Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 24. September 1996 - 5 O 208/95 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Wert der durch dieses Urteil begründeten Beschwer übersteigt 60.000,00 DM nicht.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, weil das
Landgericht der Klage zu Recht in vollem Umfang stattgegeben
hat.
1.
Die Klägerin hat gemäß §§ 985 i.V.m. 1004 Abs. 1 S. 1 BGB einen
Anspruch auf Räumung des in ihrem Eigentum stehenden Grundstücks
und insbesondere auf Entfernung der darauf vom Beklagten
errichteten sogenannten "Klagemauer".
Die Eigentümerrechte der Klägerin werden entgegen der Ansicht
des Beklagten nicht durch eine Duldungspflicht beeinträchtigt,
aufgrund deren der Beklagte berechtigt sein könnte, die
"Klagemauer" weiterhin auf dem Grundstück der Klägerin zu
unterhalten.
Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten besteht eine
Duldungspflicht der Klägerin insbesondere nicht aus
verfassungsrechtlichen Gründen. Der Beklagte geht zu Unrecht von
einem Eingriff der Klägerin in seine Grundrechte aus, weil er durch
die Geltendmachung zivilrechtlicher Beseitigungs- und
Unterlassungsansprüche der Grundstückseigentümerin nicht in eigenen
Grundrechten tangiert wird. Vielmehr hat der Beklagte seinerseits
durch die Errichtung der "Klagemauer" und die hierin liegende
unerlaubte Inbesitznahme des klägerischen Grundstücks
widerrechtlich in die Eigentümerrechte der Klägerin eingegriffen.
Auf die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil, die
der Senat für vollständig zutreffend erachtet, wird insoweit Bezug
genommen. Im einzelnen gilt folgendes:
Der Klägerin ist eine Berufung auf ihre privatrechtliche
Eigentümerposition nicht deshalb verwehrt, weil sie das Grundstück
bislang keiner förmlichen straßenrechtlichen Widmung zugeführt hat.
Selbst wenn nämlich die Klägerin in der Vergangenheit eine -
unstreitig unterbliebene - förmliche Widmung der in ihrer heutigen
Ausgestaltung tatsächlich als öffentliche Verkehrsfläche genutzten
und dem allgemeinen Publikumsverkehr zugänglich gemachten Domplatte
vorgenommen hätte, brauchte sie die vom Beklagten errichtete
"Klagemauer" nicht zu dulden.
Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht in der
angefochtenen Entscheidung ausgeführt, daß die Errichtung bzw.
Unterhaltung der "Klagemauer" in Form einer festen, dauerhaft
erstellten Einrichtung, die das Erscheinungsbild der Domplatte
optisch maßgeblich (mit-)prägt und den ungehinderten
Fußgängerverkehr im Vorfeld des Doms recht großflächig und
keineswegs unmaßgeblich behindert bzw. beeinträchtigt, eine nicht
mehr dem Gemeingebrauch unterfallende, vielmehr eine von der
Erteilung einer Erlaubnis abhängige Sondernutzung gemäß § 18 StrWG
NRW darstellt. Es ist nicht ersichtlich, daß die Klägerin im Rahmen
des ihr zustehenden Ermessensspielraums zwingend gehalten wäre,
eine derart dauerhaft angelegte Installation des Beklagten zu
dulden. Ein Antrag des Beklagten auf Erteilung einer entsprechenden
Sondernutzungserlaubnis könnte von der Klägerin ermessensfehlerfrei
abgelehnt werden.
Eine Sondernutzungsberechtigung des Beklagten ergibt sich
insbesondere nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen.
Die vom Beklagten angeführten Grundrechte auf freie
Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), künstlerische Freiheit
(Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG)
und freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) sind
nicht verletzt.
Das Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung findet seine
Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, also auch in
den Eigentumsschutzvorschriften.
