OLG Hamm, Urteil vom 24.07.1984 - 11 U 172/84
Fundstelle
openJur 2012, 72581
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten, die im übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 4. April 1984 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin DM 5.325,95 nebst 21,07 % Zinsen vom 15. März 1983 bis 31. August 1985 und 9 % Zinsen seit dem 1. September 1985 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Beklagte in Höhe von DM 5.325,95, die Klägerin um DM 58,--.

Tatbestand

Die Beklagte lebte von 1976 bis Ende Mai/Anfang Juni 1982 mit dem xxx. Sie ist Hausfrau und Rentnerin. Mit einem am 22. März 1982 bei der klagenden Teilzahlungsbank eingegangenen undatierten Schreiben bat sie darum, xxx 5.000,-- DM zu überweisen. Dabei sicherte sie zu, daß das Geld pünktlich in Monatsraten zurückgezahlt werde. Unter dem 29. März 1982 beantragten die Beklagte und xxx auf einem Formular der Klägerin bei dieser einen Ratenkredit in folgender Höhe:

Beantragter Kredit DM 5.475,--

Restschuldversicherungsbeitrag DM 164,80

Antragssumme DM 5.639,80

Kreditgebühren 0,9% p.M. DM 2.030,40

Bearbeitungsgebühren DM 164,30

Gesamtkreditbetrag DM 7.834,50

Die Beklagte und xxx verpflichteten sich in dem mit xxx überschriebenen Formular zur Rückzahlung des Gesamtkreditbetrages in 40 Monatsraten, beginnend mit dem 1. Mai 1982. Der effektive Jahreszins wurde in dem Formular mit 22,8 % angegeben. Mit einem an xxx gerichteten Schreiben vom 30. März 1982 teilte die Klägerin diesem mit, daß sie dem Kreditwunsch entsprochen und den Kreditbetrag weisungsgemäß ausgezahlt habe. Nach einer auf dem Schreiben befindlichen Kreditabrechnung setzte sich der "beantragte Kredit" von DM 5.475,-- aus einem neuen Kredit von DM 3.000,-- und aus der Ablösung eines Vorkredits in Höhe von restlichen DM 2.475,-- (netto) zusammen. Von dem Schreiben erhielt auch die Beklagte Kenntnis. Am 3. April 1982 wurden per Postanweisung DM 2.981,30 von der Post an xxx ausgezahlt; DM 18,70 hatte die Klägerin für Postgebühren einbehalten. Auch davon erfuhr die Beklagte. Die Barauszahlung war für einen xxx des xxx bestimmt. Bis November 1982 wurden die vereinbarten Kreditraten gezahlt. Am 25. Oktober 1982 gab xxx auf Betreiben eines anderen Gläubigers die eidesstattliche Versicherung ab. Da weitere Ratenzahlungen ausblieben, kündigte die Klägerin den Kredit mit einem an xxx gerichteten Schreiben vom 31. Januar 1983 zur sofortigen Rückzahlung. Sie hat im Anschluß daran ihre Restforderung auf DM 5.383,95 ermittelt. Insoweit wird auf den überreichten Kontoauszug per 10. Februar 1983 Bezug genommen (Bl. 20 der Akten). Die Klägerin hat über diesen Betrag zuzüglich Zinsen und vorgerichtliche Mahnkosten Mahnbescheide gegen die Beklagte und xxx erwirkt. Gegen xxx ist auch am 20. April 1983 Vollstreckungsbescheid ergangen. Im streitigen Verfahren hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung von DM 5.383,95 nebst 21,07 % Zinsen seit dem 1. Februar 1983 verlangt. Die Beklagte hat sich im wesentlichen damit verteidigt, daß mit ihr ein Darlehnsvertrag nicht zustande gekommen sei, weil die Klägerin die Annahme des Darlehnsantrages lediglich gegenüber xxx erklärt habe. Ferner hat sie geltend gemacht, der Darlehnsvertrag sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig.

