatlichen Maßstäben müssen es Personen, die aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe in höherem Maße als andere verdächtig sind, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darzustellen, u. U. hinnehmen, in verstärktem Umfang mit polizeilichen Eingriffsmaßnahmen konfrontiert zu werden. Ein solches erhöhtes Besorgnispotenzial ist bei Tschetschenen aufgrund der aus der Mitte dieses Volkes heraus begangenen schweren Terrorakte und angesichts der Verflechtung nicht weniger Angehöriger dieser Ethnie mit der organisierten Kriminalität (vgl. de Waal in: Der Krieg im Schatten - Russland und Tschetschenien, hrsg. von Hassel, 2003, S. 21) nicht in Abrede zu stellen. Pauschale Behauptungen weitergehender, ggfs. die Schwelle der Asylerheblichkeit überschreitender Übergriffe, sind nicht durch konkrete Fallschilderungen in den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln untermauert. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass es vereinzelt zu asylerheblichen Vorfällen gekommen ist. Ob der vom Kläger zu 1 bereits beim Bundesamt im Januar 2001 geschilderte Vorfall, vor circa drei Jahren sei ein Freund von ihm, ein Tschetschene aus Sibirien, der in Moskau nur zu Besuch gewesen sei, wegen seiner Volkszugehörigkeit von den Leuten auf der Straße erschlagen worden, sich so zugetragen hat und ob diese Begebenheit wegen fehlender Schutzwilligkeit oder fehlendem Schutzvermögen der russischen Obrigkeit asylrelevant sein könnte, kann dahinstehen, denn der Vorfall betraf nicht die Kläger des vorliegenden Falles und sie haben auch nicht behauptet oder dargelegt, dass irgendein sachlicher Zusammenhang mit ihnen bestand; vielmehr sollte die Schilderung augenscheinlich zur Erläuterung der als bedrohlich empfundenen allgemeinen Lage dienen.

Die Kläger konnten - wie unter (2.) näher ausgeführt wird - nicht glaubhaft machen, dass es bei Ihnen zu Übergriffen gekommen ist, die die Schwelle der Asylrelevanz überschritten haben. Die Gefahr, der Schikane russischer Sicherheitsbehörden ausgesetzt zu sein verringerte sich für die Kläger des vorliegenden Falls deutlich dadurch, dass sie sich bereits geraume Zeit vor Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges in Moskau niedergelassen hatten und über eine Registrierung, eine Wohnung sowie Arbeitsplatz und geregeltes Einkommen verfügten. Seine Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei hat der Kläger zu 1 nach seinen eigenen Angaben im Oktober 2000 von sich aus beendet, zum einen, weil man ihn wegen seiner tschetschenischen Volkszugehörigkeit nicht in das Rechtsanwaltskollegium habe aufnehmen wollen, zum anderen da die allgemeine Situation so bedrohlich gewesen sei, dass er selbst gekündigt habe. Er selbst behauptet aber nicht, dass er seinen Arbeitsplatz als Rechtsanwaltshelfer ungewollt verloren hätte. Ebenso wenig wird vorgetragen, dass den Klägern die Registrierung in Moskau streitig gemacht worden wäre, vielmehr haben sie sich nach den Angaben beim Bundesamt aus freien Stücken abgemeldet. Für die Kläger galt somit für die Zeit vor ihrer Ausreise aus der Russischen Föderation, was der Senat bereits in seinem Urteil vom 31. Januar 2005 (a.a.O.) festgestellt hat, nämlich, dass ein Tschetschene, der sowohl gültige Ausweispapiere als auch eine Registrierung an dem Ort, an dem er angetroffen wird besitzt, der russischen Staatsgewalt keine Handhabe gibt, um ihn mit ggf. asylrechtlich relevanten Maßnahmen zu überziehen. Dies lässt sich für die Zeit nach Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges auch aus den in das Verfahren einbezogenen Erkenntnisquellen ableiten. Die Menschenrechtsorganisation "Memorial" (Nach der Flucht aus Tschetschenien, Moskau 2002) berichtet fast ausschließlich von Übergriffen auf nicht registrierte tschetschenische Binnenflüchtlinge. Zur Situation der Zwangsumsiedler wird dort (S. 7) ausgeführt, anerkannte Zwangsumsiedler seien den Anfeindungen und Verfolgungen der Milizorgane in weit geringerem Maße ausgesetzt. Sie hätten sogar die Möglichkeit die Anmeldung am Wohnort zu erhalten. Dadurch könnten sie ihr Leben an ihrem neuen Wohnort legalisieren. Auf den Seiten 13 ff. dieser Ausarbeitung wird das Vorgehen der Miliz gegen nicht registrierte Tschetschenen in Moskau und anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens beschrieben. Häufig suchten Milizionäre Wohnungen auf, wenn sie wüssten, dass dort nicht registrierte Tschetschenen lebten. Von diesen forderten sie entweder ein Bestechungsgeld oder sie forderten sie auf, die Wohnungen zu verlassen. Andernfalls würden sie von der Miliz aus der Wohnung vertrieben. Mitunter fänden diese Besuche durch den Milizvorsteher in Begleitung von zwei oder drei bewaffneten Milizionären statt, welche sich bei der Befragung sehr grob verhielten. Solche Besuche hätten besonders gehäuft zwischen Herbst 1999 und Winter 2000 stattgefunden. Die Registrierung von Tschetschenen sei eine sehr erniedrigende Prozedur. Sie müssten sich hierbei u.a. Fingerabdrücke abnehmen lassen, von Grobheiten, Beleidigungen, Beschuldigungen und dem Terrorismusvorwurf ganz zu schweigen. Wer kaukasisches Aussehen habe, könne sich in Moskau nicht in der Stadt bewegen, ohne mindestens einmal von der Miliz angehalten zu werden. Die Milizionäre stünden an den Ein- und Ausgängen der U-Bahn-Stationen, an den Umsteigebahnhöfen, den Rolltreppen. Ein unbemerktes Vorbeigehen sei nicht möglich. Es gebe Aussagen darüber, dass die Miliz Planvorgaben habe, wie viele Personen wegen einer nicht vorhandenen Registrierung festgehalten und bestraft werden müssten. Ziel der häufigen Überprüfungen sei es, von dem Betroffenen Geld zu erpressen. Von einem Vorgehen auch gegen registrierte Tschetschenen mit legalem Aufenthalt wird kaum berichtet. Zwar heißt es in der Ausarbeitung von "Memorial" (Nach der Flucht aus Tschetschenien, Moskau 2002, S. 14) auch, häufig suchten Milizvorsteher Wohnungen auf, um zu überprüfen, ob dort registrierte Personen auch tatsächlich in dieser Wohnung lebten. Von asylerheblichen Übergriffen aus Anlass solcher Nachschauen wird von "Memorial" jedoch nicht berichtet.

(2) Das übrige Vorbringen der Kläger zu ihren Asylgründen ist gänzlich unglaubhaft. Die Angaben des Klägers zu 1 sowohl zu seinem persönlichen Werdegang, zur Familiengeschichte wie auch zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal sind in sich widersprüchlich, verworren und teilweise gesteigert, zudem widersprechen sie in entscheidenden Punkten den Angaben, die die Klägerin zu 2 beim Bundesamt gemacht hat. Die Ungereimtheiten im klägerischen Vorbringen sind so weitreichend und so schwerwiegend, dass es insgesamt nicht als glaubhaft angesehen werden kann. Bei der Anhörung des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den Eindruck gewonnen, als hätte er selbst die Übersicht über eine in weiten Teilen in Anlehnung an die allgemein bekannten, schlechten Lebensbedingungen tschetschenischer Binnenflüchtlinge in Moskau zur Zeit des zweiten Tschetschenienkriegs angelehnte, konstruierte Geschichte verloren.

Vor dem Bundesamt gab der Kläger zu 1 an, am 8. März 1999 sei er beim Verlassen seines Büros auf der Straße von Leuten in Zivil festgenommen und auf das Polizeirevier gebracht worden. Sie hätten ihn verprügelt und ihm dann angeboten, für sie als Informant tätig zu sein. Sie hätten von ihm verlangt, in Tschetschenien als Rechtsanwalt tätig zu sein und die Behörden mit Informationen zu versorgen. Er habe dies abgelehnt und seitdem keine Ruhe mehr gehabt. Es sei die Hölle gewesen. Befragt nach dem Anlass für die Festnahme gab der Kläger zu 1 an, im Zusammenhang mit den terroristischen Anschlägen habe es Kontrollen auf der Straße gegeben. Auch andere Tschetschenen seien festgenommen und ihre Büros durchsucht worden. Etwas Konkretes sei ihm nicht vorgeworfen worden; es habe genügt wenn man Tschetschene gewesen sei. Ausschlaggebend für die Ausreise im Januar 2001 sei der wachsende Druck der Behörden auf die Tschetschenen gewesen.

