Bayerisches LSG, Urteil vom 24.01.2008 - L 10 AL 442/05
Fundstelle
openJur 2012, 89461
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil desSozialgerichts Nürnberg vom 27.07.2005 aufgehoben. Die Klagenwerden abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 17.12.2000 bis 16.01.2001 und und vom 21.02.2001 bis 03.03.2001, die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 16.02.2002 bis 12.03.2002 und vom 19.06.2002 bis 23.07.2002 und die Aufhebung der Bewilligung von Alhi für Zeit vom 07.12.2002 bis 21.04.2003 und vom 08.11.2003 bis 31.12.2003 sowie Erstattung der jeweils gezahlten Leistungen und der gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung streitig.

Der 1940 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger und bezog seit dem Jahr 1998 mit Unterbrechungen Leistungen der Beklagten. Am 16.10.2000 meldete sich der Kläger arbeitslos und erklärte bei der Rückgabe des Antrags auf Alg am 05.11.2000 unterschriftlich, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Am 01.09.2001 meldete er sich wiederum arbeitslos und beantragte am 15.10.2001 die Bewilligung von Alhi. Dabei bestätigte er unterschriftlich, das Merkblatt 1b "Arbeitslosenhilfe" zur Kenntnis genommen zu haben. Mit Verfügung vom 19.10.2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab 01.09.2001 bis 31.08.2002. Am 19.10.2001 ging bei der Beklagten die Erklärung des Klägers nach § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ein.

Am 26.07.2002 beantragte der Kläger die Fortzahlung von Alhi zum 01.09.2002, wobei er unterschriftlich bestätigte, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Mit Verfügung vom 01.08.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab 01.09.2002. Am 28.07.2003 beantragte der Kläger Fortzahlung der Alhi zum 01.09.2003. Mit Verfügung vom 15.08.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi für die Zeit ab 01.09.2003. Am 08.11.2003 wurde der Kläger auf der Bundesautobahn A 3 in der Gemeinde N. als Mitfahrer in einem jugoslawischen Fernreisebus kontrolliert. Die Polizeiinspektion P. teilte der Beklagten anschließend die Dauer der Auslandsaufenthalte des Klägers mit.

Nach Anhörung vom 17.02.2004 und Stellungnahme des Klägers vom 30.04.2004 hob die Beklagte mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14.06.2004 die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 17.12.2000 bis 16.01.2001 und vom 21.02.2001 bis 03.03.2001 auf. In den genannten Zeiträumen habe sich der Kläger ohne vorherige Genehmigung durch den zuständigen Arbeitsvermittler im Ausland aufgehalten und somit keinen Anspruch auf Leistungen gehabt. Der Verpflichtung, alle Änderungen in seinen Verhältnissen der Beklagten mitzuteilen, sei er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Das zu Unrecht gezahlte Alg in Höhe von insgesamt 1.603,96 EUR sei zu erstatten. Auch die Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 371,43 EUR und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 45,04 EUR, zusammen 416,47 EUR, seien vom Kläger zu erstatten.

Mit weiterem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14.06.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 16.02.2002 bis 12.03.2002 und vom 19.06.2002 bis 23.07.2002 mit im wesentlichen gleicher Begründung auf. Die zu Unrecht gezahlte Alhi in Höhe von 1.828,80 EUR sei zu erstatten. Auch die von der Beklagten gezahlten Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 371,64 EUR und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 31,09 EUR, zusammen 402,73 EUR, seien zu erstatten.

Mit weiterem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14.06.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 07.12.2002 bis 21.04.2003 und vom 08.11.2003 bis 31.12.2003 auf. Der Auslandsaufenthalt habe in beiden Zeiträumen mehr als 6 Wochen betragen und die persönliche Rückmeldung beim Vermittler sei zu spät bzw. gar nicht erfolgt. Bezüglich des Auslandsaufenthalts vom 07.12.2002 bis 15.04.2003 sei die nächste Meldung am 22.04.2003 erfolgt. Bezüglich des Auslandsaufenthalts vom 08.11.2003 bis 31.12.2003 sei keine Rückmeldung erfolgt. Der Kläger sei der Verpflichtung, alle Änderungen in seinen Verhältnissen der Beklagten mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Die an den Kläger in diesen Zeiträumen gezahlte Alhi in Höhe von 5.562,42 EUR sei vom Kläger zu erstatten, ebenso die in diesen Zeiträumen gezahlten Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 869,34 EUR und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 94,56 EUR, zusammen 963,90 EUR.

