VG Augsburg, Urteil vom 10.01.2008 - Au 2 K 07.16
Fundstelle
openJur 2012, 89267
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Soldat auf Zeit und begehrt die Verkürzung seiner Dienstzeit.

Der Kläger, ein gelernter Elektroinstallateur, wurde im Jahr 2002 aufgrund entsprechender freiwilliger Bewerbung als Stabsunteroffizier als Eignungsübender einberufen. Noch im gleichen Jahr erfolgte die Ernennung zum Soldaten auf Zeit unter einer Dienstzeitfestsetzung auf zwei Jahre. Im Jahre 2004 verlängerte der Kläger seine Dienstzeit auf vier Jahre, im Jahre 2005 nochmals auf insgesamt 12 Jahre, also bis zum 30. September 2014. Beförderungen erfolgten regelmäßig, zuletzt im November 2005 zum Oberfeldwebel.

Nachdem der Kläger zunächst in Goslar (Nähe Braunschweig) eingesetzt war, wurde er Ende 2002 nach Leipheim (Nähe Ulm) versetzt und dort zum "Fernmeldesystem-Feldwebel Flugabwehrraketen (FmSystFw FlaRak)" ausgebildet; den Fachlehrgang bestand er in allen Teilnoten sowie in der Gesamtnote mit zumindest ausreichenden Noten. Schon vor Abschluss dieser Ausbildung im Jahre 2005, nämlich im Jahre 2003, beantragte der Kläger vor dem Hintergrund der Schließung des Standorts Leipheim eine Versetzung aus persönlichen Gründen an den Standort Visselhövede (Nähe Bremen). Daraufhin wurde dem Kläger eine Anschlussverwendung in Oldenburg aufgezeigt, mit der er sich zunächst einverstanden erklärte. Im April 2005 zog er jedoch sein Einverständnis zurück und bat um eine Versetzung an einen der Standorte Penzing oder Manching (beide in Südbayern), weil sich sein Lebensmittelpunkt und seine Lebensabschnittsgefährtin in Hiltenfingen (bei Augsburg) befänden. An der Versetzung nach Oldenburg zum 1. Januar 2006 wurde zwar festgehalten, jedoch wurde dem Kläger eine Verwendung in Penzing oder Manching für Anfang 2008 in Aussicht gestellt; damit erklärte sich der Kläger im Mai 2005 einverstanden. Im Herbst des gleichen Jahres bat der Kläger erneut um ein Personalgespräch, in dem ihm die Möglichkeit aufgezeigt wurde, von Februar 2006 bis zur beabsichtigen Verwendung Anfang 2008 in Lagerlechfeld (Nähe Augsburg) als "Lehr-Feldwebel" tätig zu werden; dem stimmte der Kläger zu.

Mit Schreiben vom 19. April 2006 beantragte der Kläger die Verkürzung der Dienstzeit gem. § 40 Abs. 7 Soldatengesetz (SG) mit der Begründung, er fühle sich nicht mehr als Soldat berufen und sehe sich als für seine derzeitige Verwendung nicht geeignet an. Er habe niemals Berufssoldat werden wollen, und die momentane Situation für die Wiedereingliederung eines Soldaten auf Zeit für 12 Jahre in das Zivilsberufleben schätze er als schwierig ein. Dieser Antrag wurde zwar vom nächsten Disziplinarvorgesetzten des Klägers befürwortet; jedoch lehnte ihn die Stammdienststelle der Luftwaffe mit Bescheid vom 14. Juli 2006 ab, weil kein dienstliches Interesse vorliege. Ein solches bestehe nur, wenn zwischen dem Abschluss der Ausbildung und der Beendigung des Dienstverhältnisses eine Verwendungsdauer von mindestens drei Jahren liege. Darüber hinaus sei der Dienstposten des Klägers weder von Organisationsmaßnahmen zur Einnahme der neuen Luftwaffenstruktur betroffen noch sei die Verkürzung seiner Dienstzeit zum sozialverträglichen Personalabbau erforderlich.