Bereits in diesem Vorbringen findet sich die erste Ungereimtheit. Als Grund für die Festnahme im März 1999 hat der Kläger zu 1 Straßenkontrollen in Zusammenhang mit "den terroristischen Anschlägen" angegeben. Die Terroranschläge auf Wohnhäuser in Moskau und anderen russischen Großstädten haben jedoch erst im September 1999 stattgefunden (vgl. z.B. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 24. April 2001). Den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln lässt sich nicht entnehmen, dass es auch bereits im März 1999 in Moskau terroristische Übergriffe gegeben hätte, die zu vermehrten Kontrollen kaukasisch aussehender Personen geführt hätten. Daraus kann gefolgert werden, dass der Kläger zu 1 das Datum der angeblichen Festnahme, 8. März 1999, erfunden hat. Hierfür spricht ferner, dass die Klägerin zu 2 bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt nichts von einer Festnahme im März 1999 berichtet hat. Sie hat angegeben, ihr Ehemann, der Kläger zu 1, sei im Dezember 2000 festgenommen und für einen Tag festgehalten worden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bestätigte der Kläger zu 1 laut Protokoll, dass er im März 1999 von der Polizei festgenommen worden und zur Spitzeltätigkeit aufgefordert worden sei. Ferner gab er an, seine Festnahme im Dezember 2000 habe das Fass zum Überlaufen gebracht und letztlich zur Ausreise geführt. Damit setzte er sich in Widerspruch zu seinen Einlassungen beim Bundesamt, wo er lediglich pauschal angegeben hatte, ausschlaggebend für die Ausreise im Januar 2001 sei der wachsende Druck der Behörden auf die Tschetschenen gewesen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger zu 1 bei der Befragung durch das Bundesamt zum Anlass für die Flucht eine kurz davor erfolgte Festnahme hätte unerwähnt lassen sollen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof sprach der Kläger zu 1 dann wieder nur von der angeblichen Festnahme am 8. März 1999. Daran, im Dezember 2000 festgenommen worden zu sein, hielt er hingegen nicht mehr fest.

Das erkennende Gericht ist davon überzeugt, dass eine Festnahme, zumal wenn es dabei tatsächlich zu tätlichen Übergriffen gekommen sein soll, von dem Betroffenen wenn auch nicht auf den Tag genau, so doch grob zeitlich und vom historischen Zusammenhang her eingeordnet werden kann. Dass dies beim Kläger zu 1 nicht der Fall ist und sein Vortrag auch darin variiert, ob er ein oder zwei solcher Festnahmen erlitten haben will, legt Zeugnis dafür ab, dass die behauptete(n) Festnahme(n) in Wahrheit nicht stattgefunden hat(haben) oder jedenfalls nicht den behauptetermaßen gravierenden Verlauf genommen hat(haben). Dafür sprechen auch die folgenden Erwägungen:

Zwar hat der Kläger in allen Verfahrensstadien vorgetragen, von den russischen Sicherheitskräften auch verprügelt worden zu sein. Allerdings wurde diese Behauptung von ihm nie näher erläutert; das diesbezügliche Vorbringen ist detailarm und lapidar. Auch vor dem Verwaltungsgericht wurde es nicht mit Details angereichert, dafür aber mit weiteren pauschalen Behauptungen wesentlich dramatischer dargestellt, als noch beim Bundesamt. In der Klagebegründung heißt es, der Kläger zu 1 sei von der russischen Polizei gequält und geschlagen worden. Er sei dahingehend erpresst worden, in Tschetschenien als Informant der russischen Behörden tätig zu werden. Seitdem er dies abgelehnt habe, sei er ständig verhört worden und ihm sei mit dem Tode gedroht worden. Weder die Behauptung ständiger Verhöre, noch die Behauptung, mit dem Tode bedroht worden zu sein, hat der Kläger zuvor beim Bundesamt gemacht oder später aufrecht erhalten. Auch hat er weder davor noch danach vorgetragen, zur Spitzeltätigkeit erpresst worden zu sein. Beim Bundesamt hat vielmehr nur seine Ehefrau, die Klägerin zu 2, angegeben, wie so viele, sei ihr Ehemann erpresst worden und sie hätten die Wohnung verkauft, damit er den Leuten das Geld geben konnte und in Ruhe gelassen würde. Womit ihr Ehemann erpresst worden sei, wisse sie nicht, und auch nicht von wem. Vielleicht sei es der Sicherheitsdienst oder die Polizei gewesen. Vor dem Verwaltungsgerichtshof gab der Kläger zu 1 selbst zu diesem Thema befragt lediglich an, dass bei Straßenkontrollen Geld für ein Bier von ihm verlangt worden sei.

Ferner hat der Kläger sich schon beim Bundesamt im Januar 2001 nicht genau daran erinnern können, wie lange seine Festnahme gedauert haben soll. Zunächst gab er an, er sei fünf oder sechs Stunden festgehalten worden, korrigierte sich dann aber, man habe ihn erst am nächsten Tag freigelassen. Für die Asylrelevanz einer Freiheitsentziehung kann es jedoch eine entscheidende Rolle spielen, ob sie lediglich wenige Stunden oder aber einen ganzen Tag angedauert hat. Das Gericht geht davon aus, dass man sich an die etwaige Dauer einer als gravierend erlebten Freiheitsentziehung bei der es auch zu körperlicher Misshandlung gekommen sein soll, auch auf Anhieb wird erinnern können.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt hat der Kläger zu 1 angegeben, er habe seinen Landsleuten geholfen, wenn sie in Moskau im Gefängnis gewesen seien. Als Rechtsanwaltshelfer habe er "stets irgendwie versucht, sie herauszubekommen". Als Anlass für seine angebliche Festnahme nannte er beim Bundesamt aber nicht diese Tätigkeit sondern eine Straßenkontrolle und bekundete, etwas Konkretes habe man ihm nicht vorgeworfen. Zur Klagebegründung vor dem Verwaltungsgericht wurde dagegen vorgetragen, der Kläger zu 1 habe "selbstverständlich" versucht, seinen Landsleuten "in verschiedenen Fragen" zu helfen. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes bestehe für tschetschenische Volkszugehörige jedoch jedenfalls dann eine besondere Gefährdung, wenn sie sich in der Tschetschenienfrage engagiert hätten. Allein aufgrund seines Berufes seien die Behörden besonders an dem Kläger zu 1 und seiner Familie interessiert. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärte der Kläger zu 1 hierzu, nach seiner Meinung seien die Festnahmen erfolgt, weil er aufgrund seines Berufes vielen Tschetschenen geholfen habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gab er auf Frage des Gerichts nach seiner Tätigkeit an, er habe als Assistent in einer Anwaltskanzlei gearbeitet. Ihren tschetschenischen Kunden habe er nach Möglichkeit geholfen. Auf weitere Nachfrage des Gerichts ergänzte er, als Rechtsanwaltsassistent habe er dem Anwalt geholfen. Er habe die Anliegen der Kundschaft aufgenommen, sei bei Gericht gewesen, habe Papiere vorbereitet. Seine tschetschenischen Landsleute habe er beraten, welche rechtlichen Möglichkeiten sie hätten, was für sie günstiger sei. Er habe in erster Linie auf dem Gebiet des Zivilrechts gearbeitet, sein Diplom sei allgemeiner Art gewesen.Letztere Angabe stimmt überein, mit dem beim Bundesamt abgegebenen Diplom des Klägers zu 1 von dem sich eine Übersetzung bei den Akten des Bundesamtes befindet (Bl. 48 ff.). Danach wurde ihm am 24. März 1998 die Qualifikation "Jurist - Fachrichtung Jurisprudenz" verliehen.