Gegen die drei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 14.06.2004 legte der Kläger jeweils am 08.07.2004 Widerspruch ein. Wenn die Verpflichtung unter Anwendung des § 428 SGB III, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen zu müssen, entfallen sei, könne die Nichteinhaltung der damit korrespondierenden Verpflichtung, Änderungen des Aufenthaltsortes bekanntzugeben, nicht weiterhin aufrecht erhalten bleiben. Mit Widerspruchsbescheiden vom 22.07.2004 wies die Beklagte die Widersprüche mit im Wesentlichen gleicher Begründung als unbegründet zurück.

Gegen die Widerspruchsbescheide vom 22.07.2004 hat der Kläger jeweils am 26.08.2004 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben (Az: S 8 AL 280/04, S 8 AL 821/04; S 8 AL 822/04). Mit Beschluss vom 22.10.2004 (Bl 17 S 8 AL 820/04) hat das SG die Streitsachen S 8 AL 820/04, S 8 AL 821/04 und S 8 AL 822/04 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Az: S 8 AL 820/04 fortgeführt. Mit Urteil vom 27.07.2005 hat das SG die 3 Bescheide vom 14.06.2004 in der Gestalt der 3 Widerspruchsbescheide vom 22.07.2004 aufgehoben. Die zulässige Klage sei begründet, dem Kläger könne nicht vorgehalten werden, er habe in grob fahrlässiger Weise eine Überzahlung veranlasst. Zwar gehe die Beklagte zu Recht davon aus, dass sich der Kläger in den fraglichen Zeiträumen ohne Genehmigung der Arbeitsverwaltung außerhalb des Nahbereichs der Beklagten aufgehalten habe. Nach § 119 SGB III iVm §§ 3 und 4 Erreichbarkeitsanordnung - EAO - müsse der Kläger unter den Voraussetzungen des § 428 SGB III zwar nicht mehr arbeitsbereit sein, er habe indes seinen Aufenthalt außerhalb des ortsnahen Bereichs ohne Zustimmung der Arbeitsverwaltung nicht verlagern dürfen (§ 3 Abs 1, § 4 EAO). Er habe jedoch nicht grob fahrlässig gegen die Genehmigungspflichten nach § 3 und 4 EAO verstoßen. Mit der vorgelegten Erklärung zu § 428 SGB III sei dem Kläger nahegelegt und angeboten worden, seine Arbeitsbereitschaft aufzugeben. In der Erklärung sei überdies nur die Rede davon, dass sich der Kläger nach vorheriger Absprache mit der Beklagten bis zu 17 Wochen im Jahr außerhalb des Wohnsitzes aufhalten dürfe. Es heiße, der auswärtige Aufenthalt werde nicht abhängig gemacht von einer Zustimmung der Beklagten, sondern lediglich von einer vorherigen Absprache mit der Arbeitsverwaltung. Überdies ergebe sich aus dem Merkblatt 1 für Arbeitslose im Sonderfall des § 428 SGB III keine klare und unmissverständliche Handlungsanweisung für Arbeitslose hinsichtlich der Verfügbarkeit. Das Merkblatt 1 differenziere nicht zwischen einer Arbeitsbereitschaft und dem Aufenthalt in den Sonderfällen des § 428 SGB III. Nach der Erklärung zu § 428 SGB III habe der Kläger davon ausgehen können, dass er Leistungen erhalte, ohne arbeitsbereit zu sein. Eine darüber hinausgehende formale örtliche Verfügbarkeit habe sich für den Kläger nicht aufdrängen können, da für den Sonderfall des § 428 SGB III das Merkblatt keine dezidierte Anweisung enthalte. Die Einholung einer unabdingbaren Genehmigung für Auslandsaufenthalte bis zu 17 Wochen im Jahr sei für den Kläger aus dem Merkblatt 1 nicht zweifelsfrei bzw. nachvollziehbar ersichtlich. Daneben sei die Aushändigung des Merkblatts für über 58-Jährige, die einfaches Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe bezögen, weder von der Beklagten vorgetragen worden noch aus den Akten ersichtlich. Der Wertungswiderspruch zwischen fehlender Arbeitsbereitschaft und gleichwohl weiterbestehender formaler örtlicher Verfügbarkeit sei im Merkblatt 1 für den Kläger nicht nachvollziehbar herausgestellt worden. In der Erklärung zum § 428 SGB III werde ausdrücklich die Frage gestellt, was geschehe, wenn die Verpflichtung nicht erfüllt werde. In der Antwort werde ausschließlich auf Sanktionen wegen des fehlenden Rentenantrags verwiesen.