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie meint weiterhin, daß der Darlehnsvertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig und daß mangels Erklärung der Annahme ihr gegenüber ein wirksamer Darlehnsvertrag nicht zustande gekommen sei. Ferner wendet sie sich gegen die geltend gemachte Zinsforderung, gegen die berechneten Mahnkosten und gegen die Kosten der Anfrage beim Einwohnermeldeamt.

Die Beklagte beantragt,

abändernd die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg

I.

Entgegen der Ansicht der Berufung ist ein wirksamer Darlehnsvertrag auch mit der Beklagten zustande gekommen.

1.

Der Darlehnsvertrag ist nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der der Senat folgt, ist ein Ratenkreditvertrag als wucherähnliches Ausbeutungsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn zwischen den Leistungen des Kreditgebers und den durch einseitige Vertragsgestaltung festgelegten Gegenleistungen des Kreditnehmers ein auffälliges Mißverhältnis besteht und darüber hinaus besondere Umstände vorliegen, die dem Vertrag ein sittenwidriges Gesamtgepräge geben. Vorliegend fehlt es bereits an einem auffälligen Mißverhältnis, so daß eine Sittenwidrigkeit des Darlehnsvertrages nicht in Betracht kommt. Der vereinbarte effektive Jahreszins - berechnet nach der sog. Uniformmethode - beträgt ohne Berücksichtigung der Kosten der Restschuldversicherung 22,83 %. Der marktübliche effektive Jahreszins belief sich zur damaligen Zeit - März 1982 - auf 16,62 %. Da der Vertragszins den Marktzins lediglich um 37,36 % überschreitet, ist die Annahme eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nicht gerechtfertigt.

2.

Nicht haltbar ist die Auffassung der Berufung, daß Nr. 4 Abs. 1 der Kreditbedingungen der Klägerin der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht standhalte und deswegen der gesamte Darlehnsvertrag unwirksam sei. Wie sich aus § 6 Abs. 1 AGBG ergibt, bleibt ein Vertrag bei Unwirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen im übrigen wirksam. Nur unter ganz besonderen Umständen tritt Unwirksamkeit des ganzen Vertrages ein (vgl. § 6 Abs. 3 AGBG). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

3.

Der Berufung kann auch nicht darin gefolgt werden, daß ein Darlehnsvertrag mit der Beklagten nicht zustande gekommen sei, weil die Klägerin das Schreiben vom 30. März 1982 nur an xxx gerichtet habe.

a)

Richtig ist, daß das mit xxx überschriebene Formular nur einen Antrag der Beklagten und xxx auf Abschluß eines Darlehnsvertrages enthielt.

b)