Die sinngemäß aufgestellte Behauptung, der Kläger zu 1 habe sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Rechtsanwaltshelfer mittelbar für die tschetschenische Sache engagiert oder es sei ihm aufgrund seiner Anwaltstätigkeit ein solches Engagement zumindest unterstellt worden, ist unglaubhaft. Der Vortrag zu den angeblichen Hilfeleistungen weicht im entscheidenden Punkt voneinander ab (Bundesamt: Versuch die Landsleute aus dem Gefängnis zu bekommen; mündliche Verhandlung vom 16.6.2008: allgemeine Rechtsberatung auf dem Gebiet des Zivilrechts) und die Behauptungen sind pauschal geblieben und in keinem Stadium des Verfahrens mit Einzelheiten nachvollziehbar gemacht oder untermauert worden. Es ist nicht plausibel, dass die Ausübung eines juristischen Berufes in Gestalt der Rechtsberatung für sich gesehen den Argwohn der russischen Behörden geweckt haben soll, zumal der Kläger zu 1 seine Tätigkeit als Rechtsanwaltshelfer nach seinem eigenen Bekunden nicht unter konspirativen Bedingungen, sondern in dem "M. Staatskollegium der Rechtsanwälte" am ... Prospekt Haus Nr. 9 in Moskau (nahe einer der Moskauer Universitäten) ausgeübt hat. Auch müssen nach den Berichten von "Memorial" offenbar nicht einmal Rechtsanwälte, die für diese Menschenrechtsorganisation tätig sind bzw. sich für Tschetschenen einsetzen, deshalb unbedingt mit Nachstellungen durch die russischen Sicherheitskräfte rechnen. So wird in der Ausarbeitung "Nach der Flucht aus Tschetschenien" (Moskau 2002), beschrieben, dass aus Tschetschenien stammenden Personen ohne rechtliche Grundlage die Ausstellung von Reisepässen verweigert werde. Konkret werden die Fälle von zwei Tschetschenen in Tschuwaschien berichtet, denen Pässe erst ausgehändigt worden seien, nachdem sich der Rechtsanwalt P. A. für sie eingesetzt habe. Dass dem Rechtsanwalt deshalb etwas geschehen wäre, wird nicht berichtet. In derselben Ausarbeitung wird von arbeitsrechtlichen Sachverhalten berichtet, in denen ebenfalls der für "Memorial" tätige Rechtsanwalt P. A. tätig geworden sei. Auch hier wird nicht erwähnt, dass dies Konsequenzen für den Juristen gehabt hätte. Solche Aktivitäten hat der Kläger zu 1 aber gar nicht behauptet. Er hat nicht einmal erläutert, wem (tschetschenischen Rebellen, Verbrechern oder einfach nur Binnenflüchtlingen und Zwangsumsiedlern) er bei welchen Problemen (Registrierung, Strafverfolgung, Anerkennung als Zwangsumsiedler etc., Kündigung) in welcher Weise (Verteidigung, Vertretung bei Behörden oder bei Gericht etc. oder etwa sogar durch nach russischem Verständnis illegales Handeln) geholfen haben will. Aus seinen allgemein gehaltenen Einlassungen lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger zu 1 sich im Rahmen seiner Tätigkeit tatsächlich für die Sache der tschetschenischen Rebellen engagiert hätte oder in diesen Verdacht hätte kommen können. Er hat nicht ansatzweise dargelegt, ob und in welcher Form er zu tschetschenischen Aktivisten auch nur mittelbar Kontakt gehabt haben könnte. Auch die anwaltliche Vertretung oder juristische Beratung "einfacher" Tschetschenen hat er nicht plausibel darzulegen vermocht. Der Kläger zu 1 hat nicht erklärt, worin seine angebliche Hilfe für tschetschenische Landsleute bestanden haben könnte und es ist nicht nachvollziehbar, über welche Einflussmöglichkeiten er verfügt haben will. Obwohl ihm bewusst sein musste, dass dies für den Erfolg seines Asylbegehrens entscheidend sein könnte und trotz ausdrücklicher Fragen des Gerichts hat der Kläger zu 1 auch in der Berufungsinstanz nicht ansatzweise Fälle oder Konstellationen geschildert, aus denen sich ein pro-tschetschenisches Engagement ableiten ließe. Das erkennende Gericht geht deshalb davon aus, dass er tatsächlich keine, jedenfalls keine nennenswerten oder den russischen Sicherheitskräften bekannt gewordenen Unterstützungsleistungen für Landsleute erbracht hat.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1 in der Rechtsanwaltskanzlei nach seinen Angaben beim Bundesamt im Oktober 2000 geendet hat. Der Kläger hat selbst gekündigt und ab November 2000 bis zur Ausreise keine neue Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt. Als Grund für die Kündigung nannte er zum einen, dass man ihn wegen seiner tschetschenischen Volkszugehörigkeit nicht in das Rechtsanwaltskollegium habe aufnehmen wollen. Dies mag zutreffen und stellt möglicherweise auch eine Benachteiligung des Klägers aufgrund seiner Volkszugehörigkeit dar. Allerdings hat der Kläger nicht vorgetragen und es ist auch nicht ersichtlich, dass er in dem Rechtsanwaltskollegium nicht als Angestellter weiter arbeiten und den Lebensunterhalt für seine Familie und sich hätte verdienen können. Asylrelevanz käme der Benachteiligung ohnehin nicht zu, da sie nicht die nach § 60 Abs. 1 AufenthG geschützten Rechtsgüter Leib, Leben und Freiheit betrifft.

Als weiteren Grund dafür, dass er seine Anstellung gekündigt hat, gab der Kläger zu 1 beim Bundesamt an, dass "die allgemeine Situation so bedrohlich" gewesen sei; von einer Bedrohung im Rahmen der Tätigkeit für das Rechtsanwaltskollegium war hierbei nicht die Rede. Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger zu 1 sich durch die bereits weiter oben unter (1) beschriebene, für Tschetschenen sicher nicht einfache allgemeine Lage in Moskau nach Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges veranlasst sah, für seine Familie und sich die Ausreise zu organisieren und im Vorfeld dieser geplanten Ausreise nach Deutschland seine Stelle freiwillig aufgegeben hat.

Soweit der Kläger zu 1 in der Berufungsverhandlung geschildert hat, wie Omon-Leute sich Zugang zur Wohnung eines Freundes hätten verschaffen wollen, in der er gerade zu Besuch gewesen sei, sind auch die diesbezüglichen Ausführungen verworren und unklar. Abgesehen davon hat der Kläger zu 1 selbst nicht behauptet, dass es dabei zu Übergriffen gekommen sei. Vielmehr gab er an, die Omon-Leute seien wieder gegangen, als ihnen nicht geöffnet worden sei.

Die völlige Unglaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens folgt aber nicht nur aus den dargestellten Ungereimtheiten in seinem Vorbringen zu den unmittelbaren Asylgründen. Bereits das Vorbringen des Klägers zu 1 zu seinen und den persönlichen Lebensumständen seiner Familie ist derart verworren, dass den Klägern insgesamt nicht geglaubt werden kann:

Beim Bundesamt hat der Kläger zu 1 angegeben, seine Eltern seien heute (also zum Zeitpunkt der Anhörung beim Bundesamt im Januar 2001) in Grosny wohnhaft. Auf weitere Frage des Anhörers bekräftigte der Kläger zu 1, sie wohnten direkt in der Stadt Grosny bei seiner Tante, deren Haus zufällig nicht zerstört worden sei. Er habe keine Geschwister, er sei ein Einzelkind. Im Rahmen des Berufungsverfahrens legte die Beklagte ein Schreiben des Landratsamtes Hassberge vor. Hierin wird darauf hingewiesen, dass im November 2002 eine deutsche Staatsangehörige jeweils eine Verpflichtungserklärung für die Mutter (…, geb. …1947) und die Schwester (…, geb. …1984) des Klägers zu 1 abgegeben habe. Aus den daraufhin angeforderten Unterlagen des Visumsverfahrens ergebe sich, dass sowohl Mutter wie auch Schwester des Klägers zu 1 in Moskau gemeldet seien. Zudem seien ihre Inlandspässe bereits 1999 in Moskau ausgestellt. Es sei deshalb wohl davon auszugehen, dass sich die gesamte Familie dauerhaft in Moskau und nicht, wie behauptet, in Grosny aufhalte. Die Kläger nutzten die Gelegenheit nicht, sich dazu zu äußern.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte der Kläger zu 1 die sich hieraus ergebenden Widersprüche nicht in nachvollziehbarer Weise auflösen. Auf Vorhalt gab er an, nachdem er nach Deutschland gekommen sei, seien seine Eltern nach Tschetschenien zurückgekehrt. Dies scheint angesichts der in den Erkenntnismitteln (vgl. Ad-hoc-Bericht Tschetschenien des Auswärtigen Amtes vom 24.4.2001; Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 27.11.2002) dokumentierten Lage in Tschetschenien und insbesondere auch in Grosny 2001 nicht plausibel. Unabhängig davon, ob man von einer asylerheblichen Bedrohung der Tschetschenen in Tschetschenien im Sinne einer Gruppenverfolgung zu dieser Zeit ausgeht oder nicht, waren jedenfalls die allgemeinen Lebensbedingungen und die Versorgungslage dort nach allen zugänglichen Quellen damals so schlecht, dass man vernünftigerweise dorthin nicht zurückkehrte, wenn man einen legalen Aufenthalt in Moskau erlangt hatte. Hinzu kommt, dass nach der unbestritten gebliebenen Mitteilung des Landratsamtes Hassberge vom 16. Januar 2004 die Mutter des Klägers zu 1 auch nach seiner Ausreise in Moskau gemeldet war. In der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2008 gab der Kläger dazu an, sie habe sich zu einer Behandlung nach Moskau begeben wollen und zu diesem Zweck eine vorläufige Anmeldung in der Region Moskau vorgenommen, dort aber nicht gewohnt. Das steht im Widerspruch zu den Angaben der Mutter in ihrem Visumsantrag vom 12. Mai 2003, von welchem sich eine Kopie bei den Gerichtsakten befindet. Dort heißt es unter der Rubrik "ständiger Wohnsitz": "M. ..., ..." unter der Rubrik "derzeitige Anschrift (bei Durchreise oder vorübergehendem Aufenthalt)" ist "Moskau" angegeben. Nach ihren eigenen Angaben im Visumsverfahren befand sich somit der ständige Wohnsitz der Mutter des Klägers zu 1 nicht in Grosny sondern im Landkreis W. im Gebiet Moskau in Zentralrussland; daneben war sie offenbar mit einem vorübergehenden Aufenthalt in der Stadt Moskau gemeldet.

Auf den Vorhalt, dass er vor dem Bundesamt angegeben habe, keine Geschwister zu haben, sich aus dem Visumsverfahren aber ergebe, dass er eine Schwester ... habe, führte der Kläger aus, er habe nicht vorgehabt, zu verbergen, dass er Schwestern habe. Er sei der einzige Sohn, habe keine Brüder. Auch diese Erklärung ist nicht plausibel, denn nach dem Protokoll über die Anhörung beim Bundesamt hat der Kläger zu 1 nicht nur angegeben, keine Geschwister (evtl. Verwechslungsmöglichkeit zwischen den Worten Geschwister und Schwester) zu haben, sondern er hat ausdrücklich bekundet ein Einzelkind zu sein. Ein Missverständnis ist dabei nach Auffassung des Gerichts ausgeschlossen.