Hiergegen richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 28.11.2005 eingegangene Berufung der Beklagten. Anlässlich der am 02.07.2001 erfolgten Vorsprache zur Arbeitslosmeldung sei ausweislich des gefertigten Beratungsvermerks ausführlich über die Inanspruchnahme von Alg/Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III gesprochen worden. Ausweislich der Beratungsvermerke hätten an mehreren Tagen Gespräche sowohl über die erleichterten Voraussetzungen des Leistungsbezugs als auch zu allgemeinen Vermittlungsaspekten - zum Teil mit Dolmetscher - stattgefunden. Seit dem 14.10.2000 seien dem Kläger nach vorheriger Rücksprache einige Zeiten Urlaub genehmigt worden. Der Kläger sei im Jahr 2002 113 Kalendertage und im Jahr 2003 114 Kalendertage "erlaubt" ortsabwesend gewesen. Im Jahr 2001 sei er bis zur abgegebenen Erklärung nach § 428 SGB III 15 Tage und nach Abgabe der Erklärung weitere 49 Tage "erlaubt" ortsabwesend gewesen. Mit den Tagen weiterer - festgestellter - Ortsabwesenheiten habe er regelmäßig die Zeiten von 3 bzw. 17 Wochen im Jahr überschritten. Bei Inanspruchnahme von Leistungen unter erleichterten Voraussetzungen gemäß § 428 SGB III ändere sich nichts an dem Grundsatz, dass die Ortsabwesenheit der vorherigen Zustimmung durch die Beklagte bedürfe. Lediglich die Zeit der möglichen Ortsabwesenheit werde auf bis zu 17 Wochen im Jahr (= 119 Kalendertage) ausgedehnt, § 4 EAO. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem dem Kläger ausgehändigten Merkblatt, denn auch hier werde auf die Erforderlichkeit der Absprache mit der Beklagten hingewiesen. Da sich die genehmigten Urlaube mit den Zeiten nicht genehmigter Ortsabwesenheiten abgewechselt hätten, erscheine ein Irrtum über die Tragweite der Mitteilungspflicht bzw. die Zustimmungsbedürftigkeit der Auslandsaufenthalte unwahrscheinlich. Darüber hinaus sei dem Kläger bei der Genehmigung eines mitgeteilten Urlaubs jeweils eine Einladung zur Rückmeldung nach dem Urlaub ausgehändigt worden. Schließlich sei er in mindestens einem Beratungsgespräch ausdrücklich auf die Mitteilungspflicht hingewiesen worden. Es sei davon auszugehen, dass ihm zumindest laienhaft bewusst gewesen sei, dass die weiteren Zeiten der Ortsabwesenheit seitens der Beklagten möglicherweise nicht genehmigt werden würden und er mit nachteiligen Folgen zu rechnen habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.07.2005 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verfügbarkeit sei gerade nicht Voraussetzung für den erleichterten Bezug von Leistungen nach § 428 SGB III. Bei § 428 SGB III seien an die Erreichbarkeit geringere Anforderungen zu stellen, weil die Vorschrift nur dem Kontrollzwecke diene. Somit sei der Regelungszweck des § 119 Abs 3 Nr 3 SGB III im Rahmen des § 428 SGB III entfallen. Im Ergebnis könne dies für den vorliegenden Fall nur bedeuten, dass er habe postalisch erreichbar sein müssen. Im Hinblick auf das Zeitmoment iS einer Unverzüglichkeit reiche es aus, wenn er sich zu Kontrollzwecken bei der Beklagten in angemessener Zeit einfinde.