Diesen Vertragsantrag hat die Klägerin auch gegenüber der Beklagten wirksam angenommen. Nach allgemeiner Ansicht kann die Annahme eines Vertragsantrages auch durch konkludente Willenserklärung ausgedrückt werden (Kramer in MünchKomm. z. BGB, 2. Aufl., § 151, Rdnr. 3 ). Die Beklagte hat - ebenso wie ihr damaliger Lebensgefährte xxx - der Klägerin den Abschluß eines Darlehnsvertrages angeboten. Der Darlehnsbetrag sollte ersichtlich xxx zufließen. Das ergibt sich aus dem undatierten, bei der Klägerin am 22. März 1982 eingegangenen Schreiben der Beklagten, in dem diese die Klägerin um ein Darlehen von DM 5.000,-- für xxx bittet (das weitere von der Klägerin erstinstanzlich überreichte Schreiben der Beklagten stammt ausweislich des Eingangsstempels aus dem Jahre 1980 und hat daher mit der vorliegenden Darlehnsgewährung nichts zu tun). Wenn die Klägerin im Anschluß an den ihr zugegangenen Darlehnsantrag der Beklagten und des xxx die Darlehnsvaluta (soweit sie nicht zur Ablösung des Vorkredits benötigt wurde) an xxx auszahlte, wovon die Beklagte alsbald Kenntnis erlangte, weil sie mit xxx zusammenlebte, dann beinhaltete die tatsächliche Auszahlung des Darlehnsbetrages zugleich die Annahme des Darlehnsantrages auch gegenüber der Beklagten. Im übrigen liegen aber auch die Voraussetzungen des § 151 Satz 1 BGB vor. Danach braucht die Annahme dem Antragenden gegenüber nicht erklärt zu werden, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet. Aus einer Vielzahl von Ratenkreditsachen ist dem Senat bekannt, daß die Annahme des formularmäßigen Darlehnsantrages vielfach durch die Auszahlung des Darlehns an den Darlehnsnehmer zum Ausdruck gebracht wird, ohne daß die Annahme ausdrücklich gegenüber dem Kreditbewerber schriftlich oder mündlich erklärt wird. Vielfach sehen sogar die Kreditbedingungen der Teilzahlungsbanken vor, daß der Darlehnsvertrag mit der Auszahlung der Darlehnsvaluta an den Kreditnehmer zustande kommt. Diese Handhabung rechtfertigt die Annahme einer entsprechenden Verkehrssitte. Zumindest sprechen die Umstände dafür, daß die Beklagte und xxx auf eine Annahmeerklärung ihnen gegenüber verzichtet haben. Denn ihnen kam es auf eine baldige Auszahlung des beantragten Kredits an. Eine Annahmeerklärung seitens der Klägerin liegt vor. Sie hat die Darlehnsgewährung, wie dem Darlehnsantrag entnommen werden kann, "genehmigt". Ferner hat sie die Darlehnssumme, soweit sie nicht zur Ablösung des Vorkredits verwendet wurde, ausgezahlt. Deutlicher kann der Annahmewillen nicht betätigt werden. Daß der Darlehnsbetrag - abzüglich der Postgebühren - an xxx ausgezahlt wurde, entsprach dem Willen der Beklagten. Denn nach dem Schreiben der Beklagten von März 1982 sollte der Darlehnsbetrag im Innenverhältnis xxx zur Verfügung stehen. Er hatte, wie die Beklagte bei ihrer Anhörung vor dem Senat angegeben hat, Kreditbedarf, weil er Geld für einen Autokauf benötigte.

II.

Da hiernach der Darlehnsvertrag wirksam zustande gekommen ist, ist auch die Beklagte zur Rückzahlung des Darlehns verpflichtet, wenn das Darlehen gewährt worden ist (§ 607 Abs. 1 BGB). Darüber hinaus liegt ein Vereinbarungsdarlehen vor, soweit der Vorkredit aus der Darlehnssumme abgelöst werden sollte (§ 607 Abs. 2 BGB). Auch insoweit hat sich die Beklagte zur Darlehnsrückzahlung verpflichtet.

1.

Das Bardarlehen hat die Klägerin gewährt. Es ist, wie bereits im anderen Zusammenhang erwähnt worden ist, vereinbarungsgemäß an xxx ausgezahlt worden. Die Beklagte war den Umständen nach hiermit einverstanden.

2.

Die geltend gemachten Mahnkosten von DM 50,-- und die Kosten für die Anfrage beim Einwohnermeldeamt in Höhe von DM 8,-- kann die Klägerin von der Beklagten nicht beanspruchen. Die (bestrittenen) Mahnkosten sind nicht belegt. Die Anfrage der Klägerin beim Einwohnermeldeamt hat sich auf xxx bezogen. Für dadurch möglicherweise veranlagten Kosten hat die Beklagte nicht einzustehen (§ 425 Abs. 2 BGB). Nr. 1 der Kreditbedingungen bietet keine Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung der Kosten der Wohnungsanfrage.

3.

Nach alledem kann die Klägerin von der Beklagten als Gesamtschuldnerin mit xxx Zahlung von insgesamt DM 5.325,95 verlangen. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:

Gesamtkreditbetrag DM 7.834,50

abzüglich Zahlungen DM 1.366,50

abzüglich Rückvergütung von Kreditgebühren DM 1.142,05

DM 5.325,95

III.