Weitere Ungereimtheiten sind dem Vorbringen des Klägers zu 1 zu seinem eigenen Wohnsitz im Herkunftsstaat zu entnehmen. Aus dem von ihm beim Bundesamt geschilderten Werdegang geht hervor, er habe seinen ersten Inlandspass mit 16 Jahren in Moskau ausgestellt erhalten. Seinen Wehrdienst habe er in der Zeit von 1985 bis 1987 in der sowjetischen Armee in Rusa, im Gebiet Moskau geleistet. 1995 sei er von der Universität Grosny an die Universität Moskau gewechselt, wo er sein Studium 1998 mit dem Diplom als Jurist abgeschlossen habe. Sie seien allerdings erst im Januar 1998 nach Moskau umgezogen, bei dem Studium an der Universität Moskau habe es sich zunächst um ein Fernstudium gehandelt. Von Januar 1998 bis Ende Oktober 2000, sei er in Moskau als Rechtsanwaltshelfer tätig gewesen. In den Jahren von 1987 bis 1998 muss sich der Kläger gemäß seinen Angaben beim Bundesamt in Grosny aufgehalten haben.

Bei seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 16. Juni 2008 erklärte der Kläger, befragt nach seinen Aufenthaltsorten vor der Ausreise nach Deutschland, er sei in Grosny in der Straße N. Nr. 145 aufgewachsen. Er habe dort gelebt, bis ihr Haus während des Krieges zerstört worden sei; das sei 1996 gewesen. Sein Vater habe dann das Grundstück verkauft. Dieses Vorbringen berichtigte der Kläger aber sogleich, er sei bereits 1995 nach Moskau gezogen. Als er 1995 nach Moskau gekommen sei, habe sein Onkel zweiten Grades dort gelebt. Vor seinem Umzug nach Moskau habe er an der tschetschenisch-inguschetischen Universität in Grosny studiert. Danach habe er in Moskau an der Akademie für Jurisprudenz weiter studiert und zwar in der Fernstudienabteilung. Er sei bis zu seiner Ausreise nach Deutschland in Moskau geblieben. Auf Vorhalt seiner Erklärung vor dem Bundesamt im Jahre 2001, dass er bereits seinen ersten Inlandspass mit 16 Jahren in Moskau erhalten habe, erklärte der Kläger, er habe einen Inlandspass in Moskau im Jahr 1999 erhalten, als er seinen alten Inlandspass umgetauscht habe. Den ersten Inlandspass habe er in Tschetschenien bekommen. Warum beim Bundesamt notiert worden sei, dass er diesen in Moskau erhielt, wisse er nicht. Er habe seinen ersten Inlandspass in S. erhalten. Er habe manchmal bei seinen Eltern, manchmal bei seinen Großeltern in S. gelebt.

Für den angeblichen Umzug des Klägers zu 1 nach Moskau stehen somit mindestens drei Zeitpunkte im Raum, nämlich 1995 (Studienbeginn an der Uni Moskau), 1996 (Zerstörung des Elternhauses in Grosny) oder 1998 (Studienabschluss/Arbeitsbeginn). Das Gericht geht davon aus, dass ein Mann vom Bildungsstand des Klägers in der Lage sein muss, ein so wichtiges Ereignis wie die Verlegung des ständigen Wohnsitzes von Grosny nach Moskau wenigstens von Anlass und Jahreszahl her einzuordnen. Werden, wie vorliegend, dazu ohne befriedigende Erklärung verschiedene Versionen berichtet, erweckt dies durchgreifende Zweifel an der Glaubwürdigkeit. Der Widerspruch bezüglich der Ausstellung des ersten Inlandspasses bleibt ebenfalls ohne zufriedenstellende Erklärung.

Ferner haben die Kläger beim Bundesamt eine Reihe von Urkunden abgegeben. Darunter wurde ein 1992 in Grosny abgeschlossener Kaufvertrag über ein Ziegelsteinhaus in Grosny vorgelegt, in dem der Kläger zu 1 als Käufer bezeichnet und sein "Wohnort" mit "Moskau" angegeben wird. Auf Vorhalt des Gerichts hierzu in der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2008 führte der Kläger aus, damals habe sein Vater ihm geholfen, eine vorläufige Anmeldung in Moskau zu erhalten. Er habe dort geschäftlich zu tun gehabt und seine Verwandten besucht. Auch diese Erklärung ist nicht zufriedenstellend, denn Wohnort und Ort des vorübergehenden Aufenthalts sind auch nach allgemeinem Sprachgebrauch verschiedene Dinge.

Gravierende Ungereimtheiten finden sich schließlich im Sachvortrag zu der Wohnung, die die Kläger in Moskau bewohnt haben wollen. Auf die Frage nach der letzten offiziellen Anschrift im Heimatland gab der Kläger zu 1 beim Bundesamt an, er habe eine Eigentumswohnung in Moskau in der M.-…-Straße Haus Nr. 15 besessen und diese am 17. Dezember 2000 verkauft. Zu diesem Zeitpunkt hätten sie sich abgemeldet, aber nirgendwo mehr angemeldet und sich bis zur Ausreise am 12. Januar 2001 bei Verwandten in Moskau aufgehalten. Auch die Klägerin zu 2 gab beim Bundesamt die M.-…-Straße Haus Nr. 15 in Moskau als letzte offizielle Anschrift im Heimatland an; sie hätten die Wohnung verkauft, damit der Kläger zu 1 den Leuten, die ihn erpresst hätten das Geld geben konnte und in Ruhe gelassen würde. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Würzburg am 2. September 2002 gab der Kläger zu 1 an, in der von ihm mit seiner Familie bewohnten Wohnung habe auch sein Onkel gelebt, der sie damals aufgenommen habe. Aufgrund seines Berufes habe er, der Kläger, seinem Onkel dazu verholfen, die Wohnung zu kaufen; Geldmittel seien aber keine geflossen. Er selbst sei nie Eigentümer dieser Wohnung gewesen. Er habe nur für geregelte Eigentumsverhältnisse gesorgt. Außer seiner Familie habe der Onkel noch eine weitere Familie in dieser Wohnung aufgenommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof erklärte der Kläger zu 1, als er 1995 nach Moskau gekommen sei, habe sein Onkel zweiten Grades dort gelebt. Der habe dort eine Wohnung in der U. 15 gehabt. Der Kläger erklärte, er habe in dieser Wohnung gelebt, bis er nach Deutschland gekommen sei. Es habe sich um eine leer stehende Wohnung gehandelt die ihnen überlassen worden sei, da sie aus dem Krisengebiet gekommen seien. Sie hätten mehrmals die Adresse gewechselt. U. 15 sei seine letzte Adresse vor der Ausreise gewesen; davor hätten sie andere Wohnungen gehabt. Es gibt somit verschiedene Versionen zu den Eigentumsverhältnissen an der angeblich von den Klägern bewohnten Wohnung in der M.-…-Straße Haus Nr. 15 in Moskau, dazu wer dort zu welcher Zeit außer den Klägern wohnte und verschiedene Versionen auch dazu, wann sie diese Wohnung bewohnten. Es wird nicht klar, ob und falls ja, aus welchem Grund die Kläger diese Wohnung verkauft haben.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof gab der Kläger zu 1 ferner an, als er 1995 nach Moskau umgezogen sei, sei er in die Wohnung U. 15 nicht alleine, sondern mit seinen Eltern, seiner Ehefrau und den Kindern eingezogen. Auf den Vorhalt, dass er nach seinen eigenen Angaben erst 1997 geheiratet habe und seine Kinder erst 1999 und 2000 geboren seien, gab der Kläger an, er könne sich nicht mehr so genau erinnern.

Aus den dargestellten Widersprüchen und Ungereimtheiten ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass die Kläger eine Lebens- und Verfolgungsgeschichte erdacht bzw. aus teils tatsächlich Erlebtem, teils Erdachtem eine Verfolgungsgeschichte konstruiert haben, um ihrem Asylbegehren zum Erfolg zu verhelfen. Ihre Angaben zu ihren Asylgründen sind nicht glaubhaft, von einer individuellen Vorverfolgung ist nicht auszugehen.