Obgleich er viele Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet habe, spreche er kaum deutsch, habe den Sachbearbeiter bei der Beklagten so verstanden, dass er, wenn er den Antrag auf Altersrente stelle, bis zum Eintritt des Rententermins Alg erhalte. Weitere Verpflichtungen, insbesondere sich für eine etwaige Arbeitsaufnahme bereitzuhalten, seien ihm nicht bewusst gewesen. Er habe es schlichtweg nicht verstanden, dass er einerseits sich nicht mehr zu einer Arbeitsaufnahme zur Verfügung halten und darüber hinaus sich auch selbst nicht um eine Arbeitsaufnahme bemühen müsse und andererseits auch wieder sicherstellen müsse, dass die Beklagte ihn an jedem Wohnort unter seiner Wohnanschrift erreichen können müsse. Dass er bei einer etwaigen Verlagerung seines Aufenthaltsortes die Zustimmung der Arbeitsverwaltung einzuholen habe, um seinen Anspruch auf Alg zu erhalten, sei ihm nicht bewusst gewesen. Zu Recht habe das SG ausgeführt, dass die ihm vorgelegte Erklärung zu § 428 SGB III nicht so zu verstehen sei, dass ein auswärtiger Aufenthalt von der Zustimmung der Beklagten abhängig sei, sondern von einer vorherigen Absprache. Ihm sei auch keineswegs bewusst gewesen, dass die Nichteinholung der Erlaubnis zur Ortsveränderung dazu führen könne, dass ihm das Alg verweigert werde oder zurückverlangt werden könne. Auf die Folgen eines etwaigen Verstoßes gegen die Absprachepflicht sei er zu keinem Zeitpunkt hingewiesen worden.

Das Gericht hat die Akte der Beklagten, die Akten des SG (Az: S 8 AL 820/04, S 8 AL 821/04, S 8 AL 822/04) sowie die wesentlichen Passagen des Merkblatts für Arbeitslose Stand April 2000 und des Merkblatts für Arbeitslose Stand April 2001 beigezogen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Berufung erweist sich auch als begründet.

Zu Unrecht hat das SG die drei Bescheide vom 14.06.2004 in der Gestalt der drei Widerspruchsbescheide vom 22.07.2004 aufgehoben, denn diese sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG.

Die Beklagte hat rechtmäßig gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 330 Abs 3 SGB III die Entscheidung über die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 17.12.2000 bis 16.01.2001 und vom 21.02.2001 bis 03.03.2001 aufgehoben und Erstattung des in diesen Zeiträumen zu Unrecht gezahlten Alges in Höhe von insgesamt 1.603,96 EUR sowie der in diesen Zeiträumen zu Unrecht gezahlten Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 371,43 EUR und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe insgesamt 45,04 EUR gemäß § 335 Abs 1 und 5 SGB III verlangt.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III sind im vorliegenden Fall erfüllt. Nach diesen Vorschriften ist der Verwaltungsakt rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X) oder der Betroffene wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der Leistungsanspruch weggefallen ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X). Abweichend von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X bestimmt Abs 3 des § 330 SGB III, dass die Beklagte bei der Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an auch in atypischen Fällen kein Ermessen auszuüben hat, sondern gebundene Entscheidung treffen muss ("ist ... aufzuheben").

Der Leistungsanspruch des Klägers auf Bewilligung von Alg ist für die Zeit vom 17.12.2000 bis 16.01.2001 und vom 21.02.2001 bis 03.03.2001 gemäß § 117 SGB III (idF vom 24.03.1997 gültig ab 01.01.1998 bis 31.12.2004) iVm § 118 SGB III (idF vom 16.12.1997, gültig vom 01.01.1998 bis 31.12.2004), § 119 SGB III (idF vom 16.12.1997, gültig ab 01.01.1998 bis 31.12.2004) iVm §§ 2, 3 EAO vom 23.10.1997 weggefallen, denn der Kläger war in den genannten Zeiträumen nicht arbeitslos.

Wer arbeitslos ist, hat bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nach § 117 SGB III (aaO) Anspruch auf Alg. Arbeitslos ist nach § 118 Abs 1 (aaO) ein Arbeitnehmer, der 1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und 2. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Dies setzt u.a. voraus, dass der Arbeitslose den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit), § 119 Abs 1 Nr 2 SGB III. Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist, Abs 2. Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser nach Abs 3 der Vorschrift u.a. dann, wenn er Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf, Nr 3.

