OLG Hamm, Beschluss vom 30.08.2010 - 8 UF 108/10
Fundstelle
openJur 2012, 88334
  • Rkr:

1. § 1379 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6.7.2009 ist auf alle seit dem 1.9.2009 anhängigen Verfahren über den Zugewinnausgleich anwendbar, und zwar unabhängig davon, ob die Beendigung des Güterstandes bereits vor dem 1.9.2009 eingetreten ist.

2. Ob dieser Grundsatz für sämtliche materielle Güterrechtsvorschriften des Reformgesetzes gilt, braucht nicht entschieden zu werden.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Teilanerkenntnis- und Teilbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Borken vom 18.03.2010 wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussbeschluss vorbehalten.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage um Ansprüche auf Zugewinnausgleich.

Die am 01.03.1959 geborene Antragstellerin und der am 15.10.1962 geborene Antragsgegner haben am 30.12.1997 geheiratet. Es bestand der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Aus der Ehe sind die gemeinsamen Kinder D und M, beide am 07.11.1993 geboren, hervorgegangen. Die Parteien trennten sich am 30.11.2007. Der Scheidungsantrag des Antragsgegners wurde der Antragstellerin am 04.12.2008 zugestellt. Die Ehe der Beteiligten wurde durch Urteil des Amtsgerichts Borken vom 30.07.2009 - 32 F 199/08 -, seit dem gleichen Tage rechtskräftig, geschieden.

Die Antragstellerin hat mit dem am 16.12.2009 eingeleiteten Verfahren Auskunft über das Vermögen des Antragsgegners zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages und auch zum Zeitpunkt der Trennung verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, die zum 01.09.2009 in Kraft getretene Änderung des § 1379 BGB sei rückwirkend auch auf zu diesem Zeitpunkt bereits geschiedene Ehen anzuwenden, so dass nach neuem Recht auch Auskunft zum Zeitpunkt der Trennung zu erteilen sei.

Der Antragsgegner hat den Auskunftsanspruch bezogen auf den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages anerkannt und ist im Übrigen der Rechtsauffassung der Antragstellerin entgegen getreten.

Das Amtsgericht, das wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Beschwerde zugelassen hat, hat durch den angefochtenen Beschluss dem Auskunftsverlangen der Antragstellerin in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragstellerin könne über das Anerkenntnis hinaus auch Auskunft über das Vermögen des Antragsgegners zum Zeitpunkt der Trennung verlangen. Die Vorschrift des § 1379 BGB sei gem. Art. 229 § 20 Abs. 2 EGBGB in der zum 01.09.2009 in Kraft getretenen Fassung anzuwenden. Die damit einhergehende echte Rückwirkung sei nicht verfassungswidrig. Das Vertrauen auf den Fortbestand der lediglich eingeschränkten Auskunftspflicht sei nicht schutzwürdig. Eine einschränkende Auslegung widerspreche dem Gesetzeswortlaut und liefe auf eine unzulässige richterliche Gesetzeskorrektur hinaus.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, soweit er dadurch verpflichtet worden ist, Auskunft über sein Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung zu erteilen. Er trägt unter Berufung auf Braeuer, NJW 2010, 351 ff. vor, bei einer Beendigung des Güterstandes durch rechtskräftige Scheidung vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung zum Zugewinnausgleich finde lediglich das alte Recht Anwendung. Mit Hauß, FamRB 2009, 394 ff und Kogel, FamRB 2010, 87 ff. sei davon auszugehen, dass mit Beendigung des Güterstandes die Zugewinnausgleichsforderung entstanden sei. Der Ausgleichspflichtige sei deshalb schutzwürdig in seinem Vertrauen auf den Umfang der Ausgleichsforderung. Der Wortlaut der Übergangsregelung müsse darum verfassungskonform ausgelegt werden.

Demgegenüber verteidigt die Antragstellerin die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung, die begehrte Auskunft sei deshalb zu erteilen, weil das Verfahren erst nach dem 01.09.2009 anhängig geworden sei. Die in der Verpflichtung zur Auskunftserteilung liegende Rückwirkung sei zulässig; ein Vertrauen auf den Fortbestand der nach altem Recht bestehenden Manipulationsmöglichkeiten sei nicht schutzwürdig.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Teilanerkenntnis- und Teilbeschluss des Amtsgerichts Borken ist zulässig, aber unbegründet.