Eine Güterabwägung zwischen dem Recht des Beklagten auf freie
Meinungsäußerung einerseits und dem nach Art. 14 GG ebenfalls
verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrecht der Klägerin
andererseits ergibt, daß eine Duldungspflicht der Klägerin nicht
besteht.
Bei der Abwägung ist nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts das Recht der Meinungsäußerung
nachrangig, "wenn schutzwürdige Interessen eines anderen von
höherem Rang durch die Betätigung der Meinungsfreiheit verletzt
würden; ob solche überwiegenden Interessen anderer vorliegen, ist
aufgrund aller Umstände des Falles zu ermitteln" (vgl. BVerfGE 7,
198 (210 f); 35, 202, (223 f)). Bei der Abwägung kann dahinstehen,
ob der vom Beklagten errichteten "Klagemauer" überhaupt
meinungsäußernder Charakter zukommt oder nicht. Die Klägerin
schränkt nämlich die Meinungsfreiheit des Beklagten jedenfalls
nicht dadurch in unzumutbarer Weise ein, daß sie es ihm verwehrt,
diese "Meinung" in Form der "Klagemauer" gerade auf ihrem
Grundstück zu äußern. Zwar umfaßt Art. 5 Abs. 1 GG grundsätzlich
auch die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, wie ein Gedanke
formuliert wird und in welcher Form er zum Ausdruck gebracht werden
soll. Die auf diesen Bereich, also die Form, bezogenen
Einschränkungsmöglichkeiten sind aber größer, als wenn der Inhalt
einer Meinung betroffen ist (vgl. BVerfGE 42, 143 (149 f)). Es ist
nicht davon auszugehen, daß das Recht des Beklagten auf freie
Meinungsäußerung nur dadurch verwirklicht werden kann, daß die
"Klagemauer" gerade auf der im Eigentum der Klägerin stehenden
Domplatte erstellt und unterhalten wird. Daß der Klägerin im
übrigen gerade nicht daran gelegen ist, den Inhalt der "Meinung"
des Beklagten zu beschränken, ergibt sich bereits daraus, daß sie
dem Beklagten unstreitig verschiedene Alternativ-Standorte für die
Aufstellung der "Klagemauer" im Stadtzentrum angeboten hat.
Das Grundrecht des Beklagten auf Versammlungsfreiheit nach Art.
8 Abs. 1 GG ist entgegen der Rechtsansicht des Beklagten nicht
berührt.
Um eine Versammlung handelt es sich, wenn eine Mehrheit von
Menschen zusammenkommt, die den Zweck der Bildung oder Äußerung von
Meinungen verfolgen; dieser gemeinsame Zweck muß die Anwesenden
verbinden (vgl. zur Definition des Versammlungsbegriffs von
Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 4. Auflage, Rdnr. 12 ff zu Art.
8 m.w.N.). Die Vornahme einer dauerhaften, fest mit Grund und Boden
verbundenen Installation, wie sie die vom Beklagten errichtete
"Klagemauer" darstellt, unterfällt diesem Versammlungsbegriff
ersichtlich nicht, geht zumindest über ihn hinaus. Der Umstand, daß
Menschen die "Klagemauer" in Augenschein und zum Anlaß von
Meinungsbildungen nehmen, steht dem nicht entgegen.
Auch wenn man davon ausgeht, daß die vom Beklagten errichtete
"Klagemauer" dem Begriff von "Kunst" im Sinne des Art. 5 GG
unterfällt, ist es dem Beklagten verwehrt, sich auf das Grundrecht
der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG zu berufen. Obwohl die
Freiheit der Kunst nach dem Wortlaut des Grundgesetzes vorbehaltlos
gewährleistet ist, gilt auch dieses Recht nicht schrankenlos. Die
Freiheit der Kunst erstreckt sich nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts "von vornherein nicht auf die
eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden
Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung (sei es im Werk-
oder im Wirkbereich der Kunst). Óberdies enthält das Eigentumsrecht
gleichfalls eine Verbürgung von Freiheit; nach den vom Grundgesetz
getroffenen Wertungen steht es nicht prinzipiell hinter der
Freiheit der Kunst zurück" (vgl. BVerfG in NJW 1984, S. 1293
f).