Der Verwaltungsrat der Beklagten hat durch die EAO Näheres über die Pflichten des Arbeitslosen bestimmt (§ 152 Abs 2 SGB III iVm § 376 Abs 1 Satz 1 SGB III). Nach § 1 Abs 1 EAO kann ein Arbeitsloser Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage ist, unverzüglich 1. Mitteilungen der Agentur für Arbeit persönlich zur Kenntnis zu nehmen, 2. die Agentur für Arbeit aufzusuchen, 3. mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und 4. eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.

Deshalb muss der Arbeitslose sicherstellen, dass die Beklagte ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm genannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann, § 1 Abs 1 Satz 2 EAO.

Hält sich ein Arbeitsloser außerhalb des Nahbereichs der Agentur für Arbeit auf, steht dies der Verfügbarkeit bis zu 3 Wochen im Jahr nicht entgegen, wenn die Agentur für Arbeit vorher zugestimmt hat, § 3 Abs 1 Satz 1 EAO.

Eine vorherige Zustimmung der Beklagten zur Ortsabwesenheit des Klägers in den Zeiträumen vom 17.12.2000 bis 16.01.2001 und vom 21.02.2001 bis 03.03.2001 lag nicht vor, so dass der Kläger gegen § 3 Abs 1 Satz 1 EAO verstoßen hat.

Auch liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X vor, denn der Kläger ist seiner Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen, § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Das Merkblatt für Arbeitslose (Stand April 2000) enthält nämlich ausführliche Hinweise zu Fragen der Erreichbarkeit und Verfügbarkeit sowie zur Mitwirkungspflicht beim Verlassen des Wohnortes. So enthält das Merkblatt 1 auf der Seite 19 folgenden Hinweis: "Außerdem müssen Sie für Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung stehen. Hierunter versteht man, 1. dass Sie persönlich für Ihr Arbeitsamt an jedem Werktag unter der von Ihnen benannten Anschrift erreichbar sind und das Arbeitsamt auch täglich aufsuchen können. ... Grundsätzlich können bei einem Aufenthalt unter einer anderen als dem Arbeitsamt bekannten Wohnanschrift Leistungen nicht gezahlt werden. Wenn Sie dennoch beabsichtigen, sich vorübergehend unter einer anderen Anschrift aufzuhalten, benachrichtigen Sie bitte das Arbeitsamt. ... Verreisen Sie ohne vorherige Unterrichtung und Zustimmung Ihres Arbeitsvermittlers, wird die Bewilligung der Leistung rückwirkend vom Reisebeginn an aufgehoben (vgl. die Hinweise zur Erstattungspflicht in Abschn 9)".

Die Rubrik "Mitwirkungspflicht" enthält u.a. folgenden Hinweis: "Insbesondere in den nachstehend aufgeführten Fällen ist es wichtig, dass Sie sofort Ihr Arbeitsamt benachrichtigen: ... 8. Wenn Sie Ihren Wohnort verlassen (S.53 des Merkblatts)".

Unter der Rubrik "Erstattungspflicht" findet sich auf S.54 des Merkblatts der Hinweis, dass eine Leistungsbewilligung nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs dann aufzuheben ist, wenn die bewilligten Leistungen dem Betroffenen nicht zustanden und er insbesondere - vorsätzlich oder grob fahrlässig ... bzw. eine Änderung seiner Verhältnisse nicht rechtzeitig mitgeteilt hat, - gewusst hat oder leicht erkennen konnte, dass er keinen oder nur einen niedrigeren Leistungsanspruch hatte, oder ...".

Der Kläger hat auch beim Antrag auf Zahlung von Alg am 05.11.2000 unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Schon aufgrund der dargestellten eindeutigen und mehrfachen Hinweise bezüglich seiner Mitteilungspflichten im Merkblatt für Arbeitslose hat der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, denn er hätte - auch unter Berücksichtigung seiner subjektiven Erkenntnismöglichkeiten - leicht erkennen können, dass er verpflichtet ist, die vorübergehende Ortsabwesenheit als wesentliche Änderung seiner Verhältnisse der Beklagten mitzuteilen.