Der Kläger erhob Beschwerde, die er damit begründete, ein dienstliches Interesse an der Fortführung des Dienstes könne nur bestehen, wenn der Soldat hierfür geeignet sei; davon könne aber aufgrund seiner dienstlichen Beurteilung vom 16. Mai 2006 nicht ausgegangen werden, in der ausgeführt wird, dass sich der Kläger noch in der Einarbeitung befände und deutlich erkennbar sei, dass ihm das Verständnis für technische Zusammenhänge fehle, wenngleich er Potential für die Zukunft erkennen lasse. Ferner sei die von der Stammdienststelle geforderte dreijährige Verweildauer erfüllt, weil hierfür die Laufbahn als Feldwebel relevant und der Kläger bereits am 1. Oktober 2003 zum Feldwebel befördert worden sei. Außerdem könnten mangels näherer Informationen die Angaben der Stammdienststelle zur Luftwaffenstruktur und zum Personalabbau nicht überprüft werden. Hilfsweise stellte der Kläger einen Antrag auf Verkürzung der Dienstzeit auf fünf oder sechs Jahre. Das Bundesministerium der Verteidigung wies die Beschwerde mit Bescheid vom 8. Dezember 2006 zurück. Es bestehe kein subjektives Recht auf eine Dienstzeitverkürzung gemäß § 40 Abs. 7 SG; persönliche Beweggründe seien deshalb nicht zu berücksichtigen. Auch die Stellungnahme des nächsten Vorgesetzten sei nicht entscheidend, sondern die übergeordnete Beurteilung durch die zentrale personalführende Dienststelle. Ein rein dienstliches Interesse bestehe aber nicht; hierfür sei ein Soll-Ist-Vergleich in den jeweiligen werdegangsbestimmenden Bereichskennungen der Luftwaffe ("BKLw") das wesentliche Kriterium. Derzeit stünden aber in der "BKLw 33AC14 (Fernmeldesystemsoldaten FlaRak)" dem Soll von 197 Dienstposten ein Ist von nur 178 Soldaten in dieser Verwendung gegenüber. Auch einer Verkürzung der Dienstzeit auf 5 oder 6 Jahre könne nicht zugestimmt werden, weil zum 1. Oktober 2007 bzw. 1. Oktober 2008 einem Soll von 222 Dienstposten ein Ist von 183 bzw. 164 Soldaten gegenüber stünde. Der Verweis auf die angebliche mangelnde Eignung des Klägers könne die Beschwerde nicht rechtfertigen, weil er die Gesellenprüfung im Zivilberuf als Elektroinstallateur mit gutem Erfolg bestanden habe, ebenso den Fachlehrgang "FmSystFw FlaRak". In die gleiche Richtung deute - entgegen dem klägerischen Vorbringen - auch die planmäßige Beurteilung vom 16. Mai 2006, da diese einen Verbleib des Klägers auf dem jetzigen Dienstposten befürworte. Daneben sei die klägerische Auffassung unzutreffend, die dienstliche Ausbildung sei mit der Beförderung zum Feldwebel abgeschlossen; vielmehr sei der Abschluss der militärischen Ausbildung entscheidend, die beim Kläger erst am 12. April 2005 der Fall erfolgt sei.

Mit seiner am 3. Januar 2007 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg eingegangenen Klage ließ er den - in der mündlichen Verhandlung abschließend konkretisierten - Antrag stellen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Juli 2006 und des Beschwerdebescheids vom 8. Dezember 2006 zu verpflichten, die Dienstzeit des Klägers auf 5 Jahre und 7 Monate (Dienstzeitende 30.4.2008) zu verkürzen.

Zur Begründung trägt er vor, anhand der ihm vorliegenden Akten ließen sich die Behauptungen zum Soll-Ist-Vergleich nicht überprüfen. Die Stellungnahme des nächsten Vorgesetzten habe die Wirkung eines Beweises des ersten Anscheins für das Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisses; diesen habe die Beklagte nicht widerlegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Bei der Entscheidung über das Vorliegen eines dienstlichen Interesses stehe der Beklagten ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarerer Beurteilungsspielraum zu. Darüber hinaus ergebe sich aus einer historischen Interpretation des § 40 Abs. 7 SG sowie dessen Vorgängervorschrift, dass die Ermöglichung eines vorzeitigen Dienstendes ausschließlich im Interesse der Bundeswehr und nicht im privaten Interesse von Soldaten erfolgen könne. Im Übrigen genüge das pauschale Bestreiten durch den Kläger nicht den Anforderungen an einen Beweisantritt.

Auf Anregung des Gerichts hat die Beklagte nähere Erläuterungen über die Soll-Ist-Vergleiche vorgelegt. Zugleich musste sie aber einräumen, dass derartige Soll-Ist-Differenzen gerade bei größeren strukturellen Veränderungen die Regel seien. In der mündlichen Verhandlung erklärte die Beklagte die nicht nur unverändert hohen, sondern sogar steigenden Soll-Zahlen mit der zunehmenden Bedeutung der Informationstechnologie für die Streitkräfte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Ablehnung der Verkürzung der Dienstzeit des Klägers ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Auch wenn die Vorschrift des § 40 Abs. 7 SG trotz ihrer Ausrichtung auf öffentliche Interessen so interpretiert werden kann, dass der Betroffene einen - begrenzten - Anspruch auf gerichtliche Überprüfung hat, ist vorliegend das Tatbestandsmerkmal des dienstlichen Interesses nicht erfüllt.