Selbst wenn man als wahr unterstellen wollte, dass der Kläger zu 1 tatsächlich im März 1999 festgenommen, einen Tag lang festgehalten und dabei geschlagen wurde, wäre im Übrigen nicht ohne weiteres von einer Asylrelevanz dieses Geschehens auszugehen. Für Art. 16 a Abs. 1 GG ist anerkannt, dass "nicht ganz unerhebliche" Eingriffe in Leib, Leben und physische Freiheit generell die für die Bejahung einer asylrechtlich relevanten Verfolgung erforderliche Intensität aufweisen (vgl. z.B. BVerwG vom 20.11.1990 BVerwGE 87, 141/146). Nicht nur eine Inhaftierung von drei Tagen (BVerwG vom 20.11.1990 NVwZ 1991, 382/383), sondern bereits eine solche von zwei Tagen ist jedenfalls dann asylrechtlich erheblich, wenn ein derartiger Vorfall mit Misshandlungen einhergeht (vgl. zur letztgenannten Fallgestaltung BVerwG vom 20.11.1990 BVerwGE 87, 141/145 f.). Eine viertägige, mit Misshandlungen verbundene Ingewahrsamnahme erfüllt "ungeachtet der nur kurzen Festhaltedauer nach Art und Schwere des Eingriffs den asylrechtlichen Begriff der Verfolgung" (BVerwG vom 23.4.1985 Az. 9 C 75.84). Die gleiche Rechtsfolge wurde für die fünftägige staatliche Ingewahrsamnahme einer Person bejaht (BVerwG vom 20.11.1990 Az. 9 C 75.90). Da die zum Grundrecht auf Asyl entwickelten, das Vorliegen einer politischen Verfolgung betreffenden Kriterien im Wesentlichen mit denen des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GK) übereinstimmen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, RdNr. 19 zu § 60 AufenthG), auf das § 60 Abs. 1 AufenthG Bezug nimmt, können im Anwendungsbereich der letztgenannten Norm keine grundsätzlich anderen Maßstäbe gelten. Ob bereits eine eintägige Ingewahrsamnahme mit Schlägen die Schwelle der Asylrelevanz überschreitet, hängt von den Umständen des Einzelfalles (Bedingungen der Freiheitsentziehung, Art und Anzahl der Eingriffe in die körperliche Integrität) ab (vgl. auch BayVGH vom 15.10.2007 Az. 11 B 06.30875). Jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit durch staatliche Stellen, die an asylerhebliche Merkmale anknüpft stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts politische Verfolgung dar, ohne dass es insoweit noch auf eine besondere Intensität oder Schwere des Eingriffs ankommt (vgl. BVerfG vom 10.7.1989 BVerfGE 80, 315; BVerwG vom 20.11.1990 BVerwGE 87, 141 ff.; vom 25.7.2000 BVerwGE 111, 334 ff.). Ob es sich bei den vom Kläger zu 1 behaupteten Schlägen um einen nicht ganz unerheblichen Eingriff in diesem Sinne gehandelt hat, müsste möglicherweise auch bei Wahrunterstellung des klägerischen Vorbringens verneint werden, denn angesichts der lapidaren Schilderung des Klägers zu 1 kann jedenfalls nicht von heftigen Übergriffen ausgegangen werden.

Überdies ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass Maßnahmen trotz der Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale aus dem Bereich politischer Verfolgung herausfallen können, wenn sie der staatlichen Selbstverteidigung oder dem Schutz von Rechtsgütern dienen. Dies gilt insbesondere für Maßnahmen, die der Staat im Bereich der Terrorismusabwehr ergreift, wenn und soweit er sich dabei auf die Abwehr des Terrorismus beschränkt und nicht unter dem Deckmantel behaupteter Terrorismusbekämpfung politische Verfolgung betreibt. Derartige Maßnahmen können repressiver oder präventiver Natur sein. Sie müssen sich, um asylunerheblich zu sein, nicht notwendig gegen konkret Tatverdächtige richten, sondern können auch Unbeteiligte treffen, soweit sie terroristischen Aktivitäten vorbeugen oder diese aufklären sollen. Dies kann auch die Möglichkeit einschließen, Unbeteiligte kurzfristig in Haft zu nehmen, um z.B. ihre Identität zu überprüfen (vgl. BVerfG vom 10.7.1989 a.a.O.; vom 15.2.2000InfAuslR 2000, 254; BVerwG vom 25.7.2000 a.a.O; vom 5.9.2006, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 341). Welche Abwehrmaßnahmen im Einzelnen bei objektiver, wertender Betrachtung noch als "legitim" und dem Rechtsgüterschutz dienend anzuerkennen sind, mit der Folge, dass sie nach ihrem äußeren Erscheinungsbild aus dem Bereich politischer Verfolgung herausfallen, entzieht sich einer abstrakten Festlegung. Die vom Kläger zu 1 behauptete Behandlung durch russische Sicherheitskräfte könnte hiernach als legitime Terrorabwehrmaßnahme zu qualifizieren sein.

Auch wäre bei Wahrunterstellung der behaupteten Festnahme am 8. März 1999 die für die Bejahung einer Vorverfolgung notwendige Voraussetzung nicht gegeben, dass der Ausländer seinen Herkunftsstaat unter Umständen verlassen haben muss, die bei objektiver Betrachtungsweise noch "das äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck der erlittenen Verfolgung stattfindenden Flucht ergeben" (BVerwG vom 30.10.1990 BVerwGE 87, 52 ff.). In dieser Hinsicht kommt der zwischen dem Abschluss der politischen Verfolgung und der Ausreise verstrichenen Zeit eine entscheidende Bedeutung zu. Je länger der Ausländer nach erlittener Verfolgung in seinem Heimatland unbehelligt verbleibt, umso mehr schwindet der objektive äußere Zusammenhang mit seiner Ausreise dahin. Die Ausreise muss zeitnah zur Beendigung der Verfolgung stattgefunden haben. Welche Zeitspanne hierfür maßgebend ist, hängt von den jeweiligen Verhältnissen ab (BVerwG vom 30.10.1990, a.a.O., S. 55 f.). Vorliegend sind zwischen der behaupteten Festnahme am 8. März 1999 und der Ausreise rund ein Jahr und neun Monate verstrichen, weshalb von einem kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht sicher nicht mehr gesprochen werden könnte. An der Behauptung einer weiteren Festnahme im Dezember 2000 hat der Kläger zu 1 nicht festgehalten.

bb) Gruppenverfolgung/inländische Fluchtalternative:

Eine Gruppenverfolgung legal dort angesiedelter tschetschenischer Volkszugehöriger in Moskau wird selbst von Oberverwaltungsgerichten, die eine Gruppenverfolgung der Tschetschenen in Tschetschenien für die Zeit des zweiten Tschetschenienkrieges bejaht haben, nicht angenommen. Es wird insoweit insbesondere auf die Entscheidungen des OVG Bremen vom 23. März 2005 (Az. 2 A 116/03.A, RdNr. 69 ff. zit. nach Juris) verwiesen. Das Urteil des OVG Bremen betraf den Fall einer tschetschenischen Familie, die im Januar 2000 in das Bundesgebiet eingereist war. Das OVG Bremen stellt unter Bezugnahme auf den Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 15. Februar 2002 sowie die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. Juni 2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart fest, dass bei Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges mehr als zwei Drittel aller Tschetschenen in anderen russischen Regionen bzw. in GUS-Staaten lebten, wobei mehr als die Hälfte aller russischen Tschetschenen in der Russischen Föderation sich im Jahre 2000 vor allem in Moskau oder dem südlichen Russland befunden haben sollen. Die genannten Gebiete seien auch für die Kläger verfolgungssichere Orte außerhalb Tschetscheniens in der Russischen Föderation gewesen. Allerdings, so das OVG Bremen (a.a.O. RdNr. 71) unter Bezugnahme auf den Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 24. April 2001, seien besonders in Moskau und in anderen Großstädten der Russischen Föderation Tschetschenen wie andere Personen kaukasischer Herkunft bzw. mit vermeintlich südländisch/kaukasischem Aussehen diskriminierenden Kontrollmaßnahmen und ungesetzlichen Übergriffen der Behörden und teilweise einem Misstrauen der Bevölkerung ausgesetzt. In vielen Teilen der Russischen Föderation habe sich eine starke anti-tschetschenische Stimmung entwickelt. Die Stimmung, die schon während des ersten tschetschenischen Konflikts vorhanden gewesen sei, sei nach den Bombenanschlägen in Moskau im Herbst 1999 wieder an die Oberfläche geraten und habe sich durch die Soldatenfamilien treffenden relativ hohen Verluste der föderativen Streitkräfte in Tschetschenien verstärkt. Tschetschenen und andere Kaukasier seien in so genannten Anti-Terror-Operationen infolge der Bombenattentate vom Herbst 1999 in Moskau sowie in anderen russischen Großstädten Opfer von Festnahmen und Misshandlungen geworden, wobei ihnen als belastendes Beweismaterial Drogen und Waffen untergeschoben worden sein sollen und wobei von Fällen berichtet werde, in denen Folter angewendet worden sein solle, um Geständnisses zu erpressen. Zu diesen Feststellungen nimmt das OVG Bremen Bezug auf die Auskünfte des UNHCR von Januar 2002 und auf die Stellungnahme von amnesty international zum Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 24. April 2001. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28. Juni 2001 an das Bundesamt seien in der Folgezeit die im Herbst 1999 aufgrund der Bombenattentate insbesondere in Moskau verstärkten Kontrollen von Tschetschenen dann allmählich wieder auf das übliche Maß der Kontrolle von Bürgern kaukasischer Herkunft zurückgegangen. Im Anschluss an diese Feststellungen führt das OVG Bremen in seinem Urteil vom 23. März 2005 (a.a.O. RdNr. 72) aus, die Übergriffe der staatlichen Stellen gegen Tschetschenen und andere kaukasisch/südländisch aussehende Personen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens hätten indessen im Zeitpunkt der Ausreise der dortigen Kläger weder nach Häufigkeit noch nach Intensität die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte aufgewiesen. Zeitlich seien die verstärkten Übergriffe Reaktionen auf die Bombenattentate gewesen und in der Folgezeit wieder zurückgegangen. Sie hätten allenfalls in Einzelfällen asylerhebliches Gewicht erreicht, was für die Annahme einer Gruppenverfolgung nicht ausreiche. Insoweit schließt der erkennende Senat sich den Feststellungen des OVG Bremen an. Reichten die berichteten Übergriffe schon im Januar 2000 (Ausreise der Kläger in dem vom OVG Bremen entschiedenen Fall) nicht für die Annahme einer Gruppenverfolgung und gingen sie in der Folgezeit weiter zurück, kann von einer Gruppenverfolgung der Tschetschenen in Moskau zum Ausreisezeitpunkt der Kläger des vorliegenden Falles (Januar 2001) erst recht nicht ausgegangen werden.