Dafür, dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, spricht auch, dass er seit Juni 1992 immer wieder Urlaube beantragt hat, die ihm auch genehmigt worden sind. Zuletzt ist ihm für die Zeit vom 27.11.2000 bis 17.12.2000 nach vorheriger Rücksprache Urlaub genehmigt worden, d.h. er hatte die Beklagte unmittelbar zuvor von einem Auslandsaufenthalt informiert und die Zustimmung eingeholt. Dabei war ihm eine Einladung zur Rückmeldung nach dem Urlaub ausgehändigt worden. Auch dieser Umstand lässt darauf schließen, dass dem Kläger die Verpflichtung zur vorherigen Einholung der Zustimmung durch die Beklagte und anschließenden Meldung bewusst war bzw. er der Verpflichtung zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Aus den dargelegten Gründen hätte der Kläger auch - unter Berücksichtigung seiner subjektiven Erkenntnismöglichkeiten - leicht erkennen können, dass sein Leistungsanspruch weggefallen ist, sodass auch die Voraussetzungen der Nr 4 des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X erfüllt sind.

Die Beklagte hat bei der Aufhebung mit Bescheid vom 14.06.2004 auch die Fristen des § 48 Abs 4 SGB X iVm § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X eingehalten.

Die Pflicht des Klägers zur Erstattung des gezahlten Alg in Höhe von 1.603,96 EUR ergibt sich aus § 50 Abs 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift sind bereits gezahlte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Der Erstattungsbetrag wurde von der Beklagten zutreffend beziffert. Die für den Erstattungszeitraum gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 416,47 EUR hat der Kläger nach § 335 Abs 1 und 5 SGB III zu ersetzen, weil die Beiträge zu Unrecht gezahlt worden sind und ein anderes Kranken-/Pflege-Pflichtversicherungsverhältnis für den gleichen Zeitraum nicht bestanden hat.

Auch die weiteren Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 14.06.2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.07.2004 (Geschäftszeichen 98.1-Alhi-Kd.-Nr: 735A463018 W 4874/04 und 98.1-Alhi-Kd.-Nr: 735A463018 W 4875/04) sind rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Kläger stand weder in den Zeiträumen vom 16.02.2002 bis 12.03.2002 und vom 19.06.2002 bis 23.07.2002 noch in den Zeiträumen vom 07.12.2002 bis 21.04.2003 und vom 08.11.2003 bis 31.12.2003 Alhi gemäß § 190 Abs 1 SGB III zu. Denn der Leistungsanspruch des Klägers auf Bewilligung von Alhi ist für die Zeiträume vom 16.02.2002 bis 12.03.2002 und vom 19.06.2002 bis 23.07.2002, vom 07.12.2002 bis 15.04.2003 und vom 08.11.2003 bis 31.12.2003 gemäß §§ 190, 198 Abs 1 Satz 2 Nr 1, 117 SGB III (aaO) iVm §§ 118, 119 SGB III (aaO) iVm §§ 2, 3, 4 EAO (aaO) weggefallen, für den Zeitraum vom 16.04.2003 bis 21.04.2003 gemäß § 122 Abs 2 Nr 1 SGB III.

Entgegen der Auffassung des Klägers dehnt die Inanspruchnahme der Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III durch den Kläger lediglich die Zeit der möglichen Ortsabwesenheit auf bis zu 17 Wochen im Jahr (= 119 Kalendertage) aus, § 4 Abs 1 Satz 1 EAO. Das Erfordernis der Einholung der vorherigen Zustimmung der Beklagten ist aber auch dann gegeben, wenn der Arbeitslose - wie hier - Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III erhält. Dies ergibt sich aus dem Verweis des § 4 der EAO (aaO) auf Abs 1 Satz 1 des § 3 der EAO (aaO). Danach ist lediglich die Anzahl der Wochen im Fall des § 428 SGB III erhöht, das Erfordernis der vorherigen Zustimmung der Beklagten entfällt dadurch jedoch nicht.