1. Auf das am 16.12.2009 eingeleitete Verfahren findet gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das FamFG Anwendung. Die danach als Rechtsmittel gegebene Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert des § 61 FamFG ist zwar nicht erreicht. Das Amtsgericht hat die Beschwerde jedoch gem. § 61 Abs. 3 Nr. 1 FamFG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Hieran ist das Beschwerdegericht gem. § 61 Abs. 3 FamFG gebunden. Die Beschwerde ist auch fristgerecht gem. § 63 Abs. 1 FamFG bei dem gem. § 64 Abs. 1 FamFG zuständigen Amtsgericht Borken eingelegt und innerhalb der Frist des § 117 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 112 Nr. 2 FamFG begründet worden.

2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der Senat hat keinen Grund, von der Entscheidung des Amtsgerichts abzuweichen.

Die vom Antragsgegner verlangte Auskunft ist gem. § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB in der seit dem 01.09.2009 geltenden Fassung zu erteilen. Nach dieser Vorschrift kann, wenn der Güterstand beendet ist, jeder Ehegatte von dem anderen Ehegatten auch Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung verlangen. Mithin ist maßgeblicher Stichtag für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Auskunftserteilung bereits der Zeitpunkt der Trennung der Beteiligten am 30.11.2007 und nicht nur erst der Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes durch Zustellung des Scheidungsantrages am 04.12.2008, § 1384 BGB.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist diese Vorschrift auf das vorliegende, nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6.07.2009 auf Antrag der Antragstellerin am 16.12.2009 eingeleitete Verfahren, anwendbar. Der Senat braucht allerdings nicht zu entscheiden, ob sämtliche materiellen Güterrechtsvorschriften des Reformgesetzes uneingeschränkt auf den geltend gemachten Zugewinnausgleichsanspruch Anwendung finden, wenn - wie hier - der Zugewinnausgleichsanspruch schon vor Inkrafttreten des Reformgesetzes entstanden ist (vgl. zur Problematik Schwab, FamRZ 2009, 1961; Kogel, FamRB 2010, 247; Brudermüller, NJW 2010, 401). Ob überhaupt ein Ausgleichsanspruch in Betracht kommt, lässt sich gegenwärtig noch nicht abschließend beurteilen. Deshalb richtet sich aber zumindest der Auskunftsanspruch der Antragstellerin vorliegend nach § 1379 BGB n.F..

Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der maßgeblichen Überleitungsvorschrift. Art. 229 § 20 Abs. 2 EGBGB regelt nämlich lediglich die Anwendbarkeit des § 1374 BGB a.F. auf Verfahren über den Ausgleich des Zugewinns, die vor dem 01.09.2009 anhängig werden. Dies ist offenbar eine bewusste Ausnahmeregelung (Palandt-Ellenberger, EGBGB, Art. 229 § 20 Rn. 3), so dass aus dem Fehlen weiterer Übergangsregelungen die grundsätzliche Anwendung des neuen Güterrechts im Übrigen folgt (Götsche, FamRB 2010, 223).

Der Senat verkennt nicht, dass dadurch auf den Zugewinnausgleich bei einer - wie hier - bereits vor Inkrafttreten des Reformgesetzes rechtskräftig geschiedenen Ehe Güterrechtsvorschriften herangezogen werden, die bei Beendigung des Güterstandes noch keine Geltung hatten. Dies begegnet jedoch zumindest für den lediglich vorbereitenden Auskunftsanspruch nach § 1379 BGB keinen durchgreifenden Bedenken. Dass demzufolge hinsichtlich des bereits mit Beendigung des Güterstandes entstandenen Anspruchs auf Ausgleich des Zugewinns Auskunft aufgrund eines erst danach in Kraft getretenen Gesetzes zu erteilen ist, stellt nach Auffassung des Senats keinen Fall verfassungsrechtlich problematischer Rückwirkung dar (wohl a.A. Bräuer, NJW 2010, 351, Gutdeutsch/Hauß, FamRB 2009, 325). Deshalb ist auch eine verfassungskonforme Auslegung der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 20 Abs. 2 EGBGB dahingehend, dass das alte Zugewinnausgleichsrecht anzuwenden ist, auch wenn das Zugewinnausgleichsverfahren nach dem 01.09.2009 anhängig wird (Gutdeutsch/Hauß, a.a.O.; Hauß, FamRB 2009, 394; Kogel, FamRB 2010, 87), nicht erforderlich.