Zinsen von diesem Betrag kann die Klägerin in Höhe des (bereinigten) effektiven Jahreszinses von 21,07 % lediglich bis 31. August 1983 fordern, also bis zum Ende der ursprünglich vereinbarten Laufzeit des Darlehens; danach stehen ihr Zinsen lediglich in Höhe von 9 % zu.

1.

Allerdings hat die Klägerin sich nach Nr. 4 Abs. 2 ihrer Kreditbedingungen ausbedungen, daß die nach Rückrechnung verbleibende Restforderung vom Eintritt der Gesamtfälligkeit mit dem vereinbarten Jahreszins verzinst wird, und zwar ohne jede zeitliche Begrenzung. Wie der Senat zwischenzeitlich für eine ähnliche AGB-Klausel in seinem nichtrechtskräftigen Urteil vom 28. Juni 1985 - 11 U 129/84 - entschieden hat, halten Klauseln der vorliegenden Art nur teilweise der Inhaltskontrolle nach § 11 Nr. 5 AGBG stand. Nach dieser Vorschrift ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach den gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt (Nr. 5a) oder dem anderen Vertragsteil der Nachweis abgeschnitten wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale (Nr. 5b). Im vorliegenden Fall ist den Darlehnsnehmern der Nachweis eines geringeren Schadens durch Nr. 4 Abs. 2 der Kreditbedingungen nicht abgeschnitten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der der Senat folgt, braucht eine Schadenspauschalierungsklausel nicht den ausdrücklichen Vorbehalt des Rechts des Gegenbeweises zu enthalten, allerdings darf sich auch aus der Formulierung der Klausel nicht konkludent ergeben, daß der Gegenbeweis ausgeschlossen sein soll (BGH WM 1985, 473, 474 mit weiteren Nachweisen). Durch die hier gegebene Formulierung "berechnet die Bank" will sich der Verwender erkennbar nur die Darlegung der Schadenshöhe erleichtern und seine Beweislage verbessern; dem Kunden soll aber nicht die Möglichkeit des Gegenbeweises genommen werden (BGH a.a.O). Eine Unwirksamkeit der Klausel nach § 11 Nr. 5b AGBG scheidet deshalb aus.

2.

Die Klausel ist aber teilweise nach § 11 Nr. 5a AGBG unwirksam.

a)

Nr. 4 Abs. 2 der Kreditbedingungen der Klägerin beinhaltet die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwender auf Schadensersatz im Falle des Verzuges des Darlehnsnehmers mit der Rückzahlung des Restdarlehens. Die Klausel betrifft sowohl die Zeit bis zum Ende der ursprünglich vereinbarten Laufzeit als auch die Zeit nach dem vorgesehenen Vertragsende. Es handelt sich dabei um zwei verschiedene Regelungsgegenstände, die zwar in einer Klausel zusammengefaßt und dort sprachlich nicht unterschieden sind, sachlich aber doch voneinander getrennt werden können. Der Senat hält es für zulässig und geboten, die Klausel nach den beiden Regelungsgegenständen getrennt einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz zu unterziehen. Es handelt sich dabei nicht um eine (unzulässige) sog. geltungserhaltende Reduktion, sondern um eine differenzierende Beurteilung einer teilbaren Klausel.

b)

Die Klausel ist unbedenklich, soweit sich die Klägerin damit Zinsen in Höhe des vereinbarten Effektivzinses bis zum Ablauf der ursprünglich festgelegten Laufzeit des Darlehns ausbedungen hat. Denn für diesen Zeitraum entspricht der vereinbarte Effektivzins im Rahmen einer zulässigen generalisierenden Betrachtungsweise dem Schaden, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge im Verzugsfall zu erwarten ist.

aa)

Mit der wirksamen Kündigung des Darlehns wird das Schuldverhältnis beendet. Es erlöschen dann auch die beiderseitigen Verpflichtungen zur Erfüllung des Darlehns. Der Darlehnsnehmer hat zwar jetzt das empfangene Darlehn zurückzuerstatten (§ 607 BGB). Er schuldet aber, da das Schuldverhältnis in das Abwicklungsstadium getreten ist, keine Vertragszinsen mehr für die Nutzung des Kapitals.