Es kann somit vorliegend unentschieden bleiben, ob dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 21.2.2008 a.a.O. RdNr. 44) darin zu folgen ist, Art. 8 Abs. 2 QRL sowie seine systematische Stellung zu Art. 4 Abs. 4 QRL stünden dem nach der bisherigen Rechtsprechung bestehenden Erfordernis entgegen, zur Ermittlung des anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative sowohl bezogen auf den Zeitpunkt der Ausreise wie auch auf den Zeitpunkt der gedachten Rückkehr zu prüfen. Nach Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (a.a.O.) greift die Indizwirkung des Art. 4 Abs. 4 QRL bereits dann ein, wenn dem Betroffenen entsprechend Art. 8 Abs. 2 QRL zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft interner Schutz nicht zur Verfügung steht. Die Kläger im hier zu entscheidenden Fall hatten jedoch nach ihrem eigenen Bekunden in legaler Weise bereits Jahre vor ihrer Ausreise einen legalen Aufenthalt in Moskau begründet und im Übrigen auch nie vorgetragen, aus Tschetschenien dorthin vor Verfolgung geflohen zu sein, so dass bereits aus tatsächlichen Gründen nicht zu prüfen ist, ob ihnen zum Ausreisezeitpunkt um die Jahreswende 2000/2001 eine inländische Fluchtalternative bzw. interner Schutz im Sinne von Art. 8 QRL zur Verfügung stand.

b) Rückkehrgefährdung:

Da die Kläger die Russische Föderation im Januar 2001 weder individuell noch wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe vorverfolgt verlassen haben, kommt es für die Prognose, ob ihnen bei ihrer Rückkehr in die Russische Föderation asylrelevante Übergriffe drohen, auf den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit bzw. darauf an, ob ihre Furcht vor Verfolgung begründet ist im Sinne von Art. 1 A Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention und Art. 2 Buchst. c QRL ("real risk"). Dies ist nicht der Fall.

Wenn die Kläger nach Tschetschenien zurückkehren würden, wären sie nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von asylrelevanten Übergriffen bedroht. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des VGH Kassel im Urteil vom 21.2.2008 (InfAuslR 2008, 271 f.) an, wonach tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien, denen - wie den Klägern - keine tatsächliche oder unterstellte frühere Mitwirkung bzw. Einbindung bei den Rebellentruppen oder im Regime Maschadow entgegengehalten werden kann, heute auch ohne asylrelevante Gefährdung nach Tschetschenien zurückkehren können. Der VGH Kassel geht sogar davon aus, dass bei dem umschriebenen Personenkreis, zu dem zur Überzeugung des Gerichts auch die Kläger im zu entscheidenden Fall gehören, stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass sie im Sinne von Art. 4 Abs. 4 QRL erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sein werden (der VGH Kassel hatte in seinem Fall eine Gruppenverfolgung der dortigen Kläger in Tschetschenien zum Ausreisezeitpunkt bejaht). Erst recht ist somit eine begründete Furcht der hiesigen, nicht vorverfolgten Kläger im Sinne von Art. 2 Buchst. c QRL im Sinne eines "real risk" zu verneinen, da sich die Sicherheitslage in Tschetschenien zwischenzeitlich maßgeblich verbessert hat (VGH Kassel vom 21.2.2008 a.a.O., RdNr. 61 ff. zit. nach Juris).

Unabhängig davon können sich die Kläger auch an jedem anderen Ort der Russischen Föderation niederlassen, ohne mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit durch asylrelevante Übergriffe bedroht zu sein. Insbesondere können sich die Kläger nach ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat zur Überzeugung des Gerichts unter im Vergleich zu anderen Tschetschenen wesentlich erleichterten Bedingungen erneut in Moskau niederlassen, wo sie bereits vor ihrer Ausreise ihren legalen Wohnsitz hatten und wo auch Verwandte der Kläger leben.

Aus der UNHCR-Stellungnahme über Asylsuchende aus der Russischen Föderation in Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien vom Januar 2002 geht hervor, dass Tschetschenen, die im Besitz einer Wohnsitzregistrierung außerhalb Tschetscheniens sind, nach Gesetz und Praxis berechtigt sind, an dem betreffenden Ort vergleichbar den anderen Bewohnern zu leben. Für die Zwecke der Registrierung bei den örtlichen Dienststellen des Innenministeriums sei der Wohnsitz in Punkt 3 Absatz 2 des Beschlusses Nr. 713 der Regierung der Russischen Föderation vom 17. Juli 1995 als der Ort definiert, "an dem ein Bürger ständig oder hauptsächlich als Grundeigentümer, Mieter, Untermieter, Pächter oder in jeder anderen in russischen Rechtsvorschriften vorgesehenen Eigenschaft wohnt. Es kann sich um ein Wohnhaus, eine Wohnung, eine offizielle Unterkunft, eine Spezialeinrichtung (…) sowie um andere Wohnräume handeln". Damit ist unerheblich, in welchem Eigentums- oder Besitzverhältnis die Kläger zu der Wohnung in der M.-…-Str. in Moskau standen. Personen, die - wie die Kläger - einmal im Besitz einer Wohnsitzregistrierung an einem bestimmten Ort sind, sind berechtigt, an diesen Ort zu wohnen und dorthin zurückzukehren, auch wenn sie sich vorübergehend in einer anderen Region oder im Ausland aufgehalten haben. Eine Abmeldung von Amts wegen gibt es in der Russischen Föderation nicht (vgl. z.B. Auskunft des Auswärtigen Amts an das VG Berlin vom 22. November 2005, Bericht der Deutschen Botschaft Moskau an das BAMF vom 3. April 2006 und 19. Juli 2007).

Nach ihrem eigenen Vorbringen haben sich die Kläger des vorliegenden Falles aber im Dezember 2000 selbst aus Moskau abgemeldet, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass sie einer neuen Registrierung bedürfen, wenn sie dorthin zurückkehren. Erhebliche Probleme der Kläger bei ihrer zur Legalisierung des Aufenthalts, für den Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistungen, staatlich gefördertem Wohnraum und Gesundheitsfürsorge notwendigen Registrierung (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13.1.2008 S. 27, Memorial "Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation" August 2006 - Oktober 2007 S.8/9), sind nicht zu erwarten. Voraussetzung für eine Registrierung ist zum einen die Vorlage des Inlandspasses (ein von russischen Auslandsvertretungen in Deutschland ausgestelltes Passersatzpapier reicht nicht aus) und nachweisbarer Wohnraum. Beides dürfte für die Kläger kein Problem sein, denn ihren eigenen Angaben zufolge verfügen sie über 1999 in Moskau ausgestellte Inlandspässe, die bei ihren dort ansässigen Verwandten verblieben, also bei einer Rückkehr auch verfügbar sind. Außerdem ist davon auszugehen, dass über die in der Region Moskau ansässigen Verwandten auch der erforderliche Wohnraum nachgewiesen werden kann. Zudem kann angenommen werden, dass für die Meldebehörden die frühere Registrierung der Kläger in Moskau bis zum Dezember 2000 noch aus den Akten nachvollziehbar ist. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Kläger eine neue Registrierung in Moskau unter wesentlich erleichterten Bedingungen und in vertretbar kurzer Zeit werden vornehmen können und an den auch im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Januar 2008 (a.a.O. S.26) beschriebenen Zuzugsbeschränkungen nicht scheitern werden.

Besitzt ein Tschetschene, bei dem keine Umstände vorliegen, die Anlass zu Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG, Art. 9 f. QRL geben, sowohl gültige Ausweispapiere als auch eine Registrierung an dem Ort, an dem er angetroffen wird, so gibt er der russischen Staatsgewalt keine Handhabe, um ihn mit asylrechtlich ggf. relevanten Maßnahmen zu überziehen. Dem Verwaltungsgerichtshof liegen keine Erkenntnisse vor, dass Tschetschenen, die diese Anforderungen erfüllen und auch keinen sonstigen Anlass zu polizeilichem Einschreiten gegeben haben, in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus in jüngerer Zeit von staatlicher Seite in asylrechtlich erheblicher Weise belangt wurden.

Dass Tschetschenen ebenso wie andere kaukasisch aussehende Personen noch immer öfter als andere Bewohner der Russischen Föderation kontrolliert werden (vgl. Schreiben von amnesty international an den BayVGH vom 16.4.2004; Lagebericht vom 13.1.2008, S. 26), zwingt nicht zu dem Schluss auf eine asylrelevante Rückkehrgefährdung der Kläger. Zwar mag darin eine diskriminierende polizeiliche oder administrative Praxis im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b QRL liegen, die an körperliche Merkmale wie Haut- und Haarfarbe, die ethnische Zugehörigkeit oder die regionale Herkunft (Art. 10 Abs. 1 Buchst. a, c und d QRL) anknüpft. Die Tatsache, dass Tschetschenen oder sonst aus dem Kaukasus stammende Personen öfter als andere Bewohner der Russischen Föderation ihre Ausweise vorzeigen und sie ggf. in höherem Maße damit rechnen müssen, dass es zu Durchsuchungen ihrer Person, mitgeführter Gegenstände sowie ihrer Wohnungen kommt, beeinträchtigt für sich genommen jedoch weder die in § 60 Abs. 1 AufenthG ausdrücklich erwähnten Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und persönliche Fortbewegungsfreiheit, noch verletzen solche Maßnahmen, so lange sie nicht mit weitergehenden Übergriffen einhergehen, die Menschenwürde in der nach Art. 9 Abs. 1 QRL erforderlichen schwerwiegenden Weise. Hierzu wird auf die Ausführungen weiter oben unter 1. a) aa) (1) verwiesen. Nachdem der Kontrolldruck kaukasisch aussehenden Personen gegenüber inzwischen eher zurückgegangen ist, als dass er sich verschärft hätte und Kontrollen von kaukasisch aussehenden oder aus Zentralasien stammenden Personen seit Jahresbeginn 2007 zumeist im Rahmen des verstärkten Kampfes der Behörden gegen illegale Migration und Schwarzarbeit erfolgen (vgl. Lagebericht vom 13.1.2008, S. 26), gelten die oben für den Ausreisezeitpunkt angestellten Überlegungen insoweit erst recht.