Art. 2 Abs. 1 GG ist bereits im Hinblick auf die Subsidiarität
des Rechtes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gegenüber
anderen Freiheitsgrundrechten nicht berührt.
Soweit der Beklagte in der Berufungsverhandlung darauf abgehoben
hat, daß der überkommene Eigentumsbegriff in Zeiten sozialen
Umbruchs und aufgrund einer "Entwicklung hin zum monopolisierten
Eigentum einiger Weniger" eine Einschränkung der damit verbundenen
Rechte in Form verstärkter Pflichten zur Duldung verschiedener
Formen des Gemein- oder auch Sondergebrauchs erfahren müsse,
handelt es sich hierbei um ein rechtspolitisches Anliegen, dem
allenfalls der Gesetzgeber entsprechen könnte. Fest installierte,
dauerhafte Einrichtungen wie die sogenannte "Klagemauer" auf im
Eigentum Dritter stehenden Grundstücken werden jedenfalls aufgrund
der derzeit gültigen Rechtslage weder von einem Recht auf
Gemeingebrauch noch von einem Recht auf Sondernutzung gedeckt. Auch
insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug.
Sonstige Umstände, die eine Duldungspflicht der Klägerin
begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Weder die vom Beklagten
vorgetragene Bekanntheit der "Klagemauer" weit über die Grenzen
Deutschlands hinaus noch die vom Beklagten ins Feld geführte
positive Resonanz vieler Menschen auf die "Klagemauer" sind hierbei
rechtlich von Bedeutung.
Die Klägerin braucht deshalb im Ergebnis die Anwesenheit des
Beklagten in der dargelegten Weise auf ihrem Grundstück nicht zu
dulden mit der Folge, daß ihr Räumungsbegehren in der angefochtenen
Entscheidung zu Recht für begründet erachtet worden ist.
2.
Auch der auf Unterlassung gerichtete Klageantrag zu b) ist gemäß
§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet. Der Senat ist ebenso wie das
Landgericht in der angefochtenen Entscheidung der Auffassung, daß
die für einen Unterlassungsanspruch als materielle
Anspruchsvoraussetzung erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben
ist.
Lediglich zur Klarstellung sei an dieser Stelle darauf
hingewiesen, daß der im angefochtenen Urteil unter Buchstabe b)
tenorierte Unterlassungsanspruch nur den Wiederaufbau der im
anhängigen Verfahren in Rede stehenden Klagemauer in ihrer
ursprünglichen Form umfaßt. Dem Beklagten ist danach verboten, das
klägerische Grundstück in der Weise in Besitz zu nehmen, daß er
eine dauerhafte, sich konkret und körperlich durch Herstellung
einer Verbindung mit auf der Domplatte vorhandenen Gegenständen
zeigende Ingewahrsamnahme der Fläche vornimmt. Die Entscheidung ist
indes nicht vorgreiflich für die möglicherweise von den
Verwaltungsgerichten zu entscheidende Frage, ob der Beklagte sich
etwa mit beweglichen Gegenständen, auf denen ähnliche Papptafeln
wie auf der "Klagemauer" angebracht sind, auf der Domplatte
aufhalten darf oder nicht.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10,
713 und 546 Abs. 2 ZPO.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren beträgt 45.000,00
DM. Der Senat orientiert sich bei dieser Festsetzung am Interesse
der Klägerin an der Beseitigung und künftigen Unterlassung der
Beeinträchtigung ihres Grundstücks. Dieses Interesse schätzt der
Senat gemäß § 3 ZPO ebenso wie das Landgericht auf 25.000,00 DM für
den Beseitigungsanspruch und auf 20.000,00 DM für den
Unterlassungsanspruch.