In diesem Zusammenhang verkennt der Kläger, dass durch Satz 1 des § 428 SGB III nur die Arbeits- bzw. Fortbildungsbereitschaft iS des § 119 Abs 1 SGB III sowie die Beschäftigungssuche iS des § 119 SGB III fingiert wird. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung von Alhi müssen jedoch weiterhin vorliegen (objektive Verfügbarkeit, Anwartschaftszeit, Arbeitslosmeldung). Auch wenn für diesen Personenkreis eine Arbeitsvermittlung praktisch nicht mehr in Betracht kommt, verstößt die Vorschrift nicht gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes, die sich als übergreifende Leitregeln allen staatlichen Handels aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs 3 Grundgesetz) ableiten und Verfassungsrang haben (BSG NZS 1996, 534; BVerfGE 6, 398, 439; 16, 194, 201 f; 17, 108, 117 f).

Nachdem die objektive Verfügbarkeit trotz der erleichterten Voraussetzungen des § 428 Abs 1 Satz 1 SGB III Anspruchsvoraussetzung ist, ist der Verweis des § 4 Satz 1 der EAO (aaO) auch auf das Erfordernis der vorherigen Zustimmung gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 EAO (aaO) folgerichtig und vom Sinn und Zweck der genannten Vorschriften geboten.

Dem steht auch nicht die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.06.2005 (B 7a/7 AL 98/04 R) entgegen, denn diese Entscheidung betrifft lediglich die Frage, ob ein über 58-jähriger Arbeitsloser, der Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III bezieht, erreichbar ist und den Anforderungen an seine objektive Verfügbarkeit genügt, wenn er einen Postnachsendeantrag gestellt hat. Im vorliegenden Fall ist hingegen eine nicht genehmigte Ortsabwesenheit relevant, ohne dass ein Postnachsendeantrag vom Kläger gestellt worden wäre oder hätte gestellt werden können.

Somit ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X durch die nicht genehmigten Ortsabwesenheit des Klägers eingetreten, da mangels Verfügbarkeit die Voraussetzungen für den Bezug der Leistung entfallen sind.

Auch liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X vor. Der Kläger ist seiner Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen, § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X. Das ergibt sich schon aus den Erläuterungen zur Erklärung nach § 428 SGB III, die der Kläger unterschrieben hat, weshalb davon auszugehen ist, dass er von dem Inhalt der Erklärung zu § 428 SGB III Kenntnis genommen hat. Der Absatz "Was heißt für Sie "unter erleichterten Voraussetzungen"? hat folgenden Text: "Sie können auch dann Leistungen erhalten, wenn Sie nicht mehr arbeiten möchten. Außerdem dürfen Sie sich nach vorheriger Absprache mit dem Arbeitsamt bis zu 17 Wochen im Jahr außerhalb Ihres Wohnsitzes aufhalten". Damit wurde der Kläger klar und eindeutig darauf hingewiesen, dass er sich nur nach vorheriger Absprache mit dem Arbeitsamt bis zu 17 Wochen außerhalb seines Wohnsitzes aufhalten darf.

Soweit das SG die Passage so interpretiert, dass der auswärtige Aufenthalt nicht von einer Zustimmung der Arbeitsverwaltung, sondern lediglich von einer vorherigen Absprache mit der Arbeitsverwaltung abhängig gemacht werde, weshalb der Kläger nicht grob fahrlässig gegen die Genehmigungspflicht nach den §§ 3 und 4 EAO verstoßen habe soll, vermag der Senat dieser Interpretation nicht zu folgen. Der Begriff "vorherige Absprache" im dargestellten Sinn setzt aus der Sicht eines verständigen Empfängers ein Einverständnis der Beklagten mit einer Ortsabwesenheit, die maximal 17 Wochen im Jahr dauern darf, voraus und umfasst somit auch die notwendige Zustimmung der Arbeitsverwaltung. Andernfalls hätte z.B. der Begriff "Mitteilung an die Arbeitsverwaltung" verwendet werden müssen.