bb)

Durch eine vom Darlehnsnehmer zu vertretende Kündigung und durch den Verzug mit der Rückzahlung des Darlehns entstehen dem Darlehensgeber Vermögensnachteile, deren Ausgleich dieser beanspruchen kann. Für die ursprünglich vereinbarte Laufzeit entsteht dem Darlehnsgeber ein Schaden insoweit, als er wegen der Vorenthaltung des Darlehenkapitals weiterhin mit den Refinanzierungskosten belastet bleibt; diese fallen bei wirtschaftlicher Betrachtung während der gesamten Laufzeit des Darlehens an, auch wenn die Bank die Refinanzierungskosten im Einzelfall nicht laufend, sondern durch Einmalzahlung oder durch Teilzahlungen in bestimmten Zeitabschnitten aufbringen sollte. Dem Darlehnsgeber entgeht darüber hinaus wegen der vom Darlehnsnehmer zu vertretenden Kündigung und des dadurch bedingten Wegfalls des Anspruchs auf Vertragszinsen der Gewinnanteil, der in den Vertragszinsen typischerweise enthalten ist. Es trifft nicht zu, daß sich der Schaden des Darlehnsgebers lediglich in den Refinanzierungskosten ausdrückt (so allerdings Reifner BB 1985, 87, 91); neben diesem Verzögerungsschaden entsteht vielmehr bei einer hier gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise ein Nichterfüllungsschaden. Dieser liegt im wesentlichen in dem Gewinn, den sich der Darlehensgeber von der Durchführung des Vertrages versprochen hat und der jetzt ausbleibt. Bei vertragsgemäßer Abwicklung wäre dieser Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit der Zahlung der vereinbarten Zinsen dem Darlehnsgeber zugeflossen. Das gilt für die gesamte Dauer der vereinbarten Laufzeit und nicht nur bis zu dem Termin, zu dem der Darlehnsnehmer den Darlehnsvertrag frühestens hätte kündigen können. Für den Ersatz entgangenen Gewinns kommt es auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge an (§ 252 BGB). Nach dem gewöhnlichen Verlauf kann davon ausgegangen werden, daß der Darlehnsnehmer den Vertrag nicht vorzeitig kündigt, sondern über die volle Laufzeit bestehen läßt (so auch Löwisch BB 1985, 959/960).

Gegen den Ansatz des zu erwartenden Gewinns als Schadensposten kann nicht eingewandt werden, mit der Erstattung der Refinanzierungskosten im Rahmen des Schadensersatzes werde die Bank in die Lage versetzt, Kompensationsgeschäfte abzuschließen und sich den entgangenen Gewinn auf diese Weise zu verschaffen (so offenbar Reifner a.a.O. S. 91).

Dabei wird übersehen, daß die Bank ohnehin so viele Kreditgeschäfte abschließt wie sie meint vertreten zu können. Trotzdem entgeht ihr bei dem konkreten, notleidend gewordenen Kreditgeschäft der Gewinn, den sie nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erwarten durfte. Der Bank kann daher nach Auffassung des Senats der Gewinn nicht mit der Begründung vorenthalten werden, sie könne den Gewinnausgleich mit Hilfe der zugebilligten Refinanzierungskosten bei einem anderen Kreditgeschäft suchen (wobei ohnehin nicht sicher ist, daß der anderweitig erzielbare Gewinn dem Gewinn entspricht, der aus dem notleidend gewordenen Kreditgeschäft zu erwarten war). Der hier vertretenen Auffassung entspricht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu AGB-Klauseln, mit denen sich die Bank insbesondere für den Fall, daß ein Darlehen nicht abgenommen wird, die Zahlung einer sogenannten Nichtabnahmeentschädigung ausbedingt (vgl. dazu BGH ZIP 1985, 673, 675 m. w. Nachweisen). Vielfach dient eine solche Nichtabnahmeentschädigung nicht nur der Abgeltung entstandener Aufwendungen der Bank, sondern auch dem Ausgleich des entgangenen Gewinns. Auch insoweit kann die Bank nicht darauf verwiesen werden, sich den ausgebliebenen Gewinn aus der Ausleihung des freigewordenen Darlehnsbetrages zu verschaffen. Die gleichen Überlegungen gelten, soweit mit den Vertragszinsen die allgemeinen Geschäftsunkosten ausgeglichen werden sollten.