In der Ausarbeitung der Menschenrechtsorganisation Memorial "Menschen aus Tschetschenien in der Russischen Föderation August 2006 - Oktober 2007" (S.82 ff.) wird zwar weiterhin behauptet, dass Tschetschenen in der Russischen Föderation Zielscheibe der Rechtsschutzorgane und ständig in Gefahr seien, Opfer von ungesetzlichen Verfolgungen zu werden. Die noch in der Ausarbeitung von Memorial für den Berichtszeitraum Juli 2005 - Juli 2006 enthaltene Behauptung, es gebe Fälle in denen "fabrizierte Anklagen" gegen Tschetschenen erhoben worden seien wegen des Erwerbs, des Besitzes und des Verkaufs von Rauschgift und Waffen, die man den Betroffenen untergeschoben habe, ist dagegen im aktuellen Bericht von Memorial so nicht mehr enthalten. Geschildert werden aktuell im Wesentlichen zwei konkrete Fälle. Die Brüder M. aus Argun hätten sich am 29. August 2007 an die Fahndungsabteilung der Stadt Pawlow Posad im Gebiet Moskau gewendet, um sich eine Registrierung unterschreiben zu lassen. Dies sei gesetzlich nicht vorgesehen. Bei diesem Anlass seien die Brüder erniedrigt worden, hätten sich teilweise entkleiden und untersuchen lassen müssen und es seien ihnen Fingerabdrücke abgenommen worden. Sie seien festgehalten und am 31. August 2007 im Rahmen eines unfairen Verfahrens zu einer fünftägigen Arreststrafe verurteilt worden. Der Klage der Brüder hiergegen habe das städtische Gericht Pawlow Posad am 24. Oktober 2007 stattgegeben. Ob die Brüder zur Fahndungsabteilung einbestellt worden waren oder sich aus freien Stücken zu der Behörde begaben geht nicht klar aus der Fallbeschreibung hervor, eindeutig verfügten sie jedoch nicht über eine Registrierung. Aus dem Fall der Brüder M. kann daher nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung der Kläger hergeleitet werden, denn wie bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass sie aufgrund der besonderen Umstände ihres Einzelfalles relativ unkompliziert und rasch eine Registrierung in Moskau erlangen werden. Bei dem zweiten von Memorial in der Ausarbeitung "Menschen aus Tschetschenien in der Russischen Föderation August 2006 - Oktober 2007" zum Thema gesetzeswidrige Verhaftungen und Verfolgungen berichteten Fall von U., einem in Moskau Studierenden und R. handelt es sich um einen Einzelfall. Der Schilderung lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass eine der dort genannten Personen mit einer bewusst falschen strafrechtlichen Beschuldigung überzogen wurde, oder dass Beweismittel untergeschoben wurden. Es lässt sich vielmehr zumindest nicht ausschließen, dass das behördliche Handeln im Rahmen der Terrorismusabwehr nachvollziehbar gewesen sein könnte. Ein Verwandter von R. hatte nach der Schilderung von Memorial in Moskau einen Parkplatz angemietet. Dort wurde am 8. Mai 2007 ein mit 20 kg Sprengstoff gefülltes Fahrzeug entdeckt, so dass der Verdacht auf ihn fiel. R. und U. wurden daraufhin von Mitarbeitern des FSB in Untersuchungshaft genommen. Nach Angaben des Anwalts habe das Gericht die Verhaftung sanktioniert ohne eine Beschuldigung zu artikulieren. Aus der Schilderung von Memorial geht weiter hervor, dass Svetlana Gannuschkina und Abgeordnete des tschetschenischen Parlaments der Familie von U. ein gutes Leumundszeugnis ausgestellt hätten. Dennoch sei die Untersuchungshaft verlängert worden. Ein Teil der Anschuldigungen (die es dann offenbar doch gab) sei fallengelassen worden, dafür werfe man B. nunmehr einen Attentatsversuch auf Ramsan Kadyrow vor. Man könne davon ausgehen, dass dieser Vorwurf gewählt worden sei, um eine Unterstützung der beiden durch die tschetschenische Regierung zu verhindern. Aus der Fallschilderung folgt keineswegs eindeutig, dass es nicht ausreichende Anhaltspunkte für die Anordnung von Untersuchungshaft gegeben haben könnte. Auch Svetlana Gannuschkina äußert lediglich, die angeblichen Belege ließen Zweifel an der offiziellen Version berechtigt erscheinen. Soweit beschrieben wird, die Mutter von U. habe ihn zufällig vor der Gerichtsverhandlung gesehen und sei über dessen schlechtes Aussehen erschüttert gewesen, R. habe Hepatitis gehabt, so dass während der Gerichtsverhandlung zweimal der Krankenwagen für ihn habe geholt werden müssen, spiegelt dies den bekannt schlechten Standard in russischen Untersuchungshaftanstalten wieder, sagt aber nichts darüber aus, dass es sich bei der Inhaftierung um eine ungesetzliche Verfolgung gehandelt haben muss.

Den Klägern würden bei erneuter Niederlassung in Moskau und sonst außerhalb Tschetscheniens und des Nordkaukasus auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe gesellschaftlicher Kräfte drohen, die sich der russische Staat nach § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG bzw. Art. 6 Buchst. c QRL dann zurechnen lassen müsste, falls er nicht willens oder nicht in der Lage wäre, vor solchen Angriffen Schutz zu bieten. Zwar haben fremdenfeindliche Ressentiments in der russischen Gesellschaft während der letzten Jahre zugenommen und richten sich insbesondere gegen Tschetschenen und andere Kaukasier. Im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Januar 2008 (S.9 f.) heißt es, die Nichtregierungsorganisation "Sowa" habe für die Zeit von 1. Januar 2007 bis zum 30. September 2007 in der Russischen Föderation 230 rassistisch motivierte Überfälle verzeichnet, bei denen insgesamt 409 Menschen zu Schaden kamen und 46 starben während es im Jahr davor im selben Zeitraum 180 Attacken auf 401 Menschen gab, bei denen 41 starben. Bei der bisher schwersten fremdenfeindlichen Gewalttat, einem Bombenanschlag auf asiatische Händler in Moskau, sind laut dem Lagebericht am 21. August 2006 dreizehn Menschen ums Leben gekommen. Setzt man diese Zahlen in Relation zu den etwa 142 Millionen Menschen, die laut dem Föderalen Staatlichen Statistikdienst (ROSSTAT) zum 1. Juli 2007 in der Russischen Föderation lebten (vgl. Erkenntnisse des Bundesamtes Oktober 2007, S.13) und von denen viele den mehr als hundert anerkannten ethnischen Minoritäten angehören (vgl. Abschnitt II.1.b des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 26.3.2004), kann nicht davon gesprochen werden, rassistisch motivierte Übergriffe seien in diesem Land in herausragender Häufigkeit zu verzeichnen. Nach den Erkenntnissen des Bundesamtes (vgl. die detailgenauen Darstellungen in Abschnitt 2.7 der "Erkenntnisse des Bundesamtes" vom Oktober 2005 und in Abschnitt 1.2.1 der "Erkenntnisse des Bundesamtes" vom November 2006) kam es Mitte August 2005 im südrussischen Jandyki und Ende August 2006 im karelischen Kondopoga zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Tschetschenen und Angehörigen anderer Volksgruppen. Diese Vorkommnisse, bei denen die Gewaltaktionen in wesentlicher Hinsicht auch von der tschetschenischen Seite ausgingen und bei denen die Tschetschenen keineswegs nur leidender Teil waren (es wurden in beiden Fällen Angehörige anderer Ethnien durch tschetschenische Schlägertrupps zu Tode geprügelt; vgl. die detailgenauen Darstellungen in Abschnitt 2.7 der "Erkenntnisse des Bundesamtes" vom Oktober 2005 und in Abschnitt 1.2.1 der "Erkenntnisse des Bundesamtes" vom November 2006), stehen vereinzelt dar. Den in der Russischen Föderation ansonsten zu verzeichnenden xenophoben Vorkommnissen, die insbesondere von rechtsradikalen russischen Kräften verübt wurden, fielen nahezu ausnahmslos nur Angehörige anderer Volksgruppen - namentlich Schwarzafrikaner, Asiaten mit mongolischem Erscheinungsbild, Menschen aus dem indischen Kulturkreis sowie andere Kaukasier als Tschetschenen - zum Opfer (vgl. die Aufstellung in Abschnitt 2.8 der "Erkenntnisse des Bundesamtes vom Februar 2007; ferner Abschnitt 4.3 der "Erkenntnisse des Bundesamtes vom Dezember 2005, Seite 18 f. der "Erkenntnisse des Bundesamtes" vom Juni 2005 [Stand: September 2005], Seite 6 f. des Memorial-Jahresberichts 2005 und Seite 21 der Ausarbeitung der Gesellschaft für bedrohte Völker von November 2005 "Schleichender Völkermord in Tschetschenien").