Soldaten auf Zeit haben einen Anspruch darauf, dass über ihren Antrag auf Dienstzeitverkürzung in einem ordnungsgemäßen, an den gesetzlichen Vorgaben ausgerichteten Verfahren ohne Willkür entschieden wird; dies ergibt sich aus rechtsstaatlichen Grundsätzen, nachdem die Verwirklichung des primären, allein im öffentlichen Interesse liegenden Gesetzeszwecks der Modifizierung der Personalstruktur der Streitkräfte nicht verwirklicht werden kann, ohne zugleich den subjektiven Rechtsstand des betroffenen Bürgers umzugestalten (so bereits VG Koblenz vom 30.10.1996 NZWehrR 1997, 172 zur Vorgängervorschrift des § 4 PersStärkeG; dies ebenfalls voraussetzend BayVGH vom 12.09.2006 Az. 15 ZB 06.112). Der zuständigen Personalstelle der Bundeswehr kommt aber ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, RdNr. 47 zu § 40 m.w.N.).

Diesen Maßstab vorausgesetzt, hat die Beklagte überzeugend und ohne Anzeichen für willkürliche Beweggründe dargelegt, dass es an einem dienstlichen Interesse für die Verkürzung der Dienstzeit des Klägers fehlt. Hierfür spricht der gegenüber dem Soll aktuell geringere Bestand an Soldaten in der "BKLw", zumal sich die Differenz zukünftig sogar noch erhöhen wird. Es ist nachvollziehbar, dass - im Gegensatz zu anderen Verwendungsarten - Planstellen mit starkem Bezug zur Informationstechnologie nicht abnehmen, sondern eher zunehmen sollen. Daher fehlt es nicht nur an einem dienstlichen Bedürfnis für die Verkürzung der Dienstzeit; offensichtlich besteht sogar im Gegenteil ein positives Interesse am Verbleib von Soldaten mit der Qualifikation des Klägers. Angesichts dessen können die pauschalen, nicht näher konkretisierten Zweifel des Klägers gegenüber den vorgelegten Soll-Ist-Vergleichen an der getroffenen Einschätzung ebenso wenig ändern wie eine Stellungnahme des unmittelbaren Disziplinarvorgesetzten des Klägers. Auch der Umstand, dass im Rahmen von Umstrukturierungen Soll-Ist-Differenzen im Personalbestand die Regel sind, führt nicht zur Annahme einer willkürlichen Behandlung des Klägers, da es keinen sachlichen Grund gibt, ohnehin bestehende Differenzen und die damit einhergehenden praktischen Schwierigkeiten durch zusätzlichen Abbau noch weiter zu verstärken.

Schließlich führt auch die teils kritische dienstliche Beurteilung des Klägers nicht zu einem dienstlichen Bedürfnis für dessen Dienstzeitverkürzung. Würde man die Qualität der konkreten Dienstleistung des Soldaten im zeitlichen Vorfeld der Entscheidung über seinen Antrag zum Anknüpfungspunkt machen, so könnte der Soldat das Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisses selbst herbeiführen, namentlich durch die Möglichkeit, den Dienst absichtlich in mangelhafter Art und Weise zu leisten. Es widerspräche aber gerade dem am öffentlichen Interesse orientierten § 40 Abs. 7 SG, wenn der Soldat dessen Tatbestandsvoraussetzungen herbeiführen könnte.

Über die Frage, ob für die Dreijahresfrist nach Abschluss der Ausbildung vorliegend auf die Erlangung des Dienstgrads eines Feldwebels abzustellen ist (wie der Kläger ursprünglich vortrug) oder auf den Fachlehrgang "FmSystFw FlaRak" (was naheliegend erscheint und wovon angesichts der späteren Konkretisierung des Klageantrags auch der Kläger inzwischen offenbar ausgeht), war nach alledem nicht mehr zu entscheiden, weil das dienstliche Bedürfnis für eine Verkürzung für die gesamte planmäßige Dienstzeit zu verneinen ist.

Weil also bereits die Tatbestandsvoraussetzungen - soweit diese gerichtlich überprüfbar sind - nicht erfüllt sind, war für eine Ermessensausübung der Beklagten kein Raum mehr.

Ein Antrag auf Entlassung aus persönlichen Gründen gemäß § 55 Abs. 3 SG hätte der vom Kläger vorgetragenen Motivation wohl mehr entsprochen; auch seine in der Vergangenheit häufig wechselnden Stationierungs- und Verwendungswünsche würden hierzu passen. Jedoch hat er einen entsprechenden Antrag nicht gestellt, wobei dahingestellt bleiben kann, ob dies aufgrund monetärer Motive oder wegen möglicherweise fehlender Erfolgsaussichten geschah (vgl. zu den Anforderungen an eine besondere Härte i.S.v. § 55 Abs. 3 SG BayVGH aaO.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO; § 708 Nr. 11 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.421,26 EUR festgesetzt.