Zusammenfassend ist mithin davon auszugehen, daß der Schaden der Bank bei Verzug des Kunden mit der Rückzahlung des Darlehens während der Dauer der vereinbarten Laufzeit typischerweise zum einen in den auf das Darlehnskapital entfallenden Refinanzierungskosten und zum anderen in dem entgangenen Gewinn aus dem gekündigten Vertrag besteht. Nach Auffassung des Senats ist im Rahmen einer zulässigen Schadenspauschalierung der ursprünglich vereinbarte Effektivzins geeignet, diesen Schaden auszudrücken, den der Darlehensgeber nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erleidet, wenn er das Darlehen wegen vertragswidrigen Verhaltens des Darlehnsnehmers - vorzeitig - kündigt und der Darlehnsnehmer die Darlehnssumme dann nicht sofort zurückzahlt.

d)

Soweit die Klausel in Nr. 4 Abs. 2 der Kreditbedingungen der Klägerin im Verzugsfall auch über die vereinbarte Laufzeit hinaus Zinsen in Höhe des vereinbarten Effektivzinses zubilligt, hält sie der Inhaltskontrolle nach § 11 Nr. 5a AGB-Gesetz nicht stand. In diesem Falle übersteigt die Schadensersatzpauschale den Schaden, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten ist. Denn nach Beendigung der ursprünglich vereinbarten Laufzeit des Darlehens besteht der Schaden wegen der Vorenthaltung der Darlehenssumme (und etwaiger anderer Beträge) typischerweise nur noch in den Refinanzierungskosten, die erheblich unter dem vereinbarten effektiven Jahreszins liegen können. Als Schaden kommt ein entgangener Gewinn nach Ende der vereinbarten Laufzeit nicht in Betracht. Denn es ist davon auszugehen, daß die darlehnsgewährende Bank sich bei Verzug des Kunden mit der Darlehensrückzahlung anderweitig refinanziert und auf diese Weise die Möglichkeit kompensiert, mit dem von dem Kunden geschuldeten Betrag gewinnbringend zu arbeiten.

3.

Der teilweise Wegfall der Klausel Nr. 4 Abs. 2 der Kreditbedingungen führt indes nicht dazu, daß die Klägerin lediglich Verzugszinsen in Höhe von 4 % beanspruchen könnte (§ 288 Abs. 1 BGB). Vielmehr kann die Klägerin grundsätzlich für die Zeit nach der ursprünglich vereinbarten Laufzeit des Darlehens - also ab 1. September 1985 - nach § 288 Abs. 2 BGB Verzugszinsen in Höhe eines marktüblichen und tragbaren Wiederanlagezinses verlangen. Der Senat schätzt diesen Zins in ständiger Rechtsprechung anhand der in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen durchschnittlichen Sollzinssätzen für Kontokorrentkredite unter 1 Mio. DM. Er beträgt hier 9 %. Der Ausspruch über die künftig fällig werdenden Verzugszinsen ist nach § 258 ZPO zulässig (vgl. auch Wilczorek, ZPO, 2. Aufl., § 258 Anm. B II).

Zutreffend hat das Landgericht der Klägerin Verzugszinsen ab 15. März 1983 zugesprochen. Verzug der Beklagten mit der Rückzahlung des Restdarlehens ist mit der Zustellung des Mahnbescheids xxx eingetreten. Der Zugang des Mahnbescheids enthält zugleich die fristlose Kündigung des Darlehens.

IV.

Hiernach ist das angefochtene Urteil in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

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