Die Frage, ob die Kläger als tschetschenische Volkszugehörige in der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung bzw. internen Schutz i.S.v. § 60 Abs. 1 Sätze 4 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 QRL finden können, stellt sich vor diesem Hintergrund nicht, da sie in der gesamten Russischen Föderation nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von asylrelevanten Übergriffen bedroht sind. Im Übrigen kann festgestellt werden, dass den Klägern auch weder in Moskau noch überhaupt in der Russischen Föderation existenzielle Nachteile und Gefahren drohen, angesichts derer von ihnen unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten in der Russischen Föderation und ihrer persönlichen Umstände nicht vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort aufhalten. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit leben auch heute noch Verwandte der Kläger (wohl jedenfalls die Mutter und die Schwester sowie ein Onkel des Klägers zu 1) in der Stadt bzw. der Region Moskau. Es kann also davon ausgegangen werden, dass sie zum Neuanfang auf die Unterstützung eines Familienverbandes zurückgreifen können. Zudem sind der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 gut ausgebildet (Jurist und Chemikerin) und mit 41 und 34 Jahren in einem Alter, in dem sie in der Lage sein müssten, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. In der Russischen Föderation lag die Arbeitslosenquote Ende Juli 2007 bei 5,8 %, d.h. 4.352.000 Menschen waren arbeitslos, 1.473 Millionen Menschen waren bei den Behörden als arbeitslos registriert (Erkenntnisse des Bundesamtes vom Oktober 2007, S.14). Seit dem Jahr 2000 hat sich die soziale und ökonomische Lage in der Russischen Föderation stabilisiert (2004 lag die Arbeitslosenquote noch bei 9,1%, 2005 bei 7,7 %); das Bruttoinlandsprodukt hat jährlich (2004 gegenüber 2003 um 6,9 %) zugenommen (vgl. Abschnitt 5 der Erkenntnisse des Bundesamtes vom April 2006). Ebenfalls gestiegen sind die Arbeitslöhne; sie erreichten bereits 2003 unter allen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion den höchsten Stand (Erkenntnisse des Bundesamtes vom April 2006). Da gleichzeitig die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte aus demografischen Gründen zurückgeht, besteht in einigen Wirtschaftszweigen und Berufen mit ständig steigender Tendenz ein Defizit an Arbeitskräften. Russland ist zwischenzeitlich deshalb ein begehrtes Ziel für Arbeitsmigranten vor allem aus den ehemaligen mittelasiatischen Republiken der Sowjetunion und den Kaukasusländern geworden (Erkenntnisse des Bundesamtes April 2006). Es muss vor diesen Hintergrund davon ausgegangen werden, dass es den Klägern zu 1 und 2 möglich sein wird, in der Russischen Föderation eine Beschäftigung, notfalls zunächst auch eine nicht ihrer Ausbildung entsprechende, zu finden und ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum in aller Regel bereits dann bietet, wenn sie dort entweder durch Zuwendungen Dritter oder durch eigene - notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende - Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können (BVerwG vom 21.5.2003 Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 270; BVerwG vom 1.2.2007, a.a.O., RdNr. 11 im Juris-Ausdruck). Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, und die nur zeitweise - etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs z.B. in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor - ausgeübt werden können (BVerwG vom 1.2.2007, ebenda).

2. §§ 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG:

Den Klägern drohen schließlich bei ihrer Rückkehr in die Russische Föderation auch keine sonstigen Gefahren im Sinne der zum Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, Art. 15 QRL.

Keiner der Kläger muss mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit befürchten, bei Rückkehr in die Russische Föderation gefoltert oder einer sonstigen, mit der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) unvereinbaren Behandlung zugeführt zu werden (§ 60 Abs. 2, 5 und 11 AufenthG in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie). Zwar kommt es bei Verhaftungen, Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft immer wieder zu Folter und grausamer oder erniedrigender Behandlung durch Polizei und Ermittlungsbehörden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13.1.2008 S. 23). Besonders kritisch sieht hiernach der Menschenrechtsbeauftragte Lukin die Situation vor Beginn von Strafverfahren im Rahmen der sog. "operativen Ermittlungstätigkeit". Auch amnesty international beklagt in einem Bericht von November 2006 diese Praktiken. Human Rights Watch berichtet in einer Dokumentation über Folter in Tschetschenien vom 13. November 2006, dass kaum jemand strafrechtlich für dieses unrechtmäßige Handeln belangt werde (Lagebericht a.a.O.). Nach den Ausführungen des Auswärtigen Amtes weisen Menschenrechtsorganisationen darauf hin, dass insbesondere sozial Schwache, Obdachlose und Betrunkene, Ausländer und Personen "fremdländischen" Aussehens Opfer von Misshandlungen durch Polizei und Untersuchungsbehörden wurden.

Da gegen die Kläger nicht einmal ein entfernter Verdacht vorliegt, dessentwegen sie konkret befürchten müssten, in der Russischen Föderation in Haft genommen zu werden und sie aufgrund der Gesamtumstände ihres Einzelfalles (gehobene Berufsausbildung, Verwandte in Moskau, legale Niederlassung in Moskau vor der Ausreise) auch nicht zu dem Personenkreis der sozial Schwachen gehören, die nach der im Lagebericht vom 13. Januar 2008 zitierten Darstellungen schlechte Behandlung durch Polizei und Untersuchungsbehörden gewärtigen müssen, müssen die Kläger auch nicht damit rechnen, bei ihrer Rückkehr Folter oder sonstigen unmenschlichen bzw. erniedrigenden Behandlungen oder Bestrafungen ausgesetzt zu sein. Auch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, die ein Abschiebungshindernis i.S.v. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen würde, liegt nicht vor (vgl. BVerwG vom 13.8.1990 NVwZ-RR 1991, 215; vom 17.4.2008 10 B 28/08). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verlangt, damit ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK festgestellt werden kann, ebenfalls die "reale Gefahr" (vgl. EGMR vom 20.3.1991 NJW 1991, 3079/3080) bzw. das "ernsthafte Risiko" (vgl. EGMR vom 30.10.1991 NVwZ 1992, 869/870) einer konventionswidrigen Behandlung.

Weiter sind die Kläger bei einer Abschiebung in die Russische Föderation nicht an Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG gefährdet. Schon weil davon auszugehen ist, dass sie sich erneut an ihrem Herkunftsort Moskau niederlassen sind sie weder einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bzw. Art. 15 Buchst. c QRL) noch resultiert eine derartige Gefahr aus einer mangelhaften Versorgung mit Lebensmitteln und ungenügenden Erwerbsmöglichkeiten. Derartige Befürchtungen wurden auch von den Klägern nicht geäußert.

Abgesehen davon, dass die Kläger zur Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr in die Region Moskau auf die Unterstützung von dort ansässigen Familienangehörigen zurückgreifen könnten, könnten sie bei freiwilliger Rückkehr auch Hilfen nach dem REAG-/GARP-Programm in Anspruch nehmen. Auf derartige Zuwendungen besteht nach dem Wortlaut der einschlägigen Verwaltungsrichtlinie zwar kein Rechtsanspruch; es ist jedoch nicht ersichtlich, warum den Klägern derartige Mittel vorenthalten werden sollten, zumal sie Gleichbehandlung mit anderen diesem Programm unterfallenden Personen verlangen können. Die hiernach zu gewährende Starthilfe beträgt nach den im Jahr 2007 geltenden Sätzen 250,-- €; daneben kann ggf. eine Reisebeihilfe von bis zu 100,-- € gewährt werden. Von diesem Betrag müssen nicht die Kosten der Rücktransports per Flugzeug, Bahn oder Omnibus bestritten werden, da diese bei freiwilliger Ausreise - Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel vorausgesetzt - nach dem REAG-/GARP-Programm von der deutschen öffentlichen Hand getragen werden. Da die Hilfe, die die Kläger nach dem REAG-/GARP-Programm zu erwarten haben, der Höhe nach dem Mehrfachen eines durchschnittlichen Monatseinkommens in der Russischen Föderation entspricht (vgl. Erkenntnisse des Bundesamts vom April 2006, S.8), reicht sie selbst dann aus, um die Zeit bis zur Registrierung zu überbrücken, wenn diese anfänglich verweigert werden sollte.

Die Kläger sind bei einer Aufenthaltnahme in der Russischen Föderation auch nicht im Hinblick darauf einer erheblichen und konkreten Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt, weil sie aus dem Ausland zurückkehren und von der im Heimatland lebenden Bevölkerung vermutet werden könnte, dass sie viel Geld hätten. Soweit Memorial (vgl. "Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation" August 2006 - Oktober 2007 S. 4/15) ausführt, dass Rückkehrer schnell zu Opfern von Erpressungsversuchen in Gestalt von Entführungen mit anschließenden Lösegeldforderungen werden könnten, da man vermute, wer lange Zeit im Ausland gelebt habe, habe auch viel Geld, handelt es sich hierbei um eine bloße Spekulation, die sich zudem ausdrücklich nur auf Tschetschenien bezieht (vgl. "Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation" August 2006 - Oktober 2007 S. 4/15).

3. Nebenentscheidungen:

Als unterlegene Partei haben die Kläger gemäß § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.