Aufgrund der eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Formulierung der Erläuterungen zur Erklärung nach § 428 SGB III kommt es - entgegen der Auffassung des SG - letztlich nicht darauf an, ob das Merkblatt 1 für Arbeitslose insoweit unmissverständliche Handlungsanweisungen für Arbeitslose, die Leistungen unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III beziehen, hinsichtlich der Verfügbarkeit enthält. Den Ausführungen des SG "... Eine darüber hinausgehende formale örtliche Verfügbarkeit konnte sich für den Kläger nicht aufdrängen, da für den Sonderfall des § 428 SGB III das Merkblatt keine dezidierte Anweisung enthält ... Der Wertungswiderspruch zwischen fehlender Arbeitsbereitschaft und gleichwohl weiterbestehender formaler örtlicher Verfügbarkeit wurde im Merkblatt 1 für den Kläger nicht nachvollziehbar herausgestellt ..." ist aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen.

Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - ausweislich der Beratungsvermerke (s. Beratungsvermerke vom 02.07.2001, 23.07.2001, 21.08.2001 und 05.10.2001) die Beklagte mit dem Kläger an mehreren Tagen Gespräche sowohl über die erleichterten Voraussetzungen des Leistungsbezugs gemäß § 428 SGB III als auch über allgemeine Vermittlungsaspekte - z.T. mit Dolmetscher - geführt hat. Die Behauptung des Klägers, er hätte den Sachbearbeiter nicht richtig verstanden, ist schon deshalb nicht glaubhaft. Ausweislich der Beratungsvermerke vom 23.07.2001, 21.08.2001 und 05.10.2001 waren jeweils Dolmetscher anwesend.

Dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, ergibt sich ferner auch daraus, dass er im Jahr 2001 bis zur Abgabe der Erklärung nach § 428 SGB III 15 Tage, nach Abgabe der Erklärung weitere 49 Tage, im Jahr 2002 113 Kalendertage und im Jahr 2003 114 Kalendertage "erlaubt" ortsabwesend gewesen ist und ihm bei Genehmigung des jeweiligen Urlaubs jeweils eine Einladung zur Rückmeldung nach dem Urlaub ausgehändigt worden ist. Somit haben sich die genehmigten und nicht genehmigten Urlaube abgewechselt, was wesentlich für das - zumindest laienhaft vorhandene - Bewusstsein des Klägers spricht, dass die Ortsabwesenheiten einer vorherigen Genehmigung bedürfen.

Soweit der Kläger vorträgt, er habe nicht verstanden, einerseits nicht mehr zur Beschäftigungssuche verpflichtet zu sein und nicht mehr arbeitsbereit sein zu müssen, andererseits aber dennoch erreichbar sein zu müssen, handelt es sich lediglich um einen nicht entschuldbaren Verbotsirrtum, der die "grobe Fahrlässigkeit" nicht entfallen lässt. Entschuldbarkeit des Irrtums scheidet hier schon deshalb aus, weil sich der Kläger seine Rechtsansicht nicht aufgrund einer (objektiv) sorgfältigen Prüfung der Rechtslage gebildet hat (s. BSG, Urteil vom 25.05.2005, B 11a/11 AL 81/04 R, BGH NJW 1982, 637; NJW 1994, 2754, 2755 mwN).

Aus den dargelegten Gründen ist die Auffassung des Klägers, dass es genügt habe, postalisch erreichbar zu sein - was er im Übrigen auch nicht war - und es im Hinblick auf das Zeitmoment iS einer "Unverzüglichkeit" ausreiche, wenn er sich zu Kontrollzwecken bei der Beklagten in angemessener Zeit eingefunden habe, unzutreffend.

Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen kann auch auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III gestützt werden. Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsakt rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, dass der Leistungsanspruch weggefallen ist. Aufgrund der eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Formulierungen zur Erklärung nach § 428 SGB III in Verbindung mit dem eindeutigen Hinweis im Merkblatt für Arbeitslose Stand April 2001 (Bl 70 L-Akte) "... Verreisen Sie ohne vorherige Unterrichtung und Zustimmung Ihres Arbeitsvermittlers, wird die Bewilligung der Leistung rückwirkend vom Reisebeginn an aufgehoben ..." hätte der Kläger - auch unter Berücksichtigung der bisher erfolgten Genehmigungen von Ortsabwesenheiten - wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass sein Leistungsanspruch bei nicht genehmigter Ortsabwesenheit weggefallen ist. Wenn er entgegen seiner schriftlichen Bestätigung diese Hinweise nicht zur Kenntnis genommen hat, beruht diese Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit.

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG Nürnberg vom 27.07.2005 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.

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