Das Rechtsstaatsprinzip, aus dem das Rückwirkungsverbot für Gesetze hergeleitet wird, verbietet nämlich nicht schlechthin jede Rückwirkung, selbst wenn nachträglich an einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Tatbestand angeknüpft wird. Zur Rechtsstaatlichkeit gehören nicht nur die Vorhersehbarkeit, sondern auch die Rechtssicherheit und die materielle Gerechtigkeit. Infolgedessen kann Vertrauensschutz dort nicht in Frage kommen, wo das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG, FamRZ 1988, 920). Diese vom Bundesverfassungsgericht schon für die rückwirkende Übergangsregelung zum ehelichen Güterrecht gem. Art. 220 Abs. 3 EGBGB herangezogenen Grundsätze treffen auch auf den vorliegenden Fall zu. Ein schutzwürdiges Vertrauen in die bisherige Rechtslage ist nicht anzuerkennen. Die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6.07.2009 bestehende Auskunftspflicht gem. § 1379 BGB a.F. beschränkte sich zwar auf den Bestand des Endvermögens. Um illoyale Vermögensminderungen im Sinne des § 1375 Abs. 2 BGB insbesondere aus dem Zeitraum zwischen Trennung und Beendigung des Güterstandes aufdecken zu können, wurde aber bereits nach bisheriger Rechtslage ein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB hergeleitet. Dazu musste der Auskunftsberechtigte nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH lediglich Anhaltspunkte für illoyale Vermögensminderungen vortragen, wobei an einen solchen Vortrag keine zu hohen Anforderungen gestellt wurden (Palandt-Brudermüller, BGB, § 1379 Rn. 2 m.w.Nw.). Der Vortrag, es seien Gelder von einem Sparkonto "beiseite geschafft" worden, kann dazu bereits genügen. Darin, so der BGH, stecke nämlich die Behauptung, der andere Ehegatte habe sein Vermögen vermindert i.S.d. § 1375 BGB (BGH, Urteil v. 09.02.2005 - FamRZ 2005, 689). Eine tiefgreifende Änderung der Rechtslage, die dem Schutz des Vertrauens in die bisherige Gesetzesfassung entgegensteht, ist demnach mit der Erweiterung der Auskunftspflicht nach § 1379 BGB n.F. nicht eingetreten. Der gesetzlich geregelte Auskunftsanspruch wurde um einen Anspruch auf Auskunft zum Zeitpunkt der Trennung gerade deshalb ergänzt, um Vermögensverschiebungen zwischen der Trennung der Ehegatten und der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zu vermeiden (BT-Drs. 16/13027 S. 7). Die Auskunftspflicht soll die Aufdeckung von Vermögensmanipulationen erleichtern und ist nur Anknüpfungspunkt für die Vermutung illoyaler Vermögensminderungen, § 1375 Abs. 2 S. 2 BGB (Palandt-Brudermüller, BGB, § 1379 Rn. 3; Braeuer, FamRZ 2010, 773). Wie das Amtsgericht zutreffend hervorgehoben hat, ist das Vertrauen in den Fortbestand einer Manipulationsmöglichkeit jedoch gerade nicht schutzwürdig (Palandt-Ellenberger, EGBGB, Art. 229 § 20 Rn. 3; Brudermüller, NJW 2010, 401). Hinzu kommt, dass einer raschen Überleitung in das neue Recht vorrangige Bedeutung zukommt, um eine Zersplitterung der Rechtsanwendung über Jahre hinaus zu vermeiden. Vergleichbares gilt für den Versorgungsausgleich in den Fällen des Übergangsrechts nach §§ 48 ff. VersAusglG (Götsche, a.